Deutschlands 9/11

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Deutschland erlebt gerade eine Zeitenwende. Damit sind nicht die 100 Milliarden Euro gemeint, die jetzt und in Zukunft für den unsere Existenz gefährdenden Ukrainekrieg im Kanonenofen verbrannt werden. Der Stichtag, von dem ich spreche, ist der 26. September 2022, der Tag, an dem die Nord Stream-Pipelines am Meeresgrund gesprengt wurden.

Seit diesem Datum sollte jedem Bundesbürger klar sein, was er von der außenpolitischen Souveränität des Staates zu halten hat, in dem er lebt, wie das Militärbündnis beschaffen ist, dessen Mitglied auf Gedeih und Verderb Deutschland ist, und welche Wertschätzung unsere angeblichen Alliierten für unser Land empfinden.

In den diplomatischen Kreisen des Westens gilt jetzt die Regel, dass man über die Nord Stream-Explosionen zu schweigen hat. Wer gegen das Omerta Gebot verstößt, zeigt, dass er nicht auf Linie ist und muss die Folgen tragen.

Kurz nach den Explosionen wurde in den westlichen Konzernmedien flächendeckend die Vermutung ventiliert, dass Putin seine eigene Pipeline in die Luft gejagt habe, um das westliche Bündnis zu schädigen. Diese Version war von Anfang an lächerlich, aber das hielt unsere Konzern- und Staatsmedien nicht davon ab, sie zu verbreiten. Das Kalkül lautete offenbar: wenn man laut genug und ausdauernd genug schnatterte, würde vielleicht niemand mit der Beobachtung durchdringen können, dass der Kaiser keine Kleider an hat.

Als Seymour Hersh dann am 15. Februar seinen bahnbrechenden Artikel veröffentlichte, waren die westliche Politik und die angeschlossenen Funkhäuser für einen Moment sprachlos. Niemand hatte damit gerechnet, dass die Operation Nord Stream medial so schiefgehen könnte. Die Reaktion auf das Desaster war der konzertierte Beschuss mit der Güllekanone. Seymour Hersh wurde als alternder Blogger denunziert, der in letzter Zeit oft daneben gelegen habe. Das ist eine Frechheit, die wir uns alle verbitten sollten. Karrieristen und Opportunisten glauben, uns für dumm verkaufen zu können. Wenn es Orden für investigativen Journalismus gäbe, sähe Seymour Hersh aus wie der Diktator einer Bananenrepublik. Er hat unter anderem My Lai, die Operation Jennifer, die Mordanschläge der CIA auf unerwünschte Staatsoberhäupter, das israelische Atomwaffenprogramm, das Foltergefängnis Abu Greibh an die Öffentlichkeit gebracht.

Hersh hat auch nicht, wie sofort behauptet wurde, nur eine einzige Quelle. Aber er hat offenbar einen Informanten aus den Geheimdiensten, dem die kriminelle Dreistigkeit seiner Regierung zu weit ging, der ihre Folgen fürchtet und deswegen die Notbremse der Veröffentlichung zog. Denn eine Politik, die Aktionen wie die Nord Stream-Sabotage durchführt, könnte die NATO gefährden, die Zusammenarbeit der westlichen Staaten und sogar die weltweite Vormachtstellung der USA.

Um in dieser Situation entschlossen und vernünftig zu reagieren, müssten viele Citoyens in Entscheidungspositionen bereit sein, selbstständig ihren gesunden Menschenverstand zu nutzen, und sich nicht von absurden Coverstories verwirren zu lassen. Obwohl diese nun eine nach der anderen in die Öffentlichkeit gepumpt werden, mit der Absicht, das Publikum durch eine Vielzahl ausnahmslos falscher Wegweiser zu täuschen. Jetzt sind die Erwachsenen gefragt. Unsere Regierung gehört nicht in diese Kategorie. Das sind Zustände, wie es sie in Deutschland noch nicht gegeben hat.

Ich wünsche Ihnen gute Orientierung und unbeschränkte Souveränität über ihre Gedanken.

Ihr Dirk Pohlmann