Viele Westler, die versuchen, die Ereignisse auf dem „dunklen Kontinent“ Afrika zu verstehen, müssen viele Hindernisse zwischen ihrem Verstand und der Realität aus dem Weg räumen. Das muss so sein, denn ohne solche Filter, die Afrikas Probleme als selbstverschuldet (oder als Folge chinesischer Schuldsklaverei) darstellen, könnten wir im Westen tatsächlich entsetzt genug sein, systemische Veränderungen zu fordern. Wir könnten erkennen, dass die Notlage Afrikas weniger mit Afrika zu tun hat als vielmehr mit einem absichtlichen Programm der Entvölkerung und der Ausbeutung lebenswichtiger Ressourcen.

Trotz einer reichen Geschichte und mehr als einer Milliarde Menschen, die auf dem Kontinent leben, hat Afrika die niedrigste Pro-Kopf-Versorgung mit Strom und Trinkwasser auf der Welt. Von den 30.000 Kindern [1], die jeden Tag aus vermeidbaren Gründen (Krankheiten, Wassermangel, Hunger usw.) unnötig sterben, stammt die Mehrheit aus Afrika. Der Lebensstandard der 340 Millionen Afrikaner, die in extremer Armut leben, ist abgrundtief niedrig, während die unzureichende Infrastruktur des Gesundheitswesens und der sanitären Einrichtungen zu einer enormen Kindersterblichkeit geführt haben. Diese erreicht in vielen afrikanischen Ländern 80 bis 100 Todesfälle pro 1000 Einwohner. [2]

Diese Fassade wurde in einem Ausmaß aufrechterhalten, dass bestimmte unbequeme Tatsachen unter Verschluss gehalten wurden. In jüngster Zeit wurde ein Stein auf das gläserne Gebilde falscher Narrative geworfen, mit denen versucht wurde den Glauben aufrechtzuerhalten, Afrikas Probleme seien auf autoritäre Regierungen oder „nicht genug Demokratie“ zurückzuführen.
Am 23. November wurde eine Zoom-Konferenz [3] unter Beteiligung amerikanischer, britischer, finnischer und französischer Diplomaten veröffentlicht, die von einem ungenannten Teilnehmer gefilmt und an die Öffentlichkeit geleakt wurde.

Was diese Zoom-Konferenz so relevant macht, ist, dass das Thema die Notwendigkeit eines Regimewechsels in Äthiopien war und Berhane Gebre-Christos, ehemaliger äthiopischer Außenminister (2010-2012) und jetziger Sprecher der Volksbefreiungsbewegung von Tigray, der Hauptredner war.

Die Telefonkonferenz selbst wurde vom Peace and Development Center International [4] veranstaltet, einer Pappmaché-Organisation vom Reißbrett, die mit dem National Endowment for Democracy und USAID (beides nachweisliche CIA-Fassaden [5]) zusammenarbeitet. Diese Organisation wurde nur wenige Tage vor dem Angriff der Tigray Peoples Liberation Front auf das Nordkommando der äthiopischen Regierung am 3. November 2020, gegründet. Dies bildete den Auftakt zu einem Jahr bewaffneter Gräueltaten. [6]

Zu den Teilnehmern der Telefonkonferenz gehörten keine Geringeren als Vicki Huddleson (ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsministerin für afrikanische Angelegenheiten), Donald Yamamoto (ehemaliger US-Botschafter in Somalia), Tim Clark (ehemaliger EU-Botschafter in Äthiopien), Robert Dewar (ehemaliger britischer Botschafter in Äthiopien) und eine Fülle anderer regelbasierter Ordnungshüter. Es geht darum, internationalen Druck auf die derzeitige äthiopische Regierung von Ahmed Abiy auszuüben, damit sie den vom Ausland unterstützten Aufstand der TPLF, als einen Aufstand einer legitimen Gruppe behandelt, die eine umstruktuierte äthiopische Regierung organisiert ODER Abiy einfach direkt mit allen erforderlichen Mitteln absetzt.
Obwohl die TPLF nachweislich an der Inszenierung eines Bürgerkriegs in Äthiopien mitschuldig ist und auch beim Einsatz von Kindersoldaten [7] und Terrorismus ertappt wurde, hat dasselbe Team aus der Obama-Ära, das die Biden-Regierung anleitet, den Sudan zerstückelt und die humanitäre Zerstörung Libyens und Syriens herbeigeführt hat, die Rebellen weiterhin unterstützt. In den letzten Monaten geschah dies in Form von Sanktionen, der Streichung von zivilen Kreditprogrammen, die Millionen von Menschenleben betreffen, sowie der ständigen Forderung, dass Addis Abeba [Hauptstadt Äthiopiens Anm. d. Red.] die Rebellen als legitimen Machtvermittler behandelt.

Warum die Bemühungen um einen Regimewechsel in Äthiopien?

Die Situation in Äthiopien ist recht einfach zu verstehen, solange man nicht den Spindoktoren westlicher Medien glaubt.
Zum einen ist Äthiopien die einzige Nation in ganz Afrika südlich der Sahara, die sich erfolgreich gegen die Kolonialisierung gewehrt hat. Äthiopien gehört daher auch zu den wirtschaftlich souveränsten Nationen Afrikas und ist in der Lage, Staatsanleihen für große Infrastrukturprojekte zu emittieren (was sie seit 2011 für den Bau des Grand Renaissance-Damms am Blauen Nil getan haben). Außerdem ist Äthiopien eine der Nationen, die am meisten an einer engen Zusammenarbeit mit China und der entstehenden „Belt and Road Initiative“ interessiert sind.

In den letzten Jahren hat Äthiopien auch dem Druck widerstanden, sich der Entvölkerungslobby zu beugen, die in Washington, Brüssel und London großen Einfluss ausübt.

Es hat nicht nur Nein zu Entvölkerungsregimen gesagt, sondern auch den Bau des größten Infrastrukturprojekts auf diesem Kontinent seit Generationen vorangetrieben: den Grand Ethiopian Renaissance-Dam (GERD). Nach seiner Fertigstellung wird dieser Staudamm über 6200 Megawatt (MW) Strom nicht nur für seine eigenen 118 Millionen Menschen, sondern für das gesamte Horn von Afrika, mit seinen derzeit 255 Millionen Menschen, erzeugen. Vor allem aber wird dieser Staudamm, der größte in der Geschichte Afrikas, die industrielle Entwicklung des gesamten Kontinents vorantreiben, alle Einwohner mit Strom versorgen und ein erfolgreiches Modell für andere afrikanische Länder darstellen. Mit dem Wachstum der multipolaren Ordnung, angeführt von Chinas erfolgreichem Win-Win-Kooperationsmodell, wird die Idee der „Armutsbekämpfung“ in Afrika schnell durch das übergeordnete Ziel ersetzt, die Armut durch industriellen Fortschritt zu beenden. Dieses Gefühl wurde von den Führern des globalen Südens während des COP26, inmitten des fanatischen Bestrebens, dem gesamten Globus ein Dekarbonisierungsregime aufzuzwingen, lautstark zum Ausdruck gebracht. [8] Äthiopien ist engstens befreundet mit China, das Addis Abeba in den letzten Jahren mit Expertenschulungen, Finanzmitteln und diplomatischer Unterstützung versorgt hat (das Land ist aktives Mitglied der Belt and Road Initiative [9]). Zu den wichtigsten von China geförderten Projekten gehört die 756 km lange Normalspurbahn Addis Abeba-Dschibuti, die das Binnenland Äthiopien mit seinem Nachbarn am Roten Meer verbindet und neue Industriekorridore erschließt, die die Weltbank in dem Land nie zugelassen hätte.

Obwohl der Bau des Grand Renaissance-Damms von dem großen panafrikanischen Führer Haile Selassie geplant worden war (und von den Vereinigten Staaten unter JFK mit technischen Studien unterstützt wurde), wurde das Projekt mit Selassies Sturz im Jahr 1974 eingestellt und erst 2011 durch die unermüdlichen Bemühungen von Sigmenew Bekele wiederbelebt. Bekele war ein Ingenieur und „Nation Builder“, der den Bau mehrerer großer Wasserkraftwerke in Äthiopien organisierte und als „das öffentliche Gesicht von GERD“ bekannt wurde, bis er 2018 in seinem Auto geselbstmordet wurde. [10]

Als die westlichen Mächte sich weigerten, den Staudamm zu finanzieren, beschloss Äthiopien, dies selbst zu tun, indem es die Bevölkerung zum Kauf von Anleihen im Wert von 5 Mrd. USD aufrief – ironischerweise genau so, wie Abraham Lincoln die transkontinentale Eisenbahn während des Bürgerkriegs finanzierte und wie die USA einen Großteil des Zweiten Weltkriegs bezahlten. [11]

Chinas Präsenz in Äthiopien erschreckt viele westliche Meisterspieler, die Angst haben, Afrika an die Aussicht auf eine Win-Win-Kooperation zu verlieren, so wie sie bereits begonnen haben, den Nahen Osten zu verlieren. Im März 2021 unterzeichneten die beiden Länder [12] eine Absichtserklärung zum „Schutz von Großprojekten im Rahmen der BRI“, wobei der äthiopische Generalkommissar feststellte:

„Äthiopien und China sind Länder mit einer langen Geschichte, einer alten Zivilisation und einer prächtigen Kultur. Um unser Ziel zu erreichen, spielt die Unterstützung Chinas und seiner geschätzten Botschaft eine wichtige Rolle … Wir wünschen uns eine Fortsetzung unserer gemeinsamen Bemühungen um den Aufbau einer langfristigen und strategischen Partnerschaft, und die heutige Veranstaltung kommt zu einem wichtigen Zeitpunkt.“

Vor kurzem, am 2. Dezember, besuchte der chinesische Außenminister Wang Yi Premierminister Abiy und verpflichtete China, die Souveränität Äthiopiens zu verteidigen. Neben Abiy stehend, erklärte Wang Yi [13]: „China wird sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen. Wir mischen uns auch nicht in die inneren Angelegenheiten Äthiopiens ein.“ An die Adresse derjenigen, die eine Trennung der beiden Nationen anstreben, sagte Wang Yi, die „Freundschaft zwischen Äthiopien und China“ sei „sehr solide und unzerbrechlich“.

Nachdem es nicht gelungen ist, das Wachstum der Belt and Road-Initative im Zentrum von Mackinders Weltinsel zu brechen, indem Russland den Regimewechsel in Syrien während der dunklen Jahre Obamas stoppte und China nun eine mächtige Vision von Ost-West-Entwicklungskorridoren durch den Nahen Osten ausbreitet, wurde dieselbe Trickkiste, mit Rebellenkämpfern aus dem Horn von Afrika, in Äthiopien geöffnet.

Die TPLF: Eher Terroristen als Rebellen

Die „Tigray Peoples Liberation Front“ (jetzt umbenannt in „Tigray Defense Forces“) ist keine „demokratische Volksbewegung“, wie sie von der westlichen Propaganda dargestellt wird.

Tatsächlich wurde diese Gruppe bei massenhaften Grausamkeiten in besetzten Städten wie Mai Kadra [14] und Lalibela [15] ertappt, hat Waffenstillstandsvereinbarungen gebrochen, setzt Kindersoldaten ein und arbeitet eng mit ausländischen anglo-amerikanischen Interessen zusammen, um einen Regimewechsel in Äthiopien voranzutreiben, wie die durchgesickerte Zoom-Konferenz beweist. Wer an diesen Behauptungen zweifelt, braucht nur die sorgfältig zusammengestellten Essays von Jeff Pearce zu lesen, eines der kompetentesten in Äthiopien lebenden Enthüllungsjournalisten. Sie finden seine Artikel hier [16].

Tatsächlich hat die TPLF erst vor einem Monat, am 5. November, eine neue „Vereinigte Front der äthiopischen föderalistischen und konföderalistischen Kräfte“ angekündigt [17] – im National Press Club in Washington D.C.!

Diese neue Aufstandsgruppe hat versucht, möglichst viele Interessen ethnischer Minderheiten in Äthiopien unter einer Dachorganisation zu vereinen, um dieser offensichtlich undemokratischen Operation den Anschein von Legitimität zu verleihen. In der Presseerklärung der Gruppe heißt es: „Diese Einheitsfront wird als Reaktion auf die zahlreichen Krisen, mit denen das Land konfrontiert ist, gebildet; um die schädlichen Auswirkungen der Herrschaft von Abiy Ahmed auf die Völker Äthiopiens und darüber hinaus umzukehren; und in Anerkennung der großen Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten und die Kräfte für einen sicheren Übergang im Land zu bündeln.“

Auf der Pressekonferenz drohte Berhane Gebre-Christos der Regierung von Abiy mit den Worten: „Wir versuchen, dieser schrecklichen Situation in Äthiopien, die von der Regierung Abiy im Alleingang geschaffen wurde, ein Ende zu bereiten. Seine Zeit läuft ab.“

Alles eine Frage der Wahrnehmung

Tatsache ist, dass keine dieser Gruppen die Mittel hat, ihre Ziele unter den gegenwärtigen Bedingungen zu verwirklichen, da die äthiopische Bevölkerung sowohl in Afrika als auch in der Diaspora, die vom Westen gelenkte Propaganda ablehnt. Die weltweiten Proteste zur Verteidigung der äthiopischen Souveränität und der Erfolg der Regierung bei der Bekämpfung dieser versprengten Rebellengruppen, zeigen, dass die Realität ganz anders aussieht als die Projektion, die die Wahrnehmungsmanager glauben machen wollen.

Genauso wie uns wiederholt gesagt wurde, dass Venezuela an die demokratische Bewegung von Juan Guaidó fällt, Nawalnys demokratische Kräfte Putins autoritäres System stürzen, syrische Rebellenkräfte den „Schlächter Assad“ stürzen oder dass Hongkong und Taiwan mit Sicherheit ihre Freiheit vom bösen Peking gewinnen würden … haben sich die Herrscher des unipolaren Systems als wenig mehr als moderne Illusionisten erwiesen, die einmal zu oft dabei ertappt wurden, wie sie versuchten, gutgläubige Bürger zu betrügen.

Wie Geopolitics.Press in außerordentlicher Ausführlichkeit dargelegt hat [18], hat die Wiederholung der in Syrien eingesetzten Operationen zur Wahrnehmungssteuerung, die Form des Command and Control Fusion Centers (C2FC), mit Sitz in Kenia, angenommen, das der US Regierung die Möglichkeit gibt, „zusammenhängende, mehrgleisige Operationen gegen die äthiopische Regierung in den Bereichen Wirtschaft, Information, Diplomatie und kinetische Kriegsführung durchzuführen … [das C2FC] hat einige seiner Aufgaben an verschiedene untergeordnete Fusionszellen delegiert, die ein gewisses Maß an operativer Autonomie genießen, aber organisatorisch vom Fusionszentrum abhängig sind.“

Die Gefahr eines Libyen 2.0

Sollte dies scheitern – und das wird es – besteht die größere Gefahr darin, dass die transatlantische Bevölkerung so verwirrt und falsch informiert ist über die Natur der äthiopischen Krise, dass sie einem US-geführten Angriff auf das Land zustimmt, wie es in Afghanistan und im Irak nach dem 11. September geschehen ist. In einem Bloomberg-Beitrag vom 9. November 2021 [19] forderte James Stavridis, der ehemalige Oberste Alliierte Befehlshaber der NATO, ein Eingreifen der US-geführten Streitkräfte in den Bürgerkrieg, um „dem chinesischen Einfluss entgegenzuwirken“ und ein neues Massaker wie in Ruanda zu verhindern.

Der afrikanische Analyst Lawrence Freeman hat diese Gefahr in einem Interview mit dem Addis Media Network am 18. November wortgewaltig zum Ausdruck gebracht [20]:

„Die Feinde Äthiopiens werden humanitäre Bedenken als Vorwand nutzen, um möglicherweise militärische Kräfte einzusetzen – unter dem Deckmantel, das äthiopische Volk vor der eigenen Regierung zu schützen. Diese als R2P – Responsibility to Protect – bekannte Doktrin wurde von George Soros und Tony Blair entwickelt. Samantha Power und andere in der Obama-Regierung nutzten R2P, um den Sturz von Präsident Gaddafi und die Zerstörung Libyens zu rechtfertigen.“

Der Autor dieses Artikels gab dem äthiopischen Prime Media ein Interview zu diesem Thema, das unter der Fußnote [21] abgerufen werden kann.