Der Kampf für ein neutrales, demokratisches Deutschland

Von Published On: 10. März 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 21.04.2022 auf www.ifddr.org unter der URL <https://ifddr.org/arbeiterbewegung-spaltung-deutschlands/> veröffentlicht. Lizenz: Matthew Read, Internationale Forschungsstelle DDR, CC BY-NC-ND 4.0

Die Karikatur „Pyramide des kapitalistischen Systems“ der Industriearbeiter der Welt (1911) ist ein Beispiel für eine sozialistische Kritik des Kapitalismus und der sozialen Schichtung. (Public Domain)

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die die DDR von 1949 bis 1989 führte, wurde vor etwas mehr als einem dreiviertel Jahrhundert im April 1946 gegründet. Das heute gängige Narrativ besagt, dass eine von Moskau gesteuerte Gruppe von Kommunisten 1945 nach Berlin zurückkehrte, um die Sozialdemokraten zu vertreiben und in Ostdeutschland einen separaten Staat, ein Regime nach sowjetischem Vorbild zu errichten.

Historische Quellen zeigen jedoch eine andere Geschichte: Nach der Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 strebten deutsche Sozialisten und Kommunisten eine neutrale, parlamentarische Republik an, in der ein Bündnis antifaschistischer Parteien – eine breitgefächerte Volksfront – die Zukunft des Landes gestalten sollte. Die Hoffnung vieler Mitglieder der deutschen Arbeiterbewegung war, dass die vereinigte Arbeiterklasse in diesem neuen parlamentarischen Rahmen die Freiheit haben würde, das Volk für den Sozialismus zu gewinnen. Diese Strategie eines schrittweisen und relativ friedlichen Weges zum Sozialismus wurde von den Anführern der revolutionären Arbeiterbewegung für die spezifischen Bedingungen Nachkriegsdeutschlands entwickelt.

Die historischen Entwicklungen der Nachkriegszeit waren stattdessen bekanntlich durch eine scharfe Trennung zwischen dem kapitalistischen Westen und dem sozialistischen Osten gekennzeichnet. Dieser Artikel umreißt die Ereignisse, die zu dieser Spaltung geführt haben, und hebt Aspekte hervor, die in den heute vorherrschenden Darstellungen oft ausgelassen werden. Dadurch soll die Entwicklung sozialistischer Strategien in ihrem historischen Kontext untersucht werden, um Lehren hinsichtlich der allgemeinen Widersprüche zu ziehen, die in gesellschaftlichen Transformationen verborgen liegen.

Der hier im Mittelpunkt stehende Zeitraum (1945–1952) markiert auch die prägenden Jahre des so genannten Transatlantismus und der Schaffung der so genannten “Sicherheitsarchitektur”, die die Beziehungen in Europa noch lange nach dem Ende des Kalten Krieges geprägt hat. Die Kenntnis der Ursprünge und des Zwecks dieser Architektur ist für das Verständnis der heutigen Entwicklungen in Europa von zentraler Bedeutung.

Der Arbeiter im Reich des Hakenkreuzes! Darum wählt Liste 1 Sozialdemokraten!
Wahlplakat der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), Reichstagswahl 31.7.1932
Künstler: Karl Geiss
Die Hoffnungen der SPD, mit der Tolerierung der konservativen Regierung Held, den Nationalsozialisten zumindest in Bayern Einhalt gebieten zu können, wurden 1933 jäh zerstört. Am 30. Januar ernannte Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler einer Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen. (Lizenz: Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0 DEED)

Die fatale Spaltung der deutschen Arbeiterklasse

Die Nachkriegsstrategien der deutschen Sozialisten und Kommunisten waren weitgehend eine Reaktion auf die Spaltung der Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1912 hatte sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) als stärkste Arbeiterpartei in Europa etabliert. Sie erhielt über ein Drittel der Stimmen und wurde die größte Fraktion im deutschen Parlament. Interne Spaltungen hatten jedoch bereits begonnen, die Partei zu zersplittern, vor allem zwischen reformistischen und revolutionären Tendenzen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 brach die Partei entlang dieser bereits bestehenden Spaltungslinien auseinander. Rechte Sozialdemokraten schlossen sich Kaiser Wilhelms Aufruf zum klassenübergreifenden Burgfrieden an und stimmten für Kredite zur Finanzierung des Krieges. Die Kriegsgegner in der SPD prangerten die Parteiführung an und gründeten in den Folgejahren ihre eigenen Organisationen. Es gab Versuche, sowohl reformistische als auch revolutionäre Antikriegstendenzen unter dem Banner der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) zu vereinen, aber sie erwiesen sich als unwirksam, den Krieg zu stoppen.

1918 wurde augenscheinlich, dass die Kriegsanstrengungen an Kraft verloren. Nach sporadischen Streiks im Laufe des Jahres kam es im November zu einer weit verbreiteten Revolte unter deutschen Soldaten und Arbeitern. In dem Machtvakuum, das auf die Abdankung des Kaisers folgte, spalteten sich Revolutionäre innerhalb der USPD ab und gründeten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die versuchte, die Macht für die entstandenen Soldaten- und Arbeiterräte zu sichern. Rechtsgerichtete sozialdemokratische Führer bemühten sich, eine soziale Revolution, wie sie ein Jahr zuvor in Russland stattgefunden hatte, zu verhindern. Der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert versicherte der militaristischen Junkerklasse, dass seine Partei der alten Gesellschaftsordnung lediglich eine neue republikanische Fassade verpassen würde [1]. Im Gegenzug würden die Junker die ihnen unterstellten Truppen – unter anderem die so genannten Freikorps – Eberts Regierung zur Verfügung stellen, damit die kommunistischen Aufstände in ganz Deutschland niedergeschlagen werden könnten. Tausende von Revolutionären, darunter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, wurden in den folgenden Monaten hingerichtet.

Damit sicherte die SPD ihre Position im neuen deutschen Staat – der Weimarer Republik –, und die Spaltung der Arbeiterbewegung war zementiert. Die KPD erholte sich von der Repressionswelle und agitierte weiter für die proletarische Revolution. Im Dezember 1920 schlossen sich 400.000 Mitglieder der USPD mit der KPD zusammen, woraufhin die USPD von der politischen Bühne verschwand. Die SPD behielt ihr Bündnis mit den besitzenden Klassen bei und mobilisierte wiederholt die Kräfte des Staates, um eine Reihe von revolutionären Aufständen in den 1920er Jahren niederzuschlagen.

Mit dem Zusammenbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft Anfang der 1930er Jahre und der zunehmenden Unruhe unter den arbeitslosen und verarmten Arbeitern wurden extremere Formen der Herrschaft erwogen, um die Profitrate zu sichern und die bestehende Wirtschaftsordnung zu stützen. Kohle- und Stahlmagnaten wie Emil Kirdorf, Fritz Thyssen und Albert Vögler begannen, die reaktionären Kräfte um Hitler zu fördern [2]. Der Faschismus leugnete den Klassenkampf und vertrat stattdessen monistische Ideale: „Eine Volksgemeinschaft ohne Klassen“ [3]. Ob reich oder arm, alle „wahren“ Deutschen sollten Teil eines harmonischen Ganzen sein. Konzerne wie I.G. Farben und Krupp sowie Bankiers und Versicherungsgesellschaften schlossen sich bald dieser ultra-nationalistischen Bewegung an und spülten beträchtliche Summen in die Kassen von Hitlers Partei.

Die tiefe Spaltung der Arbeiterbewegung erwies sich als fatal im Kampf gegen die zunehmende faschistische Gefahr. Die SPD setzte die Kommunisten mit den Faschisten gleich und weigerte sich bei jedem Schritt, mit der KPD zusammenzuarbeiten. Stattdessen hielt sie an ihrem Bündnis mit den konservativen Kräften fest, die schließlich 1933 Hitler die Macht übergaben [4]. Die KPD hatte ihrerseits Mühe, eine klare Analyse des Faschismus zu erstellen, und betrachtete die Sozialdemokratie und ihre Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien als eine Form des „Sozialfaschismus“. Die Kommunisten ergriffen schließlich Initiativen, um die Arbeiterklasse in einer „proletarischen Einheitsfront“ gegen den Nationalsozialismus zu vereinen, aber es war zu spät. Im November 1932, am Vorabend der faschistischen Machtübernahme, erhielten die beiden Arbeiterparteien 13 Millionen Stimmen, doch sie waren gespalten: die SPD erhielt 7,2 Millionen und die KPD 5,98 Millionen. Die Nazis erhielten 11,7 Millionen Stimmen.

Als die Faschisten 1933 von den Monopolisten an die Macht gehievt wurden, dezimierten sie kurzerhand die Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Arbeitnehmerverbände verboten, und die meisten SPD- und KPD-Funktionäre flohen entweder aus dem Land oder wurden in Konzentrationslagern inhaftiert. In der Folge wurden Mindestlöhne, Überstundenvergütungen und Arbeitsschutzgesetze abgeschafft. Teile der ehemals organisierten Arbeiterklasse leisteten innerhalb Deutschlands weiterhin Widerstand gegen die faschistische Herrschaft, blieben aber verstreut und von ihren Genossen im Ausland abgeschnitten.

Die Entwicklung einer neuen Strategie: eine antifaschistisch-demokratische deutsche Republik

Im Januar 1935 trafen sich kommunistische und Arbeiterparteien zum 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau. Angesichts des Misserfolgs bei der Verhinderung des Aufstiegs des Faschismus kamen die Delegierten zu dem Schluss, dass die Taktik der „proletarischen Einheitsfront“ unzureichend gewesen war. Die neue Taktik zielte darauf ab, die breitesten Schichten der Gesellschaft – auch der Bourgeoisie – zum Widerstand gegen den Faschismus und die Kriegsgefahr zu mobilisieren. Die Arbeiterfront sollte als Kern einer breiteren, klassenpluralistischen Volksfront fungieren. Diese Taktik wurde in der Folge in mehreren Ländern angewandt, am prominentesten in Spanien und Frankreich.

Im Anschluss an den Komintern-Kongress hielten die KPD-Führer im Exil zwei Konferenzen ab, auf denen eine Volksfronttaktik entwickelt und auf die nationalen Verhältnisse in Deutschland angewandt wurde. Auf der „Brüsseler Konferenz“ [5] von 1935 kritisiert die KPD ihr bisheriges Verhältnis zur SPD und ihre Einstellung zur bürgerlichen Demokratie gegenüber dem Faschismus. „Einseitige, sektiererische oder überholte Einschätzungen und Orientierungen“ sollten korrigiert werden [6]. „Alle Teile der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen, die Bauernschaft, die Intelligenzija, und des Mittelstandes sowie alle anderen Gegner des Hitlerregimes bis hinein in das Bürgertum“ sollten im antifaschistischen Kampf vereint werden.

Das unmittelbare Ziel sei der Sturz des Hitler-Regimes und die Errichtung eines „freien, antifaschistischen deutschen Staates“.

Eine weitere KPD-Konferenz fand 1939 in Frankreich statt [7]. Hier wurde die Taktik der Volksfront zu einer umfassenderen Strategie für ein post-faschistisches Deutschland weiterentwickelt. In einer Resolution mit dem Titel „Der Weg zum Sturze Hitlers und der Kampf um die neue, demokratische Republik“ erklärte die Partei:

„Die neue demokratische Republik wird aber, im Gegensatz zur Weimarer Republik, den Faschismus mit der Wurzel ausrotten, ihm seine materielle Basis durch die Enteignung des faschistischen Trustkapitals entziehen und sich, wieder im Gegensatz zur Weimarer Republik, in der Armee, der Polizei und im Beamtenapparat zuverlässig Verteidiger der demokratischen Freiheiten und der demokratischen Volksrechte schaffen. In der neuen demokratischen Republik wird, im Gegensatz zu Weimar, nicht die Großbourgeoisie, gedeckt durch eine Koalition mit einer Arbeiterpartei, ihre wirtschaftlichen und politischen Anschläge gegen das Volk richten können, sondern die einige Arbeiterklasse, vereint mit den Bauern, dem Mittelstand und der Intelligenzija in der Volksfront, wird das Schicksal des Landes bestimmt.“ [8]

So wurde die Volksfronttaktik zu einer Strategie erweitert, die nicht nur den Sturz des Hitler-Regimes, sondern auch eine rigorose „antifaschistisch-demokratische Umgestaltung“ und den Aufbau eines grundlegend neuen Staates in Deutschland zum Ziel hatte. Diese neue Republik sollte vollenden, was die Novemberrevolution von 1918/19 nicht geschafft hatte, nämlich eine vollständige bürgerliche Revolution. Sie sollte aber nicht von der Bourgeoisie, sondern von der vereinigten Arbeiterklasse in einer Volksfront mit den anderen antifaschistischen Kräften der Gesellschaft geführt werden.

Die neue Strategie sei kein „Verzicht der Arbeiterklasse auf den Kampf um den Sozialismus“, sondern die Erkenntnis, dass die faschistische Herrschaft in Nazi-Deutschland – wo der Antikommunismus eine Staatsdoktrin war – die sozialistische Sache drastisch zurückwerfen würde, heißt es in der Resolution. Nur ein schrittweiser Übergang zum Sozialismus sei unter diesen Bedingungen möglich: „In einem Volksfrontdeutschland werden die sozialistischen und kommunistischen Arbeiter und Organisationen die volle Freiheit haben, die Mehrheit des Volkes für das sozialistische Ziel zu gewinnen.“ Die antifaschistisch-demokratische Republik würde also „den Weg zum Sozialismus bahnen“.

Diese Strategie entsprach auch den geopolitischen Interessen der sowjetischen Regierung, die vor allem den deutschen Imperialismus neutralisieren wollte, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei Weltkriege angezettelt hatte [9]. Deutschland war nicht nur ein großer mitteleuropäischer Staat an der Grenze zwischen Ost und West, sondern auch eines der am stärksten industrialisierten Länder der Welt mit einer zahlenmäßig starken Arbeiterklasse und einer außergewöhnlichen Arbeitsproduktivität. Eine mächtige Arbeiterbewegung, die in einem parlamentarischen Rahmen frei agieren kann, könnte als Schutz vor einer Versöhnung zwischen der deutschen Bourgeoisie und dem Westen auf antikommunistischer Grundlage dienen [10]. Als die sowjetische Regierung mit ihren Verbündeten in der Anti-Hitler-Koalition über die Zukunft Deutschlands verhandelte, war sie daher bestrebt, möglichst günstige Bedingungen für die Errichtung eines neutralen, parlamentarischen Deutschlands zu schaffen.

Eine wiedervereinigte Arbeiterklasse und eine entmachtete Bourgeoisie

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht vor der Anti-Hitler-Koalition am 8. Mai 1945 wurde Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt, wie es auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 festgelegt worden war. Die Alliierten waren sich einig, dass Deutschland daran gehindert werden musste, einen neuen Krieg zu beginnen, aber es gab keinen Konsens darüber, wie dies erreicht werden sollte. Das Vereinigte Königreich hatte sich seit 1941 und die USA seit 1943 für die Teilung Deutschlands eingesetzt [11], die Sowjets hingegen hatten sich nicht auf eine solche Teilung festgelegt. Ein neutrales, entmilitarisiertes Deutschland, das weder mit dem Osten noch mit dem Westen verbündet wäre, blieb die von den Sowjets bevorzugte Lösung. Deren Hauptanliegen während der Kriegsjahre war jedoch die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts der Anti-Hitler-Koalition.

Auf einer anschließenden Konferenz in Potsdam im August 1945 unterzeichneten die alliierten Staats- und Regierungschefs ein Abkommen, in dem festgelegt wurde, dass Deutschland zunächst von vier Militärverwaltungen regiert, das Land aber „als eine wirtschaftliche Einheit“ betrachtet werden sollte. Das Potsdamer Abkommen legte auch die grundlegenden politischen Leitlinien fest, die von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion in ihren jeweiligen Zonen umgesetzt werden sollten. Es handelte sich um die „vier Ds“: <bD</b>enazifizierung, um alle Faschisten aus relevanten Positionen zu entfernen und Kriegsverbrecher zu bestrafen; Demilitarisierung, um die deutsche Rüstungsindustrie vollständig zu entwaffnen und zu zerstören; Demokratisierung, um das öffentliche Leben neu zu strukturieren; und Dezentralisierung, um „die bestehende übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht, die insbesondere in Form von Kartellen, Syndikaten, Trusts und anderen Monopolvereinigungen verkörpert ist“ zu zerschlagen.

Die „vier Ds“ bedeuteten nichts weniger als die Entwurzelung des deutschen Imperialismus und die Schaffung eines entmilitarisierten, entmonopolisierten Deutschlands.

Am 10. Juni 1945 genehmigte die Sowjetische Militäradministration die Gründung demokratischer politischer Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Aus dem Exil, aus dem Untergrund und aus den Konzentrationslagern kamen Antifaschisten zurück, um die ersten Parteien zu reorganisieren: die KPD, die SPD, die Christdemokraten (CDU) und die Liberaldemokraten (LDPD). Im Einklang mit der im Exil entwickelten Strategie veröffentlichte die KPD am 11. Juni 1945 einen Aufruf:

„Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten.

Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk.“

Mit der Zerstörung des Dritten Reiches erkannten die KPD-Führer, dass die deutsche Bourgeoisie politisch und militärisch entmachtet war. Mit anderen Worten: Zum ersten Mal in der modernen Geschichte Deutschlands war die Kapitalistenklasse nicht in der Lage, die staatlichen Kräfte zur Unterdrückung der proletarisch-sozialistischen Bewegung einzusetzen. Die „vier Ds“ würden diese Tatsache zementieren und verhindern, dass durch die Ausweitung der Demokratie auf die wirtschaftliche Sphäre die Großbourgeoisie die Kontrolle zurückgewinnen könnte. Diese Umstände könnten, so der führende KPD-Funktionär und Theoretiker Anton Ackermann, einen friedlichen parlamentarischen Weg zum Sozialismus in Deutschland eröffnen:

„Unser Verhängnis ist es, dass das Hitlerregime nicht durch eine revolutionäre, antifaschistisch-demokratische Umwälzung von innen her aus den Angeln gehoben wurde. Aber der reaktionäre preußisch-deutsche Militarismus soll laut den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz bis auf den Rest liquidiert werden. … Dem deutschen Volk ist die Möglichkeit zugesichert, ein neues demokratisches Deutschland aufzubauen. Folglich löst sich die Frage nach dem weiteren Weg in die folgende weitere Frage auf: Entwickelt sich der neue demokratische Staat als ein neues Gewaltinstrument in den Händen der reaktionären Kräfte, so ist der friedliche Übergang zur sozialistischen Umgestaltung unmöglich. Einwickelt sich aber die antifaschistische-demokratische Republik als ein Staat aller Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse, so ist der friedliche Weg zum Sozialismus durchaus möglich, insofern dann die Gewaltanwendung gegen den (übrigens vollkommen legalen, vollkommen gesetzmäßigen) Anspruch der Arbeiterklasse auf die ganze Macht ausgeschlossen.“ [12]

Die neue antifaschistisch-demokratische Republik würde folglich einen anderen Klassencharakter haben:

„Es wäre selbstverständlich kindisch davon zu sprechen, dass diese Demokratie mit verschiedenen Parteien, mit einer Verfassung, dass diese demokratische Republik etwa eine Republik des alten, bürgerlich-kapitalistischen Typus wäre. Nein, hier handelt es sich um eine Art von Demokratie, eine demokratische Republik, wie sie Lenin 1905 vorschwebte, als einen Staat, der auch Klassenstaat ist, aber Klassenstaat in Händen der Arbeiter und Bauern.“ [13]

Nach dem Verständnis der KPD-Führung war dies der besondere historische Scheidepunkt, an dem die fortschrittlichen Kräfte Deutschlands in der unmittelbaren Nachkriegszeit standen. Damit dieser parlamentarisch-demokratische Weg zum Sozialismus erfolgreich sein konnte, musste sich die organisierte Arbeiterklasse wieder vereinigen:

„Nur die Vereinigung der KPD und der SPD und damit das Anwachsen der Kräfte des Sozialismus auf eine Millionenschar aktiver Mitstreiter kann die Garantie schaffen, dass nicht das reaktionäre Großbürgertum, sondern die Arbeiterschaft und das werktätige Volk den Gang der weiteren Entwicklung bestimmen. (…)

Gelingt es in Deutschland, vor dem Siege der Arbeiter über die Bourgeoisie die politische und organisatorische Einheit der Arbeiterbewegung auf dem Boden des konsequenten Marxismus herzustellen, so wird auch dieser Umstand die weitere politische Entwicklung wesentlich anders gestalten als nach dem Sieg der Oktoberrevolution in Russland, die den Sieg der bolschewistischen Partei, die Niederlage und schließlich die Zerschmetterung der menschewistischen Partei (die zu einer konterrevolutionären Partei geworden war) bedeutete. In diesem Falle kann eine Besonderheit der deutschen Entwicklung darin bestehen, dass eine stärkere (und infolgedessen auch schärfere) innere Auseinandersetzung in der Arbeiterschaft und im schaffenden Volk nach ihrem Klassensieg über die Bourgeoisie nicht auszubrechen braucht. Auch eine solche Tatsache müsste eine rasche Entfaltung der konsequenten sozialistischen Demokratie zur Folge haben.“[14]

Exil-Sozialdemokraten wie Max Fechner hatten bereits in den letzten Kriegstagen für die Schaffung eines „Einheitsorgan der deutschen Arbeiterklasse“ plädiert [15], am 11. Juni 1945 wurde in Berlin ein Zentralausschuss der SPD gewählt. In seiner Gründungserklärung forderte er die „organisatorische Einheit der deutschen Arbeiterklasse“ und entschied sich daraufhin, im August 1945 in der SBZ eine Vier-Parteien-Koalition mit KPD, CDU und LDPD zum „antifaschistisch-demokratischen Block“ zu bilden.

Im April 1946 schlossen sich SPD und KPD in der SBZ zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zusammen. Dieser Vereinigung gingen monatelange, kontroverse Debatten voraus, in denen jahrzehntelange innerparteiliche Differenzen ausgetragen wurden.

In beiden Parteien herrschte Uneinigkeit — die gegenseitige Abneigung aus den Weimarer Jahren war nicht überwunden. Doch nach 12 Jahren faschistischer Herrschaft gab es in der Basis beider Parteien eine breite Unterstützung für die Behebung der Fehler der Vergangenheit und die Schließung der Reihen der Arbeiterklasse [16]. Die Sozialdemokraten blieben in der Vereinigungsfrage besonders gespalten, aber die These der KPD von einem parlamentarisch-demokratischen Weg zum Sozialismus half vielen linken Mitgliedern, die Kluft zu überbrücken.

In den „Grundsätzen und Zielen der SED“ vom 21. April 1946 wird deutlich, dass die Partei keineswegs eine „kommunistische Diktatur“ errichten oder einen ostdeutschen Separatstaat gründen wollte, sondern sich „mit aller Energie gegen alle partikularistischen Tendenzen für die wirtschaftliche, kulturelle und politische Einheit Deutschlands“ einsetzen wollte. Der „Kampf um den Sozialismus“ soll in einer parlamentarisch-demokratischen Republik stattfinden, von der aus die SED die Freiheit hätte, das Volk für sich zu gewinnen. Sollte jedoch die Kapitalistenklasse in Deutschland versuchen, die antifaschistisch-demokratische Umgestaltung zu verhindern oder rückgängig zu machen, würde die organisierte Arbeiterklasse nicht zögern, erneut den offenen Klassenkampf zu führen:

„Die grundlegende Voraussetzung zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Dabei verbündet sie sich mit den übrigen Werktätigen. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands kämpft um diesen neuen Staat auf dem Boden der demokratischen Republik. Die gegenwärtige besondere Lage in Deutschland, die mit der Zerbrechung des reaktionären staatlichen Gewaltapparates und dem Aufbau eines demokratischen Staates auf neuer wirtschaftlicher Grundlage entstanden ist, schließt die Möglichkeit ein, die reaktionären Kräfte daran zu hindern, mit den Mitteln der Gewalt und des Bürgerkrieges der endgültigen Befreiung der Arbeiterklasse in den Weg zu treten. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erstrebt den demokratischen Weg zum Sozialismus; sie wird aber zu revolutionären Mitteln greifen, wenn die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verlässt.“ [17]

Im „Manifest an das deutsche Volk“ [18], das im selben Monat veröffentlicht wurde, begrüßte die SED ausdrücklich die privaten kleinkapitalistischen Akteure und proklamierte „Kein Einparteiensystem“. Für den Erfolg des parlamentarisch-demokratischen Weges war es jedoch notwendig, die „vier Ds“ zu verwirklichen und zu verhindern, dass das Monopolkapital wieder die Kontrolle über den Staat erlangte. So führte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) gemeinsam mit dem antifaschistisch-demokratischen Block eine umfassende Bodenreform durch, um den Junker-Großgrundbesitz aufzulösen und Land an mehr als eine halbe Million landlose Bauern umzuverteilen. Eine umfassende Industriereform wurde eingeleitet, um „Kriegsverbrecher und Kriegsprofiteure“ von der wirtschaftlichen Macht zu entbinden. Monopolistische Unternehmen wurden enteignet und in Volkseigentum überführt. Der verstaatlichte Industriesektor sollte neben kleineren privatkapitalistischen Unternehmen operieren [19]. Nicht reuige, belastete Mitglieder der ehemaligen Nazipartei wurden aus allen Bereichen der Gesellschaft entfernt, einschließlich des Staates, der Polizei, der Medizin, der Justiz und der Kultur. Umfassende Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme sowie Arbeiter- und Bauernfakultäten wurden eingerichtet, um Klassenschranken abzubauen. Das Beamtentum wurde abgeschafft und die soziale Polarisierung weitgehend beseitigt. Diese Maßnahmen verschafften dem antifaschistisch-demokratischen Block in diesen Jahren eine breite Unterstützung unter den arbeitenden Massen [20].

Das Potsdamer Abkommen wurde somit in der SBZ rigoros und zügig umgesetzt – dem deutschen Imperialismus war damit bereits Ende 1946 die materielle Basis entzogen.

Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED 1946 mit dem historischen Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck. (Abraham Pisarek, Deutsche Fotothek CC BY-SA 3.0 DE)

Restauration im Westen

In den westlichen Besatzungszonen verlief die Entwicklung ganz anders. Wie in der SBZ herrschte auch in Westdeutschland ein breiter Konsens zwischen verschiedenen Gruppen und Parteien, dass die kapitalistische Wirtschaftsordnung ihre Berechtigung und Glaubwürdigkeit verloren hatte. Mehr als ein Jahrzehnt faschistischer Herrschaft und die Zerstörungen durch den Krieg hatten dies deutlich gemacht. Rufe nach der Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien und der Beseitigung des Monopolkapitals waren nicht nur von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern zu hören — selbst die konservative CDU hatte sich in ihrem „Ahlener Programm“ von 1947 vom Kapitalismus losgesagt und einen „christlichen Sozialismus“ propagiert. Trotz dieser Überzeugungen begannen die westlichen Militärverwaltungen schon bald, die im Potsdamer Abkommen vorgesehenen Initiativen zur Vergesellschaftung und zur Bodenreform zu behindern [21]. Auch Versuche, eine einheitliche branchenübergreifende Gewerkschaft zu gründen, wurden von den Behörden vereitelt. In den Westzonen wurden nur dezentralisierte Gewerkschaften zugelassen [22]. Bemühungen um eine Fusion von SPD und KPD wurden durch das Verbot von Versammlungen, die für die Fusion warben, ebenfalls unterbunden. Rechte Kräfte innerhalb der SPD wurden von der britischen Regierung dabei unterstützt, ein eigenes westdeutsches Parteiorgan zu errichten, um fusionswillige Stimmen auszuschließen und dem SPD-Zentralausschuss in Berlin Konkurrenz zu machen. Die Landesregierungen in den Westzonen, die von Volksfronten (parteiübergreifende Koalitionen von der CDU bis zur KPD) geführt worden waren, erlagen Ende 1947 ebenfalls der wachsenden Roten Angst [23].

Diese Entwicklungen zeigen, dass die Nachkriegseinschätzung der KPD in einem Punkt richtig war: Breite Teile der deutschen Bevölkerung forderten tatsächlich eine antifaschistische und antimonopolistische Umgestaltung des Landes. Was sie jedoch unterschätzt hatte, war die Zügigkeit und Geschlossenheit, mit der die kapitalistischen Mächte die Volksinitiativen unterbinden und das Potsdamer Abkommen missachten würden. Indem sie die Arbeiterbewegung (sowohl die Gewerkschaftsbewegung als auch den Zusammenschluss von SPD und KPD) unterdrückten, sorgten die westlichen Regierungen auch dafür, dass diese Initiativen unkoordiniert und diffus blieben. Die Monopolindustrien und Junkergüter blieben in den Westzonen unangetastet, was die Grundlage der antifaschistischen und demokratischen Strategie untergrub. Die Arbeiterklasse blieb gespalten und schwach, während das Großbürgertum seinen Einfluss auf die Wirtschaft behielt.

Im Nachhinein wird deutlich, dass wichtige Akteure innerhalb der Westmächte nie ernsthaft die Absicht hatten, mit den Sowjets zusammenzuarbeiten: Die USA und das Vereinigte Königreich waren bis Ende 1944 davon ausgegangen, dass ihre Streitkräfte Deutschland nach der Kapitulation der Nazis allein besetzen würden [24]. Doch mit dem raschen Vormarsch der Roten Armee durch Osteuropa begannen die westlichen Führer insgeheim nach Möglichkeiten zu suchen, den sowjetischen Einfluss zurückzudrängen.

Zwei der heute bekannten Beispiele waren die „Operation Sunrise“ (Februar-Mai 1945) und die „Operation Unthinkable“ (Mai 1945), bei denen westliche Geheimdienste die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit Wehrmachtsdivisionen untersuchten, um den sowjetischen Vormarsch aufzuhalten [25].

Diese Operationen wurden schließlich als zu riskant erachtet, und westliche Führer räumten ein, dass sich der sowjetische Einfluss innerhalb Deutschlands ausbreiten würde [26]. Sie verfolgten daraufhin eine Strategie der „Eindämmung“. So schrieb der US-Spitzendiplomat George Kennan im Sommer 1945 in einem internen Dokument: „Besser ein zerstückeltes Deutschland, von dem wenigstens der westliche Teil Deutschlands als Prellbock für die Kräfte des Totalitarismus wirkt als ein geeintes Deutschland, das diese Kräfte wieder bis an die Nordsee vorlässt.“ [27] Ein westdeutscher Separatstaat sollte also als Bollwerk gegen den sozialistischen Vormarsch fungieren, und vermutlich aus diesem Grund lehnten die westlichen Führer den sowjetischen Vorschlag vom 30. Juli 1945 ab, eine einheitliche deutsche Zentralverwaltung mit quasi-staatlichen Funktionen zu bilden, die neben den Militärverwaltungen der Alliierten arbeiten sollte.

Diese Eindämmungsstrategie konnte nicht riskieren, dass sich in Deutschland eine antimonopolistische, parlamentarische Republik entwickelte, denn dies würde höchstwahrscheinlich den Weg für eine sozialistische Entwicklung bahnen. Wie Erich Köhler, der erste Präsident des westdeutschen Parlaments, später sagte: „Wir lehnen die Einheit Deutschlands ab, wenn die sozialistischen Kräfte in Deutschland dadurch über ganz Deutschland regieren können.“ Ohne Rücksicht auf die Wünsche der Bevölkerung setzten die westlichen Militärverwaltungen also auf die Restauration der Monopolverhältnisse, um die bürgerliche Herrschaft wiederherstellen zu können. Im März 1946, einen Monat vor der Gründung der SED in der SBZ, hielt Churchill seine Rede zum „Eisernen Vorhang“, in der er „die Freiheiten, die der einzelne Bürger im gesamten britischen Empire genießt“, der „totalitären Kontrolle“ in Osteuropa gegenüberstellte und warnte, dass „kommunistische fünfte Kolonnen“ im Westen eine „Gefahr für die christliche Zivilisation“ darstellten.

Auf die Frage nach ihrer mangelnden Bereitschaft, die „vier Ds“ umzusetzen, argumentierten westliche Amtsträger, dass das Potsdamer Abkommen lediglich ein Konferenzkommuniqué und keinen rechtsverbindlichen Vertrag darstelle. Obwohl sie sich darauf geeinigt hatten, dass „während der Besatzungszeit Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten ist“ schlossen das Vereinigte Königreich und die USA im Januar 1947 ihre Zonen zu einem „integrierten Wirtschaftsraum“ (der „Bizone“) zusammen und schufen damit proto-staatliche Organe in Westdeutschland. Mit dem Beitritt der französischen Zone im April 1948 wurde die „Trizone“ gebildet.

Die konservativen Parteien in Westdeutschland begannen, die antimonopolistischen Stimmen aus ihren Reihen zum Verstummen zu bringen. Unter Ausnutzung der unorganisierten und gespaltenen Arbeiterbewegung in ihren Gebieten machten sich diese Parteien daran, den von den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich angestrebten westdeutschen Separatstaat zu errichten. Konrad Adenauer, die Galionsfigur dieser Bestrebungen, hielt es mit Kennan, als er sagte:

„Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb.“ [28]

Faschisten und Angehörige der kapitalistischen Klasse begannen in diesen Jahren, die SBZ zu verlassen, da sie erkannten, dass im Westen lukrativere Perspektiven und mildere Gesetze auf sie warteten. In der Tat fanden viele ehemalige Nazi-Kader hochrangige Positionen im entstehenden westdeutschen Staat.

Im März 1947 verkündeten die USA die so genannte „Truman -Doktrin“, die die Eindämmungsstrategie zur offiziellen Politik des Westens machte. Der „Marshallplan“ wurde als wirtschaftlicher Arm dieser Doktrin entwickelt. Der im Juni 1947 vorgelegte Plan sah massive US-Investitionen in Westeuropa vor. Sie sollten nicht nur ein Ventil für überschüssiges US-Kapital nach dem Übergang des Landes von der Kriegs- zur Friedensproduktion bieten, sondern auch die Menschen in Westeuropa wirtschaftlich, politisch und ideologisch an die USA binden [29]. Ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Trizone könnte auch dazu beitragen, die freie Marktwirtschaft in den Augen vieler Westdeutscher zu rehabilitieren. Gleichzeitig versuchten die westlichen Regierungen den Druck auf die zerstörte sowjetische Wirtschaft zu erhöhen, indem sie den Handel einschränkten und die SBZ von der Kohle-, Eisen- und Stahlproduktion im industrialisierten Ruhrgebiet abschnitten. Außerdem hatten die USA im Mai 1946 die Reparationszahlungen an die Sowjetunion aus ihrer Zone eingestellt. Was ebenfalls einen Verstoß gegen das Potsdamer Abkommen darstellte. Die SBZ musste diese Last von nun an allein tragen.

Um den Marshallplan und den damit verbundenen Zustrom von US-Kapital nach Deutschland zu erleichtern, planten die Westmächte, den Wirtschaftsverkehr in der Trizone umzustrukturieren. Im Juni 1948 führten sie eine neue Währung (die „Deutsche Mark“) ein, die an den US-Dollar gebunden war. Diese Währungsreform war zunächst ein Schock für die Wirtschaft, da sie die Kontrolle von Preisen aufhob, die Löhne jedoch einfrieren ließ. Es folgten monatelange soziale Unruhen. Im Oktober gingen streikende Arbeiter in Stuttgart auf die Straße, um die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie und die Einführung der Planwirtschaft zu fordern. Daraufhin setzte das US-Militär Panzer und Tränengas ein. Einen Monat später, am 12. November 1948, legte ein massiver Generalstreik die US-amerikanische und die britische Zone lahm, bei dem rund 9 Millionen Arbeiter (72 % aller Beschäftigten) erneut die Verstaatlichung der Großindustrie forderten [30]. Die Behörden der Trizone konnten schließlich die Situation durch Zugeständnisse, wie flexible Preiskontrollmaßnahmen und die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung entschärfen.

Durch diese Währungsreform war in der Trizone ein exklusiver westdeutscher Wirtschaftsraum geschaffen worden. Im gleichen Zeitraum hatten die Außenminister der Westmächte auch offizielle Pläne für die Errichtung eines westdeutschen Separatstaates ausgearbeitet. Die Befehle wurden am 1. Juli 1948 an die Beamten der Trizone weitergeleitet [31].

Im September desselben Jahres traten auch Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Benelux-Staaten der Brüsseler Vertragsorganisation bei, einem gegen die Sowjetunion gerichteten Militärbündnis. Sieben Monate später wurde die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) gegründet.

Clement Attlee, Harry S. Truman, und Joseph Stalin, auf der Potsdamer Konferenz, 1. August 1945. (gemeinfrei)

Ein Wendepunkt für die SED

Die SED und die Sowjets sahen sich also mit einem Dilemma konfrontiert. Die Hoffnung auf eine landesweite Massenbewegung zur Errichtung eines neutralen, demokratischen Deutschlands zerbricht angesichts der repressiven westlichen Militärverwaltungen schnell. Trotz intensiver Kampagnen war die Einigung der Arbeiterbewegung im Westen vereitelt und antimonopolistische Volksinitiativen niedergeschlagen worden. Die Bourgeoisie in der Trizone gewann wieder die Oberhand. Gleichzeitig musste die SBZ mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Westdeutschland Schritt halten – die Grenzen blieben offen und ein zu großes Gefälle würde zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führen. Mit den zu zahlenden Reparationen und einem historisch weniger industrialisierten Gebiet als Westdeutschland stand die SBZ vor einer immensen Aufgabe.

Das Ende des Jahres 1947 und die erste Hälfte des Jahres 1948 markierten einen Wendepunkt. Als Reaktion auf die sich verschlechternde internationale Lage gründete die Kommunistische Partei der Sowjetunion im Oktober 1947 das Kominform. Es sollte als inoffizielle europäische Nachfolgeorganisation der Komintern fungieren, die 1943 aufgelöst worden war, um den Zusammenhalt in der Anti-Hitler-Koalition zu wahren. Eine stärkere politische Einheit der europäischen kommunistischen Parteien sollte die Antwort auf die Truman-Doktrin sein. Die SED, die zwar nicht Mitglied des Kominforms war, orientierte sich ab 1948 trotzdem an leninistischen Organisationsprinzipien und wurde zu einer „Partei neuen Typs“ nach bolschewistischem Vorbild. Der Schwerpunkt wurde auf ideologische Klarheit (Kaderschulung) und Parteidisziplin gelegt. Im Rahmen dieser „Bolschewisierung“ werden widerständige oder kampfunwillige Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen und das paritätische Führungsprinzip zwischen SPD und KPD aufgehoben. Die SED sollte dadurch effizienter werden und besser für den sich verschärfenden internationalen Klassenkampf gerüstet sein [32].

Im Juni 1948 wurde außerdem ein zweijähriger Wirtschaftsplan (1949–1950) aufgestellt, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu beschleunigen und die Basis für eine Schwerindustrie in Ostdeutschland zu schaffen. Dies war notwendig geworden, nachdem die Westmächte Exporte aus dem Ruhrgebiet, dem industriellen Kernland Deutschlands, gestoppt hatten. Doch der Plan löste den ersten ernsthaften politischen Streit innerhalb des antifaschistisch-demokratischen Blocks aus.

Die LDPD und CDU wussten, dass eine Konzentration der Investitionen auf die Schwerindustrie die Investitionen in die Konsumgüterindustrie, in der ihre politische Basis (das Kleinbürgertum) beheimatet war, verringern würde. Nach heftigen Debatten setzte sich die SED mit dem Zweijahresplan durch und zementierte damit ihre Vormachtstellung in der SBZ [33].

Der SED-Theoretiker Ackermann hatte im März 1947, noch bevor in den Westzonen ein eigener Wirtschaftsraum geschaffen worden war, die Lage in Deutschland folgendermaßen eingeschätzt:

„Hätten wir in ganz Deutschland dieselben oder zumindest ähnliche Verhältnisse wie in der sowjetischen Besatzungszone, so könnten wir mit ruhigem und gutem Gewissen erkennen: Auch für Deutschland ist der demokratische Weg zum Sozialismus gesichert. Leider haben wir aber nicht in ganz Deutschland dieselben Verhältnisse. Leider ist sogar in größeren Teilen Deutschlands die wirtschaftliche Macht der kapitalistischen Reaktion nicht beseitigt, und das ist doch für jeden Marxisten letzten Endes das Entscheidende. Dort gibt es keine demokratische Bodenreform, keine Industriereform, usw. (…) Wie dieser Kampf um die Einheit Deutschlands und um die Neugestaltung Deutschlands enden wird, das kann heute keiner mit Bestimmtheit voraussagen.“

Doch schon Ende 1948 ist die Restauration des Monopolkapitals in der Trizone unübersehbar. Im September 1948, nachdem seine Partei „bolschewisiert“ worden war, distanzierte sich Ackermann unter Hinweis auf die sich verschlechternden nationalen und internationalen Bedingungen von der Frage nach einem „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“:

„Die Entwicklung hat seit Ende 1945, Anfang 1946 nicht stillgestanden. Wir haben in der Ostzone neue Entwicklungen gemacht. Wir stehen in den Westzonen vor vollkommen neuen Tatsachen, vor der Tatsache, dass dort der Weg zurück eingeschlagen wurde, dass dort von neuem ein reaktionärer Staats- und Gewaltapparat unter Vorherrschaft ausländischer imperialistischer Mächte aufgerichtet wird, der jede wirklich demokratische Entwicklung bedroht (…) Die gesamte Verschärfung des internationalen Klassenkampfes, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, lassen also diese Frage [ob es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus gab] viel schärfer sehen, als das noch vor kurzem der Fall war.“ [34]

Als Folge der kapitalistischen Restauration im Westen sollte es nicht lange dauern, bis die deutsche Bourgeoisie dort die politische und militärische Kontrolle wiedererlangte. Tatsächlich wurde die Trizone im Mai 1949 offiziell zu einem westdeutschen Separatstaat, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) [35]. Die neue Regierung beanspruchte für sich, die Nachfolgerin des Deutschen Reiches und die einzige legitime Vertreterin des deutschen Volkes zu sein. Der Weg zu einem neutralen, geeinten Deutschland war so gut wie versperrt [36]. Die SBZ reagierte im Oktober desselben Jahres mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Basis der Arbeiter- und Bauernmacht. Der Sozialismus stand jedoch nicht auf der unmittelbaren Tagesordnung.

Die Gründung der DDR war also das Ergebnis einer frühen strategischen Niederlage für die SED und die Sowjets.

Die Volksfront war in den Westzonen, wo durch die Unterstützung der nordatlantischen Staaten eine antifaschistisch-demokratische Umgestaltung erfolgreich verhindert wurde, einfach nicht lebensfähig gewesen. Monopolistische Machtinteressen hatten sich im bürgerlich-parlamentarischen Staat, der BRD, wieder durchgesetzt. Die Gründung der DDR war die notwendige Antwort auf diese Niederlage. Die Alternative wäre die völlige Kapitulation gewesen, die alle Fortschritte in der SBZ seit 1945 rückgängig gemacht und dem neuen, westlich-orientierten deutschen Imperialismus die Möglichkeit gegeben hätte, sich bis zur polnischen Grenze auszudehnen. Die DDR könnte zumindest die Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in der SBZ bewahren und, wie die SED und die Sowjets immer wieder betonten, eine Basis für die Kräfte bieten, die den Kampf für ein vereintes, neutrales Deutschland fortsetzen. Unabhängig davon, ob dieser Kampf noch eine realistische Aussicht auf Erfolg hatte oder nicht, konnten die sozialistischen Kräfte es nicht erlauben, dass reaktionäre Kräfte die „nationale Bewegung“ für ihre Zwecke vereinnahmten. Die Arbeiterbewegung musste also der Vorkämpfer der „nationalen Interessen“ bleiben [37].

Ende der 1940er Jahre gab es keine Anzeichen für eine Abschwächung des internationalen Klassenkonflikts. Die marxistisch-leninistischen Kräfte gewannen an mehreren Fronten an Boden, insbesondere in Asien. In der Folge begannen die USA mit „Rollback“- (Zurückdrängungs-) Missionen, die über die bloße „Eindämmung“ hinausgingen. Verdeckte und offene westliche Interventionen wurden in Ländern wie Albanien („Operation Valuable“ 1949) und Korea (1950) durchgeführt, um zu versuchen, diese Gebiete wieder in die kapitalistische Sphäre einzugliedern.

In Europa wurde die Remilitarisierung Westdeutschlands — eine weitere Verletzung des Potsdamer Abkommens — bald zu einem Schlagwort zwischen den Führern der BRD und des Nordatlantiks.

Im Oktober 1950 wurde Westdeutschland ermächtigt, ein provisorisches Verteidigungsministerium einzurichten, und die NATO erörterte Pläne, die BRD in das Bündnis einzugliedern.

Eine breite Bewegung gegen die Remilitarisierung bildete sich in ganz Westdeutschland, auch in bürgerlichen Kreisen [38]. Die Basis der Gewerkschaften unterstützte diesen Widerstand und 1951/52 stimmten bei einer Volksbefragung rund 9 Millionen Menschen gegen die Remilitarisierung, trotz eines Verbots dieser Befragung [39]. Die BRD begegnete solchen Initiativen mit ihren neu eingerichteten Nachrichtendiensten (dem Bundesamt für Verfassungsschutz). Mit neuen Gesetzen gegen „Staatsgefährdung“ wurden Andersdenkende ausgeschaltet. Ein Verbot der KPD wurde 1951 eingeleitet und 1956 vollzogen. Damit konnte die BRD im März 1951 einen spezialisierten bewaffneten Polizeidienst (den „Bundesgrenzschutz“) als Vorläufer der späteren Bundeswehr bilden.

Teile innerhalb der SED und vor allem der sowjetischen Führung schienen die Situation nur widerwillig als solche zu akzeptieren. Es ist schwer zu sagen, ob dies auf falsche Hoffnungen in die fortschrittlichen Kräfte in Westdeutschland oder auf die bereits erwähnte strategische Notwendigkeit zurückzuführen war, die Führung der nationalen Bewegung zu behalten. Stalin versuchte wiederholt, die Aussicht auf ein vereinigtes, bündnisfreies Deutschland wiederzubeleben. Der letzte Versuch, die berühmte „Stalin-Note“ vom 10. März 1952, schlug ein einheitliches Deutschland vor, das seine eigenen nationalen Streitkräfte zur Verteidigung beibehalten, aber auf Koalitionen oder Militärbündnisse gegen einen Staat der Anti-Hitler-Koalition verzichten sollte. Die Note wurde von den westlichen Staatschefs rasch abgelehnt [40].

Nach dieser Ablehnung reiste die SED-Führung im April 1952 nach Moskau, um sich mit sowjetischen Führern zu beraten. Die Sowjets räumten ein, dass der Aufbau einer ostdeutschen Verteidigungsarmee nunmehr eine Notwendigkeit war. Diese Aufrüstung würde jedoch die ohnehin schon angespannte Wirtschaft der DDR zusätzlich belasten [41].

Das Dilemma blieb also dasselbe: Während die Aussichten auf ein geeintes, neutrales Deutschland 1949 im Wesentlichen verschwunden waren, hielt die sowjetische Führung daran fest, dass der Kampf fortgesetzt werden müsste. Gleichzeitig durfte dieses Bestreben nicht auf Kosten des wirtschaftlichen Aufschwungs der DDR gehen. Ein Zusammenbruch des neuen Staates würde die Situation noch schlimmer machen als sie ohnehin schon war.

Die Wirtschaft der DDR hatte bis dahin widersprüchliche Aspekte vereint. Während ein bedeutender Teil der Industrie bereits verstaatlicht und seit 1948 zunehmend in die zentrale Planung integriert war, blieb die Landwirtschaft nach der Bodenreform der SBZ 1945/46 in kleine und mittlere Betriebe zersplittert. Um die Produktionskapazitäten des Landes zu erweitern, hätten diese Betriebe in landwirtschaftliche Großbetriebe umgewandelt werden müssen. Dies erforderte letztlich eine Entscheidung über die Produktionsverhältnisse in der DDR: Sollte sich die Landwirtschaft nach kapitalistischem Vorbild zu Gutsbetrieben entwickeln, die in den Händen weniger Privatpersonen konzentriert waren, oder nach sozialistischem Vorbild zu Produktionsgenossenschaften, die von den Bauern selbst verwaltet wurden? [42] Im April 1952 stimmte die sowjetische Führung daher dem Übergang zu genossenschaftlichen Strukturen in der Landwirtschaft zu.

Drei Monate später, auf dem Zweiten Parteitag im Juli 1952, erklärte die SED, die DDR werde „zum Aufbau des Sozialismus übergehen“ [43]. Zentraler Punkt der Erklärung war die schrittweise Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) [44]. Die Industrie, die bereits seit einigen Jahren unter provisorischer Wirtschaftsplanung arbeitete, sollte nun weiter zentralisiert werden. Kleine und mittlere Privatunternehmen spielten jedoch in den nächsten zwei Jahrzehnten weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaft der DDR. Die Schaffung eines geeinten, neutralen Deutschlands blieb das langfristige strategische Ziel der SED bis 1971, als die „nationale Frage“ auf dem 8. Parteitag für entschieden erklärt wurde.

Deutschland Besatzungszonen 1945 Karte der Besatzungszonen Deutschlands im Jahr 1945. Aus Earl F. Ziemke, Die US-Armee in der Besatzung Deutschlands, 1975. (Public Domain)

Eine künstlich geteilte Nation

Das Konzept einer antifaschistisch-demokratischen Transformation war erstmals Ende der 1930er Jahre entwickelt worden, als die Taktik der Volksfront zu einer umfassenderen Strategie für ein nachfaschistisches Deutschland ausgebaut wurde. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 war die deutsche Bourgeoisie tatsächlich politisch und militärisch entmachtet worden, wie die KPD vorausgesehen hatte. Das Problem war jedoch, dass nicht eine nationale Volksfront, sondern die Armeen der alliierten Mächte das Land vom Faschismus befreit hatten. Zwei Drittel Deutschlands wurden daraufhin von den Militärs der kapitalistischen Mächte besetzt, und das Schicksal der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung lag letztlich in deren Händen. Es ist zwar unbestreitbar, dass es in der unmittelbaren Nachkriegszeit in ganz Deutschland weit verbreitete antimonopolistische Überzeugungen gab, aber die kapitalistischen Mächte waren in der Lage, alle Versuche zur Organisierung und Durchsetzung von Vergesellschaftungen zu ersticken.

Es war möglich geworden, den deutschen Imperialismus in der BRD zu reanimieren, um den sozialistischen Vormarsch zurückzudrängen oder zumindest einzudämmen. Westdeutschland wurde daraufhin fest in das nordatlantische Projekt eingebunden, wo es als Vorposten für die US-Hegemonie in Europa fungieren sollte, ähnlich wie Südkorea, Taiwan und Japan in Asien.

Diese frühe Niederlage der SED wirft die Frage auf, ob die antifaschistisch-demokratische Umwälzung nach Kriegsende noch eine tragfähige Strategie war. War die Idee eines neutralen Einheitsstaates, der aus den Besatzungszonen hervorgehen sollte, nicht eine Illusion?

Sobald die Bedrohung durch den Faschismus Anfang 1945 eingedämmt war, nahmen die kapitalistischen Mächte die antikommunistische Offensive wieder auf, die sie seit 1917 geführt hatten.

Das Bündnis der Alliierten (1941–45) erwies sich nur als ein kurzes Intermezzo in der inter-systemischen Konfrontation zwischen Imperialismus und Sozialismus.

Die Nachkriegssituation war zweifellos komplex, aber es scheint klar, dass spätestens 1947 bzw. 1948 die Aussichten auf ein neutrales, demokratisches Deutschland völlig zunichte waren. Die SED-Führung und insbesondere die Sowjetunion haben diese Tatsache nur langsam akzeptiert. Sie blieben in den späten 1940er Jahren in der Defensive und reagierten auf die Entwicklungen in Deutschland, anstatt sie zu bestimmen. An dieser Stelle sollte untersucht werden, ob die Auflösung der Komintern im Jahr 1943 die Arbeiterbewegung im Nachkriegseuropa desorientiert zurückgelassen hat. Hätte eine frühere strategische Neuausrichtung nicht die Ausgangsbedingungen der DDR für den kommenden Kalten Krieg verbessert? Reparationszahlungen, so berechtigt sie aus sowjetisch-nationaler Sicht auch waren, warfen die kriegszerstörten Produktionskapazitäten Ostdeutschlands weit hinter die des Westens zurück.

Es ist auch zu fragen, ob die Volksfrontstrategie langfristig einen gangbaren Weg zum Sozialismus bot. In der SBZ selbst, wo sich im antifaschistisch-demokratischen Block erfolgreich eine echte Volksfront herausgebildet hatte, dauerte es nicht lange, bis die Interessen innerhalb dieses breiten Bündnisses zu divergieren begannen. Sobald Entscheidungen über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes anstanden (z.B. der Zweijahresplan von 1948), leisteten bürgerliche Elemente innerhalb des Bündnisses Widerstand und die SED begann, die Sache zu forcieren. Die Front blieb während der 40-jährigen Existenz der DDR bestehen, und den verbündeten Parteien gelang es, in den folgenden Jahrzehnten Einfluss auf wichtige politische Entscheidungen zu nehmen, auch wenn die Dominanz der SED nach 1948 unbestreitbar war.

Während diese anfänglichen Strategien nach wie vor umstritten sind, gelang es den sozialistischen Kräften in Ostdeutschland schließlich, sich neu zu orientieren und — unter dem Schutz der Sowjetunion — ihre antifaschistisch-demokratische Umwälzung durch den Aufbau eines Arbeiter-und-Bauern-Staates zu bewahren und zu konsolidieren. Die Gründungsbedingungen der DDR waren jedoch alles andere als optimal. Die angestrebte schrittweise Annäherung an den Sozialismus erwies sich als unhaltbar, und so wurde bereits sieben Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ein relativ rascher Übergang zum Sozialismus in die Wege geleitet. Statt eine neutrale Pufferzone zu sein, befand sich Deutschland nun an der Frontlinie eines internationalen Klassenkonflikts. Das deutsche Volk war künstlich gespalten worden, und in vielen Köpfen war eine brennende „nationale Frage“ eröffnet worden. Der Sozialismus in der DDR verkörperte somit scharfe Widersprüche, mit denen sich die SED und ihre Verbündeten in den folgenden Jahrzehnten auseinandersetzen mussten.

Quellen:

[1] Dies war der sogenannte „Ebert-Groener-Pakt“.
[2] Siehe: William L. Shirer (1960) Rise and Fall of the Third Reich
[3] Siehe: Otto Grotewohl (1945), Woher, wohin?
[4] Siehe Reichspräsidentenwahl 1932, wo die SPD Hindenburg unterstützte, der Hitler mit weniger als einem Jahr Verspätung zum Reichskanzler ernannte.
[5] Die Konferenz fand tatsächlich in Moskau statt, aber unter einem falschen Namen, um die Gestapo abzuschütteln.
[6] Siehe: Autorenkollektiv (1978), Geschichte der SED
[7] Die „Berner Konferenz“ — eine weitere falsche Benennung
[8] Siehe: Klaus Mammach (1974), Die Berner Konferenz
[9] Dieses Ziel wird in der sowjetischen Kommunikation mit den alliierten Regierungen ab 1941 deutlich. Siehe: Wilfried Loth (1994), Stalins ungeliebtes Kind und Herbert Graf (2011), Interessen und Intrigen: Wer spaltete Deutschland?
[10] Dies war die Strategie, wie sie von Kurt Gossweiler (1998), Benjamin Baumgarten und die „Stalin-Note“, interpretiert wurde.
[11] Seit Churchills Telegramm an Stalin vom 22. November 1941 setzte sich Großbritannien konsequent für die Isolierung Preußens vom übrigen Deutschland ein. Die USA folgten diesem Beispiel, wie aus den Plänen hervorgeht, die der amerikanische Außenminister Cordell Hull auf der Moskauer Konferenz 1943 vorschlug.
[12] Anton Ackermann (Februar 1946), „Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus?“ in Der deutsche Weg zum Sozialismus (2005). Während Ackermanns Position heute oft als Bruch mit der sowjetischen Linie dargestellt wird, ist es klar, dass Stalin diesen Ansatz billigte. Der SED-Vorsitzende Walter Ulbricht traf sich nur wenige Tage vor der Veröffentlichung von Ackermanns Artikel im Februar 1946 mit Stalin und beide einigten sich auf einen demokratischen Weg zum Sozialismus, der die Errichtung einer Diktatur vermeiden sollte. Siehe Graf (2011).
[13] Anton Ackermann (März 1947), „Unser Weg zum Sozialismus“ in Der deutsche Weg zum Sozialismus (2005).
[14] Anton Ackermann (Februar 1946)
[15] Zitiert in Graf (2011).
[16] Die Einstellungen waren in den verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich. In Thüringen beispielsweise herrschte unter den SPD- und KPD-Mitgliedern ein allgemeiner Konsens für eine Vereinigung. In Berlin hingegen lieferte sich die SPD einen erbitterten internen Kampf. Doch auch hier sprachen sich bedeutende Teile der Partei für ein Bündnis mit der KPD aus. Auch wenn sich die moderne Geschichtsschreibung fast ausschließlich auf die Zwangsmaßnahmen einiger SMAD-Funktionäre in dieser Zeit konzentriert, um die Vereinigung als „Zwangsvereinigung“ abzutun, widerlegen solche Vorfälle nicht die Tatsache, dass es eine breite Unterstützung für eine Einheitspartei gab. Dies wurde von Historikern wie Jörg Roesler (2010), Geschichte der DDR und Herbert Graf (2011) festgestellt.
[17] Siehe: Grundsätze und Ziele der SED vom 21. April 1946
[18] Siehe: Manifest an das deutsche Volk, Neues Deutschland vom 23. April 1946
[19] 1948 setzte sich die Bruttoproduktion der SBZ zu 39 % aus dem staatlichen Sektor, zu 39 % aus privaten kleinen und mittleren Unternehmen und zu 22 % aus sowjetischen Aktiengesellschaften zusammen. Siehe: Roesler (2010).
[20] Ebd.
[21] Frühe Vorstöße von Parteien in den Westzonen, gesetzliche Regelungen zur Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien oder zur Reform der Bodenverhältnisse zu schaffen, wurden von den jeweiligen Militärverwaltungen abgelehnt. In Hessen beispielsweise, wo SPD und KPD eine Mehrheit in der Landesregierung hatten, wurde eine Verfassung entworfen, die in Artikel 41 die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien und die öffentliche Verwaltung der Banken vorsah. Obwohl dieser Artikel in keiner Weise gegen die Grundsätze des Potsdamer Abkommens verstieß, wollte die US-Militärregierung ihn aus der Verfassung streichen lassen. Bei einer Volksabstimmung über Artikel 41 im Dezember 1946 sprachen sich 72 % der Wähler dafür aus. US-General Lucius Clay verbot dennoch seine Umsetzung. Eine geplante Landreform wurde in der US-Zone ebenfalls verhindert. In der britischen Zone wurde 1947 nach vielen Verzögerungen eine begrenzte Landreform eingeleitet, die jedoch die bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen weitgehend unverändert ließ. Siehe: Georg Fülberth (1983), Leitfaden durch die Geschichte der Bundesrepublik
[22] Vgl. Herbert Graf (2011)
[23] Zum Beispiel die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen (1946–48) und Rheinland-Pfalz (1946–48)
[24] Winston Churchill berichtete über diese Annahme in seiner Serie Der Zweite Weltkrieg, zitiert in Graf (2011)
[25] Die „Operation Sunrise“ wurde im Februar 1945 eingeleitet, als die USA und Großbritannien geheime Verhandlungen mit hochrangigen SS-Generälen in der Schweiz aufnahmen. Die Verhandlungen fanden mit dem Segen von Himmler und Hitler in der Villa des deutschen Industriellen Edmund Stinnes statt. Der Schweizer Geheimdienst und der Privatattaché von Papst Pius XII. spielten eine vermittelnde Rolle. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Frage, ob die Wehrmacht „eine gemeinsame Front mit den Alliierten gegen den Vormarsch der Sowjetunion in Europa“ bilden könne. Als die Sowjets von diesen Treffen erfuhren, forderten sie einen Platz am Tisch, was ihnen jedoch von den USA verwehrt wurde. Dieses Ereignis erschütterte das sowjetische Vertrauen in die Anti-Hitler-Koalition. Die sowjetische Regierung, die den Plänen der USA und des Vereinigten Königreichs zur Aufteilung Deutschlands bisher eher reserviert gegenübergestanden hatte, lehnte die Teilung nun offen ab.
Nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 befahl Churchill die „Operation Unthinkable“. Die Operation untersuchte die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs auf die Truppen der Roten Armee in Deutschland, „um Russland den Willen der Vereinigten Staaten und des Britischen Empire aufzuzwingen“. Zu diesem Zweck sollten Wehrmachtsbataillone remobilisiert und neu bewaffnet werden. Siehe: Graf (2011)
[26] Churchill telegrafierte am 4. Juni 1945 an US-Präsident Truman: „Ich betrachte den Rückzug der amerikanischen Armee auf unsere Besatzungslinie im Mittelsektor [Deutschlands], der die sowjetische Macht in das Herz Westeuropas bringt, und den Fall eines eisernen Vorhangs zwischen uns und allem, was im Osten liegt, mit tiefen Bedenken.“ Siehe: https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1945Berlinv01/d50
[27] George Kennan (1982), Memoiren eines Diplomaten, zitiert in Graf (2011)
[28] Adenauer hatte die Idee eines vereinten Deutschlands bereits im Oktober 1945 verworfen. Siehe Graf (2011)
[29] Siehe: Wilfried Loth (1994), Stalins ungeliebtes Kind und Siehe: Georg Fülberth (1983)
[30] Dies war der größte Generalstreik seit dem Kapp-Putsch von 1920. Er ist jedoch weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis in Deutschland verschwunden. Siehe: Nelli Tügel Interview mit Uwe Fuhrmann in Neues Deutschland 09.11.2018 und Jörg Roesler in der Freitag 07.11.2003. Für weitere Hintergründe zum „Stuttgarter Tumult“, siehe Rainer Schimpf (2018).
[31] Diese Anordnungen waren Teil der „Frankfurter Dokumente“, die auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz Anfang 1948 ausgearbeitet wurden.
[32] Siehe: Autorenkollektiv (1978), Geschichte der SED
[33] Siehe: Roesler (2010)
[34] Anton Ackermann (September 1948), in Der deutsche Weg zum Sozialismus. Ackermanns Selbstkritik folgte auch auf die jugoslawisch-sowjetische Spaltung. Tito hatte sich zuvor zur Idee eines jugoslawischen Weges zum Sozialismus bekannt.
[35] George Kennan, einer der Architekten der Truman-Doktrin, gab 50 Jahre später zu, dass der Westen bei den Verhandlungen mit den Sowjets auf „Forderungen bestand, von denen wir wussten, dass die Russen sie nicht akzeptieren würden und konnten — Forderungen, die auf unseren Plänen für die Errichtung einer westdeutschen Regierung beruhten, in der sie keinen Platz haben würden“. Während Kennan behauptet, sich für weitere Verhandlungen mit den Sowjets eingesetzt zu haben, enthüllt er, dass innerhalb des Außenministeriums und vor allem in den französischen und britischen Regierungen „gewaltige“ Kräfte gegen ihn aufgestellt waren, die „entsetzt waren bei dem Gedanken, dass es ein vereinigtes Deutschland geben könnte, das nicht unter westlicher und vor allem amerikanischer Kontrolle stünde.“ Siehe: Kennan (1998), A Letter on Germany: https://www.nybooks.com/articles/1998/12/03/a‑letter-on-germany/
[36] Der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer forderte konsequent, dass der erste Schritt zu einem Wiedervereinigungsprozess „freie Wahlen“ sein müssten. Adenauer setzte darauf, dass die wesentlich größere westdeutsche Bevölkerung — die nun von den massiven Investitionsprogrammen des Marshallplans profitierte — die Wähler der DDR in der Unterzahl lassen würde. Dies, so glaubte Adenauer, würde die Integration ganz Deutschlands in den Westblock ermöglichen. Die SED-Führung forderte, dass der erste Schritt zur Wiedervereinigung eine bilaterale Konferenz zwischen zwei deutschen Regierungen sein müsse, um die grundlegenden sozioökonomischen Prinzipien eines wiedervereinigten Staates auszuhandeln. Mit anderen Worten: Die Kernfragen des Potsdamer Abkommens — der Klassencharakter des deutschen Nachkriegsstaates — müssen geklärt werden, bevor Wahlen stattfinden können. Siehe: Georg Fülberth (1983)
[37] So erklärt es Gossweiler (1998).
[38] Adenauers eigener Innenminister trat 1950 mit der Begründung zurück, die Remilitarisierung mache die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich. Journalisten wie Paul Sethe von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verloren ihre Posten, nachdem sie echte Verhandlungen mit den Sowjets gefordert hatten.
[39] Siehe: Georg Fülberth (1983)
[40] Die Absicht hinter dieser Notiz ist sehr umstritten. Im Westen wurde sie in vielen Berichten zunächst als Bluff bezeichnet. Nach 1990 vertraten einige westliche Historiker, wie z. B. Loth (1994), die Auffassung, dass die Note echt war, und bezeichneten sie als Stalins verzweifelte letzte Hoffnung, die schließlich von der SED im Juli 1952 mit der Ankündigung des „Aufbaus des Sozialismus“ zunichte gemacht wurde. Gossweiler (1998) stützt sich auf Gesprächsnotizen von Wilhelm Pieck und argumentiert, dass sich die sowjetische und die SED-Führung in diesen Monaten einig waren, dass die westliche Führung die Idee der Wiedervereinigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen würde. Nach Gossweiler diente die März-Note also dazu, die Machtkonstellation in der BRD zu testen und den Westen zu zwingen, Farbe zu bekennen.
[41] Im Juli 1952 wurde die „Kasernierte Volkspolizei“ aufgestellt und die Verteidigungsausgaben der DDR vervierfachten sich bis Mitte 1953. Die daraus resultierenden finanziellen Kürzungen trugen wesentlich zu den Protesten des 17. Juni 1953 bei. Siehe Roesler (2010)
[42] Siehe: Kurt Gossweiler (1998)
[43] Diese Ankündigung wurde von der sowjetischen Führung gebilligt und fand nicht hinter Stalins Rücken statt, wie einige Berichte behaupten — siehe Loth (1994).
[44] In der DDR gab es drei Arten von LPGs mit unterschiedlichem Grad der Kollektivierung. Im Gegensatz zu den sowjetischen Genossenschaften (kolkhozy) blieb das Ackerland in den LPGs Privateigentum der einzelnen Bauern.

Der Kampf für ein neutrales, demokratisches Deutschland

Von Published On: 10. März 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 21.04.2022 auf www.ifddr.org unter der URL <https://ifddr.org/arbeiterbewegung-spaltung-deutschlands/> veröffentlicht. Lizenz: Matthew Read, Internationale Forschungsstelle DDR, CC BY-NC-ND 4.0

Die Karikatur „Pyramide des kapitalistischen Systems“ der Industriearbeiter der Welt (1911) ist ein Beispiel für eine sozialistische Kritik des Kapitalismus und der sozialen Schichtung. (Public Domain)

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die die DDR von 1949 bis 1989 führte, wurde vor etwas mehr als einem dreiviertel Jahrhundert im April 1946 gegründet. Das heute gängige Narrativ besagt, dass eine von Moskau gesteuerte Gruppe von Kommunisten 1945 nach Berlin zurückkehrte, um die Sozialdemokraten zu vertreiben und in Ostdeutschland einen separaten Staat, ein Regime nach sowjetischem Vorbild zu errichten.

Historische Quellen zeigen jedoch eine andere Geschichte: Nach der Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 strebten deutsche Sozialisten und Kommunisten eine neutrale, parlamentarische Republik an, in der ein Bündnis antifaschistischer Parteien – eine breitgefächerte Volksfront – die Zukunft des Landes gestalten sollte. Die Hoffnung vieler Mitglieder der deutschen Arbeiterbewegung war, dass die vereinigte Arbeiterklasse in diesem neuen parlamentarischen Rahmen die Freiheit haben würde, das Volk für den Sozialismus zu gewinnen. Diese Strategie eines schrittweisen und relativ friedlichen Weges zum Sozialismus wurde von den Anführern der revolutionären Arbeiterbewegung für die spezifischen Bedingungen Nachkriegsdeutschlands entwickelt.

Die historischen Entwicklungen der Nachkriegszeit waren stattdessen bekanntlich durch eine scharfe Trennung zwischen dem kapitalistischen Westen und dem sozialistischen Osten gekennzeichnet. Dieser Artikel umreißt die Ereignisse, die zu dieser Spaltung geführt haben, und hebt Aspekte hervor, die in den heute vorherrschenden Darstellungen oft ausgelassen werden. Dadurch soll die Entwicklung sozialistischer Strategien in ihrem historischen Kontext untersucht werden, um Lehren hinsichtlich der allgemeinen Widersprüche zu ziehen, die in gesellschaftlichen Transformationen verborgen liegen.

Der hier im Mittelpunkt stehende Zeitraum (1945–1952) markiert auch die prägenden Jahre des so genannten Transatlantismus und der Schaffung der so genannten “Sicherheitsarchitektur”, die die Beziehungen in Europa noch lange nach dem Ende des Kalten Krieges geprägt hat. Die Kenntnis der Ursprünge und des Zwecks dieser Architektur ist für das Verständnis der heutigen Entwicklungen in Europa von zentraler Bedeutung.

Der Arbeiter im Reich des Hakenkreuzes! Darum wählt Liste 1 Sozialdemokraten!
Wahlplakat der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), Reichstagswahl 31.7.1932
Künstler: Karl Geiss
Die Hoffnungen der SPD, mit der Tolerierung der konservativen Regierung Held, den Nationalsozialisten zumindest in Bayern Einhalt gebieten zu können, wurden 1933 jäh zerstört. Am 30. Januar ernannte Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler einer Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen. (Lizenz: Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0 DEED)

Die fatale Spaltung der deutschen Arbeiterklasse

Die Nachkriegsstrategien der deutschen Sozialisten und Kommunisten waren weitgehend eine Reaktion auf die Spaltung der Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1912 hatte sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) als stärkste Arbeiterpartei in Europa etabliert. Sie erhielt über ein Drittel der Stimmen und wurde die größte Fraktion im deutschen Parlament. Interne Spaltungen hatten jedoch bereits begonnen, die Partei zu zersplittern, vor allem zwischen reformistischen und revolutionären Tendenzen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 brach die Partei entlang dieser bereits bestehenden Spaltungslinien auseinander. Rechte Sozialdemokraten schlossen sich Kaiser Wilhelms Aufruf zum klassenübergreifenden Burgfrieden an und stimmten für Kredite zur Finanzierung des Krieges. Die Kriegsgegner in der SPD prangerten die Parteiführung an und gründeten in den Folgejahren ihre eigenen Organisationen. Es gab Versuche, sowohl reformistische als auch revolutionäre Antikriegstendenzen unter dem Banner der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) zu vereinen, aber sie erwiesen sich als unwirksam, den Krieg zu stoppen.

1918 wurde augenscheinlich, dass die Kriegsanstrengungen an Kraft verloren. Nach sporadischen Streiks im Laufe des Jahres kam es im November zu einer weit verbreiteten Revolte unter deutschen Soldaten und Arbeitern. In dem Machtvakuum, das auf die Abdankung des Kaisers folgte, spalteten sich Revolutionäre innerhalb der USPD ab und gründeten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die versuchte, die Macht für die entstandenen Soldaten- und Arbeiterräte zu sichern. Rechtsgerichtete sozialdemokratische Führer bemühten sich, eine soziale Revolution, wie sie ein Jahr zuvor in Russland stattgefunden hatte, zu verhindern. Der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert versicherte der militaristischen Junkerklasse, dass seine Partei der alten Gesellschaftsordnung lediglich eine neue republikanische Fassade verpassen würde [1]. Im Gegenzug würden die Junker die ihnen unterstellten Truppen – unter anderem die so genannten Freikorps – Eberts Regierung zur Verfügung stellen, damit die kommunistischen Aufstände in ganz Deutschland niedergeschlagen werden könnten. Tausende von Revolutionären, darunter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, wurden in den folgenden Monaten hingerichtet.

Damit sicherte die SPD ihre Position im neuen deutschen Staat – der Weimarer Republik –, und die Spaltung der Arbeiterbewegung war zementiert. Die KPD erholte sich von der Repressionswelle und agitierte weiter für die proletarische Revolution. Im Dezember 1920 schlossen sich 400.000 Mitglieder der USPD mit der KPD zusammen, woraufhin die USPD von der politischen Bühne verschwand. Die SPD behielt ihr Bündnis mit den besitzenden Klassen bei und mobilisierte wiederholt die Kräfte des Staates, um eine Reihe von revolutionären Aufständen in den 1920er Jahren niederzuschlagen.

Mit dem Zusammenbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft Anfang der 1930er Jahre und der zunehmenden Unruhe unter den arbeitslosen und verarmten Arbeitern wurden extremere Formen der Herrschaft erwogen, um die Profitrate zu sichern und die bestehende Wirtschaftsordnung zu stützen. Kohle- und Stahlmagnaten wie Emil Kirdorf, Fritz Thyssen und Albert Vögler begannen, die reaktionären Kräfte um Hitler zu fördern [2]. Der Faschismus leugnete den Klassenkampf und vertrat stattdessen monistische Ideale: „Eine Volksgemeinschaft ohne Klassen“ [3]. Ob reich oder arm, alle „wahren“ Deutschen sollten Teil eines harmonischen Ganzen sein. Konzerne wie I.G. Farben und Krupp sowie Bankiers und Versicherungsgesellschaften schlossen sich bald dieser ultra-nationalistischen Bewegung an und spülten beträchtliche Summen in die Kassen von Hitlers Partei.

Die tiefe Spaltung der Arbeiterbewegung erwies sich als fatal im Kampf gegen die zunehmende faschistische Gefahr. Die SPD setzte die Kommunisten mit den Faschisten gleich und weigerte sich bei jedem Schritt, mit der KPD zusammenzuarbeiten. Stattdessen hielt sie an ihrem Bündnis mit den konservativen Kräften fest, die schließlich 1933 Hitler die Macht übergaben [4]. Die KPD hatte ihrerseits Mühe, eine klare Analyse des Faschismus zu erstellen, und betrachtete die Sozialdemokratie und ihre Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien als eine Form des „Sozialfaschismus“. Die Kommunisten ergriffen schließlich Initiativen, um die Arbeiterklasse in einer „proletarischen Einheitsfront“ gegen den Nationalsozialismus zu vereinen, aber es war zu spät. Im November 1932, am Vorabend der faschistischen Machtübernahme, erhielten die beiden Arbeiterparteien 13 Millionen Stimmen, doch sie waren gespalten: die SPD erhielt 7,2 Millionen und die KPD 5,98 Millionen. Die Nazis erhielten 11,7 Millionen Stimmen.

Als die Faschisten 1933 von den Monopolisten an die Macht gehievt wurden, dezimierten sie kurzerhand die Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Arbeitnehmerverbände verboten, und die meisten SPD- und KPD-Funktionäre flohen entweder aus dem Land oder wurden in Konzentrationslagern inhaftiert. In der Folge wurden Mindestlöhne, Überstundenvergütungen und Arbeitsschutzgesetze abgeschafft. Teile der ehemals organisierten Arbeiterklasse leisteten innerhalb Deutschlands weiterhin Widerstand gegen die faschistische Herrschaft, blieben aber verstreut und von ihren Genossen im Ausland abgeschnitten.

Die Entwicklung einer neuen Strategie: eine antifaschistisch-demokratische deutsche Republik

Im Januar 1935 trafen sich kommunistische und Arbeiterparteien zum 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau. Angesichts des Misserfolgs bei der Verhinderung des Aufstiegs des Faschismus kamen die Delegierten zu dem Schluss, dass die Taktik der „proletarischen Einheitsfront“ unzureichend gewesen war. Die neue Taktik zielte darauf ab, die breitesten Schichten der Gesellschaft – auch der Bourgeoisie – zum Widerstand gegen den Faschismus und die Kriegsgefahr zu mobilisieren. Die Arbeiterfront sollte als Kern einer breiteren, klassenpluralistischen Volksfront fungieren. Diese Taktik wurde in der Folge in mehreren Ländern angewandt, am prominentesten in Spanien und Frankreich.

Im Anschluss an den Komintern-Kongress hielten die KPD-Führer im Exil zwei Konferenzen ab, auf denen eine Volksfronttaktik entwickelt und auf die nationalen Verhältnisse in Deutschland angewandt wurde. Auf der „Brüsseler Konferenz“ [5] von 1935 kritisiert die KPD ihr bisheriges Verhältnis zur SPD und ihre Einstellung zur bürgerlichen Demokratie gegenüber dem Faschismus. „Einseitige, sektiererische oder überholte Einschätzungen und Orientierungen“ sollten korrigiert werden [6]. „Alle Teile der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen, die Bauernschaft, die Intelligenzija, und des Mittelstandes sowie alle anderen Gegner des Hitlerregimes bis hinein in das Bürgertum“ sollten im antifaschistischen Kampf vereint werden.

Das unmittelbare Ziel sei der Sturz des Hitler-Regimes und die Errichtung eines „freien, antifaschistischen deutschen Staates“.

Eine weitere KPD-Konferenz fand 1939 in Frankreich statt [7]. Hier wurde die Taktik der Volksfront zu einer umfassenderen Strategie für ein post-faschistisches Deutschland weiterentwickelt. In einer Resolution mit dem Titel „Der Weg zum Sturze Hitlers und der Kampf um die neue, demokratische Republik“ erklärte die Partei:

„Die neue demokratische Republik wird aber, im Gegensatz zur Weimarer Republik, den Faschismus mit der Wurzel ausrotten, ihm seine materielle Basis durch die Enteignung des faschistischen Trustkapitals entziehen und sich, wieder im Gegensatz zur Weimarer Republik, in der Armee, der Polizei und im Beamtenapparat zuverlässig Verteidiger der demokratischen Freiheiten und der demokratischen Volksrechte schaffen. In der neuen demokratischen Republik wird, im Gegensatz zu Weimar, nicht die Großbourgeoisie, gedeckt durch eine Koalition mit einer Arbeiterpartei, ihre wirtschaftlichen und politischen Anschläge gegen das Volk richten können, sondern die einige Arbeiterklasse, vereint mit den Bauern, dem Mittelstand und der Intelligenzija in der Volksfront, wird das Schicksal des Landes bestimmt.“ [8]

So wurde die Volksfronttaktik zu einer Strategie erweitert, die nicht nur den Sturz des Hitler-Regimes, sondern auch eine rigorose „antifaschistisch-demokratische Umgestaltung“ und den Aufbau eines grundlegend neuen Staates in Deutschland zum Ziel hatte. Diese neue Republik sollte vollenden, was die Novemberrevolution von 1918/19 nicht geschafft hatte, nämlich eine vollständige bürgerliche Revolution. Sie sollte aber nicht von der Bourgeoisie, sondern von der vereinigten Arbeiterklasse in einer Volksfront mit den anderen antifaschistischen Kräften der Gesellschaft geführt werden.

Die neue Strategie sei kein „Verzicht der Arbeiterklasse auf den Kampf um den Sozialismus“, sondern die Erkenntnis, dass die faschistische Herrschaft in Nazi-Deutschland – wo der Antikommunismus eine Staatsdoktrin war – die sozialistische Sache drastisch zurückwerfen würde, heißt es in der Resolution. Nur ein schrittweiser Übergang zum Sozialismus sei unter diesen Bedingungen möglich: „In einem Volksfrontdeutschland werden die sozialistischen und kommunistischen Arbeiter und Organisationen die volle Freiheit haben, die Mehrheit des Volkes für das sozialistische Ziel zu gewinnen.“ Die antifaschistisch-demokratische Republik würde also „den Weg zum Sozialismus bahnen“.

Diese Strategie entsprach auch den geopolitischen Interessen der sowjetischen Regierung, die vor allem den deutschen Imperialismus neutralisieren wollte, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei Weltkriege angezettelt hatte [9]. Deutschland war nicht nur ein großer mitteleuropäischer Staat an der Grenze zwischen Ost und West, sondern auch eines der am stärksten industrialisierten Länder der Welt mit einer zahlenmäßig starken Arbeiterklasse und einer außergewöhnlichen Arbeitsproduktivität. Eine mächtige Arbeiterbewegung, die in einem parlamentarischen Rahmen frei agieren kann, könnte als Schutz vor einer Versöhnung zwischen der deutschen Bourgeoisie und dem Westen auf antikommunistischer Grundlage dienen [10]. Als die sowjetische Regierung mit ihren Verbündeten in der Anti-Hitler-Koalition über die Zukunft Deutschlands verhandelte, war sie daher bestrebt, möglichst günstige Bedingungen für die Errichtung eines neutralen, parlamentarischen Deutschlands zu schaffen.

Eine wiedervereinigte Arbeiterklasse und eine entmachtete Bourgeoisie

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht vor der Anti-Hitler-Koalition am 8. Mai 1945 wurde Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt, wie es auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 festgelegt worden war. Die Alliierten waren sich einig, dass Deutschland daran gehindert werden musste, einen neuen Krieg zu beginnen, aber es gab keinen Konsens darüber, wie dies erreicht werden sollte. Das Vereinigte Königreich hatte sich seit 1941 und die USA seit 1943 für die Teilung Deutschlands eingesetzt [11], die Sowjets hingegen hatten sich nicht auf eine solche Teilung festgelegt. Ein neutrales, entmilitarisiertes Deutschland, das weder mit dem Osten noch mit dem Westen verbündet wäre, blieb die von den Sowjets bevorzugte Lösung. Deren Hauptanliegen während der Kriegsjahre war jedoch die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts der Anti-Hitler-Koalition.

Auf einer anschließenden Konferenz in Potsdam im August 1945 unterzeichneten die alliierten Staats- und Regierungschefs ein Abkommen, in dem festgelegt wurde, dass Deutschland zunächst von vier Militärverwaltungen regiert, das Land aber „als eine wirtschaftliche Einheit“ betrachtet werden sollte. Das Potsdamer Abkommen legte auch die grundlegenden politischen Leitlinien fest, die von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion in ihren jeweiligen Zonen umgesetzt werden sollten. Es handelte sich um die „vier Ds“: <bD</b>enazifizierung, um alle Faschisten aus relevanten Positionen zu entfernen und Kriegsverbrecher zu bestrafen; Demilitarisierung, um die deutsche Rüstungsindustrie vollständig zu entwaffnen und zu zerstören; Demokratisierung, um das öffentliche Leben neu zu strukturieren; und Dezentralisierung, um „die bestehende übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht, die insbesondere in Form von Kartellen, Syndikaten, Trusts und anderen Monopolvereinigungen verkörpert ist“ zu zerschlagen.

Die „vier Ds“ bedeuteten nichts weniger als die Entwurzelung des deutschen Imperialismus und die Schaffung eines entmilitarisierten, entmonopolisierten Deutschlands.

Am 10. Juni 1945 genehmigte die Sowjetische Militäradministration die Gründung demokratischer politischer Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Aus dem Exil, aus dem Untergrund und aus den Konzentrationslagern kamen Antifaschisten zurück, um die ersten Parteien zu reorganisieren: die KPD, die SPD, die Christdemokraten (CDU) und die Liberaldemokraten (LDPD). Im Einklang mit der im Exil entwickelten Strategie veröffentlichte die KPD am 11. Juni 1945 einen Aufruf:

„Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten.

Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk.“

Mit der Zerstörung des Dritten Reiches erkannten die KPD-Führer, dass die deutsche Bourgeoisie politisch und militärisch entmachtet war. Mit anderen Worten: Zum ersten Mal in der modernen Geschichte Deutschlands war die Kapitalistenklasse nicht in der Lage, die staatlichen Kräfte zur Unterdrückung der proletarisch-sozialistischen Bewegung einzusetzen. Die „vier Ds“ würden diese Tatsache zementieren und verhindern, dass durch die Ausweitung der Demokratie auf die wirtschaftliche Sphäre die Großbourgeoisie die Kontrolle zurückgewinnen könnte. Diese Umstände könnten, so der führende KPD-Funktionär und Theoretiker Anton Ackermann, einen friedlichen parlamentarischen Weg zum Sozialismus in Deutschland eröffnen:

„Unser Verhängnis ist es, dass das Hitlerregime nicht durch eine revolutionäre, antifaschistisch-demokratische Umwälzung von innen her aus den Angeln gehoben wurde. Aber der reaktionäre preußisch-deutsche Militarismus soll laut den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz bis auf den Rest liquidiert werden. … Dem deutschen Volk ist die Möglichkeit zugesichert, ein neues demokratisches Deutschland aufzubauen. Folglich löst sich die Frage nach dem weiteren Weg in die folgende weitere Frage auf: Entwickelt sich der neue demokratische Staat als ein neues Gewaltinstrument in den Händen der reaktionären Kräfte, so ist der friedliche Übergang zur sozialistischen Umgestaltung unmöglich. Einwickelt sich aber die antifaschistische-demokratische Republik als ein Staat aller Werktätigen unter der Führung der Arbeiterklasse, so ist der friedliche Weg zum Sozialismus durchaus möglich, insofern dann die Gewaltanwendung gegen den (übrigens vollkommen legalen, vollkommen gesetzmäßigen) Anspruch der Arbeiterklasse auf die ganze Macht ausgeschlossen.“ [12]

Die neue antifaschistisch-demokratische Republik würde folglich einen anderen Klassencharakter haben:

„Es wäre selbstverständlich kindisch davon zu sprechen, dass diese Demokratie mit verschiedenen Parteien, mit einer Verfassung, dass diese demokratische Republik etwa eine Republik des alten, bürgerlich-kapitalistischen Typus wäre. Nein, hier handelt es sich um eine Art von Demokratie, eine demokratische Republik, wie sie Lenin 1905 vorschwebte, als einen Staat, der auch Klassenstaat ist, aber Klassenstaat in Händen der Arbeiter und Bauern.“ [13]

Nach dem Verständnis der KPD-Führung war dies der besondere historische Scheidepunkt, an dem die fortschrittlichen Kräfte Deutschlands in der unmittelbaren Nachkriegszeit standen. Damit dieser parlamentarisch-demokratische Weg zum Sozialismus erfolgreich sein konnte, musste sich die organisierte Arbeiterklasse wieder vereinigen:

„Nur die Vereinigung der KPD und der SPD und damit das Anwachsen der Kräfte des Sozialismus auf eine Millionenschar aktiver Mitstreiter kann die Garantie schaffen, dass nicht das reaktionäre Großbürgertum, sondern die Arbeiterschaft und das werktätige Volk den Gang der weiteren Entwicklung bestimmen. (…)

Gelingt es in Deutschland, vor dem Siege der Arbeiter über die Bourgeoisie die politische und organisatorische Einheit der Arbeiterbewegung auf dem Boden des konsequenten Marxismus herzustellen, so wird auch dieser Umstand die weitere politische Entwicklung wesentlich anders gestalten als nach dem Sieg der Oktoberrevolution in Russland, die den Sieg der bolschewistischen Partei, die Niederlage und schließlich die Zerschmetterung der menschewistischen Partei (die zu einer konterrevolutionären Partei geworden war) bedeutete. In diesem Falle kann eine Besonderheit der deutschen Entwicklung darin bestehen, dass eine stärkere (und infolgedessen auch schärfere) innere Auseinandersetzung in der Arbeiterschaft und im schaffenden Volk nach ihrem Klassensieg über die Bourgeoisie nicht auszubrechen braucht. Auch eine solche Tatsache müsste eine rasche Entfaltung der konsequenten sozialistischen Demokratie zur Folge haben.“[14]

Exil-Sozialdemokraten wie Max Fechner hatten bereits in den letzten Kriegstagen für die Schaffung eines „Einheitsorgan der deutschen Arbeiterklasse“ plädiert [15], am 11. Juni 1945 wurde in Berlin ein Zentralausschuss der SPD gewählt. In seiner Gründungserklärung forderte er die „organisatorische Einheit der deutschen Arbeiterklasse“ und entschied sich daraufhin, im August 1945 in der SBZ eine Vier-Parteien-Koalition mit KPD, CDU und LDPD zum „antifaschistisch-demokratischen Block“ zu bilden.

Im April 1946 schlossen sich SPD und KPD in der SBZ zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zusammen. Dieser Vereinigung gingen monatelange, kontroverse Debatten voraus, in denen jahrzehntelange innerparteiliche Differenzen ausgetragen wurden.

In beiden Parteien herrschte Uneinigkeit — die gegenseitige Abneigung aus den Weimarer Jahren war nicht überwunden. Doch nach 12 Jahren faschistischer Herrschaft gab es in der Basis beider Parteien eine breite Unterstützung für die Behebung der Fehler der Vergangenheit und die Schließung der Reihen der Arbeiterklasse [16]. Die Sozialdemokraten blieben in der Vereinigungsfrage besonders gespalten, aber die These der KPD von einem parlamentarisch-demokratischen Weg zum Sozialismus half vielen linken Mitgliedern, die Kluft zu überbrücken.

In den „Grundsätzen und Zielen der SED“ vom 21. April 1946 wird deutlich, dass die Partei keineswegs eine „kommunistische Diktatur“ errichten oder einen ostdeutschen Separatstaat gründen wollte, sondern sich „mit aller Energie gegen alle partikularistischen Tendenzen für die wirtschaftliche, kulturelle und politische Einheit Deutschlands“ einsetzen wollte. Der „Kampf um den Sozialismus“ soll in einer parlamentarisch-demokratischen Republik stattfinden, von der aus die SED die Freiheit hätte, das Volk für sich zu gewinnen. Sollte jedoch die Kapitalistenklasse in Deutschland versuchen, die antifaschistisch-demokratische Umgestaltung zu verhindern oder rückgängig zu machen, würde die organisierte Arbeiterklasse nicht zögern, erneut den offenen Klassenkampf zu führen:

„Die grundlegende Voraussetzung zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Dabei verbündet sie sich mit den übrigen Werktätigen. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands kämpft um diesen neuen Staat auf dem Boden der demokratischen Republik. Die gegenwärtige besondere Lage in Deutschland, die mit der Zerbrechung des reaktionären staatlichen Gewaltapparates und dem Aufbau eines demokratischen Staates auf neuer wirtschaftlicher Grundlage entstanden ist, schließt die Möglichkeit ein, die reaktionären Kräfte daran zu hindern, mit den Mitteln der Gewalt und des Bürgerkrieges der endgültigen Befreiung der Arbeiterklasse in den Weg zu treten. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erstrebt den demokratischen Weg zum Sozialismus; sie wird aber zu revolutionären Mitteln greifen, wenn die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verlässt.“ [17]

Im „Manifest an das deutsche Volk“ [18], das im selben Monat veröffentlicht wurde, begrüßte die SED ausdrücklich die privaten kleinkapitalistischen Akteure und proklamierte „Kein Einparteiensystem“. Für den Erfolg des parlamentarisch-demokratischen Weges war es jedoch notwendig, die „vier Ds“ zu verwirklichen und zu verhindern, dass das Monopolkapital wieder die Kontrolle über den Staat erlangte. So führte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) gemeinsam mit dem antifaschistisch-demokratischen Block eine umfassende Bodenreform durch, um den Junker-Großgrundbesitz aufzulösen und Land an mehr als eine halbe Million landlose Bauern umzuverteilen. Eine umfassende Industriereform wurde eingeleitet, um „Kriegsverbrecher und Kriegsprofiteure“ von der wirtschaftlichen Macht zu entbinden. Monopolistische Unternehmen wurden enteignet und in Volkseigentum überführt. Der verstaatlichte Industriesektor sollte neben kleineren privatkapitalistischen Unternehmen operieren [19]. Nicht reuige, belastete Mitglieder der ehemaligen Nazipartei wurden aus allen Bereichen der Gesellschaft entfernt, einschließlich des Staates, der Polizei, der Medizin, der Justiz und der Kultur. Umfassende Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme sowie Arbeiter- und Bauernfakultäten wurden eingerichtet, um Klassenschranken abzubauen. Das Beamtentum wurde abgeschafft und die soziale Polarisierung weitgehend beseitigt. Diese Maßnahmen verschafften dem antifaschistisch-demokratischen Block in diesen Jahren eine breite Unterstützung unter den arbeitenden Massen [20].

Das Potsdamer Abkommen wurde somit in der SBZ rigoros und zügig umgesetzt – dem deutschen Imperialismus war damit bereits Ende 1946 die materielle Basis entzogen.

Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED 1946 mit dem historischen Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck. (Abraham Pisarek, Deutsche Fotothek CC BY-SA 3.0 DE)

Restauration im Westen

In den westlichen Besatzungszonen verlief die Entwicklung ganz anders. Wie in der SBZ herrschte auch in Westdeutschland ein breiter Konsens zwischen verschiedenen Gruppen und Parteien, dass die kapitalistische Wirtschaftsordnung ihre Berechtigung und Glaubwürdigkeit verloren hatte. Mehr als ein Jahrzehnt faschistischer Herrschaft und die Zerstörungen durch den Krieg hatten dies deutlich gemacht. Rufe nach der Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien und der Beseitigung des Monopolkapitals waren nicht nur von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern zu hören — selbst die konservative CDU hatte sich in ihrem „Ahlener Programm“ von 1947 vom Kapitalismus losgesagt und einen „christlichen Sozialismus“ propagiert. Trotz dieser Überzeugungen begannen die westlichen Militärverwaltungen schon bald, die im Potsdamer Abkommen vorgesehenen Initiativen zur Vergesellschaftung und zur Bodenreform zu behindern [21]. Auch Versuche, eine einheitliche branchenübergreifende Gewerkschaft zu gründen, wurden von den Behörden vereitelt. In den Westzonen wurden nur dezentralisierte Gewerkschaften zugelassen [22]. Bemühungen um eine Fusion von SPD und KPD wurden durch das Verbot von Versammlungen, die für die Fusion warben, ebenfalls unterbunden. Rechte Kräfte innerhalb der SPD wurden von der britischen Regierung dabei unterstützt, ein eigenes westdeutsches Parteiorgan zu errichten, um fusionswillige Stimmen auszuschließen und dem SPD-Zentralausschuss in Berlin Konkurrenz zu machen. Die Landesregierungen in den Westzonen, die von Volksfronten (parteiübergreifende Koalitionen von der CDU bis zur KPD) geführt worden waren, erlagen Ende 1947 ebenfalls der wachsenden Roten Angst [23].

Diese Entwicklungen zeigen, dass die Nachkriegseinschätzung der KPD in einem Punkt richtig war: Breite Teile der deutschen Bevölkerung forderten tatsächlich eine antifaschistische und antimonopolistische Umgestaltung des Landes. Was sie jedoch unterschätzt hatte, war die Zügigkeit und Geschlossenheit, mit der die kapitalistischen Mächte die Volksinitiativen unterbinden und das Potsdamer Abkommen missachten würden. Indem sie die Arbeiterbewegung (sowohl die Gewerkschaftsbewegung als auch den Zusammenschluss von SPD und KPD) unterdrückten, sorgten die westlichen Regierungen auch dafür, dass diese Initiativen unkoordiniert und diffus blieben. Die Monopolindustrien und Junkergüter blieben in den Westzonen unangetastet, was die Grundlage der antifaschistischen und demokratischen Strategie untergrub. Die Arbeiterklasse blieb gespalten und schwach, während das Großbürgertum seinen Einfluss auf die Wirtschaft behielt.

Im Nachhinein wird deutlich, dass wichtige Akteure innerhalb der Westmächte nie ernsthaft die Absicht hatten, mit den Sowjets zusammenzuarbeiten: Die USA und das Vereinigte Königreich waren bis Ende 1944 davon ausgegangen, dass ihre Streitkräfte Deutschland nach der Kapitulation der Nazis allein besetzen würden [24]. Doch mit dem raschen Vormarsch der Roten Armee durch Osteuropa begannen die westlichen Führer insgeheim nach Möglichkeiten zu suchen, den sowjetischen Einfluss zurückzudrängen.

Zwei der heute bekannten Beispiele waren die „Operation Sunrise“ (Februar-Mai 1945) und die „Operation Unthinkable“ (Mai 1945), bei denen westliche Geheimdienste die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit Wehrmachtsdivisionen untersuchten, um den sowjetischen Vormarsch aufzuhalten [25].

Diese Operationen wurden schließlich als zu riskant erachtet, und westliche Führer räumten ein, dass sich der sowjetische Einfluss innerhalb Deutschlands ausbreiten würde [26]. Sie verfolgten daraufhin eine Strategie der „Eindämmung“. So schrieb der US-Spitzendiplomat George Kennan im Sommer 1945 in einem internen Dokument: „Besser ein zerstückeltes Deutschland, von dem wenigstens der westliche Teil Deutschlands als Prellbock für die Kräfte des Totalitarismus wirkt als ein geeintes Deutschland, das diese Kräfte wieder bis an die Nordsee vorlässt.“ [27] Ein westdeutscher Separatstaat sollte also als Bollwerk gegen den sozialistischen Vormarsch fungieren, und vermutlich aus diesem Grund lehnten die westlichen Führer den sowjetischen Vorschlag vom 30. Juli 1945 ab, eine einheitliche deutsche Zentralverwaltung mit quasi-staatlichen Funktionen zu bilden, die neben den Militärverwaltungen der Alliierten arbeiten sollte.

Diese Eindämmungsstrategie konnte nicht riskieren, dass sich in Deutschland eine antimonopolistische, parlamentarische Republik entwickelte, denn dies würde höchstwahrscheinlich den Weg für eine sozialistische Entwicklung bahnen. Wie Erich Köhler, der erste Präsident des westdeutschen Parlaments, später sagte: „Wir lehnen die Einheit Deutschlands ab, wenn die sozialistischen Kräfte in Deutschland dadurch über ganz Deutschland regieren können.“ Ohne Rücksicht auf die Wünsche der Bevölkerung setzten die westlichen Militärverwaltungen also auf die Restauration der Monopolverhältnisse, um die bürgerliche Herrschaft wiederherstellen zu können. Im März 1946, einen Monat vor der Gründung der SED in der SBZ, hielt Churchill seine Rede zum „Eisernen Vorhang“, in der er „die Freiheiten, die der einzelne Bürger im gesamten britischen Empire genießt“, der „totalitären Kontrolle“ in Osteuropa gegenüberstellte und warnte, dass „kommunistische fünfte Kolonnen“ im Westen eine „Gefahr für die christliche Zivilisation“ darstellten.

Auf die Frage nach ihrer mangelnden Bereitschaft, die „vier Ds“ umzusetzen, argumentierten westliche Amtsträger, dass das Potsdamer Abkommen lediglich ein Konferenzkommuniqué und keinen rechtsverbindlichen Vertrag darstelle. Obwohl sie sich darauf geeinigt hatten, dass „während der Besatzungszeit Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten ist“ schlossen das Vereinigte Königreich und die USA im Januar 1947 ihre Zonen zu einem „integrierten Wirtschaftsraum“ (der „Bizone“) zusammen und schufen damit proto-staatliche Organe in Westdeutschland. Mit dem Beitritt der französischen Zone im April 1948 wurde die „Trizone“ gebildet.

Die konservativen Parteien in Westdeutschland begannen, die antimonopolistischen Stimmen aus ihren Reihen zum Verstummen zu bringen. Unter Ausnutzung der unorganisierten und gespaltenen Arbeiterbewegung in ihren Gebieten machten sich diese Parteien daran, den von den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich angestrebten westdeutschen Separatstaat zu errichten. Konrad Adenauer, die Galionsfigur dieser Bestrebungen, hielt es mit Kennan, als er sagte:

„Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb.“ [28]

Faschisten und Angehörige der kapitalistischen Klasse begannen in diesen Jahren, die SBZ zu verlassen, da sie erkannten, dass im Westen lukrativere Perspektiven und mildere Gesetze auf sie warteten. In der Tat fanden viele ehemalige Nazi-Kader hochrangige Positionen im entstehenden westdeutschen Staat.

Im März 1947 verkündeten die USA die so genannte „Truman -Doktrin“, die die Eindämmungsstrategie zur offiziellen Politik des Westens machte. Der „Marshallplan“ wurde als wirtschaftlicher Arm dieser Doktrin entwickelt. Der im Juni 1947 vorgelegte Plan sah massive US-Investitionen in Westeuropa vor. Sie sollten nicht nur ein Ventil für überschüssiges US-Kapital nach dem Übergang des Landes von der Kriegs- zur Friedensproduktion bieten, sondern auch die Menschen in Westeuropa wirtschaftlich, politisch und ideologisch an die USA binden [29]. Ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Trizone könnte auch dazu beitragen, die freie Marktwirtschaft in den Augen vieler Westdeutscher zu rehabilitieren. Gleichzeitig versuchten die westlichen Regierungen den Druck auf die zerstörte sowjetische Wirtschaft zu erhöhen, indem sie den Handel einschränkten und die SBZ von der Kohle-, Eisen- und Stahlproduktion im industrialisierten Ruhrgebiet abschnitten. Außerdem hatten die USA im Mai 1946 die Reparationszahlungen an die Sowjetunion aus ihrer Zone eingestellt. Was ebenfalls einen Verstoß gegen das Potsdamer Abkommen darstellte. Die SBZ musste diese Last von nun an allein tragen.

Um den Marshallplan und den damit verbundenen Zustrom von US-Kapital nach Deutschland zu erleichtern, planten die Westmächte, den Wirtschaftsverkehr in der Trizone umzustrukturieren. Im Juni 1948 führten sie eine neue Währung (die „Deutsche Mark“) ein, die an den US-Dollar gebunden war. Diese Währungsreform war zunächst ein Schock für die Wirtschaft, da sie die Kontrolle von Preisen aufhob, die Löhne jedoch einfrieren ließ. Es folgten monatelange soziale Unruhen. Im Oktober gingen streikende Arbeiter in Stuttgart auf die Straße, um die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie und die Einführung der Planwirtschaft zu fordern. Daraufhin setzte das US-Militär Panzer und Tränengas ein. Einen Monat später, am 12. November 1948, legte ein massiver Generalstreik die US-amerikanische und die britische Zone lahm, bei dem rund 9 Millionen Arbeiter (72 % aller Beschäftigten) erneut die Verstaatlichung der Großindustrie forderten [30]. Die Behörden der Trizone konnten schließlich die Situation durch Zugeständnisse, wie flexible Preiskontrollmaßnahmen und die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung entschärfen.

Durch diese Währungsreform war in der Trizone ein exklusiver westdeutscher Wirtschaftsraum geschaffen worden. Im gleichen Zeitraum hatten die Außenminister der Westmächte auch offizielle Pläne für die Errichtung eines westdeutschen Separatstaates ausgearbeitet. Die Befehle wurden am 1. Juli 1948 an die Beamten der Trizone weitergeleitet [31].

Im September desselben Jahres traten auch Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Benelux-Staaten der Brüsseler Vertragsorganisation bei, einem gegen die Sowjetunion gerichteten Militärbündnis. Sieben Monate später wurde die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) gegründet.

Clement Attlee, Harry S. Truman, und Joseph Stalin, auf der Potsdamer Konferenz, 1. August 1945. (gemeinfrei)

Ein Wendepunkt für die SED

Die SED und die Sowjets sahen sich also mit einem Dilemma konfrontiert. Die Hoffnung auf eine landesweite Massenbewegung zur Errichtung eines neutralen, demokratischen Deutschlands zerbricht angesichts der repressiven westlichen Militärverwaltungen schnell. Trotz intensiver Kampagnen war die Einigung der Arbeiterbewegung im Westen vereitelt und antimonopolistische Volksinitiativen niedergeschlagen worden. Die Bourgeoisie in der Trizone gewann wieder die Oberhand. Gleichzeitig musste die SBZ mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Westdeutschland Schritt halten – die Grenzen blieben offen und ein zu großes Gefälle würde zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führen. Mit den zu zahlenden Reparationen und einem historisch weniger industrialisierten Gebiet als Westdeutschland stand die SBZ vor einer immensen Aufgabe.

Das Ende des Jahres 1947 und die erste Hälfte des Jahres 1948 markierten einen Wendepunkt. Als Reaktion auf die sich verschlechternde internationale Lage gründete die Kommunistische Partei der Sowjetunion im Oktober 1947 das Kominform. Es sollte als inoffizielle europäische Nachfolgeorganisation der Komintern fungieren, die 1943 aufgelöst worden war, um den Zusammenhalt in der Anti-Hitler-Koalition zu wahren. Eine stärkere politische Einheit der europäischen kommunistischen Parteien sollte die Antwort auf die Truman-Doktrin sein. Die SED, die zwar nicht Mitglied des Kominforms war, orientierte sich ab 1948 trotzdem an leninistischen Organisationsprinzipien und wurde zu einer „Partei neuen Typs“ nach bolschewistischem Vorbild. Der Schwerpunkt wurde auf ideologische Klarheit (Kaderschulung) und Parteidisziplin gelegt. Im Rahmen dieser „Bolschewisierung“ werden widerständige oder kampfunwillige Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen und das paritätische Führungsprinzip zwischen SPD und KPD aufgehoben. Die SED sollte dadurch effizienter werden und besser für den sich verschärfenden internationalen Klassenkampf gerüstet sein [32].

Im Juni 1948 wurde außerdem ein zweijähriger Wirtschaftsplan (1949–1950) aufgestellt, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu beschleunigen und die Basis für eine Schwerindustrie in Ostdeutschland zu schaffen. Dies war notwendig geworden, nachdem die Westmächte Exporte aus dem Ruhrgebiet, dem industriellen Kernland Deutschlands, gestoppt hatten. Doch der Plan löste den ersten ernsthaften politischen Streit innerhalb des antifaschistisch-demokratischen Blocks aus.

Die LDPD und CDU wussten, dass eine Konzentration der Investitionen auf die Schwerindustrie die Investitionen in die Konsumgüterindustrie, in der ihre politische Basis (das Kleinbürgertum) beheimatet war, verringern würde. Nach heftigen Debatten setzte sich die SED mit dem Zweijahresplan durch und zementierte damit ihre Vormachtstellung in der SBZ [33].

Der SED-Theoretiker Ackermann hatte im März 1947, noch bevor in den Westzonen ein eigener Wirtschaftsraum geschaffen worden war, die Lage in Deutschland folgendermaßen eingeschätzt:

„Hätten wir in ganz Deutschland dieselben oder zumindest ähnliche Verhältnisse wie in der sowjetischen Besatzungszone, so könnten wir mit ruhigem und gutem Gewissen erkennen: Auch für Deutschland ist der demokratische Weg zum Sozialismus gesichert. Leider haben wir aber nicht in ganz Deutschland dieselben Verhältnisse. Leider ist sogar in größeren Teilen Deutschlands die wirtschaftliche Macht der kapitalistischen Reaktion nicht beseitigt, und das ist doch für jeden Marxisten letzten Endes das Entscheidende. Dort gibt es keine demokratische Bodenreform, keine Industriereform, usw. (…) Wie dieser Kampf um die Einheit Deutschlands und um die Neugestaltung Deutschlands enden wird, das kann heute keiner mit Bestimmtheit voraussagen.“

Doch schon Ende 1948 ist die Restauration des Monopolkapitals in der Trizone unübersehbar. Im September 1948, nachdem seine Partei „bolschewisiert“ worden war, distanzierte sich Ackermann unter Hinweis auf die sich verschlechternden nationalen und internationalen Bedingungen von der Frage nach einem „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“:

„Die Entwicklung hat seit Ende 1945, Anfang 1946 nicht stillgestanden. Wir haben in der Ostzone neue Entwicklungen gemacht. Wir stehen in den Westzonen vor vollkommen neuen Tatsachen, vor der Tatsache, dass dort der Weg zurück eingeschlagen wurde, dass dort von neuem ein reaktionärer Staats- und Gewaltapparat unter Vorherrschaft ausländischer imperialistischer Mächte aufgerichtet wird, der jede wirklich demokratische Entwicklung bedroht (…) Die gesamte Verschärfung des internationalen Klassenkampfes, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, lassen also diese Frage [ob es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus gab] viel schärfer sehen, als das noch vor kurzem der Fall war.“ [34]

Als Folge der kapitalistischen Restauration im Westen sollte es nicht lange dauern, bis die deutsche Bourgeoisie dort die politische und militärische Kontrolle wiedererlangte. Tatsächlich wurde die Trizone im Mai 1949 offiziell zu einem westdeutschen Separatstaat, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) [35]. Die neue Regierung beanspruchte für sich, die Nachfolgerin des Deutschen Reiches und die einzige legitime Vertreterin des deutschen Volkes zu sein. Der Weg zu einem neutralen, geeinten Deutschland war so gut wie versperrt [36]. Die SBZ reagierte im Oktober desselben Jahres mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Basis der Arbeiter- und Bauernmacht. Der Sozialismus stand jedoch nicht auf der unmittelbaren Tagesordnung.

Die Gründung der DDR war also das Ergebnis einer frühen strategischen Niederlage für die SED und die Sowjets.

Die Volksfront war in den Westzonen, wo durch die Unterstützung der nordatlantischen Staaten eine antifaschistisch-demokratische Umgestaltung erfolgreich verhindert wurde, einfach nicht lebensfähig gewesen. Monopolistische Machtinteressen hatten sich im bürgerlich-parlamentarischen Staat, der BRD, wieder durchgesetzt. Die Gründung der DDR war die notwendige Antwort auf diese Niederlage. Die Alternative wäre die völlige Kapitulation gewesen, die alle Fortschritte in der SBZ seit 1945 rückgängig gemacht und dem neuen, westlich-orientierten deutschen Imperialismus die Möglichkeit gegeben hätte, sich bis zur polnischen Grenze auszudehnen. Die DDR könnte zumindest die Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in der SBZ bewahren und, wie die SED und die Sowjets immer wieder betonten, eine Basis für die Kräfte bieten, die den Kampf für ein vereintes, neutrales Deutschland fortsetzen. Unabhängig davon, ob dieser Kampf noch eine realistische Aussicht auf Erfolg hatte oder nicht, konnten die sozialistischen Kräfte es nicht erlauben, dass reaktionäre Kräfte die „nationale Bewegung“ für ihre Zwecke vereinnahmten. Die Arbeiterbewegung musste also der Vorkämpfer der „nationalen Interessen“ bleiben [37].

Ende der 1940er Jahre gab es keine Anzeichen für eine Abschwächung des internationalen Klassenkonflikts. Die marxistisch-leninistischen Kräfte gewannen an mehreren Fronten an Boden, insbesondere in Asien. In der Folge begannen die USA mit „Rollback“- (Zurückdrängungs-) Missionen, die über die bloße „Eindämmung“ hinausgingen. Verdeckte und offene westliche Interventionen wurden in Ländern wie Albanien („Operation Valuable“ 1949) und Korea (1950) durchgeführt, um zu versuchen, diese Gebiete wieder in die kapitalistische Sphäre einzugliedern.

In Europa wurde die Remilitarisierung Westdeutschlands — eine weitere Verletzung des Potsdamer Abkommens — bald zu einem Schlagwort zwischen den Führern der BRD und des Nordatlantiks.

Im Oktober 1950 wurde Westdeutschland ermächtigt, ein provisorisches Verteidigungsministerium einzurichten, und die NATO erörterte Pläne, die BRD in das Bündnis einzugliedern.

Eine breite Bewegung gegen die Remilitarisierung bildete sich in ganz Westdeutschland, auch in bürgerlichen Kreisen [38]. Die Basis der Gewerkschaften unterstützte diesen Widerstand und 1951/52 stimmten bei einer Volksbefragung rund 9 Millionen Menschen gegen die Remilitarisierung, trotz eines Verbots dieser Befragung [39]. Die BRD begegnete solchen Initiativen mit ihren neu eingerichteten Nachrichtendiensten (dem Bundesamt für Verfassungsschutz). Mit neuen Gesetzen gegen „Staatsgefährdung“ wurden Andersdenkende ausgeschaltet. Ein Verbot der KPD wurde 1951 eingeleitet und 1956 vollzogen. Damit konnte die BRD im März 1951 einen spezialisierten bewaffneten Polizeidienst (den „Bundesgrenzschutz“) als Vorläufer der späteren Bundeswehr bilden.

Teile innerhalb der SED und vor allem der sowjetischen Führung schienen die Situation nur widerwillig als solche zu akzeptieren. Es ist schwer zu sagen, ob dies auf falsche Hoffnungen in die fortschrittlichen Kräfte in Westdeutschland oder auf die bereits erwähnte strategische Notwendigkeit zurückzuführen war, die Führung der nationalen Bewegung zu behalten. Stalin versuchte wiederholt, die Aussicht auf ein vereinigtes, bündnisfreies Deutschland wiederzubeleben. Der letzte Versuch, die berühmte „Stalin-Note“ vom 10. März 1952, schlug ein einheitliches Deutschland vor, das seine eigenen nationalen Streitkräfte zur Verteidigung beibehalten, aber auf Koalitionen oder Militärbündnisse gegen einen Staat der Anti-Hitler-Koalition verzichten sollte. Die Note wurde von den westlichen Staatschefs rasch abgelehnt [40].

Nach dieser Ablehnung reiste die SED-Führung im April 1952 nach Moskau, um sich mit sowjetischen Führern zu beraten. Die Sowjets räumten ein, dass der Aufbau einer ostdeutschen Verteidigungsarmee nunmehr eine Notwendigkeit war. Diese Aufrüstung würde jedoch die ohnehin schon angespannte Wirtschaft der DDR zusätzlich belasten [41].

Das Dilemma blieb also dasselbe: Während die Aussichten auf ein geeintes, neutrales Deutschland 1949 im Wesentlichen verschwunden waren, hielt die sowjetische Führung daran fest, dass der Kampf fortgesetzt werden müsste. Gleichzeitig durfte dieses Bestreben nicht auf Kosten des wirtschaftlichen Aufschwungs der DDR gehen. Ein Zusammenbruch des neuen Staates würde die Situation noch schlimmer machen als sie ohnehin schon war.

Die Wirtschaft der DDR hatte bis dahin widersprüchliche Aspekte vereint. Während ein bedeutender Teil der Industrie bereits verstaatlicht und seit 1948 zunehmend in die zentrale Planung integriert war, blieb die Landwirtschaft nach der Bodenreform der SBZ 1945/46 in kleine und mittlere Betriebe zersplittert. Um die Produktionskapazitäten des Landes zu erweitern, hätten diese Betriebe in landwirtschaftliche Großbetriebe umgewandelt werden müssen. Dies erforderte letztlich eine Entscheidung über die Produktionsverhältnisse in der DDR: Sollte sich die Landwirtschaft nach kapitalistischem Vorbild zu Gutsbetrieben entwickeln, die in den Händen weniger Privatpersonen konzentriert waren, oder nach sozialistischem Vorbild zu Produktionsgenossenschaften, die von den Bauern selbst verwaltet wurden? [42] Im April 1952 stimmte die sowjetische Führung daher dem Übergang zu genossenschaftlichen Strukturen in der Landwirtschaft zu.

Drei Monate später, auf dem Zweiten Parteitag im Juli 1952, erklärte die SED, die DDR werde „zum Aufbau des Sozialismus übergehen“ [43]. Zentraler Punkt der Erklärung war die schrittweise Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) [44]. Die Industrie, die bereits seit einigen Jahren unter provisorischer Wirtschaftsplanung arbeitete, sollte nun weiter zentralisiert werden. Kleine und mittlere Privatunternehmen spielten jedoch in den nächsten zwei Jahrzehnten weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaft der DDR. Die Schaffung eines geeinten, neutralen Deutschlands blieb das langfristige strategische Ziel der SED bis 1971, als die „nationale Frage“ auf dem 8. Parteitag für entschieden erklärt wurde.

Deutschland Besatzungszonen 1945 Karte der Besatzungszonen Deutschlands im Jahr 1945. Aus Earl F. Ziemke, Die US-Armee in der Besatzung Deutschlands, 1975. (Public Domain)

Eine künstlich geteilte Nation

Das Konzept einer antifaschistisch-demokratischen Transformation war erstmals Ende der 1930er Jahre entwickelt worden, als die Taktik der Volksfront zu einer umfassenderen Strategie für ein nachfaschistisches Deutschland ausgebaut wurde. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 war die deutsche Bourgeoisie tatsächlich politisch und militärisch entmachtet worden, wie die KPD vorausgesehen hatte. Das Problem war jedoch, dass nicht eine nationale Volksfront, sondern die Armeen der alliierten Mächte das Land vom Faschismus befreit hatten. Zwei Drittel Deutschlands wurden daraufhin von den Militärs der kapitalistischen Mächte besetzt, und das Schicksal der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung lag letztlich in deren Händen. Es ist zwar unbestreitbar, dass es in der unmittelbaren Nachkriegszeit in ganz Deutschland weit verbreitete antimonopolistische Überzeugungen gab, aber die kapitalistischen Mächte waren in der Lage, alle Versuche zur Organisierung und Durchsetzung von Vergesellschaftungen zu ersticken.

Es war möglich geworden, den deutschen Imperialismus in der BRD zu reanimieren, um den sozialistischen Vormarsch zurückzudrängen oder zumindest einzudämmen. Westdeutschland wurde daraufhin fest in das nordatlantische Projekt eingebunden, wo es als Vorposten für die US-Hegemonie in Europa fungieren sollte, ähnlich wie Südkorea, Taiwan und Japan in Asien.

Diese frühe Niederlage der SED wirft die Frage auf, ob die antifaschistisch-demokratische Umwälzung nach Kriegsende noch eine tragfähige Strategie war. War die Idee eines neutralen Einheitsstaates, der aus den Besatzungszonen hervorgehen sollte, nicht eine Illusion?

Sobald die Bedrohung durch den Faschismus Anfang 1945 eingedämmt war, nahmen die kapitalistischen Mächte die antikommunistische Offensive wieder auf, die sie seit 1917 geführt hatten.

Das Bündnis der Alliierten (1941–45) erwies sich nur als ein kurzes Intermezzo in der inter-systemischen Konfrontation zwischen Imperialismus und Sozialismus.

Die Nachkriegssituation war zweifellos komplex, aber es scheint klar, dass spätestens 1947 bzw. 1948 die Aussichten auf ein neutrales, demokratisches Deutschland völlig zunichte waren. Die SED-Führung und insbesondere die Sowjetunion haben diese Tatsache nur langsam akzeptiert. Sie blieben in den späten 1940er Jahren in der Defensive und reagierten auf die Entwicklungen in Deutschland, anstatt sie zu bestimmen. An dieser Stelle sollte untersucht werden, ob die Auflösung der Komintern im Jahr 1943 die Arbeiterbewegung im Nachkriegseuropa desorientiert zurückgelassen hat. Hätte eine frühere strategische Neuausrichtung nicht die Ausgangsbedingungen der DDR für den kommenden Kalten Krieg verbessert? Reparationszahlungen, so berechtigt sie aus sowjetisch-nationaler Sicht auch waren, warfen die kriegszerstörten Produktionskapazitäten Ostdeutschlands weit hinter die des Westens zurück.

Es ist auch zu fragen, ob die Volksfrontstrategie langfristig einen gangbaren Weg zum Sozialismus bot. In der SBZ selbst, wo sich im antifaschistisch-demokratischen Block erfolgreich eine echte Volksfront herausgebildet hatte, dauerte es nicht lange, bis die Interessen innerhalb dieses breiten Bündnisses zu divergieren begannen. Sobald Entscheidungen über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes anstanden (z.B. der Zweijahresplan von 1948), leisteten bürgerliche Elemente innerhalb des Bündnisses Widerstand und die SED begann, die Sache zu forcieren. Die Front blieb während der 40-jährigen Existenz der DDR bestehen, und den verbündeten Parteien gelang es, in den folgenden Jahrzehnten Einfluss auf wichtige politische Entscheidungen zu nehmen, auch wenn die Dominanz der SED nach 1948 unbestreitbar war.

Während diese anfänglichen Strategien nach wie vor umstritten sind, gelang es den sozialistischen Kräften in Ostdeutschland schließlich, sich neu zu orientieren und — unter dem Schutz der Sowjetunion — ihre antifaschistisch-demokratische Umwälzung durch den Aufbau eines Arbeiter-und-Bauern-Staates zu bewahren und zu konsolidieren. Die Gründungsbedingungen der DDR waren jedoch alles andere als optimal. Die angestrebte schrittweise Annäherung an den Sozialismus erwies sich als unhaltbar, und so wurde bereits sieben Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ein relativ rascher Übergang zum Sozialismus in die Wege geleitet. Statt eine neutrale Pufferzone zu sein, befand sich Deutschland nun an der Frontlinie eines internationalen Klassenkonflikts. Das deutsche Volk war künstlich gespalten worden, und in vielen Köpfen war eine brennende „nationale Frage“ eröffnet worden. Der Sozialismus in der DDR verkörperte somit scharfe Widersprüche, mit denen sich die SED und ihre Verbündeten in den folgenden Jahrzehnten auseinandersetzen mussten.

Quellen:

[1] Dies war der sogenannte „Ebert-Groener-Pakt“.
[2] Siehe: William L. Shirer (1960) Rise and Fall of the Third Reich
[3] Siehe: Otto Grotewohl (1945), Woher, wohin?
[4] Siehe Reichspräsidentenwahl 1932, wo die SPD Hindenburg unterstützte, der Hitler mit weniger als einem Jahr Verspätung zum Reichskanzler ernannte.
[5] Die Konferenz fand tatsächlich in Moskau statt, aber unter einem falschen Namen, um die Gestapo abzuschütteln.
[6] Siehe: Autorenkollektiv (1978), Geschichte der SED
[7] Die „Berner Konferenz“ — eine weitere falsche Benennung
[8] Siehe: Klaus Mammach (1974), Die Berner Konferenz
[9] Dieses Ziel wird in der sowjetischen Kommunikation mit den alliierten Regierungen ab 1941 deutlich. Siehe: Wilfried Loth (1994), Stalins ungeliebtes Kind und Herbert Graf (2011), Interessen und Intrigen: Wer spaltete Deutschland?
[10] Dies war die Strategie, wie sie von Kurt Gossweiler (1998), Benjamin Baumgarten und die „Stalin-Note“, interpretiert wurde.
[11] Seit Churchills Telegramm an Stalin vom 22. November 1941 setzte sich Großbritannien konsequent für die Isolierung Preußens vom übrigen Deutschland ein. Die USA folgten diesem Beispiel, wie aus den Plänen hervorgeht, die der amerikanische Außenminister Cordell Hull auf der Moskauer Konferenz 1943 vorschlug.
[12] Anton Ackermann (Februar 1946), „Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus?“ in Der deutsche Weg zum Sozialismus (2005). Während Ackermanns Position heute oft als Bruch mit der sowjetischen Linie dargestellt wird, ist es klar, dass Stalin diesen Ansatz billigte. Der SED-Vorsitzende Walter Ulbricht traf sich nur wenige Tage vor der Veröffentlichung von Ackermanns Artikel im Februar 1946 mit Stalin und beide einigten sich auf einen demokratischen Weg zum Sozialismus, der die Errichtung einer Diktatur vermeiden sollte. Siehe Graf (2011).
[13] Anton Ackermann (März 1947), „Unser Weg zum Sozialismus“ in Der deutsche Weg zum Sozialismus (2005).
[14] Anton Ackermann (Februar 1946)
[15] Zitiert in Graf (2011).
[16] Die Einstellungen waren in den verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich. In Thüringen beispielsweise herrschte unter den SPD- und KPD-Mitgliedern ein allgemeiner Konsens für eine Vereinigung. In Berlin hingegen lieferte sich die SPD einen erbitterten internen Kampf. Doch auch hier sprachen sich bedeutende Teile der Partei für ein Bündnis mit der KPD aus. Auch wenn sich die moderne Geschichtsschreibung fast ausschließlich auf die Zwangsmaßnahmen einiger SMAD-Funktionäre in dieser Zeit konzentriert, um die Vereinigung als „Zwangsvereinigung“ abzutun, widerlegen solche Vorfälle nicht die Tatsache, dass es eine breite Unterstützung für eine Einheitspartei gab. Dies wurde von Historikern wie Jörg Roesler (2010), Geschichte der DDR und Herbert Graf (2011) festgestellt.
[17] Siehe: Grundsätze und Ziele der SED vom 21. April 1946
[18] Siehe: Manifest an das deutsche Volk, Neues Deutschland vom 23. April 1946
[19] 1948 setzte sich die Bruttoproduktion der SBZ zu 39 % aus dem staatlichen Sektor, zu 39 % aus privaten kleinen und mittleren Unternehmen und zu 22 % aus sowjetischen Aktiengesellschaften zusammen. Siehe: Roesler (2010).
[20] Ebd.
[21] Frühe Vorstöße von Parteien in den Westzonen, gesetzliche Regelungen zur Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien oder zur Reform der Bodenverhältnisse zu schaffen, wurden von den jeweiligen Militärverwaltungen abgelehnt. In Hessen beispielsweise, wo SPD und KPD eine Mehrheit in der Landesregierung hatten, wurde eine Verfassung entworfen, die in Artikel 41 die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien und die öffentliche Verwaltung der Banken vorsah. Obwohl dieser Artikel in keiner Weise gegen die Grundsätze des Potsdamer Abkommens verstieß, wollte die US-Militärregierung ihn aus der Verfassung streichen lassen. Bei einer Volksabstimmung über Artikel 41 im Dezember 1946 sprachen sich 72 % der Wähler dafür aus. US-General Lucius Clay verbot dennoch seine Umsetzung. Eine geplante Landreform wurde in der US-Zone ebenfalls verhindert. In der britischen Zone wurde 1947 nach vielen Verzögerungen eine begrenzte Landreform eingeleitet, die jedoch die bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen weitgehend unverändert ließ. Siehe: Georg Fülberth (1983), Leitfaden durch die Geschichte der Bundesrepublik
[22] Vgl. Herbert Graf (2011)
[23] Zum Beispiel die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen (1946–48) und Rheinland-Pfalz (1946–48)
[24] Winston Churchill berichtete über diese Annahme in seiner Serie Der Zweite Weltkrieg, zitiert in Graf (2011)
[25] Die „Operation Sunrise“ wurde im Februar 1945 eingeleitet, als die USA und Großbritannien geheime Verhandlungen mit hochrangigen SS-Generälen in der Schweiz aufnahmen. Die Verhandlungen fanden mit dem Segen von Himmler und Hitler in der Villa des deutschen Industriellen Edmund Stinnes statt. Der Schweizer Geheimdienst und der Privatattaché von Papst Pius XII. spielten eine vermittelnde Rolle. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Frage, ob die Wehrmacht „eine gemeinsame Front mit den Alliierten gegen den Vormarsch der Sowjetunion in Europa“ bilden könne. Als die Sowjets von diesen Treffen erfuhren, forderten sie einen Platz am Tisch, was ihnen jedoch von den USA verwehrt wurde. Dieses Ereignis erschütterte das sowjetische Vertrauen in die Anti-Hitler-Koalition. Die sowjetische Regierung, die den Plänen der USA und des Vereinigten Königreichs zur Aufteilung Deutschlands bisher eher reserviert gegenübergestanden hatte, lehnte die Teilung nun offen ab.
Nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 befahl Churchill die „Operation Unthinkable“. Die Operation untersuchte die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs auf die Truppen der Roten Armee in Deutschland, „um Russland den Willen der Vereinigten Staaten und des Britischen Empire aufzuzwingen“. Zu diesem Zweck sollten Wehrmachtsbataillone remobilisiert und neu bewaffnet werden. Siehe: Graf (2011)
[26] Churchill telegrafierte am 4. Juni 1945 an US-Präsident Truman: „Ich betrachte den Rückzug der amerikanischen Armee auf unsere Besatzungslinie im Mittelsektor [Deutschlands], der die sowjetische Macht in das Herz Westeuropas bringt, und den Fall eines eisernen Vorhangs zwischen uns und allem, was im Osten liegt, mit tiefen Bedenken.“ Siehe: https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1945Berlinv01/d50
[27] George Kennan (1982), Memoiren eines Diplomaten, zitiert in Graf (2011)
[28] Adenauer hatte die Idee eines vereinten Deutschlands bereits im Oktober 1945 verworfen. Siehe Graf (2011)
[29] Siehe: Wilfried Loth (1994), Stalins ungeliebtes Kind und Siehe: Georg Fülberth (1983)
[30] Dies war der größte Generalstreik seit dem Kapp-Putsch von 1920. Er ist jedoch weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis in Deutschland verschwunden. Siehe: Nelli Tügel Interview mit Uwe Fuhrmann in Neues Deutschland 09.11.2018 und Jörg Roesler in der Freitag 07.11.2003. Für weitere Hintergründe zum „Stuttgarter Tumult“, siehe Rainer Schimpf (2018).
[31] Diese Anordnungen waren Teil der „Frankfurter Dokumente“, die auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz Anfang 1948 ausgearbeitet wurden.
[32] Siehe: Autorenkollektiv (1978), Geschichte der SED
[33] Siehe: Roesler (2010)
[34] Anton Ackermann (September 1948), in Der deutsche Weg zum Sozialismus. Ackermanns Selbstkritik folgte auch auf die jugoslawisch-sowjetische Spaltung. Tito hatte sich zuvor zur Idee eines jugoslawischen Weges zum Sozialismus bekannt.
[35] George Kennan, einer der Architekten der Truman-Doktrin, gab 50 Jahre später zu, dass der Westen bei den Verhandlungen mit den Sowjets auf „Forderungen bestand, von denen wir wussten, dass die Russen sie nicht akzeptieren würden und konnten — Forderungen, die auf unseren Plänen für die Errichtung einer westdeutschen Regierung beruhten, in der sie keinen Platz haben würden“. Während Kennan behauptet, sich für weitere Verhandlungen mit den Sowjets eingesetzt zu haben, enthüllt er, dass innerhalb des Außenministeriums und vor allem in den französischen und britischen Regierungen „gewaltige“ Kräfte gegen ihn aufgestellt waren, die „entsetzt waren bei dem Gedanken, dass es ein vereinigtes Deutschland geben könnte, das nicht unter westlicher und vor allem amerikanischer Kontrolle stünde.“ Siehe: Kennan (1998), A Letter on Germany: https://www.nybooks.com/articles/1998/12/03/a‑letter-on-germany/
[36] Der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer forderte konsequent, dass der erste Schritt zu einem Wiedervereinigungsprozess „freie Wahlen“ sein müssten. Adenauer setzte darauf, dass die wesentlich größere westdeutsche Bevölkerung — die nun von den massiven Investitionsprogrammen des Marshallplans profitierte — die Wähler der DDR in der Unterzahl lassen würde. Dies, so glaubte Adenauer, würde die Integration ganz Deutschlands in den Westblock ermöglichen. Die SED-Führung forderte, dass der erste Schritt zur Wiedervereinigung eine bilaterale Konferenz zwischen zwei deutschen Regierungen sein müsse, um die grundlegenden sozioökonomischen Prinzipien eines wiedervereinigten Staates auszuhandeln. Mit anderen Worten: Die Kernfragen des Potsdamer Abkommens — der Klassencharakter des deutschen Nachkriegsstaates — müssen geklärt werden, bevor Wahlen stattfinden können. Siehe: Georg Fülberth (1983)
[37] So erklärt es Gossweiler (1998).
[38] Adenauers eigener Innenminister trat 1950 mit der Begründung zurück, die Remilitarisierung mache die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich. Journalisten wie Paul Sethe von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verloren ihre Posten, nachdem sie echte Verhandlungen mit den Sowjets gefordert hatten.
[39] Siehe: Georg Fülberth (1983)
[40] Die Absicht hinter dieser Notiz ist sehr umstritten. Im Westen wurde sie in vielen Berichten zunächst als Bluff bezeichnet. Nach 1990 vertraten einige westliche Historiker, wie z. B. Loth (1994), die Auffassung, dass die Note echt war, und bezeichneten sie als Stalins verzweifelte letzte Hoffnung, die schließlich von der SED im Juli 1952 mit der Ankündigung des „Aufbaus des Sozialismus“ zunichte gemacht wurde. Gossweiler (1998) stützt sich auf Gesprächsnotizen von Wilhelm Pieck und argumentiert, dass sich die sowjetische und die SED-Führung in diesen Monaten einig waren, dass die westliche Führung die Idee der Wiedervereinigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen würde. Nach Gossweiler diente die März-Note also dazu, die Machtkonstellation in der BRD zu testen und den Westen zu zwingen, Farbe zu bekennen.
[41] Im Juli 1952 wurde die „Kasernierte Volkspolizei“ aufgestellt und die Verteidigungsausgaben der DDR vervierfachten sich bis Mitte 1953. Die daraus resultierenden finanziellen Kürzungen trugen wesentlich zu den Protesten des 17. Juni 1953 bei. Siehe Roesler (2010)
[42] Siehe: Kurt Gossweiler (1998)
[43] Diese Ankündigung wurde von der sowjetischen Führung gebilligt und fand nicht hinter Stalins Rücken statt, wie einige Berichte behaupten — siehe Loth (1994).
[44] In der DDR gab es drei Arten von LPGs mit unterschiedlichem Grad der Kollektivierung. Im Gegensatz zu den sowjetischen Genossenschaften (kolkhozy) blieb das Ackerland in den LPGs Privateigentum der einzelnen Bauern.