Kommentar:

Kickers Würzburg, Felix Magath und die Meinungsfreiheit

Auf den ersten Blick sieht es wie eine Groteske aus dem Regional-Sport aus: In Würzburg gibt es einen Disput um die Kickers Würzburg und die Meinungsfreiheit, der mittlerweile vor Gericht ausgetragen wird und die Wahlen beeinflusst. Offenbar geht es nicht anders in Deutschland.

Von Published On: 5. März 2020Kategorien: Innenpolitik

Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die jeweils benannten Autoren verantwortlich. Die Inhalte der Artikel und Kommentare spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Das Stadion in Würzburg: Die Flyeralarm Arena beim Benefiz-Fußballspiel zwischen der Dirk Nowitzki Stiftung und der Manuel Neuer Stiftung am 23. Juni 2013. (Foto: Florian Krenz, commons.wikimedia.org, CC-BY-SA-3.0)

Der Hintergrund: Der örtliche Fußballclub Kickers Würzburg könnte erneut den Aufstieg in die 2. Liga schaffen. Wo er schon einmal war, dann aber wieder abstieg. Die Kickers Würzburg sind kein bedeutender Verein, aber das sollte man besser nicht öffentlich in Würzburg sagen, wenn man auf ein strahlendes Lächeln mit vollständigem Gebiss wert legt.
Und es gibt tatsächlich ein Umfeld, dass die Sache interessant macht. Denn: Die Würzburger Fußballszene liegt im Einflussfeld von Bayern München. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern Realität. Der weniger bedeutende Erzfeind der Bayern ist der 1. FC Nürnberg. Franken hin, Bayern her, Würzburg und Nürnberg passen offenbar genau so wenig zusammen wie Mann und Frau – würde Loriot sagen.
Das Würzburger Problem: Wenn die Kickers den Aufstieg in die 2. Liga schaffen, dann wäre ein Umbau des Stadions oder ein Neubau fällig. Der DFB hat Regeln für Zweitliga-Vereine, zum Beispiel, dass die Tribüne überdacht sein muss. Was, Sie ahnen es, in Würzburg nicht der Fall ist.
Mit dem Aufstieg sind also nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch Kosten verbunden. In der Stadtverwaltung ist für die Verhandlungen wegen des Stadions ein Mann zuständig, der auf seinem privaten Facebook-Profil stolz das Banner des 1. FC Nürnberg führt.
Was einem ehemaligen Stadtrat und früherem Mitglied der Linken zugesteckt wurde. Im Wortsinn. Der fand in seinem Briefkasten Unterlagen zu dem Sachverhalt 2. Liga, Stadion-Umbau und Stadion-Neubau. Und die bekam er nicht von einem anderen Linken, sondern von einer Person, die eigentlich ein politischer Gegner ist. Denn Fußball ist ein festeres Band als das Parteiprogramm. Das kann man sogar sympathisch finden. Menschlich ist es allemal. Der ehemalige Stadtrat ist ein Mann, der eher mit überzeugten Bayern der Kickers Provinienz kann, als mit Sozis oder Grünen. „Mir san mir!“. So ist es halt. Es droht also eine bayrisch-katholische-linke-konservative-Querfront.
Erst recht, weil die Dokumente, die ihm als bayrischen Whistleblower zugesteckt wurden, belegen, dass der zuständige Mann bei der Stadt Würzburg bekennender Fan des 1. FC Nürnberg ist. Also kein Freund der Kickers Würzburg. Man könnte, wenn man es theatralisch liebt, vom Feind im eigenen Bett sprechen. Oder sich fragen, wenn man etwas nüchterner und pragmatischer veranlagt ist, ob das eine glückliche Konstruktion ist.
Die internen Dokumente schufen jedenfalls ein schweres juristisches Problem. Von der Stadt Würzburg wurde ein Verfahren gegen den ehemaligen Stadtrat angestrengt, wegen des Skandals, dass er die ihm zugespielten Unterlagen auf einem YouTube Regionalkanal mit dem schönen Namen WueTube publik gemacht hatte. Das war 2017, nun geht es aber in die nächste Runde.
Die Stadt war und ist der Meinung, dass der Mann als ehemaliger Stadtrat unter einer Art lebenslangen Schweigepflicht stünde. Außerdem wollte sie – ganz im Julian-Assange-Stil – wissen, wer ihm die Unterlagen zugänglich gemacht habe, um auch diese Person juristisch belangen zu können. Erstaunlicherweise fiel der Begriff „Hochverrat“ nicht in der Anklage. Aber er steht zwischen den Zeilen, sozusagen.
Das Amtsgericht entschied zu Gunsten des ehemaligen Stadtrates, mit der Aussage, dass es keinen politischen Prozess wolle und unter Verweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Meinungsfreiheit. Aber die Staatsanwaltschaft ging sofort in Berufung gegen das skandalöse Urteil. Natürlich. Wo kämen wir sonst auch hin.

Die 2. Bundesliga ist also ein Politikum in Würzburg. Und ein verfassungsrechtlich relevanter Vorgang, denn jetzt geht es um die Meinungsfreiheit. Wie weit reicht sie?
Und jetzt wird auch noch Felix Magath als Berater der Kickers Würzburg ins Spiel gebracht, im Wortsinn. Was die Gefahr des Aufstiegs und des Stadion-Umbaus natürlich relevant verschärft. Am 28. April wird deshalb erneut ein bayrisches Gericht entscheiden.
Also, bleiben Sie dran! In der nächsten Folge von „Kickers Würzburg“ erfahren Sie:
· ob der ehemalige Stadtrat in den Hochsicherheitsknast Belmarsh
zu Julian Assange verlegt wird?
· ob ein Sondergesandter des Erzbistums eine Flucht über geheime
Verbindungen ermöglicht?
· ob es eine bayrische Kickers-Koalition aus katholischer Kirche,
CSU und Linke geben wird?
· ob es einen neuen 30jährigen Krieg gibt?
UND
· ob die Kickers Würzburg aufsteigen?
Bis dahin könnte ein preußischer Grundsatz weiterhelfen: „Tiefer hängen, das Ganze!“
 

Kommentar:

Kickers Würzburg, Felix Magath und die Meinungsfreiheit

Auf den ersten Blick sieht es wie eine Groteske aus dem Regional-Sport aus: In Würzburg gibt es einen Disput um die Kickers Würzburg und die Meinungsfreiheit, der mittlerweile vor Gericht ausgetragen wird und die Wahlen beeinflusst. Offenbar geht es nicht anders in Deutschland.

Von Published On: 5. März 2020Kategorien: Innenpolitik

Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die jeweils benannten Autoren verantwortlich. Die Inhalte der Artikel und Kommentare spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Das Stadion in Würzburg: Die Flyeralarm Arena beim Benefiz-Fußballspiel zwischen der Dirk Nowitzki Stiftung und der Manuel Neuer Stiftung am 23. Juni 2013. (Foto: Florian Krenz, commons.wikimedia.org, CC-BY-SA-3.0)

Der Hintergrund: Der örtliche Fußballclub Kickers Würzburg könnte erneut den Aufstieg in die 2. Liga schaffen. Wo er schon einmal war, dann aber wieder abstieg. Die Kickers Würzburg sind kein bedeutender Verein, aber das sollte man besser nicht öffentlich in Würzburg sagen, wenn man auf ein strahlendes Lächeln mit vollständigem Gebiss wert legt.
Und es gibt tatsächlich ein Umfeld, dass die Sache interessant macht. Denn: Die Würzburger Fußballszene liegt im Einflussfeld von Bayern München. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern Realität. Der weniger bedeutende Erzfeind der Bayern ist der 1. FC Nürnberg. Franken hin, Bayern her, Würzburg und Nürnberg passen offenbar genau so wenig zusammen wie Mann und Frau – würde Loriot sagen.
Das Würzburger Problem: Wenn die Kickers den Aufstieg in die 2. Liga schaffen, dann wäre ein Umbau des Stadions oder ein Neubau fällig. Der DFB hat Regeln für Zweitliga-Vereine, zum Beispiel, dass die Tribüne überdacht sein muss. Was, Sie ahnen es, in Würzburg nicht der Fall ist.
Mit dem Aufstieg sind also nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch Kosten verbunden. In der Stadtverwaltung ist für die Verhandlungen wegen des Stadions ein Mann zuständig, der auf seinem privaten Facebook-Profil stolz das Banner des 1. FC Nürnberg führt.
Was einem ehemaligen Stadtrat und früherem Mitglied der Linken zugesteckt wurde. Im Wortsinn. Der fand in seinem Briefkasten Unterlagen zu dem Sachverhalt 2. Liga, Stadion-Umbau und Stadion-Neubau. Und die bekam er nicht von einem anderen Linken, sondern von einer Person, die eigentlich ein politischer Gegner ist. Denn Fußball ist ein festeres Band als das Parteiprogramm. Das kann man sogar sympathisch finden. Menschlich ist es allemal. Der ehemalige Stadtrat ist ein Mann, der eher mit überzeugten Bayern der Kickers Provinienz kann, als mit Sozis oder Grünen. „Mir san mir!“. So ist es halt. Es droht also eine bayrisch-katholische-linke-konservative-Querfront.
Erst recht, weil die Dokumente, die ihm als bayrischen Whistleblower zugesteckt wurden, belegen, dass der zuständige Mann bei der Stadt Würzburg bekennender Fan des 1. FC Nürnberg ist. Also kein Freund der Kickers Würzburg. Man könnte, wenn man es theatralisch liebt, vom Feind im eigenen Bett sprechen. Oder sich fragen, wenn man etwas nüchterner und pragmatischer veranlagt ist, ob das eine glückliche Konstruktion ist.
Die internen Dokumente schufen jedenfalls ein schweres juristisches Problem. Von der Stadt Würzburg wurde ein Verfahren gegen den ehemaligen Stadtrat angestrengt, wegen des Skandals, dass er die ihm zugespielten Unterlagen auf einem YouTube Regionalkanal mit dem schönen Namen WueTube publik gemacht hatte. Das war 2017, nun geht es aber in die nächste Runde.
Die Stadt war und ist der Meinung, dass der Mann als ehemaliger Stadtrat unter einer Art lebenslangen Schweigepflicht stünde. Außerdem wollte sie – ganz im Julian-Assange-Stil – wissen, wer ihm die Unterlagen zugänglich gemacht habe, um auch diese Person juristisch belangen zu können. Erstaunlicherweise fiel der Begriff „Hochverrat“ nicht in der Anklage. Aber er steht zwischen den Zeilen, sozusagen.
Das Amtsgericht entschied zu Gunsten des ehemaligen Stadtrates, mit der Aussage, dass es keinen politischen Prozess wolle und unter Verweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Meinungsfreiheit. Aber die Staatsanwaltschaft ging sofort in Berufung gegen das skandalöse Urteil. Natürlich. Wo kämen wir sonst auch hin.

Die 2. Bundesliga ist also ein Politikum in Würzburg. Und ein verfassungsrechtlich relevanter Vorgang, denn jetzt geht es um die Meinungsfreiheit. Wie weit reicht sie?
Und jetzt wird auch noch Felix Magath als Berater der Kickers Würzburg ins Spiel gebracht, im Wortsinn. Was die Gefahr des Aufstiegs und des Stadion-Umbaus natürlich relevant verschärft. Am 28. April wird deshalb erneut ein bayrisches Gericht entscheiden.
Also, bleiben Sie dran! In der nächsten Folge von „Kickers Würzburg“ erfahren Sie:
· ob der ehemalige Stadtrat in den Hochsicherheitsknast Belmarsh
zu Julian Assange verlegt wird?
· ob ein Sondergesandter des Erzbistums eine Flucht über geheime
Verbindungen ermöglicht?
· ob es eine bayrische Kickers-Koalition aus katholischer Kirche,
CSU und Linke geben wird?
· ob es einen neuen 30jährigen Krieg gibt?
UND
· ob die Kickers Würzburg aufsteigen?
Bis dahin könnte ein preußischer Grundsatz weiterhelfen: „Tiefer hängen, das Ganze!“