02/2017
Magazin
Die neuen Mächtigen
Veröffentlichte Meinung
Als vor Jahrzehnten das erste Mal einer meiner Artikel im Fernsehen zitiert wurde, war ich stolz wie der Papst; genau so wie mein Redakteur, und das Ergebnis wurde in der Redaktion mit einem Gratisbier gefeiert. Damals gab es etliche Zeitungen in Dänemark, die alle untereinander konkurrierten, und nur die beste Artikel wurden dann für die Tagesschau im Fernsehen ausgewählt. Aus einer journalistischen Vielfalt entstanden jeden Tag die Nachrichten für das Fernsehen und was im Fernsehen ausgestrahlt wurde, war am nächsten Tag Diskussionsthema im ganzen Land. So hat sich die öffentliche Meinung gebildet.
Heute ist alles umgekehrt. Was im Fernsehen ausgestrahlt wird, wird am nächsten Tag massiv in den Printmedien und Radiosendungen erweitert. Es wird von Politikern und Journalisten fleißig kommentiert und die öffentliche Meinung bildet sich daraufhin. Die Verbindung mit der Wirklichkeit ist schon längst verloren gegangen. Auf Grund einer Fernsehausstrahlung wird jetzt Politik gemacht, und die öffentliche Meinung wird dann noch mehr durch Facebook und Twitter manipuliert.
Es ist belegt, dass viele Facebook- und Twitter-Kampagnen eben nicht von „richtigen“ Menschen gemacht werden, sondern von automatisierten „Bots“, die dann als Tausende von individuellen Profilen erscheinen. Während der Eskalation der Ukraine-Krise waren Tausende von solchen Bots tätig. Schon vor dem Maidan hatten sie sich Hunderttausende von „Followern“ aufgebaut. Als die Lage eskalierte, streuten die Bots auf einmal politische Botschaften in Zehntausenden von Beiträgen ein – und diese Botschaften kamen von ganz rechts außen.
Diese massive Menge von Posts verbreitet sich durch „Likes“ und Teilen – oft auch automatisiert und organisiert– wie einen Steppenbrand. Und wenn dann diese Kampagne im Fernsehen als eine echte Reaktion der Bevölkerung präsentiert worden ist, hat man die vollkommene Manipulation; die veröffentlichte Meinung.
Vieles an „Germany welcomes refugees“ war eine veröffentlichte Meinung. Die „Merkel must go“-Kampagne war eine veröffentlichte Meinung. Wir wissen gar nicht mehr, was wir diskutieren. Sobald ein trauriges Ereignis im Westen stattfindet, fliegen Landesflagge und „Je Suis“-Kampagnen überall im Netz herum und werden sofort im Fernsehen als Reaktion der Öffentlichkeit bestätigt. Wenn unsere Nachbarn in St. Petersburg von einem Terroranschlag betroffen sind, ist alles still. Der Unterschied ist auffällig und deutet darauf hin, dass auch dieses Verhalten inszeniert ist.
Das Theater um Trump und Clinton wurde von beiden Seiten mit allen Mitteln in den sozialen Medien gepusht, und fast jeden Tag hatten die Mainstreammedien diese Kampagnen in ihre Berichterstattung übernommen. Man hatte den Eindruck, dass die Wahlen das Einzige waren, was die Amerikaner interessiert hat und das Thema Trump läuft auch jetzt noch weiter.
Auch dies ist nicht die öffentliche Meinung. Rund 40 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner haben keine Stimme abgegeben, sie wollten also keine der beiden Marionetten am Ruder. Dazu kommen noch Millionen, die nicht einmal als Wähler registriert sind.
Darüber reden wir aber jetzt gar nicht. Die öffentliche Meinung ist schon veröffentlicht.
Jetzt geht es darum, kritische Beiträge aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, die „Facebook-Polizei“ ist schon in Betrieb, und unerwünschte Kommentare und Fragen werden ab sofort automatisch in den Leitmedien gelöscht. Dies ist die zweite und letzte Stufe einer Entwicklung, die dann endgültig und völlig die Bildung der öffentlichen Meinung und der politischen Realität übernehmen wird.
Berichterstattung auf Papier ist deswegen wichtiger als je zuvor. Also – Power to the paper!
Tommy Hansen, Chefredakteur