05/2022

Magazin

Schrott in Dosen

©Shooft

„Noch ein Jahrhundert Zeitungen – und alle Worte stinken.“ (Friedrich Nietsche)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

sind Sie sind alt genug, sich noch an die Zeiten zu erinnern, als Redefreiheit und Pressefreiheit als unverzichtbarer Kernbestand der westlichen Welt galten? Das war zu Zeiten des Kalten Krieges. Als er zu Ende war und die Mauer fiel, als der freie Westen triumphierte, begann der Verfall des Journalismus. Erst langsam, dann immer gründlicher. Wie ist das möglich? Dreiunddreißig Jahre später sind wir mitten im Neuen Kalten Krieg, der alles andere als kalt ist, eine atomare Konfrontation ist nicht mehr undenkbar, sie wird regelrecht herbeiberichtet.

Von Medien, die darauf bestehen, ganz den Normen des Westens zu entsprechen. Niemand knechtet sie, ihre Mitarbeiter können berichten, wie sie wollen. Die Medien sind so frei wie der Finanzkapitalismus, zu dem sie gehören. Mit diesem Satz dürfte ein Teil des Problems benannt sein. Die Medien selbst sehen allerdings kaum Schwierigkeiten. Sicher, hier und da gibt es ein paar Probleme, wie überall, vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Korruption, Geldverschwendung, Veuve Clicquot. Aber: Patricia Schlesinger, die ehemalige rbb- und ARD-Intendantin, angeblich die Alleinschuldige – wie es dazu kommen konnte, dass sie berufen wurde, ist ein Rätsel, aber wenn sie beseitigt ist, wird alles wieder gut. Sagt uns die ARD. Und glaubt es selbst nicht.

Es ist die Stunde der privaten Sender, angeführt von Axel Springer SA – sie warnen uns vor den Gebührenmonstern, die uns aussaugen. Sie beweinen mit uns die Zwangsgebühren. Wer zweifelt daran, dass alles besser wird, die Berichterstattung kritischer und vielgestaltiger, wenn der Springer-Milliardär Mathias Döpfner den Marktanteil von ARD und ZDF übernommen hat und Imperator der Sendewellen ist? Nun, ich zum Beispiel.

Es ist etwas faul im Mediensystem, ganz grundsätzlich. Das bemerken viele meiner altgedienten Kollegen. Die Berichterstattung über Corona und den Ukrainekrieg beweisen es uns jeden Tag. Obwohl es keine Gleichschaltung gibt, ist das Ergebnis das gleiche, als ob es sie gäbe. Die Berichte sind auf NATO- und Regierungslinie, wie einst im Reich. Was diese schleichende Änderung bewirkt hat ist gar nicht so einfach zu benennen.

Die Coverstory dieser Ausgabe tut es. Es ist die beste Bestandsaufnahme, die ich kenne. Dass sie von einem amerikanischen Kollegen stammt, belegt, dass es sich nicht um ein deutsches, sondern ein internationales Problem handelt.

Erinnern Sie sich noch an die „Integrity Initiative“? Ein zynischer Name für eine Form systematischer Staatspropaganda, für eine britische Geheimdienstoperation. In den europäischen Ländern sollten ausgesuchte Gruppen von Journalisten, akademischen „Experten“, Politikern und Militärs gebildet werden, die sofort in Minutenschnelle gemeinsam zur Stelle wären, um mit anti-russischen „Berichten“ die Nachrichtenlage zu dominieren. Ausgewählte Journalisten würden ausgewählte „Experten“ befragen und der Zuschauer oder Leser würde es für Qualitätsjournalismus halten. Als Leiterin für Deutschland war Marie Luise Beck vorgesehen. Ihr wurde gerade von Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Einundzwanzig europäische Organisationen, mit hunderten von Mitarbeitern, beschäftigen sich jetzt in der EU mit dem Kampf gegen Corona und russische Propaganda, den großen Gefahren. Ich habe vor etwas anderem Angst. Genau deshalb wünsche ich Ihnen erkenntnisreiche Lektüre der nunmehr 45. Ausgabe des Free21-Magazins.

Dirk Pohlmann, Chefredakteur Free21

Inhalt der Ausgabe

  • Der historische Zusammenbruch des Journalismus

    Ich bin nie über eine Geschichte hinweggekommen, welche die New York Times in ihrem Sonntagsmagazin [1] im Mai 2016 veröffentlichte. Vielleicht erinnern Sie sich an den Anlass. Es handelte sich um ein ausführliches Profil von Ben Rhodes, dem Chefberater der Obama-Regierung für „strategische Kommunikation“. Geschrieben wurde es von einem Reporter namens […] Weiter lesen

  • SPIEGEL, FAZ und Tagesschau als Schild und Schwert der Grünen

    Annalena Baerbock hatte vergangene Woche in ihrer Funktion als Außenministerin bei einem Forum in Prag erklärt, dass sie so lange wie nötig auf Seite der Ukraine stehen werde, „egal, was meine deutschen Wähler denken“. Diese, sagen wir, mindestens ungeschickte Aussage hatte insbesondere in den Sozialen Medien, angesichts des damit zum Ausdruck […] Weiter lesen

  • Strategischer Fehler Moskaus

    Eigentlich hasse ich den Satz „Ich hab’s ja gesagt“, aber nun verwende ich ihn selbst. Meine Leser wissen es: Seit vielen Jahren bin ich besorgt über Russlands Duldung endloser Beleidigungen und Provokationen, weil sie zu weiteren und noch schlimmeren Provokationen ermutigt. Und irgendwann werden rote Linien überschritten, was zu einem direkten […] Weiter lesen

  • 1944 prügelten sie Juden zu Tode, 1945 wurden sie Amerikas beliebteste „Freiheitskämpfer”…

    „Der Terror wird nicht nur ein Mittel der Selbstverteidigung sein, sondern auch eine Form der Agitation, die Freund und Feind gleichermaßen betreffen wird, unabhängig davon, ob sie es wollen oder nicht.“ [Zitat aus einer Broschüre der UVO (faschistische ukrainische Militärorganisation) aus dem Jahr 1929] Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs machten sich […] Weiter lesen

  • Israels „Hintertür“ ins Silicon Valley

    Dies ist Teil II der Serie „Das Geschäft der Familie Maxwell: Spionage“ und konzentriert sich auf Isabel Maxwell. Teil I finden Sie hier [1]. 1992, als Yigal Erlich seine Position als leitender Wissenschaflter des isaelischen Industrie- und Handelsministerium seine Position aufzugeben plante, rief die israelische Regierung auf sein Drängen hin das […] Weiter lesen

  • Pandoras Maskenball

    Nun, dieser Beitrag stammt aus der führenden Zeitung des englischen Establishments, dem dem Deep-State nahestehenden Daily Telegraph [1]: „Dies ist der Sommer vor dem Sturm. Täuschen Sie sich nicht: Mit dem Anstieg der Energiepreise auf ein nie dagewesenes Niveau, stehen wir vor einem der größten geopolitischen Erdbeben seit Jahrzehnten. Die darauf […] Weiter lesen

  • Im Gedenken an unsere Freunde am 11. September 2001

    Der erste führende Politiker der Welt, der Präsident George W. Bush nach dem 11. September anrief, war Wladimir Putin. Tatsächlich hatte er Bush zwei Tage zuvor, am 9. September, angerufen, um ihn zu warnen, dass er aufgrund der sich entwickelnden Ereignisse, die er im Umfeld beobachtet hatte, „eine Vorahnung habe, dass […] Weiter lesen

  • Der niemals endende Kampf

    Vor 77 Jahren, am 6. August 1945, einem Montag um 8 Uhr 16 Ortszeit, wurde erstmals eine Atombombe über belebtem Gebiet gezündet – sie explodierte mit einer Hitzeentwicklung von fast 4.000 Grad Celsius 580 Meter über dem Shima-Krankenhaus der japanischen Stadt Hiroshima, in der am Katastrophentag um die 400.000 Menschen lebten, […] Weiter lesen

  • Deutschlands Energie-Selbstmord

    Als der grüne Fanatiker Robert Habeck, der als deutscher Wirtschaftsminister posiert, Anfang dieser Woche sagte, dass „wir“ in Bezug auf die Energiesicherheit „mit dem Schlimmsten rechnen müssen“, vergaß er bequemerweise zu erwähnen, dass diese ganze Farce eine Krise Made in Germany und Made in Brüssel ist. Zumindest in einigen seltenen, westlichen […] Weiter lesen

  • Das gefährlich einfältige Bild des Westens von Russland und China

    Die Welt steht nicht zuletzt deshalb am Rande einer nuklearen Katastrophe, weil die politischen Führer des Westens versagt haben, die Ursachen der eskalierenden globalen Konflikte offen auszusprechen. Das gnadenlose westliche Narrativ, dass der Westen edel und Russland und China bösartig seien, ist einfältig und höchst gefährlich. Es ist der Versuch, die […] Weiter lesen