Stolz und Vorurteil in Skandinavien (1):

Drag Queen Story Hour

In Anlehnung an ein bekanntes chinesisches Diktum lässt sich festhalten, dass wir in interessanten Zeiten leben. Eines der aufsehenerregensten Phänomene dieser Tage ist die zunehmende Normalisierung von Verhaltensmustern, die in nicht allzu ferner Vergangenheit sehr eindeutig – negativ – konnotiert bzw. auf Randgruppen weitgehend begeschränkt waren: Tätowierungen oder die zunehmende Sexualisierung von Minderjährigen durch sowohl die Bekleidungsindustrie („Big Clothing“) als auch Unterhaltungsprogramme für Erwachsene („Drag Queen Story Hour“), die nun immer öfter für Kleinkinder „angeboten“ werden. Teil 1 einer eingehenden Reportage, wie diese Phänomene dieser Tage in Nordeuropa „einschlagen“.

Von Published On: 9. Juli 2023Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 14.06.2023 auf www.tkp.at unter der URL <https://tkp.at/2023/06/14/stolz-und-vorurteil-in-skandinavien-1-drag-queen-story-hour/> veröffentlicht. Lizenz: Assoc. Prof. Dr. Stephan Sander-Faes, tkp, CC BY-NC-ND 4.0

Drag Queen Märchenstunde mit Meesha Perú, 8.9.2018. (Foto: Multnomah County Library, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Am 12. Juni 2023 war es schließlich so weit: Auf Einladung des Grünen Parlamentsklubs trat Drag Queen Candy Licious im österreichischen Parlament auf [1] und nahm an der Seite von Sigi Maurer an der heiß umkämpften „Drag Queen Story Hour“ teil [2]. Anzuführen, dass derartige Veranstaltungen „kontrovers“ sind, ist vermutlich eine, wenn nicht die Unterstellung des Jahres.

Wiewohl es recht einfach ist, über eine Politikerin wie Maurer Informationen zu finden, so ist dies schon weitaus schwieriger, wenn die erwähnte Drag Queen Candy Licious in den Fokus rückt. Zwar finden sich durchaus einige Hinweise (etwa hier: [3], hier: [4] oder hier: [5]), doch bieten diese wenig bis keine Hintergründe.

Hier in Norwegen ist das Thema just diesen Juni hoch präsent: Regenbogenfahnen sind überall, „Pride“ – besser: „Stolz“ – sind in aller Munde und täglich bringen die „Leit- und Qualitätsmedien“ mehrere einschlägige Beiträge.

Im Vergleich mit den „Leit- und Qualitätsmedien“ im deutschsprachigen Raum fällt jedoch auf, dass die Berichterstattung in Norwegen durchaus ausgewogener, wenn auch keineswegs 50 : 50 verteilt ausfällt. (Die Schweiz, so viel sei hier vermerkt, ist eher wie Skandinavien, betreffend die Vielfalt der Beiträge zu diesem Thema.)

Hier finden Sie nun Auszüge (in meiner Übersetzung und mit meinen Hervorhebungen) von zwei Beiträgen, die hier in Norwegen erschienen sind: Einerseits ein langer, aufwändig gestalteter Artikel mit dem Titel „Dragkampen um barna“ [6] (etwa: „Drag-Kampf um die Kinder“), der am 3. Juni 2023 in der Osloer Zeitung Aftenposten erschien. Verfasst von Monica Strømdahl und Kari Mette Hole, dokumentiert der rund 2.000 Worte starke Beitrag die norwegischen Spezifika des aktuell sehr intensiven Kulturkampfs um die „Drag Queen Story Hour“ am Beispiel von Nabi Yeon Geisha.

Um die Beweggründe besser zu verstehen, habe ich zudem einige Auszüge aus einem Interview bzw. Porträt der Person „dahinter“ übersetzt, das Martin Næss Kristiansen mit Remi Johansen Hovda (heute 31 Jahre alt) vor rund zwei Jahren geführt hat und am 11. Juni 2021 im Dagsavisen unter dem Titel „Er både Remi og eventyrdronning“ [7] (etwa: „Sowohl Remi als auch Märchenkönigin“) veröffentlicht wurde.

Kinderunterhaltung mit Drag-Shows, aber nicht alle applaudieren

Knapp weniger als ein Dutzend Kindergartenkinder und Volksschüler haben sich zu einem Auftritt von Hovda im Nygårdsjøen Oppvekstsenter knapp 20 km südlich der nordnorwegischen Stadt Bodø eingefunden. Eingerahmt mit stimmungsvollen Bildern, lassen Strømdahl und Hole gleich zu Beginn die Drag Queen zu Wort kommen:

Mein Name ist Nabi Yeon Geisha, und ich bin eine echte Königin. Nicht wie Königin Sonja, sondern eine Drag Queen! So sehen wir Drag-Queens aus. Mit Farbe in unseren Kleidern und Haaren – und ein bisschen Make-upʻ, erklärt die Geisha lächelnd.“

Von den an Banalitäten und verzerrt wiedergegebenen historischen Realitäten abgesehen, zeichnet die Reportage ein durchaus ambivalentes Bild [8]:

„Der Drag-Künstler Remi Johansen Hovda (31) ist heute zum zweiten Mal in der Schule. Er wurde vom Kulturrucksack im Landkreis Nordland angeheuert, um mit dem Konzept Dronningtimenʻ [etwa: Königinnenstundeʻ, Anm.] auf Tournee zu gehen. Dort erzählt er Märchen aus seiner eigenen Feder mit einem queeren Twist und ermutigt die Kinder, sie selbst zu sein…

An diesem Tag hören die Kinder die Geschichte von dem kleinen Jungen Tio. Die anderen in der Klasse nennen ihn einen Mädchenjungen, weil er eine Fernsehserie mag, von der sie glauben, sie sei für Mädchen. Zum Glück hat die Geschichte ein glückliches Ende.“

Wir erfahren also, dass Hovda selbst verfasste „Märchen“ – Phantasiegeschichten – vorliest, nicht aber, wie die erwähnte Geschichte von Tio. Offenkundig handelt es sich dabei um eine „queere“ Erzählung, die aber „ein glückliches Ende“ hat, wie Strømdahl und Hole anführen; Details über Inhalte aber bleibt Aftenposten schuldig.

Auf Fragen der Kinder – u.a., „Ist es dein Job, dich wie eine Dame zu verkleiden?“ – wird Hovda wie folgt zitiert:

Ich habe gemerkt, dass man Vorurteilen am besten begegnet, indem man ehrlich auf ihre Fragen antwortet. Und ich sage, dass ich ein Schauspieler bin, der sich als Drag Queen verkleidet.“

Hovda ist aber nicht „nur“ Schauspieler, sondern wird von der Osloer Stadt­universität als Assistenzprofessor geführt [9], dessen einzige (!) angeführte Schrift aus 2015 stammt, den Titel „Den stygge Andy“ [10] (etwa: „Der hässliche Andy“) hat, lediglich 9 Seiten umfasst und über ein Kunstprojekt zum Thema Travestie unter kanadischen Soldaten im 2. Weltkrieg handelt.

In sozialen Medien ist Hovda hingegen sehr aktiv, enthält dessen Instagram-Account [11] neben einschlägiger Fotografien u.a. Hinweise auf das „Oslo Drag Festival“ und den „Oslo Fagottkor“ (etwa: „Osloer Schwulenchor“). Wenn Sie den Link zu Hovdas Instagram-Account anklicken (möchten), achten Sie bitte darauf, dass Minderjährige diese Inhalte nicht sehen sollten.

(Screenshot: https://www.instagram.com/teaterremi/)

Exkurs: Wer aber ist „Geisha Hovda“?

An dieser Stelle wenden wir uns dem rund zwei Jahre alten Interview mit Hovda zu, das im Dagsavisen erschienen ist. Kristiansen eröffnet sein Interview mit der folgenden Feststellung bzw. Frage:

“Mit Drag Queens verbinde ich durchtrainierte Damen mit männlichen Gesichtszügen, die im Süden [Anm.: für Norweger ist „Süden“ der generische Ausdruck für den Sommerurlaub am Strand] einschlägige Shows veranstalten! Aber du liest auch Kindergeschichten?

[Hovda, Anm.] Hehe, ja, und zwar mit vollem königlichem Ausdruck, mit langen Haaren, die glitzern, buntem Make-up und einem langen Kleid. Zugleich stelle ich eine Figur dar, die Kinder ernst nimmt. Meine Geschichten haben immer eine queere Wendung, und in ihrer Form sind sie eine Art Schrägstrich quer durch Gesellschaft und Identität. Die Botschaft ist, dass es in Ordnung ist, zu mögen, was man mag. Der Zweck von „Dronningstimer“ besteht auch darin, Kindern ein queeres Vorbild zu geben und ihnen einen anderen Ausdruck als etwas Normales vorzustellen. Du kannst du selbst sein – auch wenn du vielleicht als anders wahrgenommen wirst.“

Angesprochen auf das Spielen mit Kostümen, das, so Kristiansen, Kinder und Drag Queens vereint, antwortet Hovda wie folgt:

“Ich bin wie ein Kostüm, das meine eigene Ausdrucksweise manipuliert. Ich denke, es macht großen Spaß, einen Blickfang im Raum zu schaffen. In der Verkleidung fühle ich mich ein bisschen wie Superman, nur dass Superman seine Brille abnimmt, um Superkräfte zu bekommen, während ich die Perücke aufsetze [um so „Superkräfte“ zum Vorschein zu bringen, Anm.]. Ich glaube, Kinder empfinden das auch so, wenn sie sich verkleiden – sie spielen mit ihrer Superkraft, indem sie mit ihrer Mimik spielen. Bei mir war diese Verwandlung sehr stark, als ich 2013 anfing, aber jetzt sind Remi und Geisha einander ähnlicher geworden. Geisha ist aber immer mehr eine Kunstfigur, weil das Publikum mich als Märchenfigur sieht. Ich bin realistisch, aber gleichzeitig warmherzig und an ein junges Publikum angepasst, damit sich die Kinder sicher fühlen.“

Jenseits der grenzwertig narzisstisch anmutenden Selbstwahrnehmung („Superkräfte“) ist der hervorgehobene Teil besonders auffällig: Unklar bleibt zwar, woher der Schauspieler Hovda die Gewissheit nimmt, was Kinder empfinden, so weisen diese Aussagen doch zumindest auf eine nicht unproblematische Gleichsetzung einer künstlichen Persona (Geisha) und dessen Schausteller hin. Unklar verbleibt auch, ob hier Hovda oder dessen fiktive Persona spricht.

Was für Geschichten liest Hovda kleinen Kindern vor? In der besprochenen Geschichte mit dem Titel „Metallhertet“ (etwa: „Metallherz“)

“geht es um ein Roboterkind, das sowohl ein kleiner Junge als auch ein kleines Mädchen ist und versucht, einen Weg zu finden, so zu sein wie alle anderen. Aber auf dem Weg dorthin stoßen sie auf verschiedene Herausforderungen, und es war nicht unbedingt das, was sie wollten. Den Rest aber müsst ihr euch selbst anhören!

[Kristiansen] Was gefällt Ihnen an der Geschichte so gut?

[Hovda] Sie spricht ein Thema an, das meiner Meinung nach viele Kinder und Jugendliche kennen: Sich anpassen, etwas, das ich als Kind auch empfunden habe. Obwohl er ein Roboter ist und programmiert wurde, hat der Roboter auch einen eigenen Charakter.“

Achten Sie hierbei auf die enthüllenden Formulierungen, gleich ob diese bewusst oder unbewusst getätigt wurden: Personen, die ihrem biologischen Geschlecht nach nicht eindeutig zuzuordnen sind, firmieren unter der Bezeichnung „Intersex“. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zitiert (ungenannte) Expertenmeinungen [12], die von „bis zu 1,7 % der Weltbevölkerung“ sprechen, die in diese Kategorie fallen würden.

Der von Hovda angeführte Prozess des sich anpassen müssens von Kindern und Jugendlichen fällt hingegen in die Kategorien „Sozialisierung“ und „Pubertät“. Besonders kurios wird es, wenn Hovda nach den Reaktionen der Kinder auf seine Märchen angesprochen wird:

„Oft ist es ihnen egal, dass ich ein Drag-Künstler bin, und oft wissen sie nicht einmal, was das ist. Die Kinder sind aufgeschlossen, aber neugierig auf das, was sie sehen, wie die Effekte, die ich benutze. Und sie fragen oft nach dem Inhalt der Geschichte. Ein Beispiel aus einer Grundschule, die ich besucht habe: Warum hast du dich verkleidet?ʻ Ich dachte, es wäre nett, wenn ich zu Besuch kommeʻOh, das musst du nicht!ʻ Vorurteile und Haltungen sind das, was wir Erwachsenen ihnen einimpfen. Kinder hören im Laufe ihrer Kindheit vielleicht hundert Erwachsenenstimmen, und ich denke, es ist schön, wenn man derjenige ist, der etwas anderes sagt.“

Natürlich weiß ich nicht, ob Hovda selbst elterliche Verantwortung trägt, doch erscheint die Abqualifizierung aller Eltern, die ihren Kindern „Vorurteile und Haltungen…einimpfen“ als durchweg problematisch, nicht zuletzt, da Hovda in demselben Atemzug auch darauf hinweist, dass es „schön [ist], wenn man derjenige ist, der etwas anderes sagt“.

Hierzu in Kürze „mehr“, zuvor soll noch einmal Hovda betreffend seine Kindheit und Jugend zu Wort kommen. Angesprochen auf seinen „Kindheitsheld“, fällt die Antwort wie folgt aus:

„Das war wahrscheinlich meine Großmutter. Sie hat mir beigebracht, wie man strickt, häkelt und kreativ ist. Ja, und einige weibliche Superhelden und Hexen.

[Kristiansen] Hat Ihre Großmutter Sie verstanden?

Ja, ich glaube, sie hat mich schon früh verstanden. Ich war auch schon von klein auf ich selbst und weiblich, also war es kein Schock, als ich ihr sagte, dass ich einen Freund habe. Sie sagte einfach, dass ich lieben kann, wen ich liebe, solange ich glücklich bin. Bei den Jungs in der Schule war das anders, und es dauerte ein paar Jahre, in denen ich [mein Anders-sein] zu hören bekommenʻ habe.“

Angesprochen auf die Unterschiede zwischen ihm und der von ihm verkörperten Persona, antwortet Hovda folgendes:

„Geisha mag es, im Mittelpunkt zu stehen und viele Leute um sich herum zu haben. Remi ist ein bisschen schüchterner.

[Kristiansen] Welche Superkraft würdest du gerne haben?

Ich möchte fliegen können, damit ich mehr von der Welt sehen kann und die Dinge aus einer neuen Perspektive betrachten kann. Ich stamme aus Oslo und dem Groruddalen, aber ich lebe in Gol, was eine Bereicherung ist.“

Hier beschließen wir den Exkurs und kehren zurück zu dem langen, heurigen Artikel aus Aftenposten.

Woker Kulturkampf in Norwegen

Diese Teile des 2021 geführten Interviews sind wichtig für sowohl die Kontextualisierung der zuvor berichteten Inhalte als auch für den „Spin“ der restlichen Inhalte des Artikels von Strømdahl und Hole in der Aftenposten, denn

„an Kritik und vorurteilsbehafteten Charakterisierungen genau dessen, was Remi Johansen Hovda tut, mangelt es nicht. Pädophilie, Grooming und unangemessene Sexualisierung sind einige davon.“

Dies rührt v.a. aus den USA, wo die „Drag Queen Story Hour“ und „Transgenderism“ in den letzten Jahren zu einem sehr dominanten Thema in den „Leitmedien“ geworden sind. Erst im März 2023 stellte etwa Tennessee als erster Bundesstaat derartige Aktivitäten unter Strafe: 2,500 US-Dollar Strafe oder bis zu sechs Jahre Haft im Wiederholungsfall drohen nun „Drag-Künstlern“, und mindestens 14 weitere Bundesstaaten diskutieren ähnliche bzw. schärfere Gesetzesänderungen.

Die ersten Drag Queen-Lesungen haben 2015 in San Francisco stattgefunden, und seither haben sie diese Aktivitäten in den USA und in Westeuropa ausgebreitet, wobei v.a. progressive bzw. linke Gruppen mit dabei und konservative bzw. christlich-traditionelle Gruppen dagegen sind. Diese „Spaltung“ ist auch in Norwegen – und in Österreich – eindeutig zu beobachten.

Die wird in Aftenposten anhand einiger Kommentare der niederländisch-norwegischen Schriftstellerin Carline Tromp, Autorin des 2022 bei Cappellen Damm erschienenen Sachbuchs Kulturkrig: Det nye ytre høyre og normaliseringen av det ekstreme [13] (etwa: „Kulturkrieg: Die neue extreme Rechte und die Normalisierung des Extremen“ illustriert. Angesprochen auf die Hintergründe bzw. Ursachen dieser Polarisierung, antwortete Tromp:

„Drag wurde rückwärts in einen Kulturkrieg hineingezogen.“

Gemäß Tromp hätten Männer in Frauenkleidung – Transvestiten – „Masseneinwanderung” als primäres Feindbild unter den woke-feindlichen Teilen der extremen Rechten und christlich-konservativen Gruppen überholt. Interessant sei zudem, so Tromp, dass dieser rechte Flügel noch vor wenigen Jahren liberale westliche Werte wie „Pride“ und LGB-Rechte gegen den als „autoritär“ angenommenen Islam verteidigt hat.

Man beachte, dass dieser einfach gestrickten Masche zufolge auch jeder Politiker bzw. Land, in dem LGB-Rechte nicht in demselben (extremen) Ausmaß „gewürdigt“ werden, auf dieselbe Weise kategorisiert werden. Paradebeispiele für diese schwarz-weiß-Weltsicht wären etwa Viktor Orbáns Ungarn oder auch Russland, das aufgrund des Verbots der Bewerbung von LBG-Themen für unter 18-Jährige immer wieder mit derartiger „Kritik“ überzogen werden.

Tromp zufolge habe sich in vielen „rechten“ Gruppen die Vorstellung verbreitet, dass es einen bewussten, vom Staat, den Medien bzw. den LGBT+-Organisationen gesteuerten Plan gäbe, biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau auszumerzen und Kindern von klein auf beizubringen, dass es kein Geschlecht gibt bzw. dieses „sozial konstruiert“ sei:

„Drag Queens sind zum Symbol für alles geworden, was die extreme Rechte für falsch hält“

Nun sei Tromps Meinung ja unbenommen, der Hinweis, dass es durchaus nicht „extrem rechts“ ist, wenn man seine Kinder nicht den beschriebenen Inhalten bzw. Travestie-Auftritten aussetzen möchte, ist enorm bedeutsam: Denn es ist selbstverständlich eine Sache, wenn die Gesellschaft etwa Homosexualität nicht kriminalisiert (was grob gesprochen ab den 1970er Jahren erfolgte), aber es ist etwas ganz anderes, sexualisierte Inhalte für Kindergarten- und Volksschulkinder anzubieten und so zu der Normalisierung dieser Verhaltensmuster beizutragen.

(Screenshot: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Unter-der-Regenbogenfahne-Die-Anfaenge-der-Schwulenbewegung,schwulenbewegung100.html)

Drag Queen-Lesungen in Skandinavien

Im benachbarten Schweden versuchen die in den „Leit- und Qualitätsmedien“ als „rechtspopulistisch“ und „einwanderungsfeindlich“ bezeichneten Schwedendemokraten (SD), Drag Queen-Lesungen für Kinder zu verhindern. (Die SD sind in etwa das AfD- bzw. FPÖ-Pendant in Schweden.)

In diesem Zusammenhang fragte SD-Parteivorsitzende Jimmie Åkesson kürzlich in einer im Fernsehen übertragenen Debatte der Parteivorsitzenden, ob es einem Nazi erlaubt sei, Kindern vorzulesen.

In Dänemark erreichte der Fall vor kurzem einen vorläufigen Höhepunkt vor einer Bibliothek in Kopenhagen. In den sozialen Medien bauschte sich die Stimmung auf: „Ich hätte sie mit bloßen Händen umgebracht“ und ähnliche Kommentare hat Drag Queen-Vorleser Magnus Lykke Johansson (25) kürzlich über sich und seinen Kollegen lesen müssen.

Johansson ist der Drag-Künstler hinter Diana Diamond, die zusammen mit ihrer Partnerin Di Di Cancerella im März für eine Drag Queen-Lesung für Kinder (sic) in der Frederiksberg-Bibliothek in Kopenhagen engagiert wurde. Dazu Johansson:

„Wir wurden beschuldigt, pädophil zu sein und Kinder zu manipulieren. Ich erhielt Todesdrohungen. Das war sehr unangenehm.“

Wochenlang waren die dänischen Zeitungen mit dem Thema Drag Queen-Lesungen voll. Die Parlamentsabgeordnete Mette Thiesen von der – naturgemäß „rechtspopulistischen“ (wie Aftenposten hierzu schrieb) – Dänischen Volkspartei gehörte zu denen, die behaupteten, Drag-Shows würde die Kinder sexualisieren und betreffend ihr Geschlecht verwirren.

Johansson meinte dazu bloß – bar jeder Reflexion –, er sei überrascht und v.a. traurig über den „Hass“, der sich ihm und seinem Kollegen gegenüber entlud. Er hat bereits früher Shows für Kinder organisiert und gab an, er habe noch nie negative Publicity erhalten. Als Gründe für den „Hass“ gab er an, dass die Gegner

„von den Geschehnissen in den USA beeinflusst sind. Sie dachten, wir würden auf der Bühne stehen und uns für die Kinder ausziehen und sie ermutigen, ihr Geschlecht zu ändern. In Wirklichkeit war es aber eine Disney-Prinzessinnen-Show, bei der wir Märchen vorgelesen und gesungen haben.“

Ingesamt, so der dänische Fernsehsender TV2, kamen rund 50 Menschen, um vor der Bibliothek gegen die Drag Queen-Lesung zu demonstrieren – sowie angeblich fünfmal so viele Menschen im Rahmen einer Gegendemonstration mit Regenbogenfahnen und Glitzer. „Das hat mich in meinem Glauben bestärkt, dass das, was wir tun, wichtig ist“, meinte Johansson.

Widerstand in Norwegen

Nach diesem langen Panorama wollen wir abschließend nach Norwegen zurückkehren, um die massiven Unterschiede in der Berichterstattung in den „Leit- und Qualitätsmedien“ zu beleuchten: zwar folgt ein detaillierteres Medienpanorama im zweiten Teil, doch sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass die Meinungsvielfalt hier in Norwegen ungleich größer ist.

Immer wieder berichten nationale – öffentlich-rechtliche wie private – Medien darüber, dass es nicht nur Widerstand gibt, sondern bieten diesen Gruppen auch angemessen Platz.

Die Autorin Tromp und viele „woke“ Journalisten platzieren („framen“) gerne alles und jeden außerhalb ihrer eigenen Meinungen als „rechtsextrem“ bzw. „rechtspopulistisch“. Hierbei ist es letztlich egal, worum es geht – Corona-Maßnahmen, Ukraine-Krieg [14] oder eben Drag Queen-Lesungen für Kinder.

Kritik an der letztgenannten Überlegung in Norwegen kommt vor allem von besorgten Eltern wie Peter Risholm. Als Vater dreier Kinder vertritt er die folgende Meinung:

„Ich sehe nur, dass Drag mit Sex und Sexualität spielt und deshalb für Kinder ungeeignet ist.“

Risholm ist einer der Gründer von „Foreldrenettverket“ [15] (etwa: „Elternnetzwerk“), einer Organisation, die „Eltern unterstützen will, die mit Pride-Kennzeichen und der Verbreitung von Gender-Ideologie in Kindergärten und Schulen nicht einverstanden sind“.

Risholm betont, dass er nicht glaubt, dass die vor Kindern als Drag Queens auftretenden Personen böse Absichten haben. Aber er ist der Meinung, dass es sich bei „Drag Shows“ um Erwachsenenunterhaltung handelt, die den Kindern aufgezwungen wird, selbst wenn dies in Form von Märchenvorlesungen geschieht. Risholm:

„Dies ist ein Teil des großen Regenbogenkuchens und gehört zu dem umfassenden sexualpolitischen Aktivismus, der dieser Tage in den Schulen durch „Pride“-Aktivitäten, Woche 6 [Sexualkunde, Anm.] und jetzt auch in den Schulbüchern an die Kinder herangetragen wird. Sexueller Aktivismus hat in der Grundschule nichts verloren.

Risholm sagt, es gehe nicht um Panikmache oder dergleichen, sondern darum, dass Drag Shows für Kinder grundsätzlich ungeeignet sind: „Für manche kann es zu einer Verunsicherung bezüglich des eigenen Geschlechts führen, wenn nicht klar ist, ob der Drag-Darsteller ein Mann oder eine Frau ist“, sagt er. „Ich glaube nicht, dass [diese Lesungen] positiv zum Selbstvertrauen der Kinder beitragen.“

Drag Queen Märchstunde (3), 31.1.2019 (Foto: San José Public Library, Flickr, CC BY-SA 2.0)

Narzissmus und Überkompen­sation – nahezu in Reinkultur…

Der Gegensatz zu der Eigenwahrnehmung mancher Drag Queens könnte allerdings kaum größer sein. Wir haben bereits erfahren, dass Remi Hovda eine nicht allzu schöne Kindheit aufgrund seiner sexuellen Orientierung hatte.

Hovda ist der Meinung, so Strømdahl und Hole in Aftenposten, „dass Drag eine Superkraft ist. Und dass es wichtig ist, sie den Kindern zu zeigen.“

Der heute 31-Jährige aus Oslo ist ausgebildeter Pädagoge und Theaterpädagoge und unterrichtet derzeit im Rahmen des neu gestarteten Weiterbildungsprogramms „The Art of Drag“ an der Osloer Stadtuniversität. Seit mittlerweile sechs Jahren organisiert er seine eigenen Drag-Shows für Kinder, und er war einer der ersten in Norwegen, die dies tun. Angesprochen, warum, gibt Hovda folgende Antworten:

„Es ist mir ein Anliegen, dass Kinder und Jugendliche die besten Voraussetzungen haben, um unabhängige, kritisch denkende Erwachsene zu werden. Wenn man mit verschiedenen Ausdrucksformen konfrontiert wird, kann man toleranter werden und Fremdenfeindlichkeit vorbeugen. Aber ich möchte auch die Kinder anerkennen, die sich in den von mir gezeigten Geschichten oder Ausdrücken wiedererkennen.“

Wir erinnern uns, dass Hovda seine eigenen „queeren“ Geschichten erfindet und diese vorliest.

Ebenso ist es wichtig festzuhalten, dass Hovda eigenen Angaben zufolge selbst „ein solches Kind“ war: Jemand, der Barbiepuppen, „Mädchensendungen“ im Fernsehen und Verkleidungen als Heldinnen und Hexen mochte, wie Strømdahl und Hole beschreiben. Hovda erinnert sich an seine Kindheit und bezeichnet sich selbst als „einen femininen Jungen mit anderen Verhaltensweisen und Interessen als die anderen Buben“, der letztlich „erkennen musste, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, ein Junge zu sein, und dass das in Ordnung ist“:

„Ich fühlte mich sehr einsam, als ich aufwuchs, ich hatte niemanden, der so war wie ich.“

Und diese Zusammenhänge sind es, weswegen Hovda an „Drag“ Gefallen gefunden hat: die Möglichkeit, eine größere Version seiner selbst zu schaffen. Oder, wie es Strømdahl und Hole formulieren, er „entdeckte Superkräfte, von denen er nicht wusste, dass sie in ihm steckten“:

„Beim Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts geht es um Ermächtigung – man bekommt mehr Handlungsspielraum, als die Gesellschaft erlaubt.“

Bei seinen Drag-Aktivitäten ist Hovda in Norwegen bis anhin übrigens nicht auf denselben Widerstand gestoßen wie seine Kollegen im Ausland, obwohl er gelegentlich die Bemerkung zu hören bekommt, dass das, was er tut, pervers und ekelerregend sei.

Die Kritik ist ihm zwar egal, dennoch kann er Eltern verstehen, die skeptisch sind, wenn ihre Kinder Drag-Shows sehen bzw. damit etwas assoziieren, das in eine Bar oder in einen Nachtclub gehört – nicht in ein Klassenzimmer. Die Kritiker haben gemäß Hovda „missverstanden, was Drag für Kinder ist“:

„Die Tatsache, dass Travestie sexualisiert ist, ist etwas, das Erwachsene daraus machen, aber Kinder nicht. Sie sehen nur eine Königin in einem riesigen Kostüm. Und wer sind die Experten, wenn es darum geht, sich zu verkleiden und Rollen zu kreieren? Es sind die Kinder. Drag ist die Spielsprache der Kinder.

(Screenshot: https://www.researchgate.net/profile/Svein-Overland)

…und dazu eine Portion „Wissenschaft™“

Das grenzwertig-absurde an derartigen Beiträge bzw. Hinweisen – man bedenke, dass Hovda ein Schauspieler ist, der hier gleichsam „Expertise“ zur Entwicklungspsychologie bietet – ist, dass eindeutig Inhalte durch „objektiv“ wirkende Berichterstattung transportiert werden. Dies ist ein bekanntes Phänomen, das in nahezu allen „Leit- und Qualitätsmedien“ bekannt ist, wenn es um das Thema „Drag Queen-Lesungen“ geht.

In Aftenposten erfolgt dies durch die Bühne, die Dr. Svein Øverland geboten wird, der als „Spezialist für Kinder- und Jugendpsychologie“ vorgestellt wird. Dessen (norwegischer) Wikipedia-Eintrag [16] weist ihn zudem als Sachverständigen für Rechtsfragen und Psychologie aus; er war zudem Herausgeber der einschlägigen wissenschaftlichen „Zeitschrift für klinische Sexologie“ [17] (2003-13) und wird immer wieder als „Experte“ in den „Leit- und Qualitätsmedien“ angeführt (z.B. hier: [18]). Aktuell arbeitet er als Polizeipsychologe in Trondheim.

Gemäß Øverland lassen sich die Kinder in drei Gruppen einteilen, wie Strømdahl und Hole berichten:

“Etwa 70-80% finden [Drag Shows] einfach lustig. Eine kleine Gruppe empfindet es als befreiend, weil es ihnen beweist, dass sie nicht so sein müssen wie alle anderen. Und einige mögen es nicht“, sagt er und bezieht sich dabei auf eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2021, die im “Journal of Creativity in Mental Health“ veröffentlicht wurde.

Øverland glaubt nicht, dass Kinder verwirrt sind, wenn sie in der Schule etwas über Geschlechtervielfalt lernen. Er weist darauf hin, dass zwar viel über die Zunahme von Kindern gesprochen wird, die das Gefühl haben, im falschen Körper geboren worden zu sein, dass dies aber immer noch nur bis zu 1% der Kinder betrifft.

Anhand dieser beiden Absätze kann man die erwähnten Propaganda-Methoden gut erkennen: Einerseits wird auf “eine amerikanische Studie“ verwiesen, diese wird aber aber nicht nur nicht verlinkt, sondern ein knapper Blick zeigt, wie ideologisch-verkürzt deren Inhalte wieder gegeben werden.

Diese Studie trägt den Titel “A Rainbow For Reading: A Mixed-Methods Exploratory Study On Drag Queen Reading Programs [19]“, wurde von Brie Radis et al. verfasst und es bietet sich an, die Ergebnisse der Studie hier anzuführen (in meiner Übersetzung und mit meinen Hervorhebungen):

Abstract: In dieser explorativen Studie mit gemischten Methoden wurde versucht, einige der potenziellen psychoedukativen Vorteile von Drag-Queen-Lesestunden zu verstehen. Es wurde eine kurze Umfrage mit gemischten Methoden durchgeführt, in der Betreuer über ihre Erfahrungen mit Drag-Queen-Lesestunden befragt wurden. Da es sich um ein Thema handelt, zu dem es bisher nur wenig Forschung gibt, wurden auch ethnografische Beobachtungen von drei verschiedenen Drag-Queen-Lesestunden durchgeführt, um mehr Wissen über den öffentlichen Bereich einer Modalität zu gewinnen, die die Cisheteronormativität des Geschlechtsausdrucks in Frage stellt. Über 86% der Befragten [d.h. der Erwachsenen] fanden das Programm gut und würden es weiterempfehlen. Die Mehrheit der Befragten (72 %) gab an, dass das Programm ihren Kindern gefallen hat, und etwas mehr als die Hälfte (65 %) fand es altersgerecht. Die qualitativen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Märchenstunden möglicherweise effektiver sind, wenn sie auf einen bestimmten Entwicklungsbereich ausgerichtet sind (z. B. für alle Altersgruppen, für Kleinkinder und Säuglinge und für Kinder im Schulalter). In den qualitativen und ethnografischen Ergebnissen wurden Themen wie die Erweiterung des Wissens über Geschlechtsausdruck und Geschlechtsidentität sowie die Vermittlung von Akzeptanz und Unterschieden in den Familien hervorgehoben.

Etwas weiter unten im Text finden sich folgende Passagen (zwecks Lesbarkeit habe ich die Referenzen entfernt):

Drag-Performances schaffen, wenn sie in der LGBTQIA+-Community gesehen und bejaht werden, einen Ort, an dem man sich frei ausdrücken, eine Gemeinschaft bilden, soziale Kompetenz fördern und sozialen Aktivismus unterstützen kann. Die Drag-Kultur in den sozialen Medien argumentiert, dass die Drag-Performance das, was die Gesellschaft als abweichendes Verhalten bezeichnet, normalisiert und sozialisiert und bejahende queere Räume schafft. In den letzten fünf Jahren haben sich soziale Gerechtigkeit und soziale Zirkulation in der Drag-Community auf Erzählungen in Bibliotheken und anderen Einrichtungen ausgeweitet…

[Drag Queen-Lesestunden] zielen oft darauf ab, von einer einseitigen Vorstellung über die Drag Queen zu einer Einladung für Kinder zu werden, Individualität zu erforschen, positive Botschaften über Geschlechterfluidität zu erhalten, schädliche Geschlechternormen und toxische Männlichkeit zu dekonstruieren und Unterschiedlichkeit mit der Freiheit zu schätzen, sich so auszudrücken, wie sie wollen. Die eingesetzten Bilderbücher werden sorgfältig ausgewählt [orig. “curated“] und sind oft eine Mischung aus Büchern, die LGBTQIA+-Darstellungen und genderspezifische Themen hervorheben, und es werden partizipative Diskussionen angeregt, um den Kindern und ihren Familien zu helfen, die Erfahrungen zu verstehen und sie mit ihrem eigenen Leben in Verbindung zu bringen…

Die Absicht der Drag Queen-Leseprogramme besteht darin, durch Kinderbücher verschiedene Lebensweisen, Familien, Ideen und Kulturen vorzustellen, und dass sie das Potenzial haben, schädliche Geschlechternormen zu dekonstruieren und gleichzeitig bejahende Räume zu schaffen.

Ich erspare Ihnen den Rest dieses „Beitrags“, weise aber noch auf die unfassbar geringe Datenbasis hin: 43 (!) – von Erwachsenen ausgefüllte – Fragebögen stellen die empirische (sic) Basis dar, eine Information, die Aftenposten gezielt verschweigt. Ebenso unerwähnt verbleibt das wichtige Detail, dass die Angaben über Kinder, die Svein Øverland so selbst­sicher von sich gibt, gar nicht von Kindern stammen, wobei auch dies von Strømdahl und Hole verschwiegen wird.

Stattdessen wird gefragt, ob es „für Kinder in irgendeiner Weise schädlich sei, Drag Queens zu sehen?“ Øverlands (selbst-) entlarvende Antwort:

„Nein, das würde ich so nicht sagen. Das Problem ist, wenn Eltern deutlich signalisieren, dass sie es nicht mögen, während das Schulpersonal sagt, dass dies eine gute Sache ist, weil die Kinder dann unter Druck stehen, loyal zu sein. Kinder schauen zu Eltern und Lehrern auf. Wenn sie sehr unterschiedliche Haltungen zum Ausdruck bringen, kann das für die Kinder stressig sein.

Øverland hält es daher für wichtig, dass die Eltern gut darüber informiert werden, was ihre Kinder sehen sollten und warum. Und dass sie die Möglichkeit haben, sich einzubringen oder selbst zu der Show eingeladen werden.“

Von der Option, dass Eltern ihre Kinder diesen „Anreizen“ nicht aussetzen wollen, ist hingegen nichts zu lesen.

Epilog

Ich wohne seit knapp drei Jahren hier in Norwegen, und der soziale Konformitätsdruck ist enorm hoch. Dies kann man just diesen Juni – dem ersten „Pride-Monat“ nach Corona – sehr gut sehen. Auf vielen Gebäuden wehen Regenbogenfahnen, das Thema ist nahezu allgegenwärtig und wird von offiziellen Stellen – wie etwa dem Schulamt in Nordnorwegen – massiv unterstützt.

Gleichzeitig ist das Wissen über die fragwürdige „Expertise“ bzw. „Wissenschaft“ kaum vorhanden, von der ursprünglichen Bedeutung des Regenbogens – als Symbol der Erneuerung des Bundes zwischen Gott und Noahs Nachkommen (Gen. 9:8-17) – ganz zu schweigen.

Der Kulturkampf, in dem Nordamerika seit einiger Zeit gefangen ist, ist nunmehr mit voller Wucht in Europa angekommen.

Die Frontlinien sind recht klar gezogen: Wer sich um seiner Kinder willen gegen solche Angebote ausspricht, muss mit Diffamierung und (Vor-) Verurteilungen rechnen, denn trotz der Orwellianisch anmutenden „Inklusivität“ ist ein „Opt-out“ vielfach unmöglich – und führt zu verstärkten Bemühungen einzelner Akteure wie der Grünen Klubobfrau Maurer in Wien.

Alle sollen sich gefälligst lieb haben, aber wer dagegen ist, der gilt als Außenseiter. Auch hierbei sieht man, wie sehr die woken Protagonisten die ursprünglichen Aufrufe – v.a. „liebe deinen Nächsten“ – pervertiert haben.

Hinzu kommt die massive Propagandisierung durch die „Leit- und Qualitätsmedien“, die es nahezu unmöglich machen, relevante Fragen zu stellen bzw. zu diskutieren.

Als Gedankenexperiment zum Abschluss dieses langen Essays seien zwei Fragen gestellt:

Wie würde das woke juste milieu wohl reagieren, wenn z.B. zu einer Bibelstunde im Parlament geladen würde?

Wieso treten Drag Queens bevorzugt vor Kindergarten- und Volksschulkindern, nicht aber vor Teenagern auf?

Die möglichen Antworten auf diese Fragen weisen klar auf die hinter diesen „Attraktionen“ stehenden Interessen hin, von der Normalisierung von Pädophilie (was ja just in der Grünen Bewegung eine lange Vorgeschichte hat) über die Perversionen mancher „Experten“ (z.B. John Money [20]) und der Korruption bzw. Niedertracht der „Leit- und Qualitätsmedien“ (z.B. hier: [21]).

Es steht zu befürchten, dass dieser Kulturkampf nicht nur weiter an Fahrt aufnimmt, sondern dass es für unsere Kinder noch schlimmer wird.

Quellen:

[1] APA-OTS Nachrichten- und Presseagentur „AVISO/Grüne: 12. Juni, 17 Uhr: Kinderbuchlesung im Parlament mit Dragqueen Candy Licious und Klubobfrau Sigi Maurer”, Juni 2023: <https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230605_OTS0088/avisogruene-12-juni-17-uhr-kinderbuchlesung-im-parlament-mit-dragqueen-candy-licious-und-klubobfrau-sigi-maurer>
[2] Twitter, Sigi Maurer „Happy Pride! Heute eine der schönsten Veranstaltungen die ich im Parlament je hatte: Kinderbuchlesung mit Candy Licious im Hohen Haus. So viele glückliche Kinder und ein Statement für Vielfalt, Toleranz und Mut. Weil Hass und Hetze keinen Platz haben darf.”, am 12.6.2023: <https://twitter.com/sigi_maurer/status/1668302974597181455?cxt=HHwWnsC9qeytgKcuAAAA>
[3] RAINBOW TRAVEL LGBTQ+ Reisebüro, Alfred Holzknecht, „Candy Licious – „Be a Unicorn – be unique!””, Datum unbekannt: <https://www.rainbowtravel.at/candy-licious/>
[4] Domestika Online-Kurs, Lars van Roosendaal „Candy Licious – Viennas Rainbow Drag Queen”, Datum unbekannt: <https://www.domestika.org/en/projects/822216-candy-licious-vienna-s-rainbow-drag-queen>
[5] Moment Magazin, Sebastian Panny „Wie ist es, als Drag-Queen Kindern vorzulesen?”, am 13.4.2023: <https://www.moment.at/story/drag-queen-candy-licious>
[6] Aftenposten Zeitung, Av Monica Strømdahl und Kari Mette Hole „Dragkampen om barna”, am 3.6.2023: <https://www.aftenposten.no/amagasinet/i/3EQoP0/dragkampen-om-barna>
[7] Dagsavisen Tageszeitung, Martin Næss Kristiansen „Er både Remi og eventyrdronning”, am 11.6.2021: <https://www.dagsavisen.no/demokraten/navn-i-nyhetene/2021/06/11/er-bade-remi-og-eventyrdronning/>
[8] Wikipedia, diverse Autoren „Geisha”, zuletzt bearbeitet am 18.6.2023: <https://en.wikipedia.org/wiki/Geisha>
[9] OsloMet Universität, Portrait Remi Johansen Hovda, Datum unbekannt: <https://www.oslomet.no/en/about/employee/remijoha/>
[10] ResearchGate Datenbank, Remi Johansen Hovda „Stories from a Geisha: Den stygge Andy”, im Dezember 2015: <https://www.researchgate.net/publication/289366719_Stories_from_a_Geisha_Den_stygge_Andy>
[11] Instgram, Remi Johansen Hovda: <https://www.instagram.com/teaterremi/>
[12] Vereinte Nationen „Intersex people – OHCHR and the human rights of LGBTI people”, Datum unbekannt: <https://www.ohchr.org/en/sexual-orientation-and-gender-identity/intersex-people>
[13] Capellen Damm Magazin, Carline Tromp „Kulturkrig – Det nye ytre høyre og normaliseringen av det ekstreme”, veröffentlicht in 2022: <https://cappelendamm.no/_kulturkrig-carline-tromp-9788202720360>
[14] Propagangda in Focus Magazin, Stephan Sander-Faes „Far-Right Extremists and Neo-Nazis are Everywhere (but some are more ‘worthy’ than others)”, am 21.6.2023: <https://propagandainfocus.com/far-right-extremists-and-neo-nazis-are-everywhere-but-some-are-more-worthy-than-others/>
[15] Foreldrenettverket (Elternnetzwerk) Website: <https://www.foreldrenettverket.no/>
[16] Wikipedia, diverse Autoren „Svein Øverland”, zuletzt bearbeitet am 21.3.2023: <https://no.wikipedia.org/wiki/Svein_Øverland>
[17] NFKS Zeitschrfit für klinische Sexologie: <https://web.archive.org/web/20140808034645/http://www.klinisksexologi.no/wordpress/?page_id=29>
[18] Alftenposten Zeitung, Svein Øverland „«Han ser jo ikke ut som en pedofil» | Svein Øverland”, am 5.2.2018: <https://www.aftenposten.no/meninger/debatt/i/J1xxwP/han-ser-jo-ikke-ut-som-en-pedofil-svein-oeverland
[19] Taylor & Francis Verlagsgruppe, Brie Radis u. A. „A Rainbow For Reading: A Mixed-Methods Exploratory Study On Drag Queen Reading Programs”, am 4.3.2021: <https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15401383.2021.1892557>
[20] The Embryo Project Encyclopedia, Phil Gaetano „David Reimer and John Money Gender Reassignment Controversy: The John/Joan Case”, am 15.11.2017: <https://embryo.asu.edu/pages/david-reimer-and-john-money-gender-reassignment-controversy-johnjoan-case>
[21] Der Standard Magazin, Muzayen Al-Youssef Irene Brickner Beate Hausbichler „Streit bei den Grünen nach Auftritt von Aktivistin gegen Transgenderrechte”, am 13.6.2023: <https://www.derstandard.at/story/3000000174527/nach-auftritt-rechter-aktivistin-gegegruene-und-spoe-steriten>

Stolz und Vorurteil in Skandinavien (1):

Drag Queen Story Hour

In Anlehnung an ein bekanntes chinesisches Diktum lässt sich festhalten, dass wir in interessanten Zeiten leben. Eines der aufsehenerregensten Phänomene dieser Tage ist die zunehmende Normalisierung von Verhaltensmustern, die in nicht allzu ferner Vergangenheit sehr eindeutig – negativ – konnotiert bzw. auf Randgruppen weitgehend begeschränkt waren: Tätowierungen oder die zunehmende Sexualisierung von Minderjährigen durch sowohl die Bekleidungsindustrie („Big Clothing“) als auch Unterhaltungsprogramme für Erwachsene („Drag Queen Story Hour“), die nun immer öfter für Kleinkinder „angeboten“ werden. Teil 1 einer eingehenden Reportage, wie diese Phänomene dieser Tage in Nordeuropa „einschlagen“.

Von Published On: 9. Juli 2023Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 14.06.2023 auf www.tkp.at unter der URL <https://tkp.at/2023/06/14/stolz-und-vorurteil-in-skandinavien-1-drag-queen-story-hour/> veröffentlicht. Lizenz: Assoc. Prof. Dr. Stephan Sander-Faes, tkp, CC BY-NC-ND 4.0

Drag Queen Märchenstunde mit Meesha Perú, 8.9.2018. (Foto: Multnomah County Library, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Am 12. Juni 2023 war es schließlich so weit: Auf Einladung des Grünen Parlamentsklubs trat Drag Queen Candy Licious im österreichischen Parlament auf [1] und nahm an der Seite von Sigi Maurer an der heiß umkämpften „Drag Queen Story Hour“ teil [2]. Anzuführen, dass derartige Veranstaltungen „kontrovers“ sind, ist vermutlich eine, wenn nicht die Unterstellung des Jahres.

Wiewohl es recht einfach ist, über eine Politikerin wie Maurer Informationen zu finden, so ist dies schon weitaus schwieriger, wenn die erwähnte Drag Queen Candy Licious in den Fokus rückt. Zwar finden sich durchaus einige Hinweise (etwa hier: [3], hier: [4] oder hier: [5]), doch bieten diese wenig bis keine Hintergründe.

Hier in Norwegen ist das Thema just diesen Juni hoch präsent: Regenbogenfahnen sind überall, „Pride“ – besser: „Stolz“ – sind in aller Munde und täglich bringen die „Leit- und Qualitätsmedien“ mehrere einschlägige Beiträge.

Im Vergleich mit den „Leit- und Qualitätsmedien“ im deutschsprachigen Raum fällt jedoch auf, dass die Berichterstattung in Norwegen durchaus ausgewogener, wenn auch keineswegs 50 : 50 verteilt ausfällt. (Die Schweiz, so viel sei hier vermerkt, ist eher wie Skandinavien, betreffend die Vielfalt der Beiträge zu diesem Thema.)

Hier finden Sie nun Auszüge (in meiner Übersetzung und mit meinen Hervorhebungen) von zwei Beiträgen, die hier in Norwegen erschienen sind: Einerseits ein langer, aufwändig gestalteter Artikel mit dem Titel „Dragkampen um barna“ [6] (etwa: „Drag-Kampf um die Kinder“), der am 3. Juni 2023 in der Osloer Zeitung Aftenposten erschien. Verfasst von Monica Strømdahl und Kari Mette Hole, dokumentiert der rund 2.000 Worte starke Beitrag die norwegischen Spezifika des aktuell sehr intensiven Kulturkampfs um die „Drag Queen Story Hour“ am Beispiel von Nabi Yeon Geisha.

Um die Beweggründe besser zu verstehen, habe ich zudem einige Auszüge aus einem Interview bzw. Porträt der Person „dahinter“ übersetzt, das Martin Næss Kristiansen mit Remi Johansen Hovda (heute 31 Jahre alt) vor rund zwei Jahren geführt hat und am 11. Juni 2021 im Dagsavisen unter dem Titel „Er både Remi og eventyrdronning“ [7] (etwa: „Sowohl Remi als auch Märchenkönigin“) veröffentlicht wurde.

Kinderunterhaltung mit Drag-Shows, aber nicht alle applaudieren

Knapp weniger als ein Dutzend Kindergartenkinder und Volksschüler haben sich zu einem Auftritt von Hovda im Nygårdsjøen Oppvekstsenter knapp 20 km südlich der nordnorwegischen Stadt Bodø eingefunden. Eingerahmt mit stimmungsvollen Bildern, lassen Strømdahl und Hole gleich zu Beginn die Drag Queen zu Wort kommen:

Mein Name ist Nabi Yeon Geisha, und ich bin eine echte Königin. Nicht wie Königin Sonja, sondern eine Drag Queen! So sehen wir Drag-Queens aus. Mit Farbe in unseren Kleidern und Haaren – und ein bisschen Make-upʻ, erklärt die Geisha lächelnd.“

Von den an Banalitäten und verzerrt wiedergegebenen historischen Realitäten abgesehen, zeichnet die Reportage ein durchaus ambivalentes Bild [8]:

„Der Drag-Künstler Remi Johansen Hovda (31) ist heute zum zweiten Mal in der Schule. Er wurde vom Kulturrucksack im Landkreis Nordland angeheuert, um mit dem Konzept Dronningtimenʻ [etwa: Königinnenstundeʻ, Anm.] auf Tournee zu gehen. Dort erzählt er Märchen aus seiner eigenen Feder mit einem queeren Twist und ermutigt die Kinder, sie selbst zu sein…

An diesem Tag hören die Kinder die Geschichte von dem kleinen Jungen Tio. Die anderen in der Klasse nennen ihn einen Mädchenjungen, weil er eine Fernsehserie mag, von der sie glauben, sie sei für Mädchen. Zum Glück hat die Geschichte ein glückliches Ende.“

Wir erfahren also, dass Hovda selbst verfasste „Märchen“ – Phantasiegeschichten – vorliest, nicht aber, wie die erwähnte Geschichte von Tio. Offenkundig handelt es sich dabei um eine „queere“ Erzählung, die aber „ein glückliches Ende“ hat, wie Strømdahl und Hole anführen; Details über Inhalte aber bleibt Aftenposten schuldig.

Auf Fragen der Kinder – u.a., „Ist es dein Job, dich wie eine Dame zu verkleiden?“ – wird Hovda wie folgt zitiert:

Ich habe gemerkt, dass man Vorurteilen am besten begegnet, indem man ehrlich auf ihre Fragen antwortet. Und ich sage, dass ich ein Schauspieler bin, der sich als Drag Queen verkleidet.“

Hovda ist aber nicht „nur“ Schauspieler, sondern wird von der Osloer Stadt­universität als Assistenzprofessor geführt [9], dessen einzige (!) angeführte Schrift aus 2015 stammt, den Titel „Den stygge Andy“ [10] (etwa: „Der hässliche Andy“) hat, lediglich 9 Seiten umfasst und über ein Kunstprojekt zum Thema Travestie unter kanadischen Soldaten im 2. Weltkrieg handelt.

In sozialen Medien ist Hovda hingegen sehr aktiv, enthält dessen Instagram-Account [11] neben einschlägiger Fotografien u.a. Hinweise auf das „Oslo Drag Festival“ und den „Oslo Fagottkor“ (etwa: „Osloer Schwulenchor“). Wenn Sie den Link zu Hovdas Instagram-Account anklicken (möchten), achten Sie bitte darauf, dass Minderjährige diese Inhalte nicht sehen sollten.

(Screenshot: https://www.instagram.com/teaterremi/)

Exkurs: Wer aber ist „Geisha Hovda“?

An dieser Stelle wenden wir uns dem rund zwei Jahre alten Interview mit Hovda zu, das im Dagsavisen erschienen ist. Kristiansen eröffnet sein Interview mit der folgenden Feststellung bzw. Frage:

“Mit Drag Queens verbinde ich durchtrainierte Damen mit männlichen Gesichtszügen, die im Süden [Anm.: für Norweger ist „Süden“ der generische Ausdruck für den Sommerurlaub am Strand] einschlägige Shows veranstalten! Aber du liest auch Kindergeschichten?

[Hovda, Anm.] Hehe, ja, und zwar mit vollem königlichem Ausdruck, mit langen Haaren, die glitzern, buntem Make-up und einem langen Kleid. Zugleich stelle ich eine Figur dar, die Kinder ernst nimmt. Meine Geschichten haben immer eine queere Wendung, und in ihrer Form sind sie eine Art Schrägstrich quer durch Gesellschaft und Identität. Die Botschaft ist, dass es in Ordnung ist, zu mögen, was man mag. Der Zweck von „Dronningstimer“ besteht auch darin, Kindern ein queeres Vorbild zu geben und ihnen einen anderen Ausdruck als etwas Normales vorzustellen. Du kannst du selbst sein – auch wenn du vielleicht als anders wahrgenommen wirst.“

Angesprochen auf das Spielen mit Kostümen, das, so Kristiansen, Kinder und Drag Queens vereint, antwortet Hovda wie folgt:

“Ich bin wie ein Kostüm, das meine eigene Ausdrucksweise manipuliert. Ich denke, es macht großen Spaß, einen Blickfang im Raum zu schaffen. In der Verkleidung fühle ich mich ein bisschen wie Superman, nur dass Superman seine Brille abnimmt, um Superkräfte zu bekommen, während ich die Perücke aufsetze [um so „Superkräfte“ zum Vorschein zu bringen, Anm.]. Ich glaube, Kinder empfinden das auch so, wenn sie sich verkleiden – sie spielen mit ihrer Superkraft, indem sie mit ihrer Mimik spielen. Bei mir war diese Verwandlung sehr stark, als ich 2013 anfing, aber jetzt sind Remi und Geisha einander ähnlicher geworden. Geisha ist aber immer mehr eine Kunstfigur, weil das Publikum mich als Märchenfigur sieht. Ich bin realistisch, aber gleichzeitig warmherzig und an ein junges Publikum angepasst, damit sich die Kinder sicher fühlen.“

Jenseits der grenzwertig narzisstisch anmutenden Selbstwahrnehmung („Superkräfte“) ist der hervorgehobene Teil besonders auffällig: Unklar bleibt zwar, woher der Schauspieler Hovda die Gewissheit nimmt, was Kinder empfinden, so weisen diese Aussagen doch zumindest auf eine nicht unproblematische Gleichsetzung einer künstlichen Persona (Geisha) und dessen Schausteller hin. Unklar verbleibt auch, ob hier Hovda oder dessen fiktive Persona spricht.

Was für Geschichten liest Hovda kleinen Kindern vor? In der besprochenen Geschichte mit dem Titel „Metallhertet“ (etwa: „Metallherz“)

“geht es um ein Roboterkind, das sowohl ein kleiner Junge als auch ein kleines Mädchen ist und versucht, einen Weg zu finden, so zu sein wie alle anderen. Aber auf dem Weg dorthin stoßen sie auf verschiedene Herausforderungen, und es war nicht unbedingt das, was sie wollten. Den Rest aber müsst ihr euch selbst anhören!

[Kristiansen] Was gefällt Ihnen an der Geschichte so gut?

[Hovda] Sie spricht ein Thema an, das meiner Meinung nach viele Kinder und Jugendliche kennen: Sich anpassen, etwas, das ich als Kind auch empfunden habe. Obwohl er ein Roboter ist und programmiert wurde, hat der Roboter auch einen eigenen Charakter.“

Achten Sie hierbei auf die enthüllenden Formulierungen, gleich ob diese bewusst oder unbewusst getätigt wurden: Personen, die ihrem biologischen Geschlecht nach nicht eindeutig zuzuordnen sind, firmieren unter der Bezeichnung „Intersex“. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zitiert (ungenannte) Expertenmeinungen [12], die von „bis zu 1,7 % der Weltbevölkerung“ sprechen, die in diese Kategorie fallen würden.

Der von Hovda angeführte Prozess des sich anpassen müssens von Kindern und Jugendlichen fällt hingegen in die Kategorien „Sozialisierung“ und „Pubertät“. Besonders kurios wird es, wenn Hovda nach den Reaktionen der Kinder auf seine Märchen angesprochen wird:

„Oft ist es ihnen egal, dass ich ein Drag-Künstler bin, und oft wissen sie nicht einmal, was das ist. Die Kinder sind aufgeschlossen, aber neugierig auf das, was sie sehen, wie die Effekte, die ich benutze. Und sie fragen oft nach dem Inhalt der Geschichte. Ein Beispiel aus einer Grundschule, die ich besucht habe: Warum hast du dich verkleidet?ʻ Ich dachte, es wäre nett, wenn ich zu Besuch kommeʻOh, das musst du nicht!ʻ Vorurteile und Haltungen sind das, was wir Erwachsenen ihnen einimpfen. Kinder hören im Laufe ihrer Kindheit vielleicht hundert Erwachsenenstimmen, und ich denke, es ist schön, wenn man derjenige ist, der etwas anderes sagt.“

Natürlich weiß ich nicht, ob Hovda selbst elterliche Verantwortung trägt, doch erscheint die Abqualifizierung aller Eltern, die ihren Kindern „Vorurteile und Haltungen…einimpfen“ als durchweg problematisch, nicht zuletzt, da Hovda in demselben Atemzug auch darauf hinweist, dass es „schön [ist], wenn man derjenige ist, der etwas anderes sagt“.

Hierzu in Kürze „mehr“, zuvor soll noch einmal Hovda betreffend seine Kindheit und Jugend zu Wort kommen. Angesprochen auf seinen „Kindheitsheld“, fällt die Antwort wie folgt aus:

„Das war wahrscheinlich meine Großmutter. Sie hat mir beigebracht, wie man strickt, häkelt und kreativ ist. Ja, und einige weibliche Superhelden und Hexen.

[Kristiansen] Hat Ihre Großmutter Sie verstanden?

Ja, ich glaube, sie hat mich schon früh verstanden. Ich war auch schon von klein auf ich selbst und weiblich, also war es kein Schock, als ich ihr sagte, dass ich einen Freund habe. Sie sagte einfach, dass ich lieben kann, wen ich liebe, solange ich glücklich bin. Bei den Jungs in der Schule war das anders, und es dauerte ein paar Jahre, in denen ich [mein Anders-sein] zu hören bekommenʻ habe.“

Angesprochen auf die Unterschiede zwischen ihm und der von ihm verkörperten Persona, antwortet Hovda folgendes:

„Geisha mag es, im Mittelpunkt zu stehen und viele Leute um sich herum zu haben. Remi ist ein bisschen schüchterner.

[Kristiansen] Welche Superkraft würdest du gerne haben?

Ich möchte fliegen können, damit ich mehr von der Welt sehen kann und die Dinge aus einer neuen Perspektive betrachten kann. Ich stamme aus Oslo und dem Groruddalen, aber ich lebe in Gol, was eine Bereicherung ist.“

Hier beschließen wir den Exkurs und kehren zurück zu dem langen, heurigen Artikel aus Aftenposten.

Woker Kulturkampf in Norwegen

Diese Teile des 2021 geführten Interviews sind wichtig für sowohl die Kontextualisierung der zuvor berichteten Inhalte als auch für den „Spin“ der restlichen Inhalte des Artikels von Strømdahl und Hole in der Aftenposten, denn

„an Kritik und vorurteilsbehafteten Charakterisierungen genau dessen, was Remi Johansen Hovda tut, mangelt es nicht. Pädophilie, Grooming und unangemessene Sexualisierung sind einige davon.“

Dies rührt v.a. aus den USA, wo die „Drag Queen Story Hour“ und „Transgenderism“ in den letzten Jahren zu einem sehr dominanten Thema in den „Leitmedien“ geworden sind. Erst im März 2023 stellte etwa Tennessee als erster Bundesstaat derartige Aktivitäten unter Strafe: 2,500 US-Dollar Strafe oder bis zu sechs Jahre Haft im Wiederholungsfall drohen nun „Drag-Künstlern“, und mindestens 14 weitere Bundesstaaten diskutieren ähnliche bzw. schärfere Gesetzesänderungen.

Die ersten Drag Queen-Lesungen haben 2015 in San Francisco stattgefunden, und seither haben sie diese Aktivitäten in den USA und in Westeuropa ausgebreitet, wobei v.a. progressive bzw. linke Gruppen mit dabei und konservative bzw. christlich-traditionelle Gruppen dagegen sind. Diese „Spaltung“ ist auch in Norwegen – und in Österreich – eindeutig zu beobachten.

Die wird in Aftenposten anhand einiger Kommentare der niederländisch-norwegischen Schriftstellerin Carline Tromp, Autorin des 2022 bei Cappellen Damm erschienenen Sachbuchs Kulturkrig: Det nye ytre høyre og normaliseringen av det ekstreme [13] (etwa: „Kulturkrieg: Die neue extreme Rechte und die Normalisierung des Extremen“ illustriert. Angesprochen auf die Hintergründe bzw. Ursachen dieser Polarisierung, antwortete Tromp:

„Drag wurde rückwärts in einen Kulturkrieg hineingezogen.“

Gemäß Tromp hätten Männer in Frauenkleidung – Transvestiten – „Masseneinwanderung” als primäres Feindbild unter den woke-feindlichen Teilen der extremen Rechten und christlich-konservativen Gruppen überholt. Interessant sei zudem, so Tromp, dass dieser rechte Flügel noch vor wenigen Jahren liberale westliche Werte wie „Pride“ und LGB-Rechte gegen den als „autoritär“ angenommenen Islam verteidigt hat.

Man beachte, dass dieser einfach gestrickten Masche zufolge auch jeder Politiker bzw. Land, in dem LGB-Rechte nicht in demselben (extremen) Ausmaß „gewürdigt“ werden, auf dieselbe Weise kategorisiert werden. Paradebeispiele für diese schwarz-weiß-Weltsicht wären etwa Viktor Orbáns Ungarn oder auch Russland, das aufgrund des Verbots der Bewerbung von LBG-Themen für unter 18-Jährige immer wieder mit derartiger „Kritik“ überzogen werden.

Tromp zufolge habe sich in vielen „rechten“ Gruppen die Vorstellung verbreitet, dass es einen bewussten, vom Staat, den Medien bzw. den LGBT+-Organisationen gesteuerten Plan gäbe, biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau auszumerzen und Kindern von klein auf beizubringen, dass es kein Geschlecht gibt bzw. dieses „sozial konstruiert“ sei:

„Drag Queens sind zum Symbol für alles geworden, was die extreme Rechte für falsch hält“

Nun sei Tromps Meinung ja unbenommen, der Hinweis, dass es durchaus nicht „extrem rechts“ ist, wenn man seine Kinder nicht den beschriebenen Inhalten bzw. Travestie-Auftritten aussetzen möchte, ist enorm bedeutsam: Denn es ist selbstverständlich eine Sache, wenn die Gesellschaft etwa Homosexualität nicht kriminalisiert (was grob gesprochen ab den 1970er Jahren erfolgte), aber es ist etwas ganz anderes, sexualisierte Inhalte für Kindergarten- und Volksschulkinder anzubieten und so zu der Normalisierung dieser Verhaltensmuster beizutragen.

(Screenshot: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Unter-der-Regenbogenfahne-Die-Anfaenge-der-Schwulenbewegung,schwulenbewegung100.html)

Drag Queen-Lesungen in Skandinavien

Im benachbarten Schweden versuchen die in den „Leit- und Qualitätsmedien“ als „rechtspopulistisch“ und „einwanderungsfeindlich“ bezeichneten Schwedendemokraten (SD), Drag Queen-Lesungen für Kinder zu verhindern. (Die SD sind in etwa das AfD- bzw. FPÖ-Pendant in Schweden.)

In diesem Zusammenhang fragte SD-Parteivorsitzende Jimmie Åkesson kürzlich in einer im Fernsehen übertragenen Debatte der Parteivorsitzenden, ob es einem Nazi erlaubt sei, Kindern vorzulesen.

In Dänemark erreichte der Fall vor kurzem einen vorläufigen Höhepunkt vor einer Bibliothek in Kopenhagen. In den sozialen Medien bauschte sich die Stimmung auf: „Ich hätte sie mit bloßen Händen umgebracht“ und ähnliche Kommentare hat Drag Queen-Vorleser Magnus Lykke Johansson (25) kürzlich über sich und seinen Kollegen lesen müssen.

Johansson ist der Drag-Künstler hinter Diana Diamond, die zusammen mit ihrer Partnerin Di Di Cancerella im März für eine Drag Queen-Lesung für Kinder (sic) in der Frederiksberg-Bibliothek in Kopenhagen engagiert wurde. Dazu Johansson:

„Wir wurden beschuldigt, pädophil zu sein und Kinder zu manipulieren. Ich erhielt Todesdrohungen. Das war sehr unangenehm.“

Wochenlang waren die dänischen Zeitungen mit dem Thema Drag Queen-Lesungen voll. Die Parlamentsabgeordnete Mette Thiesen von der – naturgemäß „rechtspopulistischen“ (wie Aftenposten hierzu schrieb) – Dänischen Volkspartei gehörte zu denen, die behaupteten, Drag-Shows würde die Kinder sexualisieren und betreffend ihr Geschlecht verwirren.

Johansson meinte dazu bloß – bar jeder Reflexion –, er sei überrascht und v.a. traurig über den „Hass“, der sich ihm und seinem Kollegen gegenüber entlud. Er hat bereits früher Shows für Kinder organisiert und gab an, er habe noch nie negative Publicity erhalten. Als Gründe für den „Hass“ gab er an, dass die Gegner

„von den Geschehnissen in den USA beeinflusst sind. Sie dachten, wir würden auf der Bühne stehen und uns für die Kinder ausziehen und sie ermutigen, ihr Geschlecht zu ändern. In Wirklichkeit war es aber eine Disney-Prinzessinnen-Show, bei der wir Märchen vorgelesen und gesungen haben.“

Ingesamt, so der dänische Fernsehsender TV2, kamen rund 50 Menschen, um vor der Bibliothek gegen die Drag Queen-Lesung zu demonstrieren – sowie angeblich fünfmal so viele Menschen im Rahmen einer Gegendemonstration mit Regenbogenfahnen und Glitzer. „Das hat mich in meinem Glauben bestärkt, dass das, was wir tun, wichtig ist“, meinte Johansson.

Widerstand in Norwegen

Nach diesem langen Panorama wollen wir abschließend nach Norwegen zurückkehren, um die massiven Unterschiede in der Berichterstattung in den „Leit- und Qualitätsmedien“ zu beleuchten: zwar folgt ein detaillierteres Medienpanorama im zweiten Teil, doch sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass die Meinungsvielfalt hier in Norwegen ungleich größer ist.

Immer wieder berichten nationale – öffentlich-rechtliche wie private – Medien darüber, dass es nicht nur Widerstand gibt, sondern bieten diesen Gruppen auch angemessen Platz.

Die Autorin Tromp und viele „woke“ Journalisten platzieren („framen“) gerne alles und jeden außerhalb ihrer eigenen Meinungen als „rechtsextrem“ bzw. „rechtspopulistisch“. Hierbei ist es letztlich egal, worum es geht – Corona-Maßnahmen, Ukraine-Krieg [14] oder eben Drag Queen-Lesungen für Kinder.

Kritik an der letztgenannten Überlegung in Norwegen kommt vor allem von besorgten Eltern wie Peter Risholm. Als Vater dreier Kinder vertritt er die folgende Meinung:

„Ich sehe nur, dass Drag mit Sex und Sexualität spielt und deshalb für Kinder ungeeignet ist.“

Risholm ist einer der Gründer von „Foreldrenettverket“ [15] (etwa: „Elternnetzwerk“), einer Organisation, die „Eltern unterstützen will, die mit Pride-Kennzeichen und der Verbreitung von Gender-Ideologie in Kindergärten und Schulen nicht einverstanden sind“.

Risholm betont, dass er nicht glaubt, dass die vor Kindern als Drag Queens auftretenden Personen böse Absichten haben. Aber er ist der Meinung, dass es sich bei „Drag Shows“ um Erwachsenenunterhaltung handelt, die den Kindern aufgezwungen wird, selbst wenn dies in Form von Märchenvorlesungen geschieht. Risholm:

„Dies ist ein Teil des großen Regenbogenkuchens und gehört zu dem umfassenden sexualpolitischen Aktivismus, der dieser Tage in den Schulen durch „Pride“-Aktivitäten, Woche 6 [Sexualkunde, Anm.] und jetzt auch in den Schulbüchern an die Kinder herangetragen wird. Sexueller Aktivismus hat in der Grundschule nichts verloren.

Risholm sagt, es gehe nicht um Panikmache oder dergleichen, sondern darum, dass Drag Shows für Kinder grundsätzlich ungeeignet sind: „Für manche kann es zu einer Verunsicherung bezüglich des eigenen Geschlechts führen, wenn nicht klar ist, ob der Drag-Darsteller ein Mann oder eine Frau ist“, sagt er. „Ich glaube nicht, dass [diese Lesungen] positiv zum Selbstvertrauen der Kinder beitragen.“

Drag Queen Märchstunde (3), 31.1.2019 (Foto: San José Public Library, Flickr, CC BY-SA 2.0)

Narzissmus und Überkompen­sation – nahezu in Reinkultur…

Der Gegensatz zu der Eigenwahrnehmung mancher Drag Queens könnte allerdings kaum größer sein. Wir haben bereits erfahren, dass Remi Hovda eine nicht allzu schöne Kindheit aufgrund seiner sexuellen Orientierung hatte.

Hovda ist der Meinung, so Strømdahl und Hole in Aftenposten, „dass Drag eine Superkraft ist. Und dass es wichtig ist, sie den Kindern zu zeigen.“

Der heute 31-Jährige aus Oslo ist ausgebildeter Pädagoge und Theaterpädagoge und unterrichtet derzeit im Rahmen des neu gestarteten Weiterbildungsprogramms „The Art of Drag“ an der Osloer Stadtuniversität. Seit mittlerweile sechs Jahren organisiert er seine eigenen Drag-Shows für Kinder, und er war einer der ersten in Norwegen, die dies tun. Angesprochen, warum, gibt Hovda folgende Antworten:

„Es ist mir ein Anliegen, dass Kinder und Jugendliche die besten Voraussetzungen haben, um unabhängige, kritisch denkende Erwachsene zu werden. Wenn man mit verschiedenen Ausdrucksformen konfrontiert wird, kann man toleranter werden und Fremdenfeindlichkeit vorbeugen. Aber ich möchte auch die Kinder anerkennen, die sich in den von mir gezeigten Geschichten oder Ausdrücken wiedererkennen.“

Wir erinnern uns, dass Hovda seine eigenen „queeren“ Geschichten erfindet und diese vorliest.

Ebenso ist es wichtig festzuhalten, dass Hovda eigenen Angaben zufolge selbst „ein solches Kind“ war: Jemand, der Barbiepuppen, „Mädchensendungen“ im Fernsehen und Verkleidungen als Heldinnen und Hexen mochte, wie Strømdahl und Hole beschreiben. Hovda erinnert sich an seine Kindheit und bezeichnet sich selbst als „einen femininen Jungen mit anderen Verhaltensweisen und Interessen als die anderen Buben“, der letztlich „erkennen musste, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, ein Junge zu sein, und dass das in Ordnung ist“:

„Ich fühlte mich sehr einsam, als ich aufwuchs, ich hatte niemanden, der so war wie ich.“

Und diese Zusammenhänge sind es, weswegen Hovda an „Drag“ Gefallen gefunden hat: die Möglichkeit, eine größere Version seiner selbst zu schaffen. Oder, wie es Strømdahl und Hole formulieren, er „entdeckte Superkräfte, von denen er nicht wusste, dass sie in ihm steckten“:

„Beim Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts geht es um Ermächtigung – man bekommt mehr Handlungsspielraum, als die Gesellschaft erlaubt.“

Bei seinen Drag-Aktivitäten ist Hovda in Norwegen bis anhin übrigens nicht auf denselben Widerstand gestoßen wie seine Kollegen im Ausland, obwohl er gelegentlich die Bemerkung zu hören bekommt, dass das, was er tut, pervers und ekelerregend sei.

Die Kritik ist ihm zwar egal, dennoch kann er Eltern verstehen, die skeptisch sind, wenn ihre Kinder Drag-Shows sehen bzw. damit etwas assoziieren, das in eine Bar oder in einen Nachtclub gehört – nicht in ein Klassenzimmer. Die Kritiker haben gemäß Hovda „missverstanden, was Drag für Kinder ist“:

„Die Tatsache, dass Travestie sexualisiert ist, ist etwas, das Erwachsene daraus machen, aber Kinder nicht. Sie sehen nur eine Königin in einem riesigen Kostüm. Und wer sind die Experten, wenn es darum geht, sich zu verkleiden und Rollen zu kreieren? Es sind die Kinder. Drag ist die Spielsprache der Kinder.

(Screenshot: https://www.researchgate.net/profile/Svein-Overland)

…und dazu eine Portion „Wissenschaft™“

Das grenzwertig-absurde an derartigen Beiträge bzw. Hinweisen – man bedenke, dass Hovda ein Schauspieler ist, der hier gleichsam „Expertise“ zur Entwicklungspsychologie bietet – ist, dass eindeutig Inhalte durch „objektiv“ wirkende Berichterstattung transportiert werden. Dies ist ein bekanntes Phänomen, das in nahezu allen „Leit- und Qualitätsmedien“ bekannt ist, wenn es um das Thema „Drag Queen-Lesungen“ geht.

In Aftenposten erfolgt dies durch die Bühne, die Dr. Svein Øverland geboten wird, der als „Spezialist für Kinder- und Jugendpsychologie“ vorgestellt wird. Dessen (norwegischer) Wikipedia-Eintrag [16] weist ihn zudem als Sachverständigen für Rechtsfragen und Psychologie aus; er war zudem Herausgeber der einschlägigen wissenschaftlichen „Zeitschrift für klinische Sexologie“ [17] (2003-13) und wird immer wieder als „Experte“ in den „Leit- und Qualitätsmedien“ angeführt (z.B. hier: [18]). Aktuell arbeitet er als Polizeipsychologe in Trondheim.

Gemäß Øverland lassen sich die Kinder in drei Gruppen einteilen, wie Strømdahl und Hole berichten:

“Etwa 70-80% finden [Drag Shows] einfach lustig. Eine kleine Gruppe empfindet es als befreiend, weil es ihnen beweist, dass sie nicht so sein müssen wie alle anderen. Und einige mögen es nicht“, sagt er und bezieht sich dabei auf eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2021, die im “Journal of Creativity in Mental Health“ veröffentlicht wurde.

Øverland glaubt nicht, dass Kinder verwirrt sind, wenn sie in der Schule etwas über Geschlechtervielfalt lernen. Er weist darauf hin, dass zwar viel über die Zunahme von Kindern gesprochen wird, die das Gefühl haben, im falschen Körper geboren worden zu sein, dass dies aber immer noch nur bis zu 1% der Kinder betrifft.

Anhand dieser beiden Absätze kann man die erwähnten Propaganda-Methoden gut erkennen: Einerseits wird auf “eine amerikanische Studie“ verwiesen, diese wird aber aber nicht nur nicht verlinkt, sondern ein knapper Blick zeigt, wie ideologisch-verkürzt deren Inhalte wieder gegeben werden.

Diese Studie trägt den Titel “A Rainbow For Reading: A Mixed-Methods Exploratory Study On Drag Queen Reading Programs [19]“, wurde von Brie Radis et al. verfasst und es bietet sich an, die Ergebnisse der Studie hier anzuführen (in meiner Übersetzung und mit meinen Hervorhebungen):

Abstract: In dieser explorativen Studie mit gemischten Methoden wurde versucht, einige der potenziellen psychoedukativen Vorteile von Drag-Queen-Lesestunden zu verstehen. Es wurde eine kurze Umfrage mit gemischten Methoden durchgeführt, in der Betreuer über ihre Erfahrungen mit Drag-Queen-Lesestunden befragt wurden. Da es sich um ein Thema handelt, zu dem es bisher nur wenig Forschung gibt, wurden auch ethnografische Beobachtungen von drei verschiedenen Drag-Queen-Lesestunden durchgeführt, um mehr Wissen über den öffentlichen Bereich einer Modalität zu gewinnen, die die Cisheteronormativität des Geschlechtsausdrucks in Frage stellt. Über 86% der Befragten [d.h. der Erwachsenen] fanden das Programm gut und würden es weiterempfehlen. Die Mehrheit der Befragten (72 %) gab an, dass das Programm ihren Kindern gefallen hat, und etwas mehr als die Hälfte (65 %) fand es altersgerecht. Die qualitativen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Märchenstunden möglicherweise effektiver sind, wenn sie auf einen bestimmten Entwicklungsbereich ausgerichtet sind (z. B. für alle Altersgruppen, für Kleinkinder und Säuglinge und für Kinder im Schulalter). In den qualitativen und ethnografischen Ergebnissen wurden Themen wie die Erweiterung des Wissens über Geschlechtsausdruck und Geschlechtsidentität sowie die Vermittlung von Akzeptanz und Unterschieden in den Familien hervorgehoben.

Etwas weiter unten im Text finden sich folgende Passagen (zwecks Lesbarkeit habe ich die Referenzen entfernt):

Drag-Performances schaffen, wenn sie in der LGBTQIA+-Community gesehen und bejaht werden, einen Ort, an dem man sich frei ausdrücken, eine Gemeinschaft bilden, soziale Kompetenz fördern und sozialen Aktivismus unterstützen kann. Die Drag-Kultur in den sozialen Medien argumentiert, dass die Drag-Performance das, was die Gesellschaft als abweichendes Verhalten bezeichnet, normalisiert und sozialisiert und bejahende queere Räume schafft. In den letzten fünf Jahren haben sich soziale Gerechtigkeit und soziale Zirkulation in der Drag-Community auf Erzählungen in Bibliotheken und anderen Einrichtungen ausgeweitet…

[Drag Queen-Lesestunden] zielen oft darauf ab, von einer einseitigen Vorstellung über die Drag Queen zu einer Einladung für Kinder zu werden, Individualität zu erforschen, positive Botschaften über Geschlechterfluidität zu erhalten, schädliche Geschlechternormen und toxische Männlichkeit zu dekonstruieren und Unterschiedlichkeit mit der Freiheit zu schätzen, sich so auszudrücken, wie sie wollen. Die eingesetzten Bilderbücher werden sorgfältig ausgewählt [orig. “curated“] und sind oft eine Mischung aus Büchern, die LGBTQIA+-Darstellungen und genderspezifische Themen hervorheben, und es werden partizipative Diskussionen angeregt, um den Kindern und ihren Familien zu helfen, die Erfahrungen zu verstehen und sie mit ihrem eigenen Leben in Verbindung zu bringen…

Die Absicht der Drag Queen-Leseprogramme besteht darin, durch Kinderbücher verschiedene Lebensweisen, Familien, Ideen und Kulturen vorzustellen, und dass sie das Potenzial haben, schädliche Geschlechternormen zu dekonstruieren und gleichzeitig bejahende Räume zu schaffen.

Ich erspare Ihnen den Rest dieses „Beitrags“, weise aber noch auf die unfassbar geringe Datenbasis hin: 43 (!) – von Erwachsenen ausgefüllte – Fragebögen stellen die empirische (sic) Basis dar, eine Information, die Aftenposten gezielt verschweigt. Ebenso unerwähnt verbleibt das wichtige Detail, dass die Angaben über Kinder, die Svein Øverland so selbst­sicher von sich gibt, gar nicht von Kindern stammen, wobei auch dies von Strømdahl und Hole verschwiegen wird.

Stattdessen wird gefragt, ob es „für Kinder in irgendeiner Weise schädlich sei, Drag Queens zu sehen?“ Øverlands (selbst-) entlarvende Antwort:

„Nein, das würde ich so nicht sagen. Das Problem ist, wenn Eltern deutlich signalisieren, dass sie es nicht mögen, während das Schulpersonal sagt, dass dies eine gute Sache ist, weil die Kinder dann unter Druck stehen, loyal zu sein. Kinder schauen zu Eltern und Lehrern auf. Wenn sie sehr unterschiedliche Haltungen zum Ausdruck bringen, kann das für die Kinder stressig sein.

Øverland hält es daher für wichtig, dass die Eltern gut darüber informiert werden, was ihre Kinder sehen sollten und warum. Und dass sie die Möglichkeit haben, sich einzubringen oder selbst zu der Show eingeladen werden.“

Von der Option, dass Eltern ihre Kinder diesen „Anreizen“ nicht aussetzen wollen, ist hingegen nichts zu lesen.

Epilog

Ich wohne seit knapp drei Jahren hier in Norwegen, und der soziale Konformitätsdruck ist enorm hoch. Dies kann man just diesen Juni – dem ersten „Pride-Monat“ nach Corona – sehr gut sehen. Auf vielen Gebäuden wehen Regenbogenfahnen, das Thema ist nahezu allgegenwärtig und wird von offiziellen Stellen – wie etwa dem Schulamt in Nordnorwegen – massiv unterstützt.

Gleichzeitig ist das Wissen über die fragwürdige „Expertise“ bzw. „Wissenschaft“ kaum vorhanden, von der ursprünglichen Bedeutung des Regenbogens – als Symbol der Erneuerung des Bundes zwischen Gott und Noahs Nachkommen (Gen. 9:8-17) – ganz zu schweigen.

Der Kulturkampf, in dem Nordamerika seit einiger Zeit gefangen ist, ist nunmehr mit voller Wucht in Europa angekommen.

Die Frontlinien sind recht klar gezogen: Wer sich um seiner Kinder willen gegen solche Angebote ausspricht, muss mit Diffamierung und (Vor-) Verurteilungen rechnen, denn trotz der Orwellianisch anmutenden „Inklusivität“ ist ein „Opt-out“ vielfach unmöglich – und führt zu verstärkten Bemühungen einzelner Akteure wie der Grünen Klubobfrau Maurer in Wien.

Alle sollen sich gefälligst lieb haben, aber wer dagegen ist, der gilt als Außenseiter. Auch hierbei sieht man, wie sehr die woken Protagonisten die ursprünglichen Aufrufe – v.a. „liebe deinen Nächsten“ – pervertiert haben.

Hinzu kommt die massive Propagandisierung durch die „Leit- und Qualitätsmedien“, die es nahezu unmöglich machen, relevante Fragen zu stellen bzw. zu diskutieren.

Als Gedankenexperiment zum Abschluss dieses langen Essays seien zwei Fragen gestellt:

Wie würde das woke juste milieu wohl reagieren, wenn z.B. zu einer Bibelstunde im Parlament geladen würde?

Wieso treten Drag Queens bevorzugt vor Kindergarten- und Volksschulkindern, nicht aber vor Teenagern auf?

Die möglichen Antworten auf diese Fragen weisen klar auf die hinter diesen „Attraktionen“ stehenden Interessen hin, von der Normalisierung von Pädophilie (was ja just in der Grünen Bewegung eine lange Vorgeschichte hat) über die Perversionen mancher „Experten“ (z.B. John Money [20]) und der Korruption bzw. Niedertracht der „Leit- und Qualitätsmedien“ (z.B. hier: [21]).

Es steht zu befürchten, dass dieser Kulturkampf nicht nur weiter an Fahrt aufnimmt, sondern dass es für unsere Kinder noch schlimmer wird.

Quellen:

[1] APA-OTS Nachrichten- und Presseagentur „AVISO/Grüne: 12. Juni, 17 Uhr: Kinderbuchlesung im Parlament mit Dragqueen Candy Licious und Klubobfrau Sigi Maurer”, Juni 2023: <https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230605_OTS0088/avisogruene-12-juni-17-uhr-kinderbuchlesung-im-parlament-mit-dragqueen-candy-licious-und-klubobfrau-sigi-maurer>
[2] Twitter, Sigi Maurer „Happy Pride! Heute eine der schönsten Veranstaltungen die ich im Parlament je hatte: Kinderbuchlesung mit Candy Licious im Hohen Haus. So viele glückliche Kinder und ein Statement für Vielfalt, Toleranz und Mut. Weil Hass und Hetze keinen Platz haben darf.”, am 12.6.2023: <https://twitter.com/sigi_maurer/status/1668302974597181455?cxt=HHwWnsC9qeytgKcuAAAA>
[3] RAINBOW TRAVEL LGBTQ+ Reisebüro, Alfred Holzknecht, „Candy Licious – „Be a Unicorn – be unique!””, Datum unbekannt: <https://www.rainbowtravel.at/candy-licious/>
[4] Domestika Online-Kurs, Lars van Roosendaal „Candy Licious – Viennas Rainbow Drag Queen”, Datum unbekannt: <https://www.domestika.org/en/projects/822216-candy-licious-vienna-s-rainbow-drag-queen>
[5] Moment Magazin, Sebastian Panny „Wie ist es, als Drag-Queen Kindern vorzulesen?”, am 13.4.2023: <https://www.moment.at/story/drag-queen-candy-licious>
[6] Aftenposten Zeitung, Av Monica Strømdahl und Kari Mette Hole „Dragkampen om barna”, am 3.6.2023: <https://www.aftenposten.no/amagasinet/i/3EQoP0/dragkampen-om-barna>
[7] Dagsavisen Tageszeitung, Martin Næss Kristiansen „Er både Remi og eventyrdronning”, am 11.6.2021: <https://www.dagsavisen.no/demokraten/navn-i-nyhetene/2021/06/11/er-bade-remi-og-eventyrdronning/>
[8] Wikipedia, diverse Autoren „Geisha”, zuletzt bearbeitet am 18.6.2023: <https://en.wikipedia.org/wiki/Geisha>
[9] OsloMet Universität, Portrait Remi Johansen Hovda, Datum unbekannt: <https://www.oslomet.no/en/about/employee/remijoha/>
[10] ResearchGate Datenbank, Remi Johansen Hovda „Stories from a Geisha: Den stygge Andy”, im Dezember 2015: <https://www.researchgate.net/publication/289366719_Stories_from_a_Geisha_Den_stygge_Andy>
[11] Instgram, Remi Johansen Hovda: <https://www.instagram.com/teaterremi/>
[12] Vereinte Nationen „Intersex people – OHCHR and the human rights of LGBTI people”, Datum unbekannt: <https://www.ohchr.org/en/sexual-orientation-and-gender-identity/intersex-people>
[13] Capellen Damm Magazin, Carline Tromp „Kulturkrig – Det nye ytre høyre og normaliseringen av det ekstreme”, veröffentlicht in 2022: <https://cappelendamm.no/_kulturkrig-carline-tromp-9788202720360>
[14] Propagangda in Focus Magazin, Stephan Sander-Faes „Far-Right Extremists and Neo-Nazis are Everywhere (but some are more ‘worthy’ than others)”, am 21.6.2023: <https://propagandainfocus.com/far-right-extremists-and-neo-nazis-are-everywhere-but-some-are-more-worthy-than-others/>
[15] Foreldrenettverket (Elternnetzwerk) Website: <https://www.foreldrenettverket.no/>
[16] Wikipedia, diverse Autoren „Svein Øverland”, zuletzt bearbeitet am 21.3.2023: <https://no.wikipedia.org/wiki/Svein_Øverland>
[17] NFKS Zeitschrfit für klinische Sexologie: <https://web.archive.org/web/20140808034645/http://www.klinisksexologi.no/wordpress/?page_id=29>
[18] Alftenposten Zeitung, Svein Øverland „«Han ser jo ikke ut som en pedofil» | Svein Øverland”, am 5.2.2018: <https://www.aftenposten.no/meninger/debatt/i/J1xxwP/han-ser-jo-ikke-ut-som-en-pedofil-svein-oeverland
[19] Taylor & Francis Verlagsgruppe, Brie Radis u. A. „A Rainbow For Reading: A Mixed-Methods Exploratory Study On Drag Queen Reading Programs”, am 4.3.2021: <https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15401383.2021.1892557>
[20] The Embryo Project Encyclopedia, Phil Gaetano „David Reimer and John Money Gender Reassignment Controversy: The John/Joan Case”, am 15.11.2017: <https://embryo.asu.edu/pages/david-reimer-and-john-money-gender-reassignment-controversy-johnjoan-case>
[21] Der Standard Magazin, Muzayen Al-Youssef Irene Brickner Beate Hausbichler „Streit bei den Grünen nach Auftritt von Aktivistin gegen Transgenderrechte”, am 13.6.2023: <https://www.derstandard.at/story/3000000174527/nach-auftritt-rechter-aktivistin-gegegruene-und-spoe-steriten>