06/2023

Magazin

GAZA

©Shooft

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Tod von 1200 Israelis und 20.000 Menschen in Gaza, 70% davon Frauen und Kinder, wird den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern bringen. Klingt dieser Satz für Sie vernünftig?

International nimmt nach einer Welle der Solidarität mit Israel nach dem Massaker der Hamas das Entsetzen angesichts der israelischen Stellungnahmen und Taten zu. Es gibt erstaunlich viele Analogien zu 9/11.

Die oft beschworene „Internationale Gemeinschaft“ der UNO beurteilt den Konflikt im Nahen Osten ganz anders als die USA, die mit Israel, Österreich und 11 weiteren Ländern gegen eine Resolution stimmte, die einen „sofortigen, dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenstillstand, der zu einer Einstellung der Feindseligkeiten führt“ forderte. Frankreich und Spanien sowie 138 weitere Länder stimmten für die Resolution. Deutschland enthielt sich mit 43 weiteren Ländern – und wurde selbst dafür von Israel scharf kritisiert.

Die New York Times schrieb am 26. November, dass in 20 Tagen in Gaza so viele Zivilisten getötet wurden, wie in zwei Jahren Ukrainekrieg. Die Anzahl der getöteten Zivilisten pro Tag sei eine der höchsten, die aus der Geschichtsschreibung bekannt sei.

Der globale Süden ist angesichts der Doppelmoral des Westens immer weniger auf Linie zu halten. Im Ukrainekrieg waren durch Angriffe der Ukraine seit 2014 14.000 Menschen getötet worden, was der Westen kaum thematisierte oder verurteilte, sondern mit den verlogenen Fake-Verhandlungen von Minsk beant­wortete. Ein Beispiel für die Erosion der Gefolgschaft ist Südafrikas Parlament, das sich entschied, die diplomatischen Beziehungen mit Israel abzubrechen. Genau wie der Tschad. Insgesamt 35 afrikanische Staaten stimmten trotz erheblichen Druckes der USA für die Resolution. Kein einziger afrikanischer Staat stimmte gegen die Resolution.
Nur eine Verständigung auf Augen­höhe kann den Frieden für Israelis und Palästinenser bringen. Klingt dieser Satz für Sie vernünftig?

Im November besuchte ich die Feier zum 20jährigen Bestehen der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“, das sind Kritiker der israe­­lischen Besatzungspolitik. Ich war Zeuge eines Programms, dessen Musik und Theaterdarbietungen sowie Reden mich begeisterten, es war höchstes Niveau, künstlerisch und intellektuell. Im Saal hingen Bilder des palästinensischen Malers Mohammed Al-Hawajri aus Gaza, die von den üblichen Verdächtigen auf der Dokumenta als antisemitisch kritisiert wurden. Ich wäre gerne ein Mitglied dieser scharfsinnigen, humanistischen und dissidenten Organisation, die – im schönsten Sinne – jüdisch ist.
Veranstaltungsort war das Oyoun, ein Kulturzentrum von jungen migrantischen und antikolonialen Menschen, die sich mit der LGBTQ-Bewegung solidarisieren oder ihr angehören. Sie wurden von staatlicher Seite unter Druck gesetzt, die Veranstaltung abzusagen – und widerstanden mit bewunderswertem Mut. Jetzt droht ihnen die Schließung, die Grüne Fraktion hat das Oyoun wegen der Veranstaltung als antisemitisch tituliert und Berlins CDU-Kultursenator Joe Chialo hat unter dem Beifall der AfD angekündigt, die Förderung einzustellen.

Die Veranstaltung im Oyoun erschien mir – im schönsten Sinne – zukünftig. Ich musste an den Schluss von Schillers „Bürgschaft“ denken: »So nehmet auch mich zum Genossen an: Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte!«

Wer wie ich das Oyoun unterstüzen will, es gibt einen offenen Brief zur Rettung des Kulturzentrums: https://oyoun.de/
Wer wie ich die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ unter­stützen will: https://www.juedische-stimme.de/

Zum Weihnachtsfest die besten Wünsche!
Dirk Pohlmann, Chefredakteur Free21

Inhalt der Ausgabe

  • Warum Israel die Hamas geschaffen hat

    Warum Israel zur Gründung der Hamas beigetragen hat Seit der Gründung der Hamas im Jahr 1987 haben israelische, amerikanische und palästinensische Beamte wiederholt zugegeben, dass Israel tatsächlich zur Gründung und Finanzierung der islamistischen Gruppe beigetragen hat. Viele dieser Beamten behaupten nicht, dass Israel den Aufstieg der Hamas „erlaubt“ habe oder dass […] Weiter lesen

  • „Lehrbuchbeispiel für Genozid“

    AMY GOODMAN: Dies ist der Kriegs- und Friedensbericht von Democracy Now! auf democracynow.org. Ich bin Amy Goodman. Ein hochrangiger Beamter der Vereinten Nationen in New York ist zurückgetreten und hat die Vereinten Nationen beschuldigt, nicht gegen das vorzugehen, was er als ein „Lehrbuchbeispiel für Genozid“ bezeichnet, welcher sich in Gaza abspielt. […] Weiter lesen

  • Netanjahu missbraucht die Bibel, um US-Evangelikale zu beeindrucken

    Diese pseudo-religiöse Auslegung mag alle außer seiner ultrarechten religiösen Anhänger, sowohl jüdische als auch christliche Zionisten, verwirrt haben. Netanjahu fuhr fort: „Wir erinnern uns, und wir kämpfen … unsere Soldaten sind Teil eines Erbes jüdischer Krieger, das 3.000 Jahre zurückreicht.“ Was vielen als befremdlich erschien, war eine sehr bewusste religiöse Rechtfertigung […] Weiter lesen

  • Über 110 Millionen Menschen wurden gewaltsam vertrieben

    Nach neuen Daten der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen (UNHCR) wurden bis Juni 2023 über 110 Millionen Menschen gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben. Dem in dieser Woche veröffentlichten „Mid-Year Trends“-Bericht der Kommission zufolge wird mittlerweile mehr als einer von 73 Menschen auf der ganzen Welt gewaltsam vertrieben und fast 90% davon leben […] Weiter lesen

  • Die Ermordung Tausender Kinder lässt sich nur bedingt durch Propaganda schönreden

    Die Sache ist die, dass man die Ermordung Tausender Kinder nur bedingt propagandistisch aufbereiten kann. Bei anderen imperialen Militäraktionen hatten es die Propagandisten leichter Storys zu konstruieren. Oh nein, diese bösen Kommunisten übernehmen Südvietnam, wir müssen sie aufhalten! Oh nein, Saddam hat Massenvernichtungswaffen, wir müssen ihn kriegen! Oh nein, Gaddafi wird […] Weiter lesen

  • Wie eine aussichtsreiche Friedensregelung des Ukraine-Krieges verhindert wurde

    Im März 2022 hatte es im Zuge von Verhandlungen zwischen der ukrainischen und russischen Seite ernsthafte Chancen gegeben, den Krieg zu beenden. Die Verhandlungen wurden jedoch nicht zum Abschluss gebracht, weil einige Staaten des Westens drängten, den Krieg fortzusetzen, während der ukrainische Präsident Selenskyj ihn beenden wollte. Die Verhandlungen waren Anfang […] Weiter lesen

  • Armeniens düstere Zukunft

    Der über dreißigjährige Krieg um Berg-Karabach (armenisch: Arzach) ist entschieden. Nach der Eroberung durch Aserbaidschan leben so gut wie keine Armenier mehr in dieser Region. Erstmals seit drei Jahrtausenden. – Aber Ilham Alijews Hunger scheint immer noch nicht gestillt. Für die meisten Menschen in Europa sind Armenien und Berg-Karabach weiße Flecken […] Weiter lesen

  • Deutschland hat eine historische Schuld gegenüber dem palästinensischen Volk

    Für den modernen deutschen Staat bedeutet Verantwortung, den Staat Israel als den primären Vertreter des jüdischen Volkes anzusehen. Es bedeutet, ernsthafte Kritik an Israels Behandlung der Palästinenser zu vermeiden. Deutschland lehnt es ab, rückblickend zu bewerten, wie das Land durch ethnische Säuberung gegründet wurde und stellt sich sicherlich nicht aktiv gegen […] Weiter lesen

  • Das Schicksal des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro

    Das „Secret Team“ war eine Gruppe aus CIA-Agenten unter der Leitung von Theodore Shackley, dem „Blonden Geist“ der CIA, die in den 1970er und 1980er Jahren an den skandalösesten außenpolitischen Interventionen der USA beteiligt war [1]. Darunter die „Oktober-Überraschung“ („October Surprise”) und die Iran-Contra-Affäre. Nun wurde durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Italien […] Weiter lesen