Kasachstan:

Warum die Unruhen in Kasachstan offensichtlich eine weitere Farbrevolution sind

Die Anzeichen verdichten sich, dass es sich bei den Unruhen in Kasachstan um eine weitere vom Westen orchestrierte Farbrevolution handelt.

Von Published On: 10. März 2022Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 06.01.2022 auf www.antispiegel.ru unter der URL <https://www.anti-spiegel.ru/2022/warum-die-unruhen-in -kasachstan-offensichtlich–eine-weitere-farbrevolution-sind/> veröffentlicht. Lizenz: © 2018–2021 Anti-Spiegel, Thomas Röper

Demonstranten auf dem zentralen Platz von Aktobe am 4. Januar 2022
(Foto: Esetok, wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Nachdem ich in meinem ersten Artikel über die Unruhen in Kasachstan noch zurückhaltend mit einer Einschätzung war, bin ich mir nun aufgrund der Reaktionen des Westens sicher, dass es sich bei den Unruhen in dem Land um eine vom Westen orchestrierte Farbrevolution handelt. Das, und auch warum Kasachstan den USA so wichtig ist, will ich hier erklären.

Kasachstan in der Geopolitik

Das erklärte Ziel der Politik der USA ist es, Russland zu isolieren. Das gilt vor allem für die Beziehungen zu Russlands Nachbarn und Verbündeten. Kasachstan ist beides: Russlands Nachbar, ein enger politischer Freund Russlands und im Rahmen der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) auch Russlands Verbündeter. Die OVKS ist ein Verteidigungsbündnis, in dem sich einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion zusammengeschlossen haben, darunter unter anderem Russland, Weißrussland und Kasachstan.

Hinzu kommt, dass Kasachstan sehr reich an Öl und Gas ist und auch seine geografische Lage ist für die USA interessant, denn Kasachstan liegt zwischen Russland und China. Für die USA wäre es wie ein Lottogewinn, wenn sie Kasachstan auf ihre Seite ziehen und so einen (geografischen) Keil zwischen Russland und China treiben könnten. Von einer mittelfristigen Perspektive, dort US-Militärbasen aufzubauen, ganz zu schweigen.

Die USA – und damit auch ihre europäischen Satellitenstaaten – haben also allen Grund, sich einen Regimechange in Kasachstan zu wünschen.

Die Proteste

Der Grund für die Proteste in Kasachstan war die Aufhebung der staatlichen Subventionen für Gas, mit dem die Kasachen ihre Autos betanken. Aber obwohl die Subventionen nach Beginn der Proteste wieder eingeführt wurden und sogar die Regierung entlassen wurde, haben sich die Proteste nicht beruhigt, sondern sind eskaliert.

Dass die Proteste in Kasachstan nicht einfach Proteste unzufriedener Bürger sind, zeigen die Bilder aus Kasachstan, am Ende dieses Artikels verlinke und übersetze ich einen Bericht des russischen Fernsehens über die Proteste, der sich sehr von dem unterscheidet, was man im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt.

Die Demonstranten gehen brutal vor und seit Beginn der Proteste wurden explizit Polizisten und Soldaten angegriffen. Bis zum Abend des 6. Januar wurden 18 Sicherheitskräfte von den Demonstranten getötet [1]. Die Demonstranten haben auch Regierungsgebäude, darunter auch Waffenlager der Sicherheitskräfte gestürmt und sich bewaffnet. Es handelt sich also um bürgerkriegsähnliche Zustände, bei denen gezielt Polizisten und Soldaten angegriffen werden, aber eben nicht um friedliche Proteste.

Die Reaktionen des Westens

Wie der Westen über Unruhen in einem Land denkt, kann man sehr deutlich an den Kommentaren des Westens erkennen. Wenn es in einem westlichen oder pro-westlichen Land Unruhen gibt, werden die Demonstranten beschuldigt, Feinde der Demokratie zu sein und die Proteste scharf verurteilt. Wir erinnern uns als einleuchtendes Beispiel an die Stürmung des Kapitols in Washington. Politik und Medien waren deswegen entsetzt und unterstützen es, dass etwa 700 Menschen deswegen angeklagt sind und mit langjährigen Haftstrafen rechnen müssen.

Wenn es hingegen zu Unruhen kommt, die der Westen gut findet, weil der Westen sich in einem Land eine andere Regierung wünscht, dann ruft der Westen die Regierung des betroffenen Landes auf, die Menschenrechte zu achten, nicht hart gegen die Demonstranten vorzugehen und so weiter. Genau das erleben wir aktuell im Fall Kasachstans und im Westen kritisiert niemand das brutale Vorgehen der Demonstranten gegen die Sicherheitskräfte und die Ermordung von 18 Polizisten und Soldaten, die Stürmung von Regierungsgebäuden (inklusive eines Präsidentenpalastes) und so weiter.

Der Westen zeigt also sehr deutlich, auf wessen Seite seine Sympathien sind und da in Kasachstan viele westliche NGOs tätig sind, die auch Erfahrungen mit Farbrevolutionen haben, ist davon auszugehen, dass der Westen, so wie auch bei vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit, seine Finger im Spiel hat. Details dazu, wie solche westlichen NGOs in der Vergangenheit Regimechanges durchgeführt haben finden Sie unter [2].

Kasachstan ruft seine Verbündeten zu Hilfe

Der kasachische Präsident hat die Vorgänge in seinem Land am 5. Januar als Aggression von außen bezeichnet und seine Verbündeten von der OVKS um Hilfe gebeten [3]. Das kam im Westen nicht gut an, die EU zum Beispiel hat nicht von den Demonstranten gefordert, die Gewalt einzustellen, sondern Forderungen an die OVKS gestellt:

„Wir haben die Entscheidung von Präsident Tokajew, die OVKS um Unterstützung zu bitten, zur Kenntnis genommen. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir von den OVKS-Streitkräften erwarten, dass sie die Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans respektieren.“ [4]

Niemand in der OVKS hat ein Problem mit der Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans, im Gegenteil. Und Präsident Tokajew hat die Verbündeten selbst um Hilfe gebeten. Daher ist diese Erklärung der EU mehr als merkwürdig. Jedenfalls habe ich nie eine vergleichbare Erklärung aus Brüssel gehört, in der die EU sich Sorgen um die Souveränität und Unabhängigkeit eines Landes macht, wenn ein Staat US-Truppen um Hilfe gebeten hat.

Das Weiße Haus kommentierte die Hilfe der OVKS folgendermaßen:

„Wir verfolgen aufmerksam die Berichte, dass die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit ihre kollektiven Friedenstruppen nach Kasachstan entsandt hat. Wir haben Zweifel an der Art des Ersuchens [Kasachstans] und ob es sich um eine rechtmäßige Einladung handelt oder nicht.“ [5]

Auch das ist eine mehr als merkwürdige Erklärung, denn was soll daran unrechtmäßig sein, wenn ein Land seine Verbündeten um militärische Hilfe bittet? Die USA sind in so vielen Ländern militärisch aktiv, die die USA nicht einmal eingeladen haben, dass diese Erklärung des Weißen Hauses nur als zynisch bezeichnet werden kann.

Almaty. Ein ausgebrannter Streifenwagen der Polizei Hyundai Elantra nahe der Studios der Fernsehgesellschaften am 10.1.2022 (Foto: Kalabaha1969, wikimedia.org, CC-0 1.0)

Die Lage in Kasachstan

Nun kommen wir zu dem Bericht des russischen Fernsehens aus Kasachstan vom Abend des 6. Januar, den ich übersetzt habe. Ich empfehle Ihnen, sich den Bericht anzuschauen, denn zusammen mit meiner Übersetzung ist er auch ohne Russisch-Kenntnisse verständlich und er zeigt Bilder, die in Deutschland nicht gezeigt werden [6]. Nach der Übersetzung kommen wir noch kurz zu der Frage, ob die Ereignisse in Kasachstan Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Russland und den USA haben, die am 10. Januar beginnen.

Beginn der Übersetzung:

Gestern Nacht herrschten in Almaty Chaos und Anarchie. Wer zufällig auf der Straße war, musste von einer Deckung zur anderen rennen, da überall Schüsse fielen. Organisierte bewaffnete Banden sind in der Stadt unterwegs. Sie haben die Arsenale mehrerer Polizei-Dienststellen und das lokale Büro des Nationalen Sicherheitskomitees besetzt. Die Mitarbeiter der Behörde verlassen das Gebäude mit erhobenen Händen.

Auch Plünderer hatten freie Hand: Supermärkte, Geschäfte und Bankfilialen wurden vollständig geplündert. Letztere wurden mit Baumaschinen angegangen.

Einige Einheimische versuchen vergeblich, die Plünderungen zu stoppen. Aber viele der Plünderer haben Waffen und schrecken nicht davor zurück, sie zu benutzen.

Die Plünderer zerstörten die Büros von fünf Fernsehsendern, die sie zunächst plünderten und dann in Brand setzten. Die Spezialeinheiten der Armee waren die ganze Nacht über in der Stadt. Im Morgengrauen begann in Almaty eine Anti-Terror-Operation.

Sie begannen vom zentralen Platz aus, wo Spezialeinheiten der Armee und gepanzerte Fahrzeuge mehrere Dutzend bewaffnete Mitglieder von Banden einkreisten, die Stadt von Radikalen zu säubern. Um die Mittagszeit wurden an den Eingängen der Stadt Barrikaden errichtet, offenbar um die Sicherheitskräfte daran zu hindern, Verstärkung heranzuziehen. Im Zentrum wurde die Säuberung fortgesetzt. Hier durchsuchen Soldaten ein Fahrzeug, in dem mehrere Karabiner gefunden wurden. Im Zentrum von Almaty kam es zu regelrechten Straßenkämpfen.

Zusätzliche Armeekräfte werden in das Zentrum verlegt, in den Straßen bedrohen umherstreifende Banditen die Anwohner, die mit ihren Handys aus den Fenstern ihrer Wohnungen filmen.

Bei Einbruch der Dunkelheit sind auf dem zentralen Platz von Almaty weiterhin Schüsse zu hören. Die Anti-Terror-Operation zur Säuberung der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans von bewaffneten Gruppen und Extremisten wird fortgesetzt.

Ende der Übersetzung

Die Gespräche zwischen Russland und den USA

Für den 10. Januar sind die ersten Gespräche zwischen Russland und den USA über gegenseitige Sicherheitsgarantien angesetzt, worum es dabei geht, können Sie unter [7] nachlesen. Da es eine der Forderungen Russlands ist, dass die USA aufhören, in Russlands Nachbarschaft Regime-Changes zu organisieren, dürften die Ereignisse in Kasachstan kaum zu einer Verbesserung des Gesprächsklimas beitragen, auch wenn die USA natürlich behaupten werden, mit den Ereignissen in Kasachstan nichts zu tun zu haben.

Das Weiße Haus teilte auf eine Frage von Journalisten mit, dass die Ereignisse in Kasachstan keinen Einfluss auf die anstehenden Gespräche haben würden. Ob Russland das genauso sieht, bleibt abzuwarten [8].

 

In meinem Buch „Abhängig beschäftigt – Wie Deutschlands führende Politiker im Interesse der wirklich Mächtigen handeln“ habe ich mich sehr intensiv mit weiteren Themen rund um die komplexen Zusammenhänge der gesteuerten Politik im Westen und deren brisanten Verstrickungen mit einer ganzen Reihe von Organisationen beschäftigt und dabei einiges zu Tage gefördert.

Das Buch ist aktuell in diesem Monat erschienen und ausschließlich über den J.K.Fischer Verlag bestellbar.

https://www.j-k-fischer-verlag.de

Quellen:

[1] archive.today, The company is now valued [1] Russisches Magazin Tass, „Число погибших казахстанских силовиков возросло до 18“(„Die Zahl der Todesopfer unter kasachischen Sicherheitsbeamten steigt auf 18“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366209>
[2] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Aus Anlass der Rassenunruhen: Wie leicht Proteste gesteuert werden können“, am 7.6.2020 <https://www.anti-spiegel.ru/2020/am-beispiel-der-rassenunruhen-wie-leicht-proteste-gesteuert-werden-koennen/>
[3] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Die nächste Farbrevolution? Der kasachische Präsident spricht von einem Angriff aus dem Ausland“, am 5.1.2022 <https://www.anti-spiegel.ru/2022/die-naechste-farbrevolution-der-kasachische-praesident-spricht-von-einem-angriff-aus-dem-ausland/>
[4] Russisches Magazin Tass, „ЕС призвал миротворческие силы ОДКБ „соблюдать суверенитет и независимость Казахстана““ („Die EU forderte die OVKS-Friedenstruppen auf, „die Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans zu beachten“„), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13363895>;
see also: Weisses Haus homepage, Pressesekretär Jen Psaki, am 6.1.2022 <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/press-briefings/2022/01/06/press-briefing-by-press-secretary-jen-psaki-january-6-2022/>
[5] Russisches Magazin Tass, „Псаки: у США есть вопросы о законности запроса Казахстана на развертывание сил ОДКБ“ („Psaki: Die USA haben Fragen zur Rechtmäßigkeit des Antrags Kasachstans, CSTO-Truppen einzusetzen“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366731>
[6] Russisches Magazin Vesti, Alexander Bilibow, „Хаос и анархия: в Алма-Ате продолжается антитеррористическая операция“ („Chaos und Anarchie: Die Antiterroroperation in Alma-Ata geht weiter“), am 6.1.2022 <https://www.vesti.ru/article/2660916>
[7] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Säbelrasseln und Verhandlungen: Russland und die USA ringen um Sicherheitsgarantien“, am 4.1.2022 <https://www.anti-spiegel.ru/2022/saebelrasseln-und-verhandlungen-russland-und-die-usa-ringen-um-sicherheitsgarantien/>
[8] Russisches Magazin Tass, „Белый дом: отправка сил ОДКБ в Казахстан не влияет на переговоры РФ и США по безопасности“ („Weißes Haus: Die Entsendung von CSTO-Streitkräften nach Kasachstan hat keinen Einfluss auf die Sicherheitsgespräche zwischen Russland und den USA“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366783>

Kasachstan:

Warum die Unruhen in Kasachstan offensichtlich eine weitere Farbrevolution sind

Die Anzeichen verdichten sich, dass es sich bei den Unruhen in Kasachstan um eine weitere vom Westen orchestrierte Farbrevolution handelt.

Von Published On: 10. März 2022Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 06.01.2022 auf www.antispiegel.ru unter der URL <https://www.anti-spiegel.ru/2022/warum-die-unruhen-in -kasachstan-offensichtlich–eine-weitere-farbrevolution-sind/> veröffentlicht. Lizenz: © 2018–2021 Anti-Spiegel, Thomas Röper

Demonstranten auf dem zentralen Platz von Aktobe am 4. Januar 2022
(Foto: Esetok, wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Nachdem ich in meinem ersten Artikel über die Unruhen in Kasachstan noch zurückhaltend mit einer Einschätzung war, bin ich mir nun aufgrund der Reaktionen des Westens sicher, dass es sich bei den Unruhen in dem Land um eine vom Westen orchestrierte Farbrevolution handelt. Das, und auch warum Kasachstan den USA so wichtig ist, will ich hier erklären.

Kasachstan in der Geopolitik

Das erklärte Ziel der Politik der USA ist es, Russland zu isolieren. Das gilt vor allem für die Beziehungen zu Russlands Nachbarn und Verbündeten. Kasachstan ist beides: Russlands Nachbar, ein enger politischer Freund Russlands und im Rahmen der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) auch Russlands Verbündeter. Die OVKS ist ein Verteidigungsbündnis, in dem sich einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion zusammengeschlossen haben, darunter unter anderem Russland, Weißrussland und Kasachstan.

Hinzu kommt, dass Kasachstan sehr reich an Öl und Gas ist und auch seine geografische Lage ist für die USA interessant, denn Kasachstan liegt zwischen Russland und China. Für die USA wäre es wie ein Lottogewinn, wenn sie Kasachstan auf ihre Seite ziehen und so einen (geografischen) Keil zwischen Russland und China treiben könnten. Von einer mittelfristigen Perspektive, dort US-Militärbasen aufzubauen, ganz zu schweigen.

Die USA – und damit auch ihre europäischen Satellitenstaaten – haben also allen Grund, sich einen Regimechange in Kasachstan zu wünschen.

Die Proteste

Der Grund für die Proteste in Kasachstan war die Aufhebung der staatlichen Subventionen für Gas, mit dem die Kasachen ihre Autos betanken. Aber obwohl die Subventionen nach Beginn der Proteste wieder eingeführt wurden und sogar die Regierung entlassen wurde, haben sich die Proteste nicht beruhigt, sondern sind eskaliert.

Dass die Proteste in Kasachstan nicht einfach Proteste unzufriedener Bürger sind, zeigen die Bilder aus Kasachstan, am Ende dieses Artikels verlinke und übersetze ich einen Bericht des russischen Fernsehens über die Proteste, der sich sehr von dem unterscheidet, was man im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt.

Die Demonstranten gehen brutal vor und seit Beginn der Proteste wurden explizit Polizisten und Soldaten angegriffen. Bis zum Abend des 6. Januar wurden 18 Sicherheitskräfte von den Demonstranten getötet [1]. Die Demonstranten haben auch Regierungsgebäude, darunter auch Waffenlager der Sicherheitskräfte gestürmt und sich bewaffnet. Es handelt sich also um bürgerkriegsähnliche Zustände, bei denen gezielt Polizisten und Soldaten angegriffen werden, aber eben nicht um friedliche Proteste.

Die Reaktionen des Westens

Wie der Westen über Unruhen in einem Land denkt, kann man sehr deutlich an den Kommentaren des Westens erkennen. Wenn es in einem westlichen oder pro-westlichen Land Unruhen gibt, werden die Demonstranten beschuldigt, Feinde der Demokratie zu sein und die Proteste scharf verurteilt. Wir erinnern uns als einleuchtendes Beispiel an die Stürmung des Kapitols in Washington. Politik und Medien waren deswegen entsetzt und unterstützen es, dass etwa 700 Menschen deswegen angeklagt sind und mit langjährigen Haftstrafen rechnen müssen.

Wenn es hingegen zu Unruhen kommt, die der Westen gut findet, weil der Westen sich in einem Land eine andere Regierung wünscht, dann ruft der Westen die Regierung des betroffenen Landes auf, die Menschenrechte zu achten, nicht hart gegen die Demonstranten vorzugehen und so weiter. Genau das erleben wir aktuell im Fall Kasachstans und im Westen kritisiert niemand das brutale Vorgehen der Demonstranten gegen die Sicherheitskräfte und die Ermordung von 18 Polizisten und Soldaten, die Stürmung von Regierungsgebäuden (inklusive eines Präsidentenpalastes) und so weiter.

Der Westen zeigt also sehr deutlich, auf wessen Seite seine Sympathien sind und da in Kasachstan viele westliche NGOs tätig sind, die auch Erfahrungen mit Farbrevolutionen haben, ist davon auszugehen, dass der Westen, so wie auch bei vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit, seine Finger im Spiel hat. Details dazu, wie solche westlichen NGOs in der Vergangenheit Regimechanges durchgeführt haben finden Sie unter [2].

Kasachstan ruft seine Verbündeten zu Hilfe

Der kasachische Präsident hat die Vorgänge in seinem Land am 5. Januar als Aggression von außen bezeichnet und seine Verbündeten von der OVKS um Hilfe gebeten [3]. Das kam im Westen nicht gut an, die EU zum Beispiel hat nicht von den Demonstranten gefordert, die Gewalt einzustellen, sondern Forderungen an die OVKS gestellt:

„Wir haben die Entscheidung von Präsident Tokajew, die OVKS um Unterstützung zu bitten, zur Kenntnis genommen. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir von den OVKS-Streitkräften erwarten, dass sie die Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans respektieren.“ [4]

Niemand in der OVKS hat ein Problem mit der Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans, im Gegenteil. Und Präsident Tokajew hat die Verbündeten selbst um Hilfe gebeten. Daher ist diese Erklärung der EU mehr als merkwürdig. Jedenfalls habe ich nie eine vergleichbare Erklärung aus Brüssel gehört, in der die EU sich Sorgen um die Souveränität und Unabhängigkeit eines Landes macht, wenn ein Staat US-Truppen um Hilfe gebeten hat.

Das Weiße Haus kommentierte die Hilfe der OVKS folgendermaßen:

„Wir verfolgen aufmerksam die Berichte, dass die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit ihre kollektiven Friedenstruppen nach Kasachstan entsandt hat. Wir haben Zweifel an der Art des Ersuchens [Kasachstans] und ob es sich um eine rechtmäßige Einladung handelt oder nicht.“ [5]

Auch das ist eine mehr als merkwürdige Erklärung, denn was soll daran unrechtmäßig sein, wenn ein Land seine Verbündeten um militärische Hilfe bittet? Die USA sind in so vielen Ländern militärisch aktiv, die die USA nicht einmal eingeladen haben, dass diese Erklärung des Weißen Hauses nur als zynisch bezeichnet werden kann.

Almaty. Ein ausgebrannter Streifenwagen der Polizei Hyundai Elantra nahe der Studios der Fernsehgesellschaften am 10.1.2022 (Foto: Kalabaha1969, wikimedia.org, CC-0 1.0)

Die Lage in Kasachstan

Nun kommen wir zu dem Bericht des russischen Fernsehens aus Kasachstan vom Abend des 6. Januar, den ich übersetzt habe. Ich empfehle Ihnen, sich den Bericht anzuschauen, denn zusammen mit meiner Übersetzung ist er auch ohne Russisch-Kenntnisse verständlich und er zeigt Bilder, die in Deutschland nicht gezeigt werden [6]. Nach der Übersetzung kommen wir noch kurz zu der Frage, ob die Ereignisse in Kasachstan Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Russland und den USA haben, die am 10. Januar beginnen.

Beginn der Übersetzung:

Gestern Nacht herrschten in Almaty Chaos und Anarchie. Wer zufällig auf der Straße war, musste von einer Deckung zur anderen rennen, da überall Schüsse fielen. Organisierte bewaffnete Banden sind in der Stadt unterwegs. Sie haben die Arsenale mehrerer Polizei-Dienststellen und das lokale Büro des Nationalen Sicherheitskomitees besetzt. Die Mitarbeiter der Behörde verlassen das Gebäude mit erhobenen Händen.

Auch Plünderer hatten freie Hand: Supermärkte, Geschäfte und Bankfilialen wurden vollständig geplündert. Letztere wurden mit Baumaschinen angegangen.

Einige Einheimische versuchen vergeblich, die Plünderungen zu stoppen. Aber viele der Plünderer haben Waffen und schrecken nicht davor zurück, sie zu benutzen.

Die Plünderer zerstörten die Büros von fünf Fernsehsendern, die sie zunächst plünderten und dann in Brand setzten. Die Spezialeinheiten der Armee waren die ganze Nacht über in der Stadt. Im Morgengrauen begann in Almaty eine Anti-Terror-Operation.

Sie begannen vom zentralen Platz aus, wo Spezialeinheiten der Armee und gepanzerte Fahrzeuge mehrere Dutzend bewaffnete Mitglieder von Banden einkreisten, die Stadt von Radikalen zu säubern. Um die Mittagszeit wurden an den Eingängen der Stadt Barrikaden errichtet, offenbar um die Sicherheitskräfte daran zu hindern, Verstärkung heranzuziehen. Im Zentrum wurde die Säuberung fortgesetzt. Hier durchsuchen Soldaten ein Fahrzeug, in dem mehrere Karabiner gefunden wurden. Im Zentrum von Almaty kam es zu regelrechten Straßenkämpfen.

Zusätzliche Armeekräfte werden in das Zentrum verlegt, in den Straßen bedrohen umherstreifende Banditen die Anwohner, die mit ihren Handys aus den Fenstern ihrer Wohnungen filmen.

Bei Einbruch der Dunkelheit sind auf dem zentralen Platz von Almaty weiterhin Schüsse zu hören. Die Anti-Terror-Operation zur Säuberung der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans von bewaffneten Gruppen und Extremisten wird fortgesetzt.

Ende der Übersetzung

Die Gespräche zwischen Russland und den USA

Für den 10. Januar sind die ersten Gespräche zwischen Russland und den USA über gegenseitige Sicherheitsgarantien angesetzt, worum es dabei geht, können Sie unter [7] nachlesen. Da es eine der Forderungen Russlands ist, dass die USA aufhören, in Russlands Nachbarschaft Regime-Changes zu organisieren, dürften die Ereignisse in Kasachstan kaum zu einer Verbesserung des Gesprächsklimas beitragen, auch wenn die USA natürlich behaupten werden, mit den Ereignissen in Kasachstan nichts zu tun zu haben.

Das Weiße Haus teilte auf eine Frage von Journalisten mit, dass die Ereignisse in Kasachstan keinen Einfluss auf die anstehenden Gespräche haben würden. Ob Russland das genauso sieht, bleibt abzuwarten [8].

 

In meinem Buch „Abhängig beschäftigt – Wie Deutschlands führende Politiker im Interesse der wirklich Mächtigen handeln“ habe ich mich sehr intensiv mit weiteren Themen rund um die komplexen Zusammenhänge der gesteuerten Politik im Westen und deren brisanten Verstrickungen mit einer ganzen Reihe von Organisationen beschäftigt und dabei einiges zu Tage gefördert.

Das Buch ist aktuell in diesem Monat erschienen und ausschließlich über den J.K.Fischer Verlag bestellbar.

https://www.j-k-fischer-verlag.de

Quellen:

[1] archive.today, The company is now valued [1] Russisches Magazin Tass, „Число погибших казахстанских силовиков возросло до 18“(„Die Zahl der Todesopfer unter kasachischen Sicherheitsbeamten steigt auf 18“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366209>
[2] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Aus Anlass der Rassenunruhen: Wie leicht Proteste gesteuert werden können“, am 7.6.2020 <https://www.anti-spiegel.ru/2020/am-beispiel-der-rassenunruhen-wie-leicht-proteste-gesteuert-werden-koennen/>
[3] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Die nächste Farbrevolution? Der kasachische Präsident spricht von einem Angriff aus dem Ausland“, am 5.1.2022 <https://www.anti-spiegel.ru/2022/die-naechste-farbrevolution-der-kasachische-praesident-spricht-von-einem-angriff-aus-dem-ausland/>
[4] Russisches Magazin Tass, „ЕС призвал миротворческие силы ОДКБ „соблюдать суверенитет и независимость Казахстана““ („Die EU forderte die OVKS-Friedenstruppen auf, „die Souveränität und Unabhängigkeit Kasachstans zu beachten“„), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13363895>;
see also: Weisses Haus homepage, Pressesekretär Jen Psaki, am 6.1.2022 <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/press-briefings/2022/01/06/press-briefing-by-press-secretary-jen-psaki-january-6-2022/>
[5] Russisches Magazin Tass, „Псаки: у США есть вопросы о законности запроса Казахстана на развертывание сил ОДКБ“ („Psaki: Die USA haben Fragen zur Rechtmäßigkeit des Antrags Kasachstans, CSTO-Truppen einzusetzen“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366731>
[6] Russisches Magazin Vesti, Alexander Bilibow, „Хаос и анархия: в Алма-Ате продолжается антитеррористическая операция“ („Chaos und Anarchie: Die Antiterroroperation in Alma-Ata geht weiter“), am 6.1.2022 <https://www.vesti.ru/article/2660916>
[7] Anti-Spiegel Magazin, Thomas Röper, „Säbelrasseln und Verhandlungen: Russland und die USA ringen um Sicherheitsgarantien“, am 4.1.2022 <https://www.anti-spiegel.ru/2022/saebelrasseln-und-verhandlungen-russland-und-die-usa-ringen-um-sicherheitsgarantien/>
[8] Russisches Magazin Tass, „Белый дом: отправка сил ОДКБ в Казахстан не влияет на переговоры РФ и США по безопасности“ („Weißes Haus: Die Entsendung von CSTO-Streitkräften nach Kasachstan hat keinen Einfluss auf die Sicherheitsgespräche zwischen Russland und den USA“), am 6.1.2022 <https://tass.ru/mezhdunarodnaya-panorama/13366783>