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Die offene Gesellschaft und ihre neuen Feinde

Werden bedingungslos gesicherte Grundrechte in Privilegien umgewandelt, ist unsere Freiheit am Ende.

Von Michael Esfeld , veröffentlicht am: 11. Juni 2021, Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 17.04.2021 auf www.libinst.ch unter der URL <https://www.libinst.ch/?i=die-offene-gesellschaft-und-ihre-neuen-feinde> veröffentlicht. Lizenz: ©Michael Esfeld, Liberales Institut

Das Buch „Die offene Gesellschaft und Ihre Feinde“ von Karl Popper war eine der intellektuellen Grundlagen für die politische Weichenstellung, die man an Winston Churchills Reden in Fulton (Missouri) und Zürich 1946 festmachen kann: die Bildung einer westlichen Staatengemeinschaft, die auf Rechtsstaat und Menschenrechten basierend sich dem Sowjetimperium entgegenstellt. Dadurch wurde der eiserne Vorhang nicht nur zu einer physischen, sondern vor allem auch zu einer weltanschaulichen Grenze – die Behauptung von Freiheit gegen den Machtanspruch des Totalitarismus. Diese Weichenstellung setzte einen Rahmen, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien im Westen umfasste: Was auch immer für verschiedene Interessen und unterschiedliche parteipolitische Programme bestanden, der auf Grundrechten basierende freiheitliche Rechtsstaat im Gegensatz zum Totalitarismus des Sowjetimperiums stand nicht zur Disposition. Diese Weichenstellung prägte Politik und Gesellschaft über vier Jahrzehnte. 1989, nach dem Fall der Berliner Mauer, schien keine neue Weichenstellung erforderlich: Freiheit und Rechtsstaat hatten sich durchgesetzt. Francis Fukuyama sprach sogar vom Ende der Geschichte [1].

Das war ein Irrtum. Die Weichenstellung erfolgt jetzt, im Jahre 2021. Auch heute geht es um eine Weichenstellung zwischen Freiheit und Totalitarismus, die wiederum unser Leben für die kommenden Jahrzehnte prägen könnte. Und es geht wieder um einen Trend, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien umfassen könnte, was auch immer ansonsten ihre Unterschiede sein mögen. Diese Weichenstellung wird man daran festmachen können, welche Konsequenzen wir aus der Coronakrise ziehen.

Popper über die offene Gesellschaft

Die offene Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie jeden Menschen als Person anerkennt: Die Person hat eine unveräußerliche Würde. Sie hat die Freiheit, ihr Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten, ebenso wie die Verantwortung, für ihr Handeln auf Verlangen Rechenschaft abzulegen. Freiheit ist die „condition humaine“. Wenn wir denken und handeln, sind wir frei. Das ist deshalb so, weil man für Gedanken und Handlungen – und nur für diese – Gründe und damit Rechtfertigungen verlangen kann. Für Verhalten, das eine Reaktion auf biologische Reize und Begierden ist, ergibt es hingegen keinen Sinn, Gründe zu verlangen. Frei sind wir, weil die Spezies Mensch sich in der Evolution von dem Zwang befreit hat, einer bloßen Reaktion auf Reize unterworfen zu sein.

Aus dieser Freiheit ergeben sich Grundrechte. Das sind Rechte der Abwehr gegen äußere Eingriffe in die eigene Urteilsbildung darüber, wie man sein Leben gestalten will. In der Philosophie werden diese Grundrechte so gedacht, dass sie mit der Existenz von Personen als solcher gegeben sind. Sie hängen also nicht vom positiven Recht eines Staates und kontingenten historischen Umständen ab. So zum Beispiel im Naturrecht seit der Antike; in der Aufklärung, die universelle Menschenrechte politisch einforderte, die für alle Menschen in gleicher Weise gelten und unter anderem zur Abschaffung der Sklaverei führten; bei Kant, dessen kategorischer Imperativ fordert, Menschen stets als Zweck an sich selbst und nie nur als Mittel zu einem Zweck zu behandeln; im 20. Jahrhundert unter anderem auch in der Diskursethik von Karl-Otto Apel oder der Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls. Der Staat ist ein Rechtsstaat, der diese Rechte schützt; er lenkt die Gesellschaft nicht, sondern lässt den Menschen freien Lauf, ihre sozialen Beziehungen zu gestalten.

Sir Karl Raimund Popper CH FBA FRS (28. Juli 1902 – 17. September 1994) war ein österreichisch-britischer Philosoph, akademischer und sozialer Kommentator. (Foto: Arturo Espinosa, Flickr.com/photos/espinosa_rosique/8302670045, Lizenz: CC BY 2.0)

Popper zufolge sind die intellektuellen Feinde der offenen Gesellschaft diejenigen, die für sich reklamieren, das Wissen um ein gemeinschaftliches Gut zu besitzen. Aufgrund dieses Wissens nehmen sie in Anspruch, die Gesellschaft technokratisch steuern zu können, um dieses Gut zu verwirklichen. Dieses Wissen ist sowohl faktisch-naturwissenschaftlicher als auch normativ-moralischer Art: Es ist moralisches Wissen um das höchste Gut zusammen mit naturwissenschaftlichem bzw. technokratischem Wissen darüber, wie man die Lebenswege der Menschen steuern muss, um dieses Gut zu erreichen. Deshalb steht dieses Wissen über der Freiheit der einzelnen Menschen, nämlich über deren eigener Urteilsbildung darüber, wie sie ihr Leben gestalten möchten.

Diese Feinde kommen aus dem Inneren unserer Gesellschaft. Popper macht das am Übergang von Sokrates zu Platon und dann von Kant zu Hegel und Marx fest. Sokrates und Kant legen den intellektuellen Grund für die offene Gesellschaft; Platon, Hegel und Marx zerstören diesen, indem sie die Suche nach dem, was jeder als ein für sich gelingendes Leben ansieht, durch den Wissensanspruch um ein absolutes Gutes ersetzen, auf das die Geschichte zusteuert. Dieses Wissen berechtigt sie dazu, sich über Grundrechte und Menschenwürde hinwegzusetzen; denn es geht um das Ziel des menschlichen Daseins. Deshalb handelt es sich um einen Totalitarismus: Die gesamte Gesellschaft bis hin zum Leben der Familien und der Individuen wird auf die Verwirklichung des angeblichen absoluten Guten ausgerichtet, ohne dass durch Menschenwürde und Grundrechte Schranken gesetzt sind.

Diese Feinde der offenen Gesellschaft sind durch die Massenmorde entlarvt worden, die sich im 20. Jahrhundert auf dem Weg zur Verwirklichung des angeblich Guten als unumgänglich erwiesen haben. Auf diesem Weg wurden nicht nur Menschenwürde und Grundrechte beseitigt, sondern zugleich auch ein schlechtes Resultat in Bezug auf das absolut gesetzte, angebliche Gute erzielt. Unter kommunistischen Regimen hat es auf dem Weg zur klassenlosen, ausbeutungsfreien Gesellschaft schlimmere wirtschaftliche Ausbeutungsverhältnisse gegeben als jemals im Kapitalismus.

Der Weg zum Ziel einer reinrassigen Volksgemeinschaft hat im Nationalsozialismus eben dieses Volk an den Rand des Untergangs geführt. Diese Ideen und ihre politischen Folgen gehören in der Tat der Geschichte an.

Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft

Nichtsdestoweniger stehen wir heute wieder vor einer Weichenstellung zwischen offener Gesellschaft und Totalitarismus. Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft kommen wieder aus dem Inneren der Gesellschaft mit Wissensansprüchen, die zugleich kognitiver und moralischer Art sind und die wiederum eine technokratische Gestaltung der Gesellschaft zur Folge haben, die sich über Menschenwürde und Grundrechte hinwegsetzt. Allerdings operieren die neuen Feinde der offenen Gesellschaft nicht mit dem Trugbild eines absolut Guten, sondern mit gezielt geschürter Angst vor Bedrohungen, die angeblich unsere Existenz gefährden. Diesen Bedrohungen liegen Fakten zugrunde, wie die Ausbreitung des Coronavirus oder der Klimawandel, der mit der Industrialisierung in den letzten zwei Jahrhunderten korreliert. Man nimmt diese Bedrohungen zum Anlass, um bestimmte Werte absolut zu setzen, wie Gesundheitsschutz oder Klimaschutz. Eine Allianz aus Experten, Politikern und manchen Wirtschaftsführern nimmt für sich in Anspruch, das Wissen zu haben, wie man das gesellschaftliche bis hin zum familiären und individuellen Leben steuern muss, um diese Werte zu sichern. Wiederum geht es um ein höheres gesellschaftliches Gut – Gesundheitsschutz, Lebensbedingungen zukünftiger Generationen – hinter dem individuelle Menschenwürde und Grundrechte zurückzustehen haben.

Verhungerte Bauern auf der Straße in Charkow während der Hungersnot in der sowjetischen Ukraine, 1932-1933. (Foto: Wikipedia. org, gemeinfrei. Erstveröffentlichung in „Muss Russland Hungern?“, Wilhelm Braumüller, Wien 1935).

Der eingesetzte Mechanismus besteht darin, diese Herausforderungen so ins Rampenlicht zu stellen, dass sie als existenzielle Krisen erscheinen – ein Killervirus, das umgeht, eine Klimakrise, welche die Existenzgrundlagen unserer Kinder bedroht. Die Angst, die man auf diese Weise schürt, ermöglicht es dann, Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseite zu schaffen – genau wie in den von Popper kritisierten Totalitarismen, in welchen das angeblich Gute sehr viele Menschen zu de facto verbrecherischen Handlungen motivierte. Es sind ja nicht in erster Linie Böse, die Böses tun, sondern häufig Gute, die aus Sorge um einen ihrer Überzeugung nach bedrohten und existenziell wichtigen Wert Dinge tun, die letztlich verheerende Folgen haben.

Dieser Mechanismus trifft die offene Gesellschaft ins Mark, weil man ein bekanntes Problem ausspielt, nämlich das der negativen Externalitäten. Damit ist Folgendes gemeint: Die Freiheit des einen endet dort, wo sie die Freiheit anderer bedroht. Handlungen des einen – einschließlich der Verträge, die er eingeht – haben Auswirkungen auf Dritte, die außerhalb dieser Beziehungen stehen, deren Freiheit zur Gestaltung ihres Lebens aber durch diese Handlungen beeinträchtigt werden kann. Die Grenze, jenseits welcher die freie Lebensgestaltung des einen der freien Lebensgestaltung anderer einen Schaden zufügt, ist nicht von vornherein festgelegt. Man kann sie eher weit oder eher eng fassen. Der genannte Mechanismus besteht nun darin, mittels Erzeugens von Angst und unter dem Deckmantel von Solidarität diese Grenze so eng zu fassen, dass de facto kein Spielraum mehr für die freie Lebensgestaltung bleibt: Jede freie Lebensgestaltung des einen kann so ausgelegt werden, dass mit ihr negative Externalitäten einhergehen, die potenziell eine Bedrohung für die freie Lebensgestaltung anderer darstellen.

Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft schüren die Angst vor der Ausbreitung einer angeblichen Jahrhundertseuche – aber natürlich kann jede Form physischen Kontaktes zur Ausbreitung des Coronavirus (ebenso wie anderer Viren und Bakterien) beitragen. Sie schüren die Angst vor einer drohenden Klimakatastrophe – aber natürlich kann jede Handlung Auswirkungen auf die nicht-menschliche Umwelt haben und dadurch zur Veränderung des Klimas beitragen. Mithin soll jeder nachweisen, dass er mit seinem Handeln nicht unabsichtlich zur Ausbreitung eines Virus oder zur Schädigung des Klimas beiträgt usw. – die Liste könnte man beliebig erweitern. So stellt man alle Menschen unter Generalverdacht, letztlich mit allem, was sie tun, andere zu schädigen. Man kehrt die Beweislast um: Es muss nicht der konkrete Nachweis geführt werden, dass jemand mit bestimmten seiner Handlungen andere schädigt. Vielmehr muss jeder nachweisen, dass er andere nicht schädigt, einschließlich der Mitglieder zukünftiger Generationen. Dementsprechend können sich die Menschen von diesem Generalverdacht nur dadurch befreien, dass sie ein Zertifikat erwerben, durch das sie sich reinwaschen – wie einen Impfpass, einen Nachhaltigkeitspass oder generell einen sozialen Pass.

Das ist eine Art moderner Ablasshandel.

Damit ist Freiheit abgeschafft und ein neuer Totalitarismus installiert; denn die Ausübung von Freiheit und die Gewährleistung von Grundrechten hängt dann von einer Genehmigung ab, die eine Elite von Experten erteilt – oder eben verweigert.

Die Weichenstellung, vor der wir stehen, ist somit diese: Eine offene Gesellschaft, die jeden bedingungslos als Person mit einer unveräußerlichen Würde und Grundrechten anerkennt; oder eine geschlossene Gesellschaft, zu deren sozialem Leben man Zutritt erhält durch ein Zertifikat, dessen Bedingungen bestimmte Experten definieren, wie einst die Philosophen-Könige Platons. Genau wie letztere, deren Wissensansprüche von Popper entlarvt wurden, haben auch ihre heutigen Nachfahren kein Wissen, das sie in die Position versetzen würde, solche Bedingungen ohne Willkür festzusetzen.

Das Trugbild von Wissen zur Steuerung der Gesellschaft

Virenausbrüche in ähnlicher Größenordnung wie die gegenwärtige Corona-Pandemie hat es häufig gegeben – zuletzt die Asien-Grippe Mitte der 1950er und die Hongkong-Grippe Ende der 1960er Jahre. Offene Gesellschaften haben diese stets erfolgreich durch spontane Verhaltensanpassung und rein medizinische Mittel bekämpft. Dieses Wissen um effiziente Pandemie-Bekämpfung wurde im Frühjahr 2020 über Bord geworfen. Die Experten, die für die bewährte medizinische Strategie mit allgemeinen Hygiene-Empfehlungen und gezieltem Schutz der Risikopersonen eintraten, wurden diffamiert – als ob jeder, der mit welcher wissenschaftlichen Reputation auch immer für den traditionellen Umgang mit einer Pandemie eintrat, seinen Verstand verloren hätte. Das Ziel war, an die Stelle der medizinischen eine politische Strategie zu setzen, welche die gesamte Gesellschaft durch allumfassende Kontrolle der physischen Kontakte durch die Pandemie hindurchzusteuern versucht. Menschenwürde und Grundrechte stehen hinter dieser Kontrolle zurück. Es geht dabei nicht um Solidarität mit den gefährdeten Personen. Deren gezielter Schutz wird durch die politische Reglementierung des gesamten sozialen Lebens unterminiert. Die politische Reglementierung des sozialen Lebens aller wird geradezu zu einer Entschuldigung dafür, sich nicht gezielt um den Schutz der gefährdeten Personen kümmern zu müssen, mit fatalen Folgen für diese, sichtbar in der skandalös hohen Anzahl von Corona-Toten in den Alters- und Pflegeheimen. Es geht um soziale Kontrolle der Lebensgestaltung aller.

Inzwischen liegen zahlreiche Studien vor, die nachweisen, dass politische Repressalien wie Lockdowns keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ergeben [2]. Das kann man so veranschaulichen: Man legt Personen die relevanten Daten zum Infektionsgeschehen wie Krankenhauseinweisungen und Todesfälle im Verhältnis zur Bevölkerung aus Ländern mit ähnlicher geographischer Lage und wirtschaftlicher Entwicklung über eine längere Zeitspanne hinweg vor. Anhand dieser Daten lässt sich nicht ersehen, welche dieser Länder scharfe politische Maßnahmen wie einen Lockdown mit der Anordnung, zu Hause zu bleiben, ergriffen haben und welche nicht [3].

Ein Beispiel ist der Vergleich zwischen Deutschland und Schweden ab Mai 2020, nachdem Schweden die anfänglichen Versäumnisse im Schutz der Alters- und Pflegeheime in den Griff bekommen hatte: Zwischen Schweden ohne Lockdown und Deutschland mit Lockdown gibt es seit Mai 2020 keinen statistisch signifikanten Unterschied im Erfolg der Bekämpfung der Pandemie. Ein anderes Beispiel sind Bundesstaaten in den USA, wie etwa Florida und Kalifornien, die wegen ihres warmen Klimas und der Küstenlage vergleichbar sind. Seit September 2020 folgt der Gouverneur von Florida die Erkenntnisse der Wissenschaft, nämlich derjenigen Wissenschaft, mit der Pandemien in vergleichbarer Größenordnung stets medizinisch erfolgreich bekämpft wurden. Florida steht trotz aller katastrophalen Prophezeiungen, wenn man dieser Wissenschaft folgt, in der Pandemie-Bekämpfung nicht schlechter da als Kalifornien, wo weiterhin politische Repressalien bestehen. Ähnliches gilt für South Dakota, das nie zu politischen Zwangsmaßnahmen griff, im Vergleich zu North Dakota.

Mehr noch: Inzwischen bestätigen zahlreiche Studien aus vielen Ländern, dass die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden der so genannten Corona-Schutzmaßnahmen deren Nutzen bei weitem übersteigen werden. Berechnet wird dies auf folgende Weise: Man akzeptiert die Annahme, dass Lockdowns tatsächlich vorzeitige Todesfälle infolge einer Infektion mit dem Coronavirus in einer statistisch signifikanten Weise verhindern können. Man schätzt dann die Lebensjahre ab, die durch einen Lockdown gewonnen werden können und vergleicht sie mit den Lebensjahren, die infolge der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die Lockdowns anrichten, verloren gehen; denn Menschen werden wegen dieser Schäden früher sterben als es ansonsten der Fall wäre. Diese Todesfälle treten natürlich erst in der Zukunft auf, und zwar weltweit und in sozial ungleich verteilter Weise: Sie betreffen in erster Linie unterprivilegierte soziale Schichten und sich entwickelnde Länder, vor allem durch die Rückschritte in der Gesundheitsversorgung und Armutsbekämpfung in diesen Ländern. Diese Zahlen lassen sich nicht exakt abschätzen, aber ihre Größenordnung ist eindeutig: Die Schäden an verloren gehenden Lebensjahren übertreffen die möglicherweise gewonnenen Lebensjahre um ein Vielfaches [4].

All das bestätigt ein bekanntes Resultat: Wenn man Wert X – hier Gesundheitsschutz – über Menschenwürde und Grundrechte stellt, dann zerstört man nicht nur diese, sondern erzielt im Endeffekt auch ein schlechtes Resultat in Bezug auf X. In diesem Falle sind das gravierende negative Effekte für den Gesundheitsschutz, für die gesamte Bevölkerung und weltweit betrachtet, in Folge der verheerenden Schäden, welche die so genannten Corona-Schutzmaßnahmen anrichten. Man sollte hieraus die Konsequenz ziehen, Lockdowns und dergleichen in der Verfassung zu verbieten, damit sich das, was wir seit März 2020 erlebt haben, nicht wiederholen kann.

Ähnliches ist jedoch leider bei dem politischen Umgang mit der Klimakrise zu befürchten. Die mit der Industrialisierung korrelierte Erderwärmung ist zweifellos eine ernsthafte Herausforderung. Nichtsdestoweniger zeigt uns der Umgang mit Klimaveränderungen in der Geschichte, wie die Menschheit diese bisher stets durch spontane Anpassung und technologische Innovation gemeistert hat. Dafür bietet die offene Gesellschaft die besten Bedingungen. Politische Bedingungen zu stellen in Form einer Steuerung von Wirtschaft und Gesellschaft, die sich wiederum über Menschenwürde und Grundrechte hinwegsetzt und die mit ziemlich willkürlichen, politisch beeinflussten Definitionen dessen operiert, was jeweils nachhaltig sein soll, führt nicht zum Ziel. Die Fakten zeigen schon jetzt, dass der CO2-Ausstoss in Industrieländern ohne Energiewende bisher (wie Frankreich, England, USA) prozentual in gleicher Größenordnung zurückgegangen ist wie in Ländern, die in den letzten 20 Jahren mit enormem finanziellen Aufwand eine Energiewende betrieben haben (Deutschland). Entscheidend ist technologische Innovation und nicht politische Bevormundung, die sich auf Wissenschaftler stützt, welche moralisch-normatives Wissen zur Steuerung der Gesellschaft beanspruchen. Es ist wiederum zu befürchten, dass die politische Lenkung zur angeblichen Rettung des Weltklimas eine gezielte, lokale Bekämpfung derjenigen konkreten Umweltprobleme geradezu verhindert, die tatsächlich in der Gegenwart jedes Jahr eine Vielzahl von Todesopfern fordern.

Es ist kein Zufall, dass es weitgehend dieselbe Gruppe von Experten und ihren Organisationen wie Akademien im Verbund mit einigen Politikern und manchen Wirtschaftsführern ist, welche Coronakrise und Klimakrise zum Anlass nehmen, uns von einer offenen in eine geschlossene Gesellschaft hineinzusteuern.

Die Ausbreitung des Coronavirus soll offenbar als Generalprobe für Folgendes herhalten: Durch das gezielte Schüren von Angst negative Externalitäten so umfassend zu definieren, dass jede Freiheitsausübung unter Generalverdacht steht, um dann eine Kontrolle der Freiheit durch von angeblichen Experten formulierte Bedingungen durchsetzen zu können.

Wieso geschieht das? Für viele Wissenschaftler und Intellektuelle ist es offenbar schwer einzugestehen, kein normatives Wissen zu haben, das die Steuerung der Gesellschaft ermöglicht. Sie erliegen der Versuchung, die bereits Popper bei den von ihm kritisierten Intellektuellen und Wissenschaftlern ausmachte. Für Politiker ist es wenig attraktiv, am besten nichts zu tun und das Leben der Menschen seinen Gang gehen zu lassen. Da kommt die Gelegenheit recht, altbekannte, aber in neuer Form auftretende Herausforderungen zu existenziellen Krisen hochzureden und Angst zu schüren mit pseudo-wissenschaftlichen Modellrechnungen, die in Katastrophen-Prognosen münden. Dann können Wissenschaftler sich mit politischen Forderungen ins Rampenlicht stellen, denen durch den angeblichen Notstand keine rechtsstaatlichen Grenzen gesetzt sind. Politiker können durch wissenschaftliche Legitimation eine Macht erhalten, in das Leben der Menschen einzugreifen, die sie auf demokratischem, rechtsstaatlichem Wege nie erlangen könnten. Bereitwillig hinzu gesellen sich diejenigen wirtschaftlichen Akteure, die von dieser Politik profitieren und die Risiken ihrer Unternehmen auf den Steuerzahler abwälzen können.

Es gibt einzelne Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsführer, die bereits bei vergangenen Virenausbrüchen wie der Schweinegrippe 2009 politische Zwangsmaßnahmen gefordert hatten. Diese Personen waren darauf vorbereitet, den nächstbesten Virusausbruch dafür zu nutzen, um ihre Pläne – aus aufrichtiger Überzeugung, Machtwillen oder Profitinteressen – durchzusetzen. Aber gerade die Wissenschaftstheorie Poppers lehrt uns, dass kein Individuum oder Gruppe von Individuen die Entwicklung der Gesellschaft mittels eines vorbereiteten Planes (einer «Verschwörung») bestimmen kann. Es waren kontingente Umstände – wie vielleicht die Bilder aus Wuhan und Bergamo – verbunden mit Panikreaktionen, die dazu führten, dass diesmal diese Pläne in breiten Kreisen von Medien, Politikern und Wissenschaftlern Anklang fanden. Es bildete sich dann ein Trend aus, der immer mehr gesellschaftliche Akteure mit sich riss und dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Diese Situation ist gut mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs vergleichbar, der sich auch aus kontingenten Umständen im Juli 1914 entwickelt hatte. In der Tat besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte des 20. im 21. Jahrhundert wiederholt: Der politische Umgang mit der Corona-Pandemie entspricht dem ersten Weltkrieg. Forderungen einer radikalen Umwälzung der Gesellschaft wie „Zero Covid“ (und deren Pendant im Klima-Aktivismus) entsprechen dem Bolschewismus. Gegen diese Forderungen und das Versagen der Eliten insgesamt formiert sich ein radikaler Rechtspopulismus, der sich zum zeitgenössischen Pendant des Faschismus entwickeln könnte. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Zwangsmaßnahmen und das unbegrenzte Gelddrucken, um diese Folgen aufzufangen, könnten zu Inflation und schließlich einer Wirtschaftskrise führen wie am Ende der 1920er Jahre, in der die liberalen Kräfte in Kontinentaleuropa zwischen Bolschewismus und Faschismus zerrieben wurden. Es ist wichtig, sich dieser Gefahr bewusst zu sein, die Parallelen zum Ablauf des 20. Jahrhunderts zu erkennen und sich dem fatalen Trend, der sich im Umgang mit der Corona-Pandemie ausgebildet hat, entgegenzustellen.

Das Problem negativer Externalitäten und seine Lösung

Das Problem, das hier zutage tritt, ist ein altes. Es wohnt auch dem rein auf Schutz beschränkten Staat inne: Um jeden wirkungsvoll vor Gewalt zu schützen, müsste von jedem zu jeder Zeit der Aufenthaltsort nachweisbar sein; um die Gesundheit von jedem wirkungsvoll vor Ansteckung durch Viren zu schützen, müssten von jedem zu jeder Zeit die physischen Kontakte kontrollierbar sein. Das Problem ist die willkürliche Definition von negativen Externalitäten, gegen die auch der Liberalismus und sogar der Libertarianismus per se nicht gefeit sind. Denn es ist nicht klar, was eine negative Externalität ist und was nicht. So kann man aus der Ausbreitung von Viren oder der Veränderung des Weltklimas negative Externalitäten ableiten, die letztlich in jeglichem Handeln von Menschen auftreten und die eine Reglementierung erfordern, sei es eine staatliche, sei es eine marktwirtschaftliche über die Ausweitung von Eigentumsrechten. Man könnte zum Beispiel jeder Person Eigentumsrechte an der sie umgebenden Luft zusprechen, so dass diese Luft nicht durch Viren belastet sein darf, die durch menschliche Körper verbreitet werden, oder bestimmte klimatische Bedingungen erfüllen muss, die durch menschliche Handlungen beeinflusst werden usw.

Folglich ist der Gegensatz nicht der zwischen Staat und freien Märkten. In diesem Schema zu denken, greift zu kurz, um das zugrunde liegende Problem der willkürlichen Ausweitung negativer Externalitäten anzugehen. Die Kontrolle kann durch staatliche oder private Stellen erfolgen. Die Zertifikate, welche die Menschen reinwaschen und die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen, können von privaten oder staatlichen Stellen ausgegeben werden. Es kann Konkurrenz in Bezug auf sie und ihre konkrete Ausgestaltung geben. Das alles ist letztlich irrelevant. Der Punkt ist der Totalitarismus der allumfassenden Kontrolle, in den auch liberal angelegte Staats- und Gesellschaftsordnungen abgleiten können, wenn man es zulässt, negative Externalitäten so willkürlich zu definieren, dass am Ende jeder mit all seinem Handeln unter dem Generalverdacht steht, andere zu schädigen.

Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit und Menschenwürde basiert. Daraus ergeben sich Grundrechte, die in folgendem Sinne bedingungslos gelten: Ihre Geltung kann nicht einem höheren Ziel untergeordnet werden. Sie können nur ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Existenz des Staates, der ihre Geltung durchsetzt, dieses erfordert, wie im Falle eines äußeren Angriffs. Das ist das Fundament der offenen Gesellschaft im Sinne Poppers, das, wie oben erwähnt, gelegt wird durch das Naturrecht, die Forderung der politischen Durchsetzung universeller Menschenrechte in der Aufklärung usw. Zu der offenen Gesellschaft gehört eine Wissenschaft, die ebenso offen ist in ihrer Forschung und Lehre wie die Gesellschaft, genauso wie Vertragsfreiheit und die mit ihr verbundene wirtschaftliche Freiheit. Letztere besteht aber nicht für sich allein, sondern nur auf dem genannten Fundament. Denn nur von diesem Fundament aus, das jedem unbedingt das Recht zur freien Lebensgestaltung zuspricht, kann man dann negative Externalitäten eingrenzen in Form konkreter und signifikanter Schädigungen der Freiheit anderer, welche dann in der Tat äußere Eingriffe in die Lebensführung von Personen rechtfertigen.

Foto: Sven Steinmeyer, Flickr.com/photos/swelt/3334646471, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Noch einmal anders formuliert: Das Axiom ist die Freiheit jeder Person im Denken und Handeln; einen Menschen als Person anzuerkennen, heißt, ihm diese Freiheit zu gewähren und damit seine Würde zu respektieren. Damit ist das Recht verbunden, sein Leben selbst zu gestalten. Es gibt keinen moralischen Wert, der über dieser Würde steht und in Hinblick auf den es gerechtfertigt sein könnte, negative Externalitäten zu definieren, die das Handeln jedes Menschen unter den Generalverdacht der Schädigung anderer im Hinblick auf diesen Wert stellen (wie Gesundheitsschutz oder Klimaschutz). In der Philosophie nennt man eine solche Überlegung ein transzendentales Argument, das a priori gilt. Empirisch, aus der Geschichte ebenso wie aus der Erfahrung, die wir zur Zeit wieder machen, ist zudem offensichtlich (wenn man nur hinschauen will), dass dann, wenn man diese Grundlage verlässt, stets großer Schaden für die allermeisten Menschen angerichtet wird und Nutzen nur für die Elite derjenigen, welche von den Bedingungen profitieren, die den Zutritt zur geschlossenen Gesellschaft regeln. Dieses empirische Argument ergänzt das genannte transzendentale Argument.

Wie nach dem zweiten Weltkrieg stehen wir heute vor einer Weichenstellung, welche unsere Gesellschaft für die kommenden Jahrzehnte prägen könnte, weil sie einen Trend setzen könnte, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien umfasst. Peter Sloterdijk hat im März 2020, zu Beginn der Coronakrise, gesagt, dass der Westen sich als genauso autoritär wie China erweisen wird [5]. Leider sollte er im vergangenen Jahr in einer Weise Recht bekommen, die viele, der Autor dieses Papiers eingeschlossen, nach der Erfahrung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht für möglich gehalten haben. Ein großer Teil der Organisationsformen der gesellschaftlichen Gruppen ebenso wie der politischen Parteien – einschließlich derer, welche die Bezeichnung «liberal» führen – hat sich in den Trend zu dem neuen Totalitarismus umfassender Kontrolle eingereiht. Aber es gab auch viele, die sich aus liberaler, religiöser oder sozialer Überzeugung dagegen gewandt haben – oder einfach nur, weil sie sich nicht den gesunden Menschenverstand haben nehmen lassen durch eine modellierte Realität, die ihnen Medien vorgegaukelt haben.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns der Weichenstellung bewusst werden, vor der wir stehen. Dazu braucht es einen nüchternen Blick, der sich nicht von den Ängsten trüben lässt, welche die neuen Feinde der offenen Gesellschaft schüren, nämlich den Blick und das Vertrauen darauf, was jeden einzelnen von uns als vernunftbegabtes Lebewesen auszeichnet: die Würde der Person, die in ihrer Freiheit im Denken und Handeln besteht [6].

Zusammenfassung

  • Wie nach dem zweiten Weltkrieg stehen wir heute erneut vor einer Weichenstellung zwischen Freiheit und Totalitarismus – zwischen einer offenen Gesellschaft, die jeden Menschen bedingungslos als Person anerkennt und einer geschlossenen Gesellschaft, die die Gewährung von Grundrechten an bestimmte Bedingungen knüpft.
  • Herausforderungen wie die Ausbreitung des Coronavirus oder der Klimawandel sind in ihrer Qualität und Größenordnung nicht völlig neu. Solche Herausforderungen wurden von offenen Gesellschaften stets durch spontane Verhaltensanpassung und technologische Innovation gemeistert.
  • Akteure aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in Verbindung mit Massenmedien reden diese Herausforderungen zu existenziellen Krisen für die Menschheit hoch, um mittels gezielt geschürter Angst Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseite zu schaffen.
  • Man spielt dabei Externalitäten so aus, dass letztlich jedes freie Handeln unter dem Verdacht steht, andere zu schädigen. Von diesem Verdacht kann man sich dann nur durch einen Impf-, Nachhaltigkeits- oder allgemein sozialen Pass befreien. Die Ausübung von Freiheit wird damit unter Bedingungen gestellt, die Experten festsetzen, welche für sich in Anspruch nehmen, ein moralisch-normatives Wissen zur Steuerung der Gesellschaft zu haben – wie einst die Philosophen-Könige Platons.
  • Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit und Menschenwürde basiert, woraus sich Grundrechte ergeben, die bedingungslos gelten. Es gibt keinen moralischen Wert, der über der Würde jedes einzelnen Menschen steht.
  • Die offene Gesellschaft und ihre Feinde ist der Titel von Karl Poppers Hauptwerk in politischer Philosophie, geschrieben im Exil in Neuseeland während des zweiten Weltkriegs und 1945 veröffentlicht.

Quellen:

[1] „The end of history?“, The National Interest 16 (1989), S. 3-18.

[2] Studien zusammengefasst in Eran Bendavid et al., „Assessing mandatory stay-at-home and business closure effects on the spread of COVID-19“, European Journal of Clinical Investigation 51 (2021), e 13484. Siehe auch die Übersicht über die relevanten Studien vom American Institute of Economic Research, „Lockdowns do not control the coronavirus: the evidence“, (abgerufen am 20. Dezember 2020) <https://www.aier.org/article/lockdowns-do-not-control-the-coronavirus-the-evidence>

Siehe ferner Christian Bjørnskov, „Did lockdown work? An economist’s cross-country comparison“, CESifo Economic Studies, 29. März 2021, 1-14, DOI: 10.1093/cesifo/ifab003. Für eine Kritik der Lockdown-Politik in Deutschland siehe Christoph Lütge und Michael Esfeld, „Und die Freiheit? Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen“, München: riva 2021.

[3] Vgl. R. F. Savaris et al., „Stay-at-home policy is a case of exception fallacy: an internet-based ecological study“, Nature Scientific Reports 11 (2021), Artikel Nr. 5313.

[4] Siehe zum Beispiel für Deutschland Bernd Raffelhüschen, „Verhältnismäßigkeit in der Pandemie: Geht das?“, WiSt. Wirtschaftswissenschaftliches Studium Juli 2020;

für die Schweiz Konstantin Beck und Werner Widmer, „Corona in der Schweiz. Plädoyer für eine evidenzbasierte Pandemie-Politik“, ISBN 978-3-033-08275-5, (abgerufen am 16. Dezember 2020) <https://www.corona-in-derschweiz.ch>

für das Vereinigte Königreich David K. Miles, Michael Stedman und Adrian H. Heald, „Stay at home, protect the National Health Service, safe lives: a cost benefit analysis of the lockdown in the United Kingdom“, International Journal of Clinical Practice 75.3 (2020), DOI: 10.1111/ijcp.13674. Siehe auch den Oxfam-Bericht, „The hunger virus: how COVID-19 is fuelling hunger in a hungry world“, 9. Juli 2020, herunterzuladen auf <https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2020-07-09-neue-hunger-epizentren-covid-19-mehr-menschenkoennten>

[5] Interview in Le Point 18. März 2020, <https://www.lepoint.fr/politique/sloterdijk-le-systeme-occidental-va-se-reveleraussi-autoritaire-que-celui-de-la-chine-18-03-2020-2367624_20.php>

[6] Dieses Briefing ist die ausführliche Fassung eines Artikels, der unter dem Titel „Die geschlossene Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, Karl Popper neu zu lesen“, erschien in Neue Zürcher Zeitung, 1. April 2021, Feuilleton, S. 33. Die hier entwickelten Gedanken sind beeinflusst durch den Austausch mit Andreas Buchleitner, Boris Kotchoubey, Christoph Lütge, Henrique Schneider und Gerhard Wagner. Natürlich bin ich allein für diese Ausführungen verantwortlich.

Die offene Gesellschaft und ihre neuen Feinde

Von Michael Esfeld , veröffentlicht am: 11. Juni 2021, Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 17.04.2021 auf www.libinst.ch unter der URL <https://www.libinst.ch/?i=die-offene-gesellschaft-und-ihre-neuen-feinde> veröffentlicht. Lizenz: ©Michael Esfeld, Liberales Institut

Foto: Dimitri Svetsika, Pixabay.com/5243730, Lizenz: CC-0.

Werden bedingungslos gesicherte Grundrechte in Privilegien umgewandelt, ist unsere Freiheit am Ende.

Das Buch „Die offene Gesellschaft und Ihre Feinde“ von Karl Popper war eine der intellektuellen Grundlagen für die politische Weichenstellung, die man an Winston Churchills Reden in Fulton (Missouri) und Zürich 1946 festmachen kann: die Bildung einer westlichen Staatengemeinschaft, die auf Rechtsstaat und Menschenrechten basierend sich dem Sowjetimperium entgegenstellt. Dadurch wurde der eiserne Vorhang nicht nur zu einer physischen, sondern vor allem auch zu einer weltanschaulichen Grenze – die Behauptung von Freiheit gegen den Machtanspruch des Totalitarismus. Diese Weichenstellung setzte einen Rahmen, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien im Westen umfasste: Was auch immer für verschiedene Interessen und unterschiedliche parteipolitische Programme bestanden, der auf Grundrechten basierende freiheitliche Rechtsstaat im Gegensatz zum Totalitarismus des Sowjetimperiums stand nicht zur Disposition. Diese Weichenstellung prägte Politik und Gesellschaft über vier Jahrzehnte. 1989, nach dem Fall der Berliner Mauer, schien keine neue Weichenstellung erforderlich: Freiheit und Rechtsstaat hatten sich durchgesetzt. Francis Fukuyama sprach sogar vom Ende der Geschichte [1].

Das war ein Irrtum. Die Weichenstellung erfolgt jetzt, im Jahre 2021. Auch heute geht es um eine Weichenstellung zwischen Freiheit und Totalitarismus, die wiederum unser Leben für die kommenden Jahrzehnte prägen könnte. Und es geht wieder um einen Trend, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien umfassen könnte, was auch immer ansonsten ihre Unterschiede sein mögen. Diese Weichenstellung wird man daran festmachen können, welche Konsequenzen wir aus der Coronakrise ziehen.

Popper über die offene Gesellschaft

Die offene Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie jeden Menschen als Person anerkennt: Die Person hat eine unveräußerliche Würde. Sie hat die Freiheit, ihr Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten, ebenso wie die Verantwortung, für ihr Handeln auf Verlangen Rechenschaft abzulegen. Freiheit ist die „condition humaine“. Wenn wir denken und handeln, sind wir frei. Das ist deshalb so, weil man für Gedanken und Handlungen – und nur für diese – Gründe und damit Rechtfertigungen verlangen kann. Für Verhalten, das eine Reaktion auf biologische Reize und Begierden ist, ergibt es hingegen keinen Sinn, Gründe zu verlangen. Frei sind wir, weil die Spezies Mensch sich in der Evolution von dem Zwang befreit hat, einer bloßen Reaktion auf Reize unterworfen zu sein.

Aus dieser Freiheit ergeben sich Grundrechte. Das sind Rechte der Abwehr gegen äußere Eingriffe in die eigene Urteilsbildung darüber, wie man sein Leben gestalten will. In der Philosophie werden diese Grundrechte so gedacht, dass sie mit der Existenz von Personen als solcher gegeben sind. Sie hängen also nicht vom positiven Recht eines Staates und kontingenten historischen Umständen ab. So zum Beispiel im Naturrecht seit der Antike; in der Aufklärung, die universelle Menschenrechte politisch einforderte, die für alle Menschen in gleicher Weise gelten und unter anderem zur Abschaffung der Sklaverei führten; bei Kant, dessen kategorischer Imperativ fordert, Menschen stets als Zweck an sich selbst und nie nur als Mittel zu einem Zweck zu behandeln; im 20. Jahrhundert unter anderem auch in der Diskursethik von Karl-Otto Apel oder der Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls. Der Staat ist ein Rechtsstaat, der diese Rechte schützt; er lenkt die Gesellschaft nicht, sondern lässt den Menschen freien Lauf, ihre sozialen Beziehungen zu gestalten.

Sir Karl Raimund Popper CH FBA FRS (28. Juli 1902 – 17. September 1994) war ein österreichisch-britischer Philosoph, akademischer und sozialer Kommentator. (Foto: Arturo Espinosa, Flickr.com/photos/espinosa_rosique/8302670045, Lizenz: CC BY 2.0)

Popper zufolge sind die intellektuellen Feinde der offenen Gesellschaft diejenigen, die für sich reklamieren, das Wissen um ein gemeinschaftliches Gut zu besitzen. Aufgrund dieses Wissens nehmen sie in Anspruch, die Gesellschaft technokratisch steuern zu können, um dieses Gut zu verwirklichen. Dieses Wissen ist sowohl faktisch-naturwissenschaftlicher als auch normativ-moralischer Art: Es ist moralisches Wissen um das höchste Gut zusammen mit naturwissenschaftlichem bzw. technokratischem Wissen darüber, wie man die Lebenswege der Menschen steuern muss, um dieses Gut zu erreichen. Deshalb steht dieses Wissen über der Freiheit der einzelnen Menschen, nämlich über deren eigener Urteilsbildung darüber, wie sie ihr Leben gestalten möchten.

Diese Feinde kommen aus dem Inneren unserer Gesellschaft. Popper macht das am Übergang von Sokrates zu Platon und dann von Kant zu Hegel und Marx fest. Sokrates und Kant legen den intellektuellen Grund für die offene Gesellschaft; Platon, Hegel und Marx zerstören diesen, indem sie die Suche nach dem, was jeder als ein für sich gelingendes Leben ansieht, durch den Wissensanspruch um ein absolutes Gutes ersetzen, auf das die Geschichte zusteuert. Dieses Wissen berechtigt sie dazu, sich über Grundrechte und Menschenwürde hinwegzusetzen; denn es geht um das Ziel des menschlichen Daseins. Deshalb handelt es sich um einen Totalitarismus: Die gesamte Gesellschaft bis hin zum Leben der Familien und der Individuen wird auf die Verwirklichung des angeblichen absoluten Guten ausgerichtet, ohne dass durch Menschenwürde und Grundrechte Schranken gesetzt sind.

Diese Feinde der offenen Gesellschaft sind durch die Massenmorde entlarvt worden, die sich im 20. Jahrhundert auf dem Weg zur Verwirklichung des angeblich Guten als unumgänglich erwiesen haben. Auf diesem Weg wurden nicht nur Menschenwürde und Grundrechte beseitigt, sondern zugleich auch ein schlechtes Resultat in Bezug auf das absolut gesetzte, angebliche Gute erzielt. Unter kommunistischen Regimen hat es auf dem Weg zur klassenlosen, ausbeutungsfreien Gesellschaft schlimmere wirtschaftliche Ausbeutungsverhältnisse gegeben als jemals im Kapitalismus.

Der Weg zum Ziel einer reinrassigen Volksgemeinschaft hat im Nationalsozialismus eben dieses Volk an den Rand des Untergangs geführt. Diese Ideen und ihre politischen Folgen gehören in der Tat der Geschichte an.

Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft

Nichtsdestoweniger stehen wir heute wieder vor einer Weichenstellung zwischen offener Gesellschaft und Totalitarismus. Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft kommen wieder aus dem Inneren der Gesellschaft mit Wissensansprüchen, die zugleich kognitiver und moralischer Art sind und die wiederum eine technokratische Gestaltung der Gesellschaft zur Folge haben, die sich über Menschenwürde und Grundrechte hinwegsetzt. Allerdings operieren die neuen Feinde der offenen Gesellschaft nicht mit dem Trugbild eines absolut Guten, sondern mit gezielt geschürter Angst vor Bedrohungen, die angeblich unsere Existenz gefährden. Diesen Bedrohungen liegen Fakten zugrunde, wie die Ausbreitung des Coronavirus oder der Klimawandel, der mit der Industrialisierung in den letzten zwei Jahrhunderten korreliert. Man nimmt diese Bedrohungen zum Anlass, um bestimmte Werte absolut zu setzen, wie Gesundheitsschutz oder Klimaschutz. Eine Allianz aus Experten, Politikern und manchen Wirtschaftsführern nimmt für sich in Anspruch, das Wissen zu haben, wie man das gesellschaftliche bis hin zum familiären und individuellen Leben steuern muss, um diese Werte zu sichern. Wiederum geht es um ein höheres gesellschaftliches Gut – Gesundheitsschutz, Lebensbedingungen zukünftiger Generationen – hinter dem individuelle Menschenwürde und Grundrechte zurückzustehen haben.

Verhungerte Bauern auf der Straße in Charkow während der Hungersnot in der sowjetischen Ukraine, 1932-1933. (Foto: Wikipedia. org, gemeinfrei. Erstveröffentlichung in „Muss Russland Hungern?“, Wilhelm Braumüller, Wien 1935).

Der eingesetzte Mechanismus besteht darin, diese Herausforderungen so ins Rampenlicht zu stellen, dass sie als existenzielle Krisen erscheinen – ein Killervirus, das umgeht, eine Klimakrise, welche die Existenzgrundlagen unserer Kinder bedroht. Die Angst, die man auf diese Weise schürt, ermöglicht es dann, Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseite zu schaffen – genau wie in den von Popper kritisierten Totalitarismen, in welchen das angeblich Gute sehr viele Menschen zu de facto verbrecherischen Handlungen motivierte. Es sind ja nicht in erster Linie Böse, die Böses tun, sondern häufig Gute, die aus Sorge um einen ihrer Überzeugung nach bedrohten und existenziell wichtigen Wert Dinge tun, die letztlich verheerende Folgen haben.

Dieser Mechanismus trifft die offene Gesellschaft ins Mark, weil man ein bekanntes Problem ausspielt, nämlich das der negativen Externalitäten. Damit ist Folgendes gemeint: Die Freiheit des einen endet dort, wo sie die Freiheit anderer bedroht. Handlungen des einen – einschließlich der Verträge, die er eingeht – haben Auswirkungen auf Dritte, die außerhalb dieser Beziehungen stehen, deren Freiheit zur Gestaltung ihres Lebens aber durch diese Handlungen beeinträchtigt werden kann. Die Grenze, jenseits welcher die freie Lebensgestaltung des einen der freien Lebensgestaltung anderer einen Schaden zufügt, ist nicht von vornherein festgelegt. Man kann sie eher weit oder eher eng fassen. Der genannte Mechanismus besteht nun darin, mittels Erzeugens von Angst und unter dem Deckmantel von Solidarität diese Grenze so eng zu fassen, dass de facto kein Spielraum mehr für die freie Lebensgestaltung bleibt: Jede freie Lebensgestaltung des einen kann so ausgelegt werden, dass mit ihr negative Externalitäten einhergehen, die potenziell eine Bedrohung für die freie Lebensgestaltung anderer darstellen.

Die neuen Feinde der offenen Gesellschaft schüren die Angst vor der Ausbreitung einer angeblichen Jahrhundertseuche – aber natürlich kann jede Form physischen Kontaktes zur Ausbreitung des Coronavirus (ebenso wie anderer Viren und Bakterien) beitragen. Sie schüren die Angst vor einer drohenden Klimakatastrophe – aber natürlich kann jede Handlung Auswirkungen auf die nicht-menschliche Umwelt haben und dadurch zur Veränderung des Klimas beitragen. Mithin soll jeder nachweisen, dass er mit seinem Handeln nicht unabsichtlich zur Ausbreitung eines Virus oder zur Schädigung des Klimas beiträgt usw. – die Liste könnte man beliebig erweitern. So stellt man alle Menschen unter Generalverdacht, letztlich mit allem, was sie tun, andere zu schädigen. Man kehrt die Beweislast um: Es muss nicht der konkrete Nachweis geführt werden, dass jemand mit bestimmten seiner Handlungen andere schädigt. Vielmehr muss jeder nachweisen, dass er andere nicht schädigt, einschließlich der Mitglieder zukünftiger Generationen. Dementsprechend können sich die Menschen von diesem Generalverdacht nur dadurch befreien, dass sie ein Zertifikat erwerben, durch das sie sich reinwaschen – wie einen Impfpass, einen Nachhaltigkeitspass oder generell einen sozialen Pass.

Das ist eine Art moderner Ablasshandel.

Damit ist Freiheit abgeschafft und ein neuer Totalitarismus installiert; denn die Ausübung von Freiheit und die Gewährleistung von Grundrechten hängt dann von einer Genehmigung ab, die eine Elite von Experten erteilt – oder eben verweigert.

Die Weichenstellung, vor der wir stehen, ist somit diese: Eine offene Gesellschaft, die jeden bedingungslos als Person mit einer unveräußerlichen Würde und Grundrechten anerkennt; oder eine geschlossene Gesellschaft, zu deren sozialem Leben man Zutritt erhält durch ein Zertifikat, dessen Bedingungen bestimmte Experten definieren, wie einst die Philosophen-Könige Platons. Genau wie letztere, deren Wissensansprüche von Popper entlarvt wurden, haben auch ihre heutigen Nachfahren kein Wissen, das sie in die Position versetzen würde, solche Bedingungen ohne Willkür festzusetzen.

Das Trugbild von Wissen zur Steuerung der Gesellschaft

Virenausbrüche in ähnlicher Größenordnung wie die gegenwärtige Corona-Pandemie hat es häufig gegeben – zuletzt die Asien-Grippe Mitte der 1950er und die Hongkong-Grippe Ende der 1960er Jahre. Offene Gesellschaften haben diese stets erfolgreich durch spontane Verhaltensanpassung und rein medizinische Mittel bekämpft. Dieses Wissen um effiziente Pandemie-Bekämpfung wurde im Frühjahr 2020 über Bord geworfen. Die Experten, die für die bewährte medizinische Strategie mit allgemeinen Hygiene-Empfehlungen und gezieltem Schutz der Risikopersonen eintraten, wurden diffamiert – als ob jeder, der mit welcher wissenschaftlichen Reputation auch immer für den traditionellen Umgang mit einer Pandemie eintrat, seinen Verstand verloren hätte. Das Ziel war, an die Stelle der medizinischen eine politische Strategie zu setzen, welche die gesamte Gesellschaft durch allumfassende Kontrolle der physischen Kontakte durch die Pandemie hindurchzusteuern versucht. Menschenwürde und Grundrechte stehen hinter dieser Kontrolle zurück. Es geht dabei nicht um Solidarität mit den gefährdeten Personen. Deren gezielter Schutz wird durch die politische Reglementierung des gesamten sozialen Lebens unterminiert. Die politische Reglementierung des sozialen Lebens aller wird geradezu zu einer Entschuldigung dafür, sich nicht gezielt um den Schutz der gefährdeten Personen kümmern zu müssen, mit fatalen Folgen für diese, sichtbar in der skandalös hohen Anzahl von Corona-Toten in den Alters- und Pflegeheimen. Es geht um soziale Kontrolle der Lebensgestaltung aller.

Inzwischen liegen zahlreiche Studien vor, die nachweisen, dass politische Repressalien wie Lockdowns keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ergeben [2]. Das kann man so veranschaulichen: Man legt Personen die relevanten Daten zum Infektionsgeschehen wie Krankenhauseinweisungen und Todesfälle im Verhältnis zur Bevölkerung aus Ländern mit ähnlicher geographischer Lage und wirtschaftlicher Entwicklung über eine längere Zeitspanne hinweg vor. Anhand dieser Daten lässt sich nicht ersehen, welche dieser Länder scharfe politische Maßnahmen wie einen Lockdown mit der Anordnung, zu Hause zu bleiben, ergriffen haben und welche nicht [3].

Ein Beispiel ist der Vergleich zwischen Deutschland und Schweden ab Mai 2020, nachdem Schweden die anfänglichen Versäumnisse im Schutz der Alters- und Pflegeheime in den Griff bekommen hatte: Zwischen Schweden ohne Lockdown und Deutschland mit Lockdown gibt es seit Mai 2020 keinen statistisch signifikanten Unterschied im Erfolg der Bekämpfung der Pandemie. Ein anderes Beispiel sind Bundesstaaten in den USA, wie etwa Florida und Kalifornien, die wegen ihres warmen Klimas und der Küstenlage vergleichbar sind. Seit September 2020 folgt der Gouverneur von Florida die Erkenntnisse der Wissenschaft, nämlich derjenigen Wissenschaft, mit der Pandemien in vergleichbarer Größenordnung stets medizinisch erfolgreich bekämpft wurden. Florida steht trotz aller katastrophalen Prophezeiungen, wenn man dieser Wissenschaft folgt, in der Pandemie-Bekämpfung nicht schlechter da als Kalifornien, wo weiterhin politische Repressalien bestehen. Ähnliches gilt für South Dakota, das nie zu politischen Zwangsmaßnahmen griff, im Vergleich zu North Dakota.

Mehr noch: Inzwischen bestätigen zahlreiche Studien aus vielen Ländern, dass die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden der so genannten Corona-Schutzmaßnahmen deren Nutzen bei weitem übersteigen werden. Berechnet wird dies auf folgende Weise: Man akzeptiert die Annahme, dass Lockdowns tatsächlich vorzeitige Todesfälle infolge einer Infektion mit dem Coronavirus in einer statistisch signifikanten Weise verhindern können. Man schätzt dann die Lebensjahre ab, die durch einen Lockdown gewonnen werden können und vergleicht sie mit den Lebensjahren, die infolge der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die Lockdowns anrichten, verloren gehen; denn Menschen werden wegen dieser Schäden früher sterben als es ansonsten der Fall wäre. Diese Todesfälle treten natürlich erst in der Zukunft auf, und zwar weltweit und in sozial ungleich verteilter Weise: Sie betreffen in erster Linie unterprivilegierte soziale Schichten und sich entwickelnde Länder, vor allem durch die Rückschritte in der Gesundheitsversorgung und Armutsbekämpfung in diesen Ländern. Diese Zahlen lassen sich nicht exakt abschätzen, aber ihre Größenordnung ist eindeutig: Die Schäden an verloren gehenden Lebensjahren übertreffen die möglicherweise gewonnenen Lebensjahre um ein Vielfaches [4].

All das bestätigt ein bekanntes Resultat: Wenn man Wert X – hier Gesundheitsschutz – über Menschenwürde und Grundrechte stellt, dann zerstört man nicht nur diese, sondern erzielt im Endeffekt auch ein schlechtes Resultat in Bezug auf X. In diesem Falle sind das gravierende negative Effekte für den Gesundheitsschutz, für die gesamte Bevölkerung und weltweit betrachtet, in Folge der verheerenden Schäden, welche die so genannten Corona-Schutzmaßnahmen anrichten. Man sollte hieraus die Konsequenz ziehen, Lockdowns und dergleichen in der Verfassung zu verbieten, damit sich das, was wir seit März 2020 erlebt haben, nicht wiederholen kann.

Ähnliches ist jedoch leider bei dem politischen Umgang mit der Klimakrise zu befürchten. Die mit der Industrialisierung korrelierte Erderwärmung ist zweifellos eine ernsthafte Herausforderung. Nichtsdestoweniger zeigt uns der Umgang mit Klimaveränderungen in der Geschichte, wie die Menschheit diese bisher stets durch spontane Anpassung und technologische Innovation gemeistert hat. Dafür bietet die offene Gesellschaft die besten Bedingungen. Politische Bedingungen zu stellen in Form einer Steuerung von Wirtschaft und Gesellschaft, die sich wiederum über Menschenwürde und Grundrechte hinwegsetzt und die mit ziemlich willkürlichen, politisch beeinflussten Definitionen dessen operiert, was jeweils nachhaltig sein soll, führt nicht zum Ziel. Die Fakten zeigen schon jetzt, dass der CO2-Ausstoss in Industrieländern ohne Energiewende bisher (wie Frankreich, England, USA) prozentual in gleicher Größenordnung zurückgegangen ist wie in Ländern, die in den letzten 20 Jahren mit enormem finanziellen Aufwand eine Energiewende betrieben haben (Deutschland). Entscheidend ist technologische Innovation und nicht politische Bevormundung, die sich auf Wissenschaftler stützt, welche moralisch-normatives Wissen zur Steuerung der Gesellschaft beanspruchen. Es ist wiederum zu befürchten, dass die politische Lenkung zur angeblichen Rettung des Weltklimas eine gezielte, lokale Bekämpfung derjenigen konkreten Umweltprobleme geradezu verhindert, die tatsächlich in der Gegenwart jedes Jahr eine Vielzahl von Todesopfern fordern.

Es ist kein Zufall, dass es weitgehend dieselbe Gruppe von Experten und ihren Organisationen wie Akademien im Verbund mit einigen Politikern und manchen Wirtschaftsführern ist, welche Coronakrise und Klimakrise zum Anlass nehmen, uns von einer offenen in eine geschlossene Gesellschaft hineinzusteuern.

Die Ausbreitung des Coronavirus soll offenbar als Generalprobe für Folgendes herhalten: Durch das gezielte Schüren von Angst negative Externalitäten so umfassend zu definieren, dass jede Freiheitsausübung unter Generalverdacht steht, um dann eine Kontrolle der Freiheit durch von angeblichen Experten formulierte Bedingungen durchsetzen zu können.

Wieso geschieht das? Für viele Wissenschaftler und Intellektuelle ist es offenbar schwer einzugestehen, kein normatives Wissen zu haben, das die Steuerung der Gesellschaft ermöglicht. Sie erliegen der Versuchung, die bereits Popper bei den von ihm kritisierten Intellektuellen und Wissenschaftlern ausmachte. Für Politiker ist es wenig attraktiv, am besten nichts zu tun und das Leben der Menschen seinen Gang gehen zu lassen. Da kommt die Gelegenheit recht, altbekannte, aber in neuer Form auftretende Herausforderungen zu existenziellen Krisen hochzureden und Angst zu schüren mit pseudo-wissenschaftlichen Modellrechnungen, die in Katastrophen-Prognosen münden. Dann können Wissenschaftler sich mit politischen Forderungen ins Rampenlicht stellen, denen durch den angeblichen Notstand keine rechtsstaatlichen Grenzen gesetzt sind. Politiker können durch wissenschaftliche Legitimation eine Macht erhalten, in das Leben der Menschen einzugreifen, die sie auf demokratischem, rechtsstaatlichem Wege nie erlangen könnten. Bereitwillig hinzu gesellen sich diejenigen wirtschaftlichen Akteure, die von dieser Politik profitieren und die Risiken ihrer Unternehmen auf den Steuerzahler abwälzen können.

Es gibt einzelne Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsführer, die bereits bei vergangenen Virenausbrüchen wie der Schweinegrippe 2009 politische Zwangsmaßnahmen gefordert hatten. Diese Personen waren darauf vorbereitet, den nächstbesten Virusausbruch dafür zu nutzen, um ihre Pläne – aus aufrichtiger Überzeugung, Machtwillen oder Profitinteressen – durchzusetzen. Aber gerade die Wissenschaftstheorie Poppers lehrt uns, dass kein Individuum oder Gruppe von Individuen die Entwicklung der Gesellschaft mittels eines vorbereiteten Planes (einer «Verschwörung») bestimmen kann. Es waren kontingente Umstände – wie vielleicht die Bilder aus Wuhan und Bergamo – verbunden mit Panikreaktionen, die dazu führten, dass diesmal diese Pläne in breiten Kreisen von Medien, Politikern und Wissenschaftlern Anklang fanden. Es bildete sich dann ein Trend aus, der immer mehr gesellschaftliche Akteure mit sich riss und dem man sich nur schwer entziehen konnte.

Diese Situation ist gut mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs vergleichbar, der sich auch aus kontingenten Umständen im Juli 1914 entwickelt hatte. In der Tat besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte des 20. im 21. Jahrhundert wiederholt: Der politische Umgang mit der Corona-Pandemie entspricht dem ersten Weltkrieg. Forderungen einer radikalen Umwälzung der Gesellschaft wie „Zero Covid“ (und deren Pendant im Klima-Aktivismus) entsprechen dem Bolschewismus. Gegen diese Forderungen und das Versagen der Eliten insgesamt formiert sich ein radikaler Rechtspopulismus, der sich zum zeitgenössischen Pendant des Faschismus entwickeln könnte. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Zwangsmaßnahmen und das unbegrenzte Gelddrucken, um diese Folgen aufzufangen, könnten zu Inflation und schließlich einer Wirtschaftskrise führen wie am Ende der 1920er Jahre, in der die liberalen Kräfte in Kontinentaleuropa zwischen Bolschewismus und Faschismus zerrieben wurden. Es ist wichtig, sich dieser Gefahr bewusst zu sein, die Parallelen zum Ablauf des 20. Jahrhunderts zu erkennen und sich dem fatalen Trend, der sich im Umgang mit der Corona-Pandemie ausgebildet hat, entgegenzustellen.

Das Problem negativer Externalitäten und seine Lösung

Das Problem, das hier zutage tritt, ist ein altes. Es wohnt auch dem rein auf Schutz beschränkten Staat inne: Um jeden wirkungsvoll vor Gewalt zu schützen, müsste von jedem zu jeder Zeit der Aufenthaltsort nachweisbar sein; um die Gesundheit von jedem wirkungsvoll vor Ansteckung durch Viren zu schützen, müssten von jedem zu jeder Zeit die physischen Kontakte kontrollierbar sein. Das Problem ist die willkürliche Definition von negativen Externalitäten, gegen die auch der Liberalismus und sogar der Libertarianismus per se nicht gefeit sind. Denn es ist nicht klar, was eine negative Externalität ist und was nicht. So kann man aus der Ausbreitung von Viren oder der Veränderung des Weltklimas negative Externalitäten ableiten, die letztlich in jeglichem Handeln von Menschen auftreten und die eine Reglementierung erfordern, sei es eine staatliche, sei es eine marktwirtschaftliche über die Ausweitung von Eigentumsrechten. Man könnte zum Beispiel jeder Person Eigentumsrechte an der sie umgebenden Luft zusprechen, so dass diese Luft nicht durch Viren belastet sein darf, die durch menschliche Körper verbreitet werden, oder bestimmte klimatische Bedingungen erfüllen muss, die durch menschliche Handlungen beeinflusst werden usw.

Folglich ist der Gegensatz nicht der zwischen Staat und freien Märkten. In diesem Schema zu denken, greift zu kurz, um das zugrunde liegende Problem der willkürlichen Ausweitung negativer Externalitäten anzugehen. Die Kontrolle kann durch staatliche oder private Stellen erfolgen. Die Zertifikate, welche die Menschen reinwaschen und die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen, können von privaten oder staatlichen Stellen ausgegeben werden. Es kann Konkurrenz in Bezug auf sie und ihre konkrete Ausgestaltung geben. Das alles ist letztlich irrelevant. Der Punkt ist der Totalitarismus der allumfassenden Kontrolle, in den auch liberal angelegte Staats- und Gesellschaftsordnungen abgleiten können, wenn man es zulässt, negative Externalitäten so willkürlich zu definieren, dass am Ende jeder mit all seinem Handeln unter dem Generalverdacht steht, andere zu schädigen.

Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit und Menschenwürde basiert. Daraus ergeben sich Grundrechte, die in folgendem Sinne bedingungslos gelten: Ihre Geltung kann nicht einem höheren Ziel untergeordnet werden. Sie können nur ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Existenz des Staates, der ihre Geltung durchsetzt, dieses erfordert, wie im Falle eines äußeren Angriffs. Das ist das Fundament der offenen Gesellschaft im Sinne Poppers, das, wie oben erwähnt, gelegt wird durch das Naturrecht, die Forderung der politischen Durchsetzung universeller Menschenrechte in der Aufklärung usw. Zu der offenen Gesellschaft gehört eine Wissenschaft, die ebenso offen ist in ihrer Forschung und Lehre wie die Gesellschaft, genauso wie Vertragsfreiheit und die mit ihr verbundene wirtschaftliche Freiheit. Letztere besteht aber nicht für sich allein, sondern nur auf dem genannten Fundament. Denn nur von diesem Fundament aus, das jedem unbedingt das Recht zur freien Lebensgestaltung zuspricht, kann man dann negative Externalitäten eingrenzen in Form konkreter und signifikanter Schädigungen der Freiheit anderer, welche dann in der Tat äußere Eingriffe in die Lebensführung von Personen rechtfertigen.

Foto: Sven Steinmeyer, Flickr.com/photos/swelt/3334646471, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Noch einmal anders formuliert: Das Axiom ist die Freiheit jeder Person im Denken und Handeln; einen Menschen als Person anzuerkennen, heißt, ihm diese Freiheit zu gewähren und damit seine Würde zu respektieren. Damit ist das Recht verbunden, sein Leben selbst zu gestalten. Es gibt keinen moralischen Wert, der über dieser Würde steht und in Hinblick auf den es gerechtfertigt sein könnte, negative Externalitäten zu definieren, die das Handeln jedes Menschen unter den Generalverdacht der Schädigung anderer im Hinblick auf diesen Wert stellen (wie Gesundheitsschutz oder Klimaschutz). In der Philosophie nennt man eine solche Überlegung ein transzendentales Argument, das a priori gilt. Empirisch, aus der Geschichte ebenso wie aus der Erfahrung, die wir zur Zeit wieder machen, ist zudem offensichtlich (wenn man nur hinschauen will), dass dann, wenn man diese Grundlage verlässt, stets großer Schaden für die allermeisten Menschen angerichtet wird und Nutzen nur für die Elite derjenigen, welche von den Bedingungen profitieren, die den Zutritt zur geschlossenen Gesellschaft regeln. Dieses empirische Argument ergänzt das genannte transzendentale Argument.

Wie nach dem zweiten Weltkrieg stehen wir heute vor einer Weichenstellung, welche unsere Gesellschaft für die kommenden Jahrzehnte prägen könnte, weil sie einen Trend setzen könnte, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien umfasst. Peter Sloterdijk hat im März 2020, zu Beginn der Coronakrise, gesagt, dass der Westen sich als genauso autoritär wie China erweisen wird [5]. Leider sollte er im vergangenen Jahr in einer Weise Recht bekommen, die viele, der Autor dieses Papiers eingeschlossen, nach der Erfahrung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nicht für möglich gehalten haben. Ein großer Teil der Organisationsformen der gesellschaftlichen Gruppen ebenso wie der politischen Parteien – einschließlich derer, welche die Bezeichnung «liberal» führen – hat sich in den Trend zu dem neuen Totalitarismus umfassender Kontrolle eingereiht. Aber es gab auch viele, die sich aus liberaler, religiöser oder sozialer Überzeugung dagegen gewandt haben – oder einfach nur, weil sie sich nicht den gesunden Menschenverstand haben nehmen lassen durch eine modellierte Realität, die ihnen Medien vorgegaukelt haben.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns der Weichenstellung bewusst werden, vor der wir stehen. Dazu braucht es einen nüchternen Blick, der sich nicht von den Ängsten trüben lässt, welche die neuen Feinde der offenen Gesellschaft schüren, nämlich den Blick und das Vertrauen darauf, was jeden einzelnen von uns als vernunftbegabtes Lebewesen auszeichnet: die Würde der Person, die in ihrer Freiheit im Denken und Handeln besteht [6].

Zusammenfassung

  • Wie nach dem zweiten Weltkrieg stehen wir heute erneut vor einer Weichenstellung zwischen Freiheit und Totalitarismus – zwischen einer offenen Gesellschaft, die jeden Menschen bedingungslos als Person anerkennt und einer geschlossenen Gesellschaft, die die Gewährung von Grundrechten an bestimmte Bedingungen knüpft.
  • Herausforderungen wie die Ausbreitung des Coronavirus oder der Klimawandel sind in ihrer Qualität und Größenordnung nicht völlig neu. Solche Herausforderungen wurden von offenen Gesellschaften stets durch spontane Verhaltensanpassung und technologische Innovation gemeistert.
  • Akteure aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in Verbindung mit Massenmedien reden diese Herausforderungen zu existenziellen Krisen für die Menschheit hoch, um mittels gezielt geschürter Angst Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseite zu schaffen.
  • Man spielt dabei Externalitäten so aus, dass letztlich jedes freie Handeln unter dem Verdacht steht, andere zu schädigen. Von diesem Verdacht kann man sich dann nur durch einen Impf-, Nachhaltigkeits- oder allgemein sozialen Pass befreien. Die Ausübung von Freiheit wird damit unter Bedingungen gestellt, die Experten festsetzen, welche für sich in Anspruch nehmen, ein moralisch-normatives Wissen zur Steuerung der Gesellschaft zu haben – wie einst die Philosophen-Könige Platons.
  • Dagegen kann man nur mit einem substanziellen Menschenbild angehen, das auf Freiheit und Menschenwürde basiert, woraus sich Grundrechte ergeben, die bedingungslos gelten. Es gibt keinen moralischen Wert, der über der Würde jedes einzelnen Menschen steht.
  • Die offene Gesellschaft und ihre Feinde ist der Titel von Karl Poppers Hauptwerk in politischer Philosophie, geschrieben im Exil in Neuseeland während des zweiten Weltkriegs und 1945 veröffentlicht.

Quellen:

[1] „The end of history?“, The National Interest 16 (1989), S. 3-18.

[2] Studien zusammengefasst in Eran Bendavid et al., „Assessing mandatory stay-at-home and business closure effects on the spread of COVID-19“, European Journal of Clinical Investigation 51 (2021), e 13484. Siehe auch die Übersicht über die relevanten Studien vom American Institute of Economic Research, „Lockdowns do not control the coronavirus: the evidence“, (abgerufen am 20. Dezember 2020) <https://www.aier.org/article/lockdowns-do-not-control-the-coronavirus-the-evidence>

Siehe ferner Christian Bjørnskov, „Did lockdown work? An economist’s cross-country comparison“, CESifo Economic Studies, 29. März 2021, 1-14, DOI: 10.1093/cesifo/ifab003. Für eine Kritik der Lockdown-Politik in Deutschland siehe Christoph Lütge und Michael Esfeld, „Und die Freiheit? Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen“, München: riva 2021.

[3] Vgl. R. F. Savaris et al., „Stay-at-home policy is a case of exception fallacy: an internet-based ecological study“, Nature Scientific Reports 11 (2021), Artikel Nr. 5313.

[4] Siehe zum Beispiel für Deutschland Bernd Raffelhüschen, „Verhältnismäßigkeit in der Pandemie: Geht das?“, WiSt. Wirtschaftswissenschaftliches Studium Juli 2020;

für die Schweiz Konstantin Beck und Werner Widmer, „Corona in der Schweiz. Plädoyer für eine evidenzbasierte Pandemie-Politik“, ISBN 978-3-033-08275-5, (abgerufen am 16. Dezember 2020) <https://www.corona-in-derschweiz.ch>

für das Vereinigte Königreich David K. Miles, Michael Stedman und Adrian H. Heald, „Stay at home, protect the National Health Service, safe lives: a cost benefit analysis of the lockdown in the United Kingdom“, International Journal of Clinical Practice 75.3 (2020), DOI: 10.1111/ijcp.13674. Siehe auch den Oxfam-Bericht, „The hunger virus: how COVID-19 is fuelling hunger in a hungry world“, 9. Juli 2020, herunterzuladen auf <https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2020-07-09-neue-hunger-epizentren-covid-19-mehr-menschenkoennten>

[5] Interview in Le Point 18. März 2020, <https://www.lepoint.fr/politique/sloterdijk-le-systeme-occidental-va-se-reveleraussi-autoritaire-que-celui-de-la-chine-18-03-2020-2367624_20.php>

[6] Dieses Briefing ist die ausführliche Fassung eines Artikels, der unter dem Titel „Die geschlossene Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, Karl Popper neu zu lesen“, erschien in Neue Zürcher Zeitung, 1. April 2021, Feuilleton, S. 33. Die hier entwickelten Gedanken sind beeinflusst durch den Austausch mit Andreas Buchleitner, Boris Kotchoubey, Christoph Lütge, Henrique Schneider und Gerhard Wagner. Natürlich bin ich allein für diese Ausführungen verantwortlich.