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Wir sind Frieden

Von Andrea Drescher , veröffentlicht am: 7. November 2018, Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Ute Brach

1964 im niedersächsischen Hinterland geboren, ist wohnhaft in Lüneburg, gelernte Fachdolmetscherin und Übersetzerin, vormals Alleinerziehende von Zwillingen „1. Generation Hartz IV“ und Minijobberin. Ihre Interessen: Schreiben, (Bio-)Gärtnern, Netzwerken und natürlich Politik.

 

Du engagierst Dich für Politik? Warum?

Das ist für mich eine frühe Leidenschaft. Ich habe schon als kleines Kind mit meinem Opa Bundestagsdebatten und Werner Höfers Frühschoppen geschaut und las mit sechs bereits Zeitungen. Ich verstand zwar nichts, kannte aber alle Minister und Kanzler. Später auf dem Gymnasium wurde die konservative Lehrerschaft gerade mit 68er-geschulten Junglehrern aufgestockt – die haben mit uns viel politisch diskutiert. Das war die Zeit der Gruppen, aus denen dann die Grünen entstanden. Umweltschutz war ein großes Thema, Friedenspolitik und die Situation der „Dritten Welt“. Ich habe erst viel später gemerkt, wie sehr diese Zeit mich geprägt hat.

Was hat es mit Dir gemacht?

Es gab zwei Schlüsselerlebnisse: 1980 der Protest gegen die Atommüll-Lagerung im Wendland und besonders die „Republik Freies Wendland“. Meine Freunde und ich wären gerne hin, durften aber nicht. So haben wir es im Fernsehen verfolgt. Das tolle selbstgebaute Dorf und die basisdemokratische Verwaltung waren genau das, was wir uns als Leben und Gemeinschaft vorstellten. Wir haben geweint, als es die Räumfahrzeuge platt machten. Und dann natürlich der NATO-Doppelbeschluss – die Debatte machte die Bedrohung durch einen Atomkrieg konkret. Ich protestierte 1983 in Berlin, meine erste große Demo. Wie eng die Themen „atomare militärische Aufrüstung“ und „zivile Nutzung von Atomenergie“ mit strahlendem Müll, verknüpft sind, wusste ich noch nicht. Emotional und zeitlich gehörten sie für mich aber zusammen.

Das waren auch Themen in der Schule. Wir waren praktisch alle grün, linksalternativ und friedensbewegt – bis auf einen einzigen Schüler, der in der Jungen Union war und jeden Tag mit Anzug und Schlips zur Schule kam. Er war echt ein Exot und beteiligte sich nicht an den Diskussionen. Dass es auch ganz andere politische Einstellungen gibt, habe ich erst später erfahren. Das war eine krasse Situation.

Wieso?

Vor dem Abi habe ich das Gymnasium verlassen und bin zu einer Fremdsprachenschule gewechselt. Der Leiter war Ex-Jesuitenpriester mit hochklassiger Ausbildung. Wir mochten uns sofort. Als mir aufging, dass er politisch SEHR rechtskonservativ war, kam ich in Gewissenskonflikte. Er drängte uns nichts auf, aber ich wurde auf einmal mit einer völlig gegensätzlichen Richtung konfrontiert – und das schlimmerweise auf hohem Niveau. Das war ein Schock! Aber es half mir zu verstehen, wie „die andere Seite denkt“. Und das Wichtigste: Ich kann einen Menschen mögen, muss aber deshalb noch lange nicht politisch mit ihm übereinstimmen.

Du bist also nicht erst 2014 auf die Straße gegangen, wie viele andere?

Nein, Demos gehörten für uns zum Meinungsausdruck und zum permanenten Prozess der Enttäuschung. Ich habe wie viele andere zB. Rot-Grün als „die Rettung“ gewählt. Oh, sind wir verarscht worden! Ein politisches Trauma. Die nächste Enttäuschung kam dann nach der Geburt meiner Zwillinge. Die waren Frühchen und kamen auf die Intensivstation. Vom 6.9.1989 bis zum 15.11.89 lebten wir alle drei im Krankenhaus, genau in der Zeit fiel die Mauer. Das war bewegend, aber schon 1990 wurde klar, dass es eher eine feindliche Übernahme war. Wegen meiner Söhne war ich eine lange Zeit „Fernsehaktivistin“. Das änderte sich erst wieder, als wir nach Lüneburg kamen, ganz nah ans Wendland.

Was war der Anlass – und: Was heißt für Dich aktiv sein?

2003 waren das der Überfall der USA auf den Irak und die Hartz-Gesetze, die ins Gespräch kamen. Dieser massive Eingriff in den Sozialstaat betraf direkt auch meine Kinder und mich. Deshalb fuhr ich 2004 nach Berlin zu der großen Gegen-Demo. Im Bus dorthin lernte ich einige Lüneburger Aktivisten kennen und schloss mich schließlich der kleinen LIgA (Lüneburger Initiative gegen Atomanlagen) an. Als LIgA betrieben wir Aufklärungsarbeit zum Thema Atomenergie, machten eigene Aktionen und waren gut vernetzt mit AktivistInnen aus dem Wendland und aus Geesthacht. Das KKW Krümmel war noch aktiv und Lüneburg lag in der Gefahrenzone. Zum Tschernobyl-Gedenktag 2005 saß ich noch allein mit Schautafel-Paravent in der Fußgängerzone, 2006 hatten wir bereits eine große Veranstaltung mit mehreren Einzel-Events. Außerdem organisierten wir im Herbst 2005 die große Auftaktdemo zum Castor-Transport als Team vor Ort. Als Verbindungsfrau zwischen LIgA und dem Trägerkreis aus großen Organisationen wie dem BUND, der Friedenskooperative, Xtausendmal-quer und anderen lernte ich ein sehr hohes Level an Aktivismus und Organisation kennen. Diese Zeit war aber auch das letzte Mal, dass ich für länger organisiert aktiv war.

Warum?

Ich interessiere mich für verschiedene Themen, das kann ich als Einzelmensch besser nutzen und mich gezielt für Aktionen und Projekte vernetzen oder vernetzen lassen. Ich bin freier, weil ich nur für mich selber spreche, nicht für eine Gruppe oder Organisation. Die sind ja manchmal sehr hermetisch und haben ihren eigenen Jargon. Spricht man dann mit Nichtmitgliedern, heißt es gern „Die muss so reden, die gehört ja dazu.“ Ohne „Label“ einfach von Mensch zu Mensch reden, ist viel fruchtbarer. Zusammenarbeit ergibt sich ja immer mal wieder – so habe ich mit sechs anderen „Unorganisierten“ im Mai 2015 ein Friedensfestival in Lüneburg auf die Beine gestellt. Der Anstoß dazu kam von einem Bekannten der Friedensmahnwache.

Zur Friedensmahnwache stieß ich im Sommer 2014 durch einen Flyer. Ich war regelmäßig dabei und bekam leider auch mit, wie die mediale Schmutzkampagne Wirkung zeigte. Im Sommer hatten wir noch 30 bis 40 Leute im großen Kreis mit Open Mike und tollem Spirit. Durch die Hetze wurden es jede Woche weniger, bis nur noch fünf Leute übrig waren. Ich war enttäuscht, dass sich so viele, gerade auch Alt-Aktivisten, davon so beeinflussen lassen. Durch verschiedene Kanäle hatte ich früh erfahren, was wirklich in der Ukraine und auf dem Maidan passierte, wer da die Strippen zog und wie die Medien das krasse Gegenteil darstellten. Aber selbst die, die das wussten, glaubten den Medien, wenn es um die Mahnwachen ging. Schon verrückt!

Wie finden die Menschen Dich?

Lüneburg ist nicht soo groß, inzwischen kennen mich viele Menschen aus den verschiedensten Bereichen. Ich staune manchmal selber.

Du unterstützt aber auch Projekte, oder?

Soweit es mir möglich ist, gerne! Wie free21 zum Beispiel – aber das weißt du ja.

Stimmt. Danke – auch dafür!

Stephan Bartunek

Geboren 1977 in Scheibbs, ist Stefan Bartunek wohnhaft in Wien, von Beruf Schauspieler und freischaffender Künstler, Vater eines Sohnes sowie Gründungsmitglied des Portals Gruppe42. Zu seinen Hobbys gehören seine Ragdoll-Katzen, Lesen, Spielen (Brett, PC, Playstation) und das Sammeln von Comics.

 

Wie verträgt sich der Beruf des Schauspielers mit Friedensaktivismus?

Als ich mit der Mahnwache anfing, gab es Probleme mit Kollegen, die noch blind glaubten, was in der Zeitung steht. Das führte zu entsprechenden Diskussionen. Aber das war gut so. Jetzt habe ich mich umorientiert. Ich mache immer noch Stücke, bei denen ich Geld verdiene, aber an kleineren Theatern in Mödling oder im Waldviertel. Darüber hinaus arbeite ich für einen Verein.

Du hast also keine wirtschaftlichen Probleme?

Nein. Ich lebe halbwegs bescheiden, mir fehlt es an nichts, obwohl ich meinen Konsum stark eingeschränkt habe. Zum Beispiel kaufe ich elektrische Geräte nur noch über Willhaben.
Ausgelöst durch die Mahnwachen habe ich begonnen, mein Konsumverhalten zu hinterfragen. Man kommt auch nicht dran vorbei zu fragen: Was essen wir eigentlich? Sind das noch Lebensmittel oder nur Nahrungsmittel?

Die Mahnwachen waren für Dich ein Wendepunkt?

Das kann man so sagen. Seit Frühjahr 2014 bin ich aktiv, vorher war ich interessiert, aber nicht engagiert. Der drohende Ukraine-Krieg, die Eskalation, die sich abzeichnete, die räumliche Nähe zu dem Kriegsschauplatz fast im Herzen Europas – das hat mich alles nicht losgelassen. Ich wollte handeln. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich, wie viele andere, ein Polit- und Medien-Konsument. Ich habe Bücher, Magazine und Zeitungen gelesen, Diskussionsrunden im Fernsehen verfolgt und „wusste“ sehr viel. Um dann zu erkennen, dass ich nichts, dass ich maximal die Hälfte gewusst habe. Mir wurde in dieser Zeit erst bewusst, wie einseitig die Medien sind.

Was heißt das konkret?

Ich hab den Standard und die Presse gelesen – und dachte, damit ein breites Spektrum, von „konservativ-rechts-intellektuell“ bis „liberal-links-intellektuell“ abzudecken. Ich sah mich als linksliberal und war stolz, einer dieser klugen und belesenen Österreicher zu sein, die so ein tolles Medium wie den Standard verstehen, der das liberale offene Publikum anspricht. Ich habe mich erhaben gefühlt! Die Enttäuschung war entsprechend riesig. Was Außenpolitik angeht, ist der Standard genauso rechtsextrem wie die meisten anderen Mainstream-Medien auch. Das soll heißen: Kein radikales und konkretes Infrage-Stellen herrschender Besitzverhältnisse, so gut wie keine Kritik am globalen Militarismus und dem damit verbundenen Apparat, postkoloniale Verhältnisse werden nicht aufgearbeitet und so korrigiert.

Durch die alternativen Medien wurde ich auf anderen Journalismus aufmerksam gemacht. Auf Bücher, auf Filme, auf weiterführende Informationen. Es gibt enorm viele Informationen, die im breiten Mainstream nicht weitergeben werden.

Du sagst, Du warst linksliberal – in manchen Gazetten heißt es heute, dass Du ein Rechter bist? Wo stehst Du denn wirklich?

Dass ich rechts stehe, ist falsch. Es wird als Kampfbegriff missbraucht und somit abwertend verwendet. Einfach und klassisch ausgedrückt würde man mich politisch wohl „links“ einordnen. Passender wäre es aber zu sagen, ich bin Anarchist, ich bin gegen Herrschaft, ich bin Universalist. Für mich ist jeder Mensch gleich an Werten und Rechten. Ich stelle die Eigentumsverhältnisse in Frage. Ich bin gegen Militarismus und stehe den herrschenden Machteliten kritisch gegenüber. Das sind alles klassisch linke Standpunkte.

Warum dann die Diffamierung als Rechter?

Es wird als abwertender Kampfbegriff verwendet und komplett unwissenschaftlich und fern von Fakten missbraucht. Große Teile der Mahnwachen wurden so verunglimpft.

Stimmt das denn nicht?

In den meisten Fällen sicher nicht. Ich war aktiv bei der Mahnwache Wien – im Orga-Team und auch einer der Hauptredner und habe im Dezember 2014 die globale Mahnwache in Wien mitorganisiert, wo ja auch viele Oberösterreicher und Tiroler dabei waren. Auch bei Mahnwachen in Linz, St. Pölten sowie auf Veranstaltungen in Deutschland habe ich gesprochen. Im Spätherbst 2015 war aber Schluss. Es wurden immer weniger, die Jungen, also Schüler und Studenten blieben weg, dafür kamen Teilnehmer dazu oder gewannen mehr an Gewicht, die in meinen Augen … sagen wir mal, ein ziemlich schräges Weltbild hatten. Es wurde vor Ufos und Reptiloiden gewarnt, gleichzeitig wurde der Islam immer stärker als Feindbild aufgebaut. Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen.

Was bedeutet für Dich Friedensaktivismus?

Eine schwierige Frage. Ich bin der Meinung, dass wir in einer gewaltorientierten Gesellschaft leben, die auf Herrschaftsstrukturen aufbaut. Friedensarbeit bedeutet für mich Aufklärung rund um  Themen wie War on Terror, Postkolonialismus, Feminismus, Umgang mit Kindern, Umgang mit Minderheiten und schwächer gestellten bzw. unterdrückten Gruppen.

Und dafür bist Du weiter aktiv?

Definitiv – mein Fokus liegt auf der Gruppe42 (www.gruppe42.com), mit der wir viel mehr Menschen erreichen können, als es – leider – bei den Mahnwachen der Fall war.

Wofür steht Gruppe42?

Gruppe42 ist ein Medienportal und YouTube-Kanal, das im Wesentlichen von vier Menschen getragen wird. Wir organisieren Vorträge, Interviews sowie ab und zu Hangouts und orientieren uns an „Per Anhalter durch die Galaxis“. In diesem Klassiker gibt der Computer zwar eine Antwort auf die Frage aller Fragen, aber niemand versteht seine Antwort. Wir machen in Gruppe42 unser Ding rund um die Themen Gesellschaft, menschliches Verhalten und Politik. Wer das nicht versteht, kann sich einen anderen Computer suchen.

Wer kommt zu Euch?

Sehr unterschiedlich. Wir geben verschiedenen Experten zum jeweiligen Thema eine Plattform. Menschen wie Dr. Daniele Ganser, Rainer Rothfuss oder Dirk Pohlmann waren schon bei uns. Bei Hermann Ploppa ging es um Fragen wie „Wie kann es sein, dass sich Rassismus in einer Form ausbreitet, dass er zur industriellen Vernichtung von Menschen führte? Wie agieren Medien und Thinktanks gemeinsam, um die Menschen so weit zu bringen?“. Rüdiger Lenz hat sein Nichtkampf-Prinzip vorgestellt. Es sind unterschiedliche Themen, die aber alle gesellschaftlich relevante Auswirkungen haben. Die Vorträge und Interviews sind auf unserem Kanal abrufbar und wir erreichen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen.

Ihr wolltet ja auch eine Konferenz organisieren, warum kam die nicht zustande?

Ja leider. „Angst essen Zukunft auf“ mussten wir absagen. Es wurde im Vorfeld massiv die Veranstaltung diffamiert, so dass uns Vortragende und die Moderatorinnen kurzfristig ausfielen. Letztere wurden über ihr berufliches und privates Umfeld massiv unter Druck gesetzt. Gegen diese Diffamierung läuft jetzt eine Klage, die wir abwarten, bevor wir den zweiten Anlauf unternehmen.

Kannst du von Gruppe42 leben?

Nein. Es gibt Spenden, aber die sind minimal. Es ist also klassisches Non-Profit.

Danke für Dein Engagement!

Andrea Tosi

1964 in Lugano geboren, lebte er 14 Jahre in San Francisco, jetzt in Zug in der Schweiz. Er studierte Sozialpsychologie sowie Grafik-Design in den USA, beschäftigt sich in Vollzeit mit Repeace. Hobbies sind Sport, Design, Kino, Kochen, Lachen und Hunde.

 

Du hast Repeace ins Leben gerufen. Was ist das?

Repeace ist eine Verantwortungskampagne mit dem Ziel, den Spaltungen in der Gesellschaft und im Aktivismus ein Ende zu setzen. Nur im Team kann eine „Friedensmannschaft“ erfolgreich sein. Einfach gesagt: Mit Repeace möchte ich dazu beitragen, ein neues kollektives Bewusstsein unter Aktivisten zu schaffen.

Und seit wann engagierst Du Dich dafür?

Die Idee entstand 2008; im Juni 2009 habe ich sie konkretisiert, und seitdem engagiere ich mich Vollzeit dafür. Das hat natürlich auch mit Konsumverzicht zu tun, bedeutet: Weniger Luxus. Anfangs habe ich Repeace von meinen Reserven finanziert; seit vier Jahren unterstützt mich meine Familie, weil auch sie daran glauben, dass so eine Teambildung dringend notwendig ist.

Warum?

Viele Aktivisten werden von den Hauptmedien verleumdet und diffamiert. Dem müssen wir entgegenwirken. Dafür braucht es auch Marketing-Methoden, um wieder ein sachlich korrektes Bild in der Öffentlichkeit herzustellen. Darum habe ich für Repeace auch eine neue Grafik entwickelt – Rebranding eben. Das meiste an Aktivismus verpufft, es geht viel Energie verloren. Das war in San Francisco besonders deutlich zu sehen.

Was hat Dich gestört?

Mein Mailaccount war voller Spendenanfragen, Petitionen und Initiativen. Ich fing an Organisationen zu blockieren. Bei zwei Aktionen war ich aktiv dabei. Einmal bei den „Torch Relay 2008“ Protesten, die von AVAAZ organisiert waren, sowie bei der Protestkampagne gegen die Diskriminierung schwuler Hochzeiten. Es war einfach frustrierend: Entweder wurde gar nicht oder nur kurz und negativ berichtet. Mir wurde immer deutlicher, dass alles irgendwie gesteuert ist. Wir sollen das Gefühl haben, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit bestehen – aber der Einfluss von Protesten wird kontrolliert. Die Eliten haben das im Griff und sind uns drei bis vier Schritte voraus. Dass z.B. AVAAZ letztlich nur eine Gatekeeper-Organisation ist, musste ich auch erst lernen. Obwohl die Bewegung sehr populär war, konnten wir nichts durchsetzen. So war das Friedenszeichen 2007 in San Francisco total angesagt, dort war ja auch die Wiege der Friedensbewegung. Allen waren die illegalen Kriege der USA in Afghanistan und Irak bewusst, aber zu nennenswertem Protest führte das nicht mehr wie früher. Es gab nur einzelne Aktionen wegen Diskriminierung, GMO, Nachhaltigkeit, Abu Ghraib, Menschenrechte und Demokratisierung. Alle hofften bei ihrer Revolution im Gange auf Obama – auch in Bezug auf Demokratisierung – aber es passierte nichts. Das Hippie-Zeichen war Vergangenheit. Es war überall, aber es gab kein echtes Engagement.

Wo siehst Du die Ursachen?

Es gab nichts, was die Menschen und Aktionen verband. Passen Projekte nicht zusammen, arbeiten sie gegeneinander. Fließen dagegen Visionen zusammen, wie beispielsweise bei KenFM, Free21 und Human Connection, kommt es zu Synergien.

Und wie willst Du das ändern?Ich beschäftigte mich damit, was eine Friedensbewegung im 21. Jahrhundert sein soll, was Frieden bedeutet. Wir müssen aufhören, Frieden durch die Augen des Krieges zu definieren. Schon Gandhi sagte: Der Feind ist die Angst. Frieden heißt Abwesenheit von Angst. Das ist nicht nur eine praktischere Definition, sondern Basis jeglichen Aktivismus. Angst führt uns in den Kampf – wir sind immer GEGEN etwas. Um uns von diesen Ängsten befreien zu können, müssen wir Angst verstehen und wenn wir “Frieden” anstreben, sollten wir FÜR etwas anstehen. Angst ist eine Medaille mit zwei Seiten. Die Angst wird von den Regierungen ausgenutzt und missbraucht. So hören wir ständig, dass z.B. Terroristen unseren Lebensstil bedrohen und uns zerstören wollen. Mit diesem Narrativ der Angst wollen sie die Zustimmung der Menschen für ihre eigenen Ziele erhalten. Wir sollen durch die manipulative Nutzung der Angst gelenkt werden. Es gibt unzählige Ängste, die bei uns viel mehr den Wunsch nach „Frieden” rufen: Angst vor der Korruption der Demokratie, Angst vor schmutzigen Energien, Angst vor genmanipulierter Nahrung… Diese Ängste sind die Emotionen, die uns auch international verbinden – in Europa, USA, Afrika – alle Aktivisten sind im gleichen Team, das verbindet uns über alle Grenzen. Diese Angst wird von den 1% der Mächtigen manipulativ – also negativ – genutzt. Das Wissen darüber lässt sich aber auch positiv nutzen. Das ist Strategie.

Wie denn?

Mit Repeace möchte ich den Menschen bewusst machen, dass Frieden die Abwesenheit von Angst ist, und eine alternative Weltanschauung für den Frieden präsentieren. Damit man FÜR etwas ist und nicht gegen etwas. Da viele Organisationen inzwischen vom System übernommen wurden, ging es nicht darum, eine neue Organisation zu bilden, sondern zu identifizieren, was Aktivisten verbindet. Repeace ist ein globales Netzwerk von Menschen, die traditionell als „Aktivisten“ bezeichnet werden: Künstler, Schriftsteller, Landwirte, Mütter, Lehrer, Studenten, Arbeiter, Designer, Spiritualisten, die das ganze Konzept von Frieden stärken wollen. Das oberste Prinzip dabei ist, eigenverantwortliches Verhalten verhindert Konflikte. Jeder kann selbst entscheiden, ob er verantwortlich oder unverantwortlich handelt. Das können Politiker und Konzerne-Lenker ebenso tun, wie jeder einzelne Mensch auf der Straße. Hinter den drei Versprechen finden sich die Menschen zusammen, da es positive Ziele sind.

Welche sind die drei Versprechen?

1. Ich werde Unternehmen unterstützen, deren Fokus eine nachhaltige und lokale Wirtschaft ist, und nicht das Lobbying.
2. Ich werde Vertreter unterstützen, die mir Rechenschaft schuldig sind, und nicht privaten Interessengruppen.
3. Ich werde Länder unterstützen, die Meinungsfreiheit fördern und verteidigen.

Damit deckt man alle wichtigen Themenbereiche durch ihre Werte im positiven Sinne ab. Ausführliche Informationen für den deutschsprachigen Raum findet man unter www.repeace.de.

Wo ist Repeace aktiv, und wie viele Menschen engagieren sich?

Es gibt eine deutschsprachige sowie ein US-amerikanische Plattform. Wir haben um die 15.000 Unterstützer, und ich stehe mit Aktivisten in der ganzen Welt in Kontakt. In Island hat man sich das Konzept bereits angeschaut und nach einer isländischen Plattform gefragt. Solch ein Feedback ist sehr motivierend und treibt einen an, weiter zu machen.

Viel Erfolg dabei – Dir und uns allen!

Wir sind Frieden

Von Andrea Drescher , veröffentlicht am: 7. November 2018, Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

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Ute Brach

1964 im niedersächsischen Hinterland geboren, ist wohnhaft in Lüneburg, gelernte Fachdolmetscherin und Übersetzerin, vormals Alleinerziehende von Zwillingen „1. Generation Hartz IV“ und Minijobberin. Ihre Interessen: Schreiben, (Bio-)Gärtnern, Netzwerken und natürlich Politik.

 

Du engagierst Dich für Politik? Warum?

Das ist für mich eine frühe Leidenschaft. Ich habe schon als kleines Kind mit meinem Opa Bundestagsdebatten und Werner Höfers Frühschoppen geschaut und las mit sechs bereits Zeitungen. Ich verstand zwar nichts, kannte aber alle Minister und Kanzler. Später auf dem Gymnasium wurde die konservative Lehrerschaft gerade mit 68er-geschulten Junglehrern aufgestockt – die haben mit uns viel politisch diskutiert. Das war die Zeit der Gruppen, aus denen dann die Grünen entstanden. Umweltschutz war ein großes Thema, Friedenspolitik und die Situation der „Dritten Welt“. Ich habe erst viel später gemerkt, wie sehr diese Zeit mich geprägt hat.

Was hat es mit Dir gemacht?

Es gab zwei Schlüsselerlebnisse: 1980 der Protest gegen die Atommüll-Lagerung im Wendland und besonders die „Republik Freies Wendland“. Meine Freunde und ich wären gerne hin, durften aber nicht. So haben wir es im Fernsehen verfolgt. Das tolle selbstgebaute Dorf und die basisdemokratische Verwaltung waren genau das, was wir uns als Leben und Gemeinschaft vorstellten. Wir haben geweint, als es die Räumfahrzeuge platt machten. Und dann natürlich der NATO-Doppelbeschluss – die Debatte machte die Bedrohung durch einen Atomkrieg konkret. Ich protestierte 1983 in Berlin, meine erste große Demo. Wie eng die Themen „atomare militärische Aufrüstung“ und „zivile Nutzung von Atomenergie“ mit strahlendem Müll, verknüpft sind, wusste ich noch nicht. Emotional und zeitlich gehörten sie für mich aber zusammen.

Das waren auch Themen in der Schule. Wir waren praktisch alle grün, linksalternativ und friedensbewegt – bis auf einen einzigen Schüler, der in der Jungen Union war und jeden Tag mit Anzug und Schlips zur Schule kam. Er war echt ein Exot und beteiligte sich nicht an den Diskussionen. Dass es auch ganz andere politische Einstellungen gibt, habe ich erst später erfahren. Das war eine krasse Situation.

Wieso?

Vor dem Abi habe ich das Gymnasium verlassen und bin zu einer Fremdsprachenschule gewechselt. Der Leiter war Ex-Jesuitenpriester mit hochklassiger Ausbildung. Wir mochten uns sofort. Als mir aufging, dass er politisch SEHR rechtskonservativ war, kam ich in Gewissenskonflikte. Er drängte uns nichts auf, aber ich wurde auf einmal mit einer völlig gegensätzlichen Richtung konfrontiert – und das schlimmerweise auf hohem Niveau. Das war ein Schock! Aber es half mir zu verstehen, wie „die andere Seite denkt“. Und das Wichtigste: Ich kann einen Menschen mögen, muss aber deshalb noch lange nicht politisch mit ihm übereinstimmen.

Du bist also nicht erst 2014 auf die Straße gegangen, wie viele andere?

Nein, Demos gehörten für uns zum Meinungsausdruck und zum permanenten Prozess der Enttäuschung. Ich habe wie viele andere zB. Rot-Grün als „die Rettung“ gewählt. Oh, sind wir verarscht worden! Ein politisches Trauma. Die nächste Enttäuschung kam dann nach der Geburt meiner Zwillinge. Die waren Frühchen und kamen auf die Intensivstation. Vom 6.9.1989 bis zum 15.11.89 lebten wir alle drei im Krankenhaus, genau in der Zeit fiel die Mauer. Das war bewegend, aber schon 1990 wurde klar, dass es eher eine feindliche Übernahme war. Wegen meiner Söhne war ich eine lange Zeit „Fernsehaktivistin“. Das änderte sich erst wieder, als wir nach Lüneburg kamen, ganz nah ans Wendland.

Was war der Anlass – und: Was heißt für Dich aktiv sein?

2003 waren das der Überfall der USA auf den Irak und die Hartz-Gesetze, die ins Gespräch kamen. Dieser massive Eingriff in den Sozialstaat betraf direkt auch meine Kinder und mich. Deshalb fuhr ich 2004 nach Berlin zu der großen Gegen-Demo. Im Bus dorthin lernte ich einige Lüneburger Aktivisten kennen und schloss mich schließlich der kleinen LIgA (Lüneburger Initiative gegen Atomanlagen) an. Als LIgA betrieben wir Aufklärungsarbeit zum Thema Atomenergie, machten eigene Aktionen und waren gut vernetzt mit AktivistInnen aus dem Wendland und aus Geesthacht. Das KKW Krümmel war noch aktiv und Lüneburg lag in der Gefahrenzone. Zum Tschernobyl-Gedenktag 2005 saß ich noch allein mit Schautafel-Paravent in der Fußgängerzone, 2006 hatten wir bereits eine große Veranstaltung mit mehreren Einzel-Events. Außerdem organisierten wir im Herbst 2005 die große Auftaktdemo zum Castor-Transport als Team vor Ort. Als Verbindungsfrau zwischen LIgA und dem Trägerkreis aus großen Organisationen wie dem BUND, der Friedenskooperative, Xtausendmal-quer und anderen lernte ich ein sehr hohes Level an Aktivismus und Organisation kennen. Diese Zeit war aber auch das letzte Mal, dass ich für länger organisiert aktiv war.

Warum?

Ich interessiere mich für verschiedene Themen, das kann ich als Einzelmensch besser nutzen und mich gezielt für Aktionen und Projekte vernetzen oder vernetzen lassen. Ich bin freier, weil ich nur für mich selber spreche, nicht für eine Gruppe oder Organisation. Die sind ja manchmal sehr hermetisch und haben ihren eigenen Jargon. Spricht man dann mit Nichtmitgliedern, heißt es gern „Die muss so reden, die gehört ja dazu.“ Ohne „Label“ einfach von Mensch zu Mensch reden, ist viel fruchtbarer. Zusammenarbeit ergibt sich ja immer mal wieder – so habe ich mit sechs anderen „Unorganisierten“ im Mai 2015 ein Friedensfestival in Lüneburg auf die Beine gestellt. Der Anstoß dazu kam von einem Bekannten der Friedensmahnwache.

Zur Friedensmahnwache stieß ich im Sommer 2014 durch einen Flyer. Ich war regelmäßig dabei und bekam leider auch mit, wie die mediale Schmutzkampagne Wirkung zeigte. Im Sommer hatten wir noch 30 bis 40 Leute im großen Kreis mit Open Mike und tollem Spirit. Durch die Hetze wurden es jede Woche weniger, bis nur noch fünf Leute übrig waren. Ich war enttäuscht, dass sich so viele, gerade auch Alt-Aktivisten, davon so beeinflussen lassen. Durch verschiedene Kanäle hatte ich früh erfahren, was wirklich in der Ukraine und auf dem Maidan passierte, wer da die Strippen zog und wie die Medien das krasse Gegenteil darstellten. Aber selbst die, die das wussten, glaubten den Medien, wenn es um die Mahnwachen ging. Schon verrückt!

Wie finden die Menschen Dich?

Lüneburg ist nicht soo groß, inzwischen kennen mich viele Menschen aus den verschiedensten Bereichen. Ich staune manchmal selber.

Du unterstützt aber auch Projekte, oder?

Soweit es mir möglich ist, gerne! Wie free21 zum Beispiel – aber das weißt du ja.

Stimmt. Danke – auch dafür!

Stephan Bartunek

Geboren 1977 in Scheibbs, ist Stefan Bartunek wohnhaft in Wien, von Beruf Schauspieler und freischaffender Künstler, Vater eines Sohnes sowie Gründungsmitglied des Portals Gruppe42. Zu seinen Hobbys gehören seine Ragdoll-Katzen, Lesen, Spielen (Brett, PC, Playstation) und das Sammeln von Comics.

 

Wie verträgt sich der Beruf des Schauspielers mit Friedensaktivismus?

Als ich mit der Mahnwache anfing, gab es Probleme mit Kollegen, die noch blind glaubten, was in der Zeitung steht. Das führte zu entsprechenden Diskussionen. Aber das war gut so. Jetzt habe ich mich umorientiert. Ich mache immer noch Stücke, bei denen ich Geld verdiene, aber an kleineren Theatern in Mödling oder im Waldviertel. Darüber hinaus arbeite ich für einen Verein.

Du hast also keine wirtschaftlichen Probleme?

Nein. Ich lebe halbwegs bescheiden, mir fehlt es an nichts, obwohl ich meinen Konsum stark eingeschränkt habe. Zum Beispiel kaufe ich elektrische Geräte nur noch über Willhaben.
Ausgelöst durch die Mahnwachen habe ich begonnen, mein Konsumverhalten zu hinterfragen. Man kommt auch nicht dran vorbei zu fragen: Was essen wir eigentlich? Sind das noch Lebensmittel oder nur Nahrungsmittel?

Die Mahnwachen waren für Dich ein Wendepunkt?

Das kann man so sagen. Seit Frühjahr 2014 bin ich aktiv, vorher war ich interessiert, aber nicht engagiert. Der drohende Ukraine-Krieg, die Eskalation, die sich abzeichnete, die räumliche Nähe zu dem Kriegsschauplatz fast im Herzen Europas – das hat mich alles nicht losgelassen. Ich wollte handeln. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich, wie viele andere, ein Polit- und Medien-Konsument. Ich habe Bücher, Magazine und Zeitungen gelesen, Diskussionsrunden im Fernsehen verfolgt und „wusste“ sehr viel. Um dann zu erkennen, dass ich nichts, dass ich maximal die Hälfte gewusst habe. Mir wurde in dieser Zeit erst bewusst, wie einseitig die Medien sind.

Was heißt das konkret?

Ich hab den Standard und die Presse gelesen – und dachte, damit ein breites Spektrum, von „konservativ-rechts-intellektuell“ bis „liberal-links-intellektuell“ abzudecken. Ich sah mich als linksliberal und war stolz, einer dieser klugen und belesenen Österreicher zu sein, die so ein tolles Medium wie den Standard verstehen, der das liberale offene Publikum anspricht. Ich habe mich erhaben gefühlt! Die Enttäuschung war entsprechend riesig. Was Außenpolitik angeht, ist der Standard genauso rechtsextrem wie die meisten anderen Mainstream-Medien auch. Das soll heißen: Kein radikales und konkretes Infrage-Stellen herrschender Besitzverhältnisse, so gut wie keine Kritik am globalen Militarismus und dem damit verbundenen Apparat, postkoloniale Verhältnisse werden nicht aufgearbeitet und so korrigiert.

Durch die alternativen Medien wurde ich auf anderen Journalismus aufmerksam gemacht. Auf Bücher, auf Filme, auf weiterführende Informationen. Es gibt enorm viele Informationen, die im breiten Mainstream nicht weitergeben werden.

Du sagst, Du warst linksliberal – in manchen Gazetten heißt es heute, dass Du ein Rechter bist? Wo stehst Du denn wirklich?

Dass ich rechts stehe, ist falsch. Es wird als Kampfbegriff missbraucht und somit abwertend verwendet. Einfach und klassisch ausgedrückt würde man mich politisch wohl „links“ einordnen. Passender wäre es aber zu sagen, ich bin Anarchist, ich bin gegen Herrschaft, ich bin Universalist. Für mich ist jeder Mensch gleich an Werten und Rechten. Ich stelle die Eigentumsverhältnisse in Frage. Ich bin gegen Militarismus und stehe den herrschenden Machteliten kritisch gegenüber. Das sind alles klassisch linke Standpunkte.

Warum dann die Diffamierung als Rechter?

Es wird als abwertender Kampfbegriff verwendet und komplett unwissenschaftlich und fern von Fakten missbraucht. Große Teile der Mahnwachen wurden so verunglimpft.

Stimmt das denn nicht?

In den meisten Fällen sicher nicht. Ich war aktiv bei der Mahnwache Wien – im Orga-Team und auch einer der Hauptredner und habe im Dezember 2014 die globale Mahnwache in Wien mitorganisiert, wo ja auch viele Oberösterreicher und Tiroler dabei waren. Auch bei Mahnwachen in Linz, St. Pölten sowie auf Veranstaltungen in Deutschland habe ich gesprochen. Im Spätherbst 2015 war aber Schluss. Es wurden immer weniger, die Jungen, also Schüler und Studenten blieben weg, dafür kamen Teilnehmer dazu oder gewannen mehr an Gewicht, die in meinen Augen … sagen wir mal, ein ziemlich schräges Weltbild hatten. Es wurde vor Ufos und Reptiloiden gewarnt, gleichzeitig wurde der Islam immer stärker als Feindbild aufgebaut. Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen.

Was bedeutet für Dich Friedensaktivismus?

Eine schwierige Frage. Ich bin der Meinung, dass wir in einer gewaltorientierten Gesellschaft leben, die auf Herrschaftsstrukturen aufbaut. Friedensarbeit bedeutet für mich Aufklärung rund um  Themen wie War on Terror, Postkolonialismus, Feminismus, Umgang mit Kindern, Umgang mit Minderheiten und schwächer gestellten bzw. unterdrückten Gruppen.

Und dafür bist Du weiter aktiv?

Definitiv – mein Fokus liegt auf der Gruppe42 (www.gruppe42.com), mit der wir viel mehr Menschen erreichen können, als es – leider – bei den Mahnwachen der Fall war.

Wofür steht Gruppe42?

Gruppe42 ist ein Medienportal und YouTube-Kanal, das im Wesentlichen von vier Menschen getragen wird. Wir organisieren Vorträge, Interviews sowie ab und zu Hangouts und orientieren uns an „Per Anhalter durch die Galaxis“. In diesem Klassiker gibt der Computer zwar eine Antwort auf die Frage aller Fragen, aber niemand versteht seine Antwort. Wir machen in Gruppe42 unser Ding rund um die Themen Gesellschaft, menschliches Verhalten und Politik. Wer das nicht versteht, kann sich einen anderen Computer suchen.

Wer kommt zu Euch?

Sehr unterschiedlich. Wir geben verschiedenen Experten zum jeweiligen Thema eine Plattform. Menschen wie Dr. Daniele Ganser, Rainer Rothfuss oder Dirk Pohlmann waren schon bei uns. Bei Hermann Ploppa ging es um Fragen wie „Wie kann es sein, dass sich Rassismus in einer Form ausbreitet, dass er zur industriellen Vernichtung von Menschen führte? Wie agieren Medien und Thinktanks gemeinsam, um die Menschen so weit zu bringen?“. Rüdiger Lenz hat sein Nichtkampf-Prinzip vorgestellt. Es sind unterschiedliche Themen, die aber alle gesellschaftlich relevante Auswirkungen haben. Die Vorträge und Interviews sind auf unserem Kanal abrufbar und wir erreichen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen.

Ihr wolltet ja auch eine Konferenz organisieren, warum kam die nicht zustande?

Ja leider. „Angst essen Zukunft auf“ mussten wir absagen. Es wurde im Vorfeld massiv die Veranstaltung diffamiert, so dass uns Vortragende und die Moderatorinnen kurzfristig ausfielen. Letztere wurden über ihr berufliches und privates Umfeld massiv unter Druck gesetzt. Gegen diese Diffamierung läuft jetzt eine Klage, die wir abwarten, bevor wir den zweiten Anlauf unternehmen.

Kannst du von Gruppe42 leben?

Nein. Es gibt Spenden, aber die sind minimal. Es ist also klassisches Non-Profit.

Danke für Dein Engagement!

Andrea Tosi

1964 in Lugano geboren, lebte er 14 Jahre in San Francisco, jetzt in Zug in der Schweiz. Er studierte Sozialpsychologie sowie Grafik-Design in den USA, beschäftigt sich in Vollzeit mit Repeace. Hobbies sind Sport, Design, Kino, Kochen, Lachen und Hunde.

 

Du hast Repeace ins Leben gerufen. Was ist das?

Repeace ist eine Verantwortungskampagne mit dem Ziel, den Spaltungen in der Gesellschaft und im Aktivismus ein Ende zu setzen. Nur im Team kann eine „Friedensmannschaft“ erfolgreich sein. Einfach gesagt: Mit Repeace möchte ich dazu beitragen, ein neues kollektives Bewusstsein unter Aktivisten zu schaffen.

Und seit wann engagierst Du Dich dafür?

Die Idee entstand 2008; im Juni 2009 habe ich sie konkretisiert, und seitdem engagiere ich mich Vollzeit dafür. Das hat natürlich auch mit Konsumverzicht zu tun, bedeutet: Weniger Luxus. Anfangs habe ich Repeace von meinen Reserven finanziert; seit vier Jahren unterstützt mich meine Familie, weil auch sie daran glauben, dass so eine Teambildung dringend notwendig ist.

Warum?

Viele Aktivisten werden von den Hauptmedien verleumdet und diffamiert. Dem müssen wir entgegenwirken. Dafür braucht es auch Marketing-Methoden, um wieder ein sachlich korrektes Bild in der Öffentlichkeit herzustellen. Darum habe ich für Repeace auch eine neue Grafik entwickelt – Rebranding eben. Das meiste an Aktivismus verpufft, es geht viel Energie verloren. Das war in San Francisco besonders deutlich zu sehen.

Was hat Dich gestört?

Mein Mailaccount war voller Spendenanfragen, Petitionen und Initiativen. Ich fing an Organisationen zu blockieren. Bei zwei Aktionen war ich aktiv dabei. Einmal bei den „Torch Relay 2008“ Protesten, die von AVAAZ organisiert waren, sowie bei der Protestkampagne gegen die Diskriminierung schwuler Hochzeiten. Es war einfach frustrierend: Entweder wurde gar nicht oder nur kurz und negativ berichtet. Mir wurde immer deutlicher, dass alles irgendwie gesteuert ist. Wir sollen das Gefühl haben, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit bestehen – aber der Einfluss von Protesten wird kontrolliert. Die Eliten haben das im Griff und sind uns drei bis vier Schritte voraus. Dass z.B. AVAAZ letztlich nur eine Gatekeeper-Organisation ist, musste ich auch erst lernen. Obwohl die Bewegung sehr populär war, konnten wir nichts durchsetzen. So war das Friedenszeichen 2007 in San Francisco total angesagt, dort war ja auch die Wiege der Friedensbewegung. Allen waren die illegalen Kriege der USA in Afghanistan und Irak bewusst, aber zu nennenswertem Protest führte das nicht mehr wie früher. Es gab nur einzelne Aktionen wegen Diskriminierung, GMO, Nachhaltigkeit, Abu Ghraib, Menschenrechte und Demokratisierung. Alle hofften bei ihrer Revolution im Gange auf Obama – auch in Bezug auf Demokratisierung – aber es passierte nichts. Das Hippie-Zeichen war Vergangenheit. Es war überall, aber es gab kein echtes Engagement.

Wo siehst Du die Ursachen?

Es gab nichts, was die Menschen und Aktionen verband. Passen Projekte nicht zusammen, arbeiten sie gegeneinander. Fließen dagegen Visionen zusammen, wie beispielsweise bei KenFM, Free21 und Human Connection, kommt es zu Synergien.

Und wie willst Du das ändern?Ich beschäftigte mich damit, was eine Friedensbewegung im 21. Jahrhundert sein soll, was Frieden bedeutet. Wir müssen aufhören, Frieden durch die Augen des Krieges zu definieren. Schon Gandhi sagte: Der Feind ist die Angst. Frieden heißt Abwesenheit von Angst. Das ist nicht nur eine praktischere Definition, sondern Basis jeglichen Aktivismus. Angst führt uns in den Kampf – wir sind immer GEGEN etwas. Um uns von diesen Ängsten befreien zu können, müssen wir Angst verstehen und wenn wir “Frieden” anstreben, sollten wir FÜR etwas anstehen. Angst ist eine Medaille mit zwei Seiten. Die Angst wird von den Regierungen ausgenutzt und missbraucht. So hören wir ständig, dass z.B. Terroristen unseren Lebensstil bedrohen und uns zerstören wollen. Mit diesem Narrativ der Angst wollen sie die Zustimmung der Menschen für ihre eigenen Ziele erhalten. Wir sollen durch die manipulative Nutzung der Angst gelenkt werden. Es gibt unzählige Ängste, die bei uns viel mehr den Wunsch nach „Frieden” rufen: Angst vor der Korruption der Demokratie, Angst vor schmutzigen Energien, Angst vor genmanipulierter Nahrung… Diese Ängste sind die Emotionen, die uns auch international verbinden – in Europa, USA, Afrika – alle Aktivisten sind im gleichen Team, das verbindet uns über alle Grenzen. Diese Angst wird von den 1% der Mächtigen manipulativ – also negativ – genutzt. Das Wissen darüber lässt sich aber auch positiv nutzen. Das ist Strategie.

Wie denn?

Mit Repeace möchte ich den Menschen bewusst machen, dass Frieden die Abwesenheit von Angst ist, und eine alternative Weltanschauung für den Frieden präsentieren. Damit man FÜR etwas ist und nicht gegen etwas. Da viele Organisationen inzwischen vom System übernommen wurden, ging es nicht darum, eine neue Organisation zu bilden, sondern zu identifizieren, was Aktivisten verbindet. Repeace ist ein globales Netzwerk von Menschen, die traditionell als „Aktivisten“ bezeichnet werden: Künstler, Schriftsteller, Landwirte, Mütter, Lehrer, Studenten, Arbeiter, Designer, Spiritualisten, die das ganze Konzept von Frieden stärken wollen. Das oberste Prinzip dabei ist, eigenverantwortliches Verhalten verhindert Konflikte. Jeder kann selbst entscheiden, ob er verantwortlich oder unverantwortlich handelt. Das können Politiker und Konzerne-Lenker ebenso tun, wie jeder einzelne Mensch auf der Straße. Hinter den drei Versprechen finden sich die Menschen zusammen, da es positive Ziele sind.

Welche sind die drei Versprechen?

1. Ich werde Unternehmen unterstützen, deren Fokus eine nachhaltige und lokale Wirtschaft ist, und nicht das Lobbying.
2. Ich werde Vertreter unterstützen, die mir Rechenschaft schuldig sind, und nicht privaten Interessengruppen.
3. Ich werde Länder unterstützen, die Meinungsfreiheit fördern und verteidigen.

Damit deckt man alle wichtigen Themenbereiche durch ihre Werte im positiven Sinne ab. Ausführliche Informationen für den deutschsprachigen Raum findet man unter www.repeace.de.

Wo ist Repeace aktiv, und wie viele Menschen engagieren sich?

Es gibt eine deutschsprachige sowie ein US-amerikanische Plattform. Wir haben um die 15.000 Unterstützer, und ich stehe mit Aktivisten in der ganzen Welt in Kontakt. In Island hat man sich das Konzept bereits angeschaut und nach einer isländischen Plattform gefragt. Solch ein Feedback ist sehr motivierend und treibt einen an, weiter zu machen.

Viel Erfolg dabei – Dir und uns allen!