Paul Keller, CC BY 3.0 NL
Guantánamo Bay:
21 Jahre Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Im Januar 2023 waren es 21 Jahre seit der Eröffnung des Gefangenenlagers Guantánamo Bay. Guantánamo Bay ist eine Folterstätte, die von den Vereinigten Staaten seit Beginn des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ betrieben wird. Ihre Geschichte ist gespickt mit Menschenrechtsverletzungen, Vertuschungen, falschen Inhaftierungen und mehr. Es handelt sich um eine Einrichtung der Bush-Ära, die von jedem Präsidenten beibehalten wurde – trotz der weit verbreiteten öffentlichen Empörung und der Forderung zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, das Lager zu schließen.
Dieser Text wurde zuerst am 06.02.2023 auf www.liberationnews.org unter der URL <https://www.liberationnews.org/guantanamo-bay-21-years-of-crimes-against-humanity/> veröffentlicht. Lizenz: Shabbir Rizvi, Liberation News, CC BY-NC-ND 4.0
Im vergangenen Monat (11.01.2023, Anm. d. Red.) unterzeichneten 150 Menschenrechtsorganisationen einen vom „Center for Victims of Torture“ organisierten Brief zur Schließung von Guantánamo Bay.
In diesem Schreiben, das an Präsident Joe Biden gerichtet ist, heißt es [1]: „Unter einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, die in den letzten zwei Jahrzehnten gegen vorwiegend muslimische Gemeinschaften begangen wurden, ist das Gefangenenlager Guantánamo – das auf demselben Militärstützpunkt errichtet wurde, auf dem die Vereinigten Staaten Anfang der 1990er Jahre verfassungswidrig haitianische Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen festhielten – das Paradebeispiel für die Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit“. In dem Schreiben werden auch die Kosten für den Unterhalt des Folterlagers genannt: „540 Millionen Dollar pro Jahr, was Guantánamo zum teuersten Gefangenenlager der Welt macht.“
Rassistische Wurzeln
Das Lager ist nicht nur ein Zeugnis des US-Rassismus aus der Zeit des „Krieges gegen den Terror“. Seine gesamte Geschichte hat ihre Wurzeln im Kolonialismus und der Missachtung des Völkerrechts.
Guantánamo Bay, das sich auf besetztem kubanischem Boden befindet, wurde ursprünglich Ende des 15. Jahrhunderts von Spanien überfallen und besetzt. Die blutige Besetzung begann mit der Ankunft von Christoph Kolumbus in Kuba. Als der Spanisch-Amerikanische Krieg ausbrach, war Spanien gezwungen, die Kontrolle über seine besetzten Gebiete, zu denen auch Kuba gehörte, an die Vereinigten Staaten zu übergeben.
Seitdem hält die US-Regierung die illegale Besetzung von Guantánamo Bay aufrecht. In typischer Manier beschloss Washington, eine große Militärpräsenz in Kuba aufrechtzuerhalten und den Großteil seiner Streitkräfte in Guantánamo Bay zu konzentrieren. Als Grund für die Aufrechterhaltung der Militärpräsenz auf der Insel gab Washington an, die Unabhängigkeit Kubas verteidigen zu wollen.
In Wirklichkeit halfen die Vereinigten Staaten, ein Marionetten-Regime zu stützen, das den Interessen Washingtons treu bleiben sollte. Dazu gehörte die Einsetzung und politische Unterstützung des Diktators Fulgencio Batista, der später durch die kubanische Revolution unter der Führung von Fidel Castro gestürzt wurde.
Bis heute fordert die kubanische Regierung die Rückgabe des besetzten Guantánamo Bay Gebiets. Fidel Castros Kommentar zum Stützpunkt im Jahr 2009 [2]: „Den Willen Kubas nicht zu respektieren, ist ein arroganter Akt und ein Missbrauch immenser Macht gegen ein kleines Land.“
Auch der derzeitige kubanische Präsident Diaz-Canel hat das Scheitern der Schließung von Guantánamo verurteilt [3]. Im Jahr 2022 twitterte er: „Es gibt bereits 20 Jahre skandalöser Missbräuche auf illegal besetztem kubanischem Territorium in der Bucht von Guantánamo durch die größten [Menschenrechts-]Verletzer der Welt.“
Menschenrechtsverstöße
Die Vereinigten Staaten verschwendeten keine Zeit, um das Gefangenenlager zu füllen. Innerhalb weniger Wochen nach Eröffnung der Anlage verlegte Washington zahlreiche illegal inhaftierte Gefangene aus mehreren Ländern in das Lager. Das Alter der Gefangenen reichte von 13 bis zu 75 Jahren. Sie wurden zu Unrecht aus mehreren Ländern entführt – Pakistan, Jemen, Kenia, Libyen, Palästina und anderen. Gegen viele dieser Gefangenen lag keine Anklage vor. Bei einigen von ihnen bis heute nicht – und sie sind immer noch inhaftiert.
Da das Gefangenenlager außerhalb der Vereinigten Staaten liegt, konnte Washington kriminelle Folterungen und Misshandlungen durchführen, die gegen zahlreiche internationale Gesetze verstoßen. Deshalb weigert Washington sich, dieses illegal besetzte Land an seinen rechtmäßigen Eigentümer Kuba zurückzugeben. Washington kann sich effektiv allen internationalen Gesetzen entziehen.
Eine Gruppe unabhängiger Menschenrechtsexperten äußerte sich auf einer Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im Jahr 2022 zu den Bedingungen in Guantánamo [4]: „Guantánamo Bay ist auf beispiellose Art berüchtigt – für die systematische Anwendung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gegen Hunderte von Männern, die dorthin gebracht und ihrer grundlegendsten Rechte beraubt wurden.“
Von den Gefangenen erpresste „Geständnisse“, die zu Anklagen führten, wurden unter extremer Belastung erzwungen. Wobei Folter als Hauptform der Untersuchung eingesetzt wurde – eine Methode, die erwiesenermaßen nicht zu wahrheitsgemäßen Geständnissen führt. Vielmehr sagen die Gefangenen nur das, von dem sie glaubten, dass die Vernehmer es von ihnen hören wollten, damit die Folter aufhört. So können die Ermittler ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen – solche, die Kriege unter falschem Vorwand rechtfertigen.
In dem berüchtigten Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats über die Foltermethoden der CIA heißt es [5]: „Die CIA selbst stellte aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Zwangsverhören fest, dass solche Techniken ,keine Erkenntnisse bringenʻ, ,wahrscheinlich zu falschen Antworten führenʻ und sich in der Vergangenheit als unwirksam erwiesen hatten. Doch diese Schlussfolgerungen wurden ignoriert.“
Die Foltermethoden waren entsetzlich. Zu diesen Methoden gehörten Waterboarding durch unsichtbare Vernehmungsbeamte, stundenlanges Einsperren in kleine Kisten, Schläge von Vernehmungsbeamten auf Häftlinge, die zu schweren Traumata und Hirnschäden führten, erzwungene Körperhaltungen in unbequemen Positionen, während sie über längere Zeit mit Handschellen gefesselt waren und vieles mehr.
Mohamedou Ould Slahi, der 14 Jahre lang ohne Anklage inhaftiert war, schrieb ein Buch über seine Erfahrungen [6]. Er beschrieb, wie die Wärter „ihm den Schlaf raubten, seine Kleidung während einer nächtlichen Bootsfahrt mit Eis stopften, um ihn davon zu überzeugen, dass er an einen noch schlimmeren Ort gebracht wurde, sein Leben bedrohten und seiner Mutter mit Vergewaltigung drohten“.
Abu Zubaydah, ein weiterer Gefangener, beschreibt, wie die Taktik des Schlafentzugs tagelang anhielt [7]: „Nach der Zeit, in der ich an das Bett gekettet war, setzten sie mich völlig nackt auf einen Plastikstuhl und ketteten mich sehr fest … manchmal ließen sie mich tagelang auf dem Stuhl sitzen. Ich wurde über einen langen Zeitraum des Schlafes beraubt. Ich weiß nicht, wie lange, vielleicht zwei oder drei Wochen oder mehr. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis zu dem Punkt, an dem ich mich dabei ertappte, wie ich einschlief, trotz des Wassers, mit dem der Wärter mich übergoss, der mich ständig schüttelte, um mich wach zu halten. Ich konnte nicht einmal eine Sekunde schlafen.“
Das gezielte Angreifen von Gefangenen war von Anfang an rassistisch. Aber der Rassismus zeigte sich auch in Form von Folter: Die Gefängniswärter fanden Wege, Gefangene zu demütigen, indem sie ihre Koran-Exemplare [8] entweihten, das heiligste Buch der Muslime. In einem Fall urinierte ein Wärter auf das Exemplar eines Häftlings, in einem anderen Fall schrieben die Wärter Schimpfwörter auf ein Exemplar.
In Guantánamo Bay wurden mehr als 780 Gefangene aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit inhaftiert. Von der gezielten Inhaftierung über die Folter bis hin zu den Kriegshandlungen, die auf der Grundlage ihrer erzwungenen Geständnisse durchgeführt wurden, ist Guantánamo Bay nicht nur ein Zeichen der Schande für die US-Regierung, sondern auch eine deutliche Erinnerung an den entmenschlichenden Rassismus, den Washington vertritt.
Neue Enthüllungen und das Streben nach Gerechtigkeit
Einundzwanzig Jahre später ist Guantánamo immer noch in Betrieb. Obwohl zahlreiche Organisationen, Länder und Beamte die Schließung des Lagers fordern. Im Jahr 2008 kündigte Präsident Obama an, das Gefangenenlager zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2009 zu schließen. Ein entsprechender Erlass wurde unterzeichnet, aber auch in Obamas zweiter Amtszeit wurde diese Maßnahme nicht umgesetzt.
Der damalige kubanische Präsident Raul Castro sagte, dass die Schließung des Folterlagers nicht ausreiche – das Land müsse an Kuba zurückgegeben und die illegale Blockade, die seit der Revolution zu Unrecht über Kuba verhängt wurde, aufgehoben werden [9]: „Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen ist der Beginn eines Prozesses der Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Aber das wird nicht möglich sein, solange die Blockade noch besteht, solange sie nicht das Territorium zurückgeben, das illegal von der Marinebasis Guantánamo besetzt ist.“
Dies geschah zu einer Zeit, als die Obama-Regierung die strengen Beschränkungen für Kuba aufhob – einschließlich der Reisebeschränkungen. Trump machte dann die Durchführungsverordnung rückgängig und kehrte während seiner Präsidentschaft zum Status quo zurück [10]. Er setzte Kuba sogar ohne Beweise auf die Liste der staatlichen Sponsoren des Terrorismus. Präsident Biden, der als Vizepräsident Obamas diente, hat bisher noch nichts unternommen, um Guantánamo Bay zu schließen oder die Kuba-feindlichen Gesetze der Trump-Ära zurückzunehmen [11].
Es gibt immer noch viele Dinge, welche die Öffentlichkeit nicht über Guantánamo Bay weiß. Es gibt immer noch geheime Akten über Foltermethoden. Ebenso erschreckend ist, dass noch niemand für die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in dem Folterlager zur Rechenschaft gezogen wurde.
Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, der mit dem Gedanken spielt, 2024 für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, hat während seiner Zeit als JAG-Offizier (Judge Advocate General’s Corps, oberste Justizinstanz der Streitkräfte der USA; Anm. d. Red.) Folterprogramme an Gefangenen durchgeführt [12]. Mansoor Adayfi, ein ehemaliger Häftling, berichtet von seiner Begegnung mit DeSantis: „Ron DeSantis stand da und beobachtete uns. Wir haben geweint und geschrien. Wir waren an den Fütterungsstuhl gefesselt. Und dieser Kerl hat das beobachtet. Er hat gelacht.“ Er fährt fort: „Als ich schrie, sah ich ihn [Ron DeSantis] an und er lächelte tatsächlich. Wie jemand, der es genossen hat.“
Trotz dieser beunruhigenden Enthüllung hat Ron DeSantis keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Auch die GOP (Grand Old Party, Republikanische Partei; Anm. d. Red.) hat sich nicht dazu geäußert. Nur die Zeit wird zeigen, welche anderen Regierungsbeamten direkt an der illegalen Folterung von Häftlingen beteiligt waren.
Bislang gibt es keinen Plan zur Schließung von Guantánamo Bay. Die Regierung Biden hat zwar einige Häftlinge freigelassen, sich über die Zukunft des Lagers aber weitgehend ausgeschwiegen. Da es keinen Plan gibt, kann Washington die illegale Gefangennahme und Inhaftierung von Menschen, die es als Sicherheitsrisiko betrachtet, fortsetzen und sie Folter, Demütigung und psychologischen Traumata aussetzen, unter denen sie für den Rest ihres Lebens leiden werden – selbst nach ihrer Freilassung.
Es steht außer Frage, dass das Lager geschlossen werden sollte und dass diejenigen, die an der Inhaftierung und Folter beteiligt waren, vor Gericht gestellt und angeklagt werden sollten. Es reicht auch nicht aus, nur das Gefangenenlager zu schließen. Das gesamte Land sollte an Kuba zurückgegeben werden, da die Vereinigten Staaten es seit über einem Jahrhundert unrechtmäßig besetzt halten. Ironischerweise haben die Vereinigten Staaten Kuba ständig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, während sie gleichzeitig ein Folterlager betreiben – in dem täglich Gräueltaten verübt werden – und kubanischen Boden besetzt halten. Die Kriminalität im Gefangenenlager von Guantánamo Bay hat wirklich mehrere Ebenen.
Alle, die für Gerechtigkeit und Menschenrechte eintreten, sollten sich unter der Forderung vereinen, Guantánamo Bay zu schließen und das Land an Kuba zurückzugeben!
Quellen:
[2] REUTERS, Marc Frank, „Fidel Castro demands Obama return Guantanamo base“, am 30.1.2009, <https://www.reuters.com/article/idUSN29286719>
[3] Newsweek, Tom O´Connor, „Cuba Slams 20 Years of U.S. ‚Occupation,‘ ‚Abuses‘ at Guantánamo Bay, U.N. Calls for Closure“, am 11.1.2022, <https://www.newsweek.com/cuba-slams-20-years-us-occupation-abuses-guantanamo-bay-un-calls-closure-1668249?amp=1>
[4] United Nations, „Rights experts condemn ‘unrelenting human rights violations’ at Guantánamo Bay“, am 10.1.2022, <https://news.un.org/en/story/2022/01/1109472>
[5] U.S. Government, „REPORT of the SENATE SELECT COMMITTEE ON INTELLIGENCE COMMITTEE STUDY of the CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY’S DETENTION AND INTERROGATION PROGRAM“, am 9.12.2014, <https://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/publications/CRPT-113srpt288.pdf>
[6] The Guardian, Spencer Ackerman, „Guantánamo detainee who wrote a book about his torture to be released“, am 20.7.2016, <https://www.theguardian.com/us-news/2016/jul/20/mohamedou-ould-slahi-release-guantanamo-diary>
[7] The Guardian, Abu Zubaydah, „‘I didn’t know who I was any more’: how CIA torture pushed me to the edge of death“, am 29.1.2022, <https://www.theguardian.com/us-news/2022/jan/29/abu-zubaydah-cia-torture-waterboarding-guantanamo>
[8] Aljazeera, „Pentagon confirms Quran desecration“, am 4.6.2005, <https://www.aljazeera.com/news/2005/6/4/pentagon-confirms-quran-desecration>
[9] NBC, „Raul Castro Demands Return of Guantanamo Bay, End of Trade Embargo“, am 29.1.2015, <https://www.nbcnews.com/news/amp/ncna295886>
[10] The Guardian, Julian Borger, „Donald Trump signs executive order to keep Guantánamo Bay open“, am 31.1.2018, <https://www.theguardian.com/us-news/2018/jan/30/guantanamo-bay-trump-signs-executive-order-to-keep-prison-open>
[11] PBS, Ben Fox, „Joe Biden’s silence on Guantanamo Bay frustrates closure advocates as prison turns 20“, am 10.1.2022, <https://www.pbs.org/newshour/politics/joe-bidens-silence-on-guantanamo-bay-frustrates-closure-advocates-as-prison-turns-20>
[12] Al Mayadeen, „“I was screaming and he was smiling“: DeSantis ran Guantanamo torture“, am 21.11.2022, <https://english.almayadeen.net/news/politics/i-was-screaming-and-he-was-smiling:-desantis-ran-guantanamo>
Guantánamo Bay:
21 Jahre Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Dieser Text wurde zuerst am 06.02.2023 auf www.liberationnews.org unter der URL <https://www.liberationnews.org/guantanamo-bay-21-years-of-crimes-against-humanity/> veröffentlicht. Lizenz: Shabbir Rizvi, Liberation News, CC BY-NC-ND 4.0
Paul Keller, CC BY 3.0 NL
Im Januar 2023 waren es 21 Jahre seit der Eröffnung des Gefangenenlagers Guantánamo Bay. Guantánamo Bay ist eine Folterstätte, die von den Vereinigten Staaten seit Beginn des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ betrieben wird. Ihre Geschichte ist gespickt mit Menschenrechtsverletzungen, Vertuschungen, falschen Inhaftierungen und mehr. Es handelt sich um eine Einrichtung der Bush-Ära, die von jedem Präsidenten beibehalten wurde – trotz der weit verbreiteten öffentlichen Empörung und der Forderung zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, das Lager zu schließen.
Im vergangenen Monat (11.01.2023, Anm. d. Red.) unterzeichneten 150 Menschenrechtsorganisationen einen vom „Center for Victims of Torture“ organisierten Brief zur Schließung von Guantánamo Bay.
In diesem Schreiben, das an Präsident Joe Biden gerichtet ist, heißt es [1]: „Unter einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, die in den letzten zwei Jahrzehnten gegen vorwiegend muslimische Gemeinschaften begangen wurden, ist das Gefangenenlager Guantánamo – das auf demselben Militärstützpunkt errichtet wurde, auf dem die Vereinigten Staaten Anfang der 1990er Jahre verfassungswidrig haitianische Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen festhielten – das Paradebeispiel für die Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit“. In dem Schreiben werden auch die Kosten für den Unterhalt des Folterlagers genannt: „540 Millionen Dollar pro Jahr, was Guantánamo zum teuersten Gefangenenlager der Welt macht.“
Rassistische Wurzeln
Das Lager ist nicht nur ein Zeugnis des US-Rassismus aus der Zeit des „Krieges gegen den Terror“. Seine gesamte Geschichte hat ihre Wurzeln im Kolonialismus und der Missachtung des Völkerrechts.
Guantánamo Bay, das sich auf besetztem kubanischem Boden befindet, wurde ursprünglich Ende des 15. Jahrhunderts von Spanien überfallen und besetzt. Die blutige Besetzung begann mit der Ankunft von Christoph Kolumbus in Kuba. Als der Spanisch-Amerikanische Krieg ausbrach, war Spanien gezwungen, die Kontrolle über seine besetzten Gebiete, zu denen auch Kuba gehörte, an die Vereinigten Staaten zu übergeben.
Seitdem hält die US-Regierung die illegale Besetzung von Guantánamo Bay aufrecht. In typischer Manier beschloss Washington, eine große Militärpräsenz in Kuba aufrechtzuerhalten und den Großteil seiner Streitkräfte in Guantánamo Bay zu konzentrieren. Als Grund für die Aufrechterhaltung der Militärpräsenz auf der Insel gab Washington an, die Unabhängigkeit Kubas verteidigen zu wollen.
In Wirklichkeit halfen die Vereinigten Staaten, ein Marionetten-Regime zu stützen, das den Interessen Washingtons treu bleiben sollte. Dazu gehörte die Einsetzung und politische Unterstützung des Diktators Fulgencio Batista, der später durch die kubanische Revolution unter der Führung von Fidel Castro gestürzt wurde.
Bis heute fordert die kubanische Regierung die Rückgabe des besetzten Guantánamo Bay Gebiets. Fidel Castros Kommentar zum Stützpunkt im Jahr 2009 [2]: „Den Willen Kubas nicht zu respektieren, ist ein arroganter Akt und ein Missbrauch immenser Macht gegen ein kleines Land.“
Auch der derzeitige kubanische Präsident Diaz-Canel hat das Scheitern der Schließung von Guantánamo verurteilt [3]. Im Jahr 2022 twitterte er: „Es gibt bereits 20 Jahre skandalöser Missbräuche auf illegal besetztem kubanischem Territorium in der Bucht von Guantánamo durch die größten [Menschenrechts-]Verletzer der Welt.“
Menschenrechtsverstöße
Die Vereinigten Staaten verschwendeten keine Zeit, um das Gefangenenlager zu füllen. Innerhalb weniger Wochen nach Eröffnung der Anlage verlegte Washington zahlreiche illegal inhaftierte Gefangene aus mehreren Ländern in das Lager. Das Alter der Gefangenen reichte von 13 bis zu 75 Jahren. Sie wurden zu Unrecht aus mehreren Ländern entführt – Pakistan, Jemen, Kenia, Libyen, Palästina und anderen. Gegen viele dieser Gefangenen lag keine Anklage vor. Bei einigen von ihnen bis heute nicht – und sie sind immer noch inhaftiert.
Da das Gefangenenlager außerhalb der Vereinigten Staaten liegt, konnte Washington kriminelle Folterungen und Misshandlungen durchführen, die gegen zahlreiche internationale Gesetze verstoßen. Deshalb weigert Washington sich, dieses illegal besetzte Land an seinen rechtmäßigen Eigentümer Kuba zurückzugeben. Washington kann sich effektiv allen internationalen Gesetzen entziehen.
Eine Gruppe unabhängiger Menschenrechtsexperten äußerte sich auf einer Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im Jahr 2022 zu den Bedingungen in Guantánamo [4]: „Guantánamo Bay ist auf beispiellose Art berüchtigt – für die systematische Anwendung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gegen Hunderte von Männern, die dorthin gebracht und ihrer grundlegendsten Rechte beraubt wurden.“
Von den Gefangenen erpresste „Geständnisse“, die zu Anklagen führten, wurden unter extremer Belastung erzwungen. Wobei Folter als Hauptform der Untersuchung eingesetzt wurde – eine Methode, die erwiesenermaßen nicht zu wahrheitsgemäßen Geständnissen führt. Vielmehr sagen die Gefangenen nur das, von dem sie glaubten, dass die Vernehmer es von ihnen hören wollten, damit die Folter aufhört. So können die Ermittler ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen – solche, die Kriege unter falschem Vorwand rechtfertigen.
In dem berüchtigten Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats über die Foltermethoden der CIA heißt es [5]: „Die CIA selbst stellte aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Zwangsverhören fest, dass solche Techniken ,keine Erkenntnisse bringenʻ, ,wahrscheinlich zu falschen Antworten führenʻ und sich in der Vergangenheit als unwirksam erwiesen hatten. Doch diese Schlussfolgerungen wurden ignoriert.“
Die Foltermethoden waren entsetzlich. Zu diesen Methoden gehörten Waterboarding durch unsichtbare Vernehmungsbeamte, stundenlanges Einsperren in kleine Kisten, Schläge von Vernehmungsbeamten auf Häftlinge, die zu schweren Traumata und Hirnschäden führten, erzwungene Körperhaltungen in unbequemen Positionen, während sie über längere Zeit mit Handschellen gefesselt waren und vieles mehr.
Mohamedou Ould Slahi, der 14 Jahre lang ohne Anklage inhaftiert war, schrieb ein Buch über seine Erfahrungen [6]. Er beschrieb, wie die Wärter „ihm den Schlaf raubten, seine Kleidung während einer nächtlichen Bootsfahrt mit Eis stopften, um ihn davon zu überzeugen, dass er an einen noch schlimmeren Ort gebracht wurde, sein Leben bedrohten und seiner Mutter mit Vergewaltigung drohten“.
Abu Zubaydah, ein weiterer Gefangener, beschreibt, wie die Taktik des Schlafentzugs tagelang anhielt [7]: „Nach der Zeit, in der ich an das Bett gekettet war, setzten sie mich völlig nackt auf einen Plastikstuhl und ketteten mich sehr fest … manchmal ließen sie mich tagelang auf dem Stuhl sitzen. Ich wurde über einen langen Zeitraum des Schlafes beraubt. Ich weiß nicht, wie lange, vielleicht zwei oder drei Wochen oder mehr. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis zu dem Punkt, an dem ich mich dabei ertappte, wie ich einschlief, trotz des Wassers, mit dem der Wärter mich übergoss, der mich ständig schüttelte, um mich wach zu halten. Ich konnte nicht einmal eine Sekunde schlafen.“
Das gezielte Angreifen von Gefangenen war von Anfang an rassistisch. Aber der Rassismus zeigte sich auch in Form von Folter: Die Gefängniswärter fanden Wege, Gefangene zu demütigen, indem sie ihre Koran-Exemplare [8] entweihten, das heiligste Buch der Muslime. In einem Fall urinierte ein Wärter auf das Exemplar eines Häftlings, in einem anderen Fall schrieben die Wärter Schimpfwörter auf ein Exemplar.
In Guantánamo Bay wurden mehr als 780 Gefangene aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit inhaftiert. Von der gezielten Inhaftierung über die Folter bis hin zu den Kriegshandlungen, die auf der Grundlage ihrer erzwungenen Geständnisse durchgeführt wurden, ist Guantánamo Bay nicht nur ein Zeichen der Schande für die US-Regierung, sondern auch eine deutliche Erinnerung an den entmenschlichenden Rassismus, den Washington vertritt.
Neue Enthüllungen und das Streben nach Gerechtigkeit
Einundzwanzig Jahre später ist Guantánamo immer noch in Betrieb. Obwohl zahlreiche Organisationen, Länder und Beamte die Schließung des Lagers fordern. Im Jahr 2008 kündigte Präsident Obama an, das Gefangenenlager zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2009 zu schließen. Ein entsprechender Erlass wurde unterzeichnet, aber auch in Obamas zweiter Amtszeit wurde diese Maßnahme nicht umgesetzt.
Der damalige kubanische Präsident Raul Castro sagte, dass die Schließung des Folterlagers nicht ausreiche – das Land müsse an Kuba zurückgegeben und die illegale Blockade, die seit der Revolution zu Unrecht über Kuba verhängt wurde, aufgehoben werden [9]: „Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen ist der Beginn eines Prozesses der Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Aber das wird nicht möglich sein, solange die Blockade noch besteht, solange sie nicht das Territorium zurückgeben, das illegal von der Marinebasis Guantánamo besetzt ist.“
Dies geschah zu einer Zeit, als die Obama-Regierung die strengen Beschränkungen für Kuba aufhob – einschließlich der Reisebeschränkungen. Trump machte dann die Durchführungsverordnung rückgängig und kehrte während seiner Präsidentschaft zum Status quo zurück [10]. Er setzte Kuba sogar ohne Beweise auf die Liste der staatlichen Sponsoren des Terrorismus. Präsident Biden, der als Vizepräsident Obamas diente, hat bisher noch nichts unternommen, um Guantánamo Bay zu schließen oder die Kuba-feindlichen Gesetze der Trump-Ära zurückzunehmen [11].
Es gibt immer noch viele Dinge, welche die Öffentlichkeit nicht über Guantánamo Bay weiß. Es gibt immer noch geheime Akten über Foltermethoden. Ebenso erschreckend ist, dass noch niemand für die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in dem Folterlager zur Rechenschaft gezogen wurde.
Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, der mit dem Gedanken spielt, 2024 für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, hat während seiner Zeit als JAG-Offizier (Judge Advocate General’s Corps, oberste Justizinstanz der Streitkräfte der USA; Anm. d. Red.) Folterprogramme an Gefangenen durchgeführt [12]. Mansoor Adayfi, ein ehemaliger Häftling, berichtet von seiner Begegnung mit DeSantis: „Ron DeSantis stand da und beobachtete uns. Wir haben geweint und geschrien. Wir waren an den Fütterungsstuhl gefesselt. Und dieser Kerl hat das beobachtet. Er hat gelacht.“ Er fährt fort: „Als ich schrie, sah ich ihn [Ron DeSantis] an und er lächelte tatsächlich. Wie jemand, der es genossen hat.“
Trotz dieser beunruhigenden Enthüllung hat Ron DeSantis keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Auch die GOP (Grand Old Party, Republikanische Partei; Anm. d. Red.) hat sich nicht dazu geäußert. Nur die Zeit wird zeigen, welche anderen Regierungsbeamten direkt an der illegalen Folterung von Häftlingen beteiligt waren.
Bislang gibt es keinen Plan zur Schließung von Guantánamo Bay. Die Regierung Biden hat zwar einige Häftlinge freigelassen, sich über die Zukunft des Lagers aber weitgehend ausgeschwiegen. Da es keinen Plan gibt, kann Washington die illegale Gefangennahme und Inhaftierung von Menschen, die es als Sicherheitsrisiko betrachtet, fortsetzen und sie Folter, Demütigung und psychologischen Traumata aussetzen, unter denen sie für den Rest ihres Lebens leiden werden – selbst nach ihrer Freilassung.
Es steht außer Frage, dass das Lager geschlossen werden sollte und dass diejenigen, die an der Inhaftierung und Folter beteiligt waren, vor Gericht gestellt und angeklagt werden sollten. Es reicht auch nicht aus, nur das Gefangenenlager zu schließen. Das gesamte Land sollte an Kuba zurückgegeben werden, da die Vereinigten Staaten es seit über einem Jahrhundert unrechtmäßig besetzt halten. Ironischerweise haben die Vereinigten Staaten Kuba ständig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, während sie gleichzeitig ein Folterlager betreiben – in dem täglich Gräueltaten verübt werden – und kubanischen Boden besetzt halten. Die Kriminalität im Gefangenenlager von Guantánamo Bay hat wirklich mehrere Ebenen.
Alle, die für Gerechtigkeit und Menschenrechte eintreten, sollten sich unter der Forderung vereinen, Guantánamo Bay zu schließen und das Land an Kuba zurückzugeben!
Quellen:
[2] REUTERS, Marc Frank, „Fidel Castro demands Obama return Guantanamo base“, am 30.1.2009, <https://www.reuters.com/article/idUSN29286719>
[3] Newsweek, Tom O´Connor, „Cuba Slams 20 Years of U.S. ‚Occupation,‘ ‚Abuses‘ at Guantánamo Bay, U.N. Calls for Closure“, am 11.1.2022, <https://www.newsweek.com/cuba-slams-20-years-us-occupation-abuses-guantanamo-bay-un-calls-closure-1668249?amp=1>
[4] United Nations, „Rights experts condemn ‘unrelenting human rights violations’ at Guantánamo Bay“, am 10.1.2022, <https://news.un.org/en/story/2022/01/1109472>
[5] U.S. Government, „REPORT of the SENATE SELECT COMMITTEE ON INTELLIGENCE COMMITTEE STUDY of the CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY’S DETENTION AND INTERROGATION PROGRAM“, am 9.12.2014, <https://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/publications/CRPT-113srpt288.pdf>
[6] The Guardian, Spencer Ackerman, „Guantánamo detainee who wrote a book about his torture to be released“, am 20.7.2016, <https://www.theguardian.com/us-news/2016/jul/20/mohamedou-ould-slahi-release-guantanamo-diary>
[7] The Guardian, Abu Zubaydah, „‘I didn’t know who I was any more’: how CIA torture pushed me to the edge of death“, am 29.1.2022, <https://www.theguardian.com/us-news/2022/jan/29/abu-zubaydah-cia-torture-waterboarding-guantanamo>
[8] Aljazeera, „Pentagon confirms Quran desecration“, am 4.6.2005, <https://www.aljazeera.com/news/2005/6/4/pentagon-confirms-quran-desecration>
[9] NBC, „Raul Castro Demands Return of Guantanamo Bay, End of Trade Embargo“, am 29.1.2015, <https://www.nbcnews.com/news/amp/ncna295886>
[10] The Guardian, Julian Borger, „Donald Trump signs executive order to keep Guantánamo Bay open“, am 31.1.2018, <https://www.theguardian.com/us-news/2018/jan/30/guantanamo-bay-trump-signs-executive-order-to-keep-prison-open>
[11] PBS, Ben Fox, „Joe Biden’s silence on Guantanamo Bay frustrates closure advocates as prison turns 20“, am 10.1.2022, <https://www.pbs.org/newshour/politics/joe-bidens-silence-on-guantanamo-bay-frustrates-closure-advocates-as-prison-turns-20>
[12] Al Mayadeen, „“I was screaming and he was smiling“: DeSantis ran Guantanamo torture“, am 21.11.2022, <https://english.almayadeen.net/news/politics/i-was-screaming-and-he-was-smiling:-desantis-ran-guantanamo>