Jemen-Krieg geht jenseits des Medienrummels weiter

Die Washington Post verpasst ihm sogar einen positiven Spin, indem sie behauptet, der Krieg habe die Gleichstellung der Geschlechter in dem verwüsteten Land verbessert.

Von Published On: 10. Februar 2023Kategorien: Krieg & Frieden

Dieser Artikel wurde zuerst am 11.01.2022 auf www.covertactionmagazine.com/ unter der URL <https://covertactionmagazine.com/ 2023/01/11/yemen-war-continues-beyond-media-spotlight/> Felix Abt, Covert Action Magazine, CC BY-NC-ND 4.0

Zerstörung im Süden Sanaas durch einen Luftangriff vom 12. Juni 2015 während der Operation Restoring Hope (Foto: 13. Juni 2015) (Foto: Ibrahem Qasim, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Ein unerwartetes Ergebnis des Krieges im Jemen: „Mehr Männer kochen und putzen“, berichtete die Washington Post [1] im Jahr 2016 über die sozialen und kulturellen Auswirkungen des Krieges. Die scheinbar gute Seite dieses von den USA geförderten Völkermords: die Gleichstellung der Geschlechter!

Dass jemenitische Männer, sofern sie noch nicht von amerikanischen und europäischen Bomben in die Luft gesprengt wurden, ihren Frauen die Hausarbeit abnehmen, dürfte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock freuen, die eine „feministische Außenpolitik“ [2] betreibt.

Überraschenderweise berichtete der US-Mainstream-Sender MSNBC am 16. Dezember 2022 [6] ziemlich einsam aus der tristen, uniformen westlichen Medienwüste:

„Nur wenige Menschen haben es bemerkt, aber der US-Senat war Anfang dieser Woche sehr nahe dran, Amerikas Komplizenschaft mit Saudi-Arabiens Krieg im Jemen [7] zu beenden. Doch genau derjenige, der geschworen hatte, diesen Krieg zu beenden, griff ein und verhinderte, dass der Senat tätig wurde – Präsident Joe Biden.“

Das ehemals führende deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet täglich (siehe zum Beispiel hier [8]) über „Russlands Angriffskrieg“ gegen die Ukraine. Der vom Westen unterstützte Angriffskrieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen, der einen unvergleichlich höheren Blutzoll fordert, findet in diesem Magazin – und in den übrigen europäischen Mainstream-Medien – kaum Beachtung. Sie verurteilen und dämonisieren Putin täglich, aber nicht die saudischen Herrscher und ihre westlichen Unterstützer.

Bei einem Protest von Huthis gegen Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz zeigt ein Teilnehmer ein Bild des Huthi-Führers Abdul-Malik Badreddin al-Houthi, am 4.9.2015.
(Foto: Henry Ridgwell, Wikimedia Commons, CC-PD-Mark)

Ein Grund für die Beteiligung der USA am Jemen-Krieg unter der Obama-Regierung war es, „Riads Widerstand gegen ein Atomabkommen mit dem Iran zu dämpfen, durch die Unterstützung einer aggressiven, von Saudi-Arabien geführten Reaktion auf den als schnell wachsend empfundenen iranischen Einfluss in arabischen Ländern“.

Ein anderer war, dass für US-Militärkommandeure „der Kampf gegen den Iran strategische Priorität vor dem Kampf gegen al-Qaida und ISIL hatte“, obwohl „einige hochrangige Offiziere die Unterstützung Washingtons für die von Riad angeführte Intervention in Frage stellten, von der sie glaubten, sie sei zum Scheitern verurteilt“, wie Al Jazeera [9] im April 2015 berichtete.

Da die Houthi-Minderheit im Jemen Schiiten sind, beschuldigte das sunnitische Saudi-Arabien sie, Vasallen des Rivalen Iran zu sein. Einem Bericht von Newsweek [10] vom Februar 2015 zufolge, kämpfen die Houthis „für Dinge, nach denen sich alle Jemeniten sehnen: Rechenschaftspflicht der Regierung, das Ende der Korruption, regelmäßige Versorgungsleistungen, faire Kraftstoffpreise, Arbeitsmöglichkeiten für einfache Jemeniten und das Ende des westlichen Einflusses“.

Wie al-Qaida und ihr syrischer Ableger al-Shabaab ist der IS (ISIL, ISIS oder auch Daesh genannt) eine wahhabitische Terrororganisation, die weitgehend von wohlhabenden saudischen Wahhabiten finanziert wird. Im Jemen wurden sie von den Schiiten (Houthis) und in Syrien von einer Regierung mit einem alawitischen Präsidenten (Alawiten sind enge Verwandte der Schiiten) mit russischer Unterstützung erfolgreich bekämpft, weil die Vereinigten Staaten diese wahhabitischen Terrororganisationen dort ebenfalls unterstützten, um einen Regime-Wechsel herbeizuführen.

Die politische Instabilität im Jemen begann nach dem von den USA unterstützten Aufstand des „Arabischen Frühlings“ im Jahr 2011, der Präsident Saleh stürzte. Der damalige Vizepräsident Hadi wurde für eine zweijährige Amtszeit bis zu den geplanten Wahlen zum Interimspräsidenten Jemens ernannt.

Im Jahr 2014 führte die Frustration der Jemeniten über die grassierende Korruption, die Arbeitslosigkeit und die steigenden Treibstoffpreise zu Unruhen im gesamten Jemen, bei denen auch Forderungen nach einem unabhängigen Südjemen laut wurden. Im September marschierten Kämpfer des Houthi-Stammes mit Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Saleh in die Hauptstadt Sanaa ein. Hadi floh nach Saudi-Arabien.

Mit dem erklärten Ziel, den vom Westen unterstützten Hadi wieder an die Macht zu bringen, schloss sich Saudi-Arabien 2015 mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zu einer Koalition aus neun arabischen Ländern zusammen. Die Koalition wurde von den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Kanada unterstützt.

Als Rechtfertigung für den Angriffskrieg behauptet die saudische und westliche Propaganda, die Houthis seien lediglich Agenten des Iran. Der stolze Stamm weist solche Behauptungen zurück. Der Jemen-Experte Stephen Zunes, Professor für Politik und internationale Studien an der Universität von San Francisco, erklärte gegenüber Al Jazeera: „Im Gegensatz zu einigen [mit dem Iran verbündeten; Anm. vom Autor] Milizen im Irak und in Syrien waren die Houthis nie ein iranischer Proxy [11] (eng.: Proxy = Stellvertreter; Anm. d. Red.). Sie haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Probleme und ihre eigene Agenda.“ [Hervorhebung hinzugefügt vom Autor.]

Und wie üblich spielen auch hier überwältigende Interessen auf Seiten Washingtons eine Rolle: Mehrere US-Kongressabgeordnete profitieren von den Waffenlieferungen an die Ukraine, weil sie Investoren der Rüstungsfirmen sind [12]. Es sind dieselben Kriegsgewinnler, die den Stellvertreterkrieg in der Ukraine eskalieren ließen, die kein Interesse an einer Beendigung des Krieges im Jemen haben.

Zur Erinnerung: Nach Angaben der UN ist dieser Krieg die größte humanitäre Katastrophe der Welt [13]. Er hat bereits Hunderttausende von Opfern gefordert, und 20 Millionen der 30 Millionen Einwohner des Jemen hungern in dem vom Krieg verwüsteten Land.

Wenn der Westen gewollt hätte, wäre es nie zu diesem Krieg gekommen oder er wäre schon längst mit einem Federstrich beendet worden. Das saudische Regime hätte ohne amerikanische Unterstützung keine zwei Wochen [14] überleben können, wie der damalige US-Präsident Trump seinen Gastgebern in Saudi-Arabien auf seine eigene, sehr direkte Weise mitteilte.

Das jemenitische Volk hat das Pech, nicht „gut“ zu sein – wie die banderistischen [15] westlichen Ukrainer – und ist einem Stellvertreterkrieg gegen den Iran ausgesetzt, der vom US-geführten liberal-demokratischen Westen unterstützt wird. Die westlichen Medien haben kaum über das laufende Massaker berichtet.

Die Solidaritätsbekundungen westlicher Politiker und Prominenter sind im Vergleich zu denen, die auf die Ukraine niederprasseln, äußerst selten, und Sanktionen gegen die Verursacher und Unterstützer dieses „guten“ Krieges – der unvergleichlich mehr Tod und Verwüstung verursacht als der Krieg in der Ukraine – werden nicht angestrebt. All das passt perfekt zu den moralisch erhabenen „Werten des Westens“.

Quellen:

[1] The Washington Post Tageszeitung, Sudarsan Raghavan, „An unexpected result of Yemen’s war: More men are cooking and cleaning“ („Eine unerwartete Folge des Jemenkriegs: Mehr Männer kochen und putzen“), am 11.12.2016: <https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/an-unexpected-result-of-yemens-war-more-men-are-cooking-and-cleaning/2016/12/09/7dcaf69d-642d-4fd4-8e74-44e189cb778b_story.html>
[2] Auswärtiges Amt BRD Bundesbehörde, Annalena Baerbock „Speech by Foreign Minister Annalena Baerbock at the Conference on Shaping Feminist Foreign Policy“ („Rede von Außenministerin Annalena Baerbock auf der Konferenz zur Gestaltung feministischer Außenpolitik“, am 12.9.2022: <https://www.auswaertiges-amt.de/en/newsroom/news/feminist-foreign-policy/2551610>
[3] Institut Montaigne Denkfabrik, Ronja Kempin „Stronger Together – Germany: a Clear Threat Perception but an Abstract Debate“ („Gemeinsam stärker – Deutschland: Klare Bedrohungswahrnehmung, aber abstrakte Debatte“) am 25.2.2021: <https://www.institutmontaigne.org/en/analysis/stronger-together-germany-clear-threat-perception-abstract-debate>
[4] Twitter Mikroblogging-Dienst, Tulsi Gabbard „Warmongers argue that we must protect Ukraine because it is a “democracy.” But they’re lying. Ukraine isn‘t actually a democracy. To hold onto power, Ukraine‘s president shut down the 3 TV stations that criticized him, and imprisoned…“ („Kriegstreiber argumentieren, dass wir die Ukraine schützen müssen, weil sie eine „Demokratie“ ist. Aber sie lügen. Die Ukraine ist eigentlich keine Demokratie. Um an der Macht zu bleiben, schloss der ukrainische Präsident die 3 Fernsehsender, die ihn kritisierten, und inhaftierte …“), am 19.2.2022: <https://twitter.com/tulsigabbard/status/1494981580468621313>
[5] BRICS Informationsportal, Uriel Araujo „Ukrainian human rights infringements being covered-up in information war“, („Ukrainische Menschenrechtsverletzungen werden im Informationskrieg vertuscht“), am 4.5.2022: <https://infobrics.org/post/35659>
[6] MSNBC Nachrichtenmagazin, Trita Parsi „While MBS undermines America, Joe Biden has his back on Yemen“ („Während MBS Amerika untergräbt, hält Joe Biden dem Jemen den Rücken frei“), am 15.12.2022: <https://www.msnbc.com/opinion/msnbc-opinion/yemen-biden-war-powers-resolution-bernie-rcna61893?mc_cid=ea468ae9f4&mc_eid=831503a369>
[7] MSNBC Nachrichtenmagazin, Trita Parsi „Biden is enabling America‘s indefensible history with Saudi Arabia“ („Biden ermöglicht Amerikas unhaltbare Geschichte mit Saudi-Arabien“), am 25.1.2022: <https://www.msnbc.com/opinion/biden-enabling-america-s-indefensible-history-saudi-arabia-n1287941>
[8] Der Spiegel Magazn,  Ann-Dorit Boy und Severin Weiland „Kommt ein Sondertribunal für Putin?“, am 9.12.2022: <https://www.spiegel.de/ausland/russlands-angriffskrieg-kommt-ein-sondertribunal-fuer-wladimir-putin-a-64acf1cf-78f0-479c-bed1-ee870c87df94>
[9] Al Jazeera Nachrichtensender, Marc Perry „US generals: Saudi intervention in Yemen ‘a bad idea’“ („US-Generäle: Saudische Intervention im Jemen „eine schlechte Idee“„), am 17.4.2015: <http://america.aljazeera.com/articles/2015/4/17/us-generals-think-saudi-strikes-in-yemen-a-bad-idea.html>
[10] Newsweek Nachrichtenmagazin, Radaktion „Rise of the Houthis“ („Aufstieg der Houthis“), am 9.2.2015: <https://www.newsweek.com/photo-essay-rise-houthis-305511>
[11] Al Jazeera Nachrichtensender, Thomas O. Falk „The limits of Iran’s influence on Yemen’s Houthi rebels“ („Die Grenzen des Einflusses des Iran auf die Houthi-Rebellen im Jemen“), am 8.3.2022: <https://www.aljazeera.com/news/2022/3/8/the-limits-of-irans-influence-on-yemens-houthi-rebels>
[12] Yahoo News Nachrichten-Website, Kimberly Leonard „20 members of Congress personally invest in top weapons contractors that‘ll profit from the just-passed $40 billion Ukraine aid package“ („20 Mitglieder des Kongresses investieren persönlich in Top-Waffenlieferanten, die von dem gerade verabschiedeten 40-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine profitieren werden“), am 19.5.2022: <https://news.yahoo.com/american-made-javelin-stinger-missiles-151206719.html?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmRlLw&guce_referrer_sig=AQAAACb_VyvcTGGopfPDjhDfM37ReDeE53q2czdpljve8HSBlK-ggy5fuPABgR-HTcR6DHt-Goc8WbLXoOeWyEdXTq8XljngAGnDk1BpTsr60Q_VoD_G3wXm-cMXPNZVc1JEgYvZKLTuDbcOUyyMhThqW7KzFAEo85KveixTAmyQ_PpG>
[13] Al Jazeera Nachrichtensender, Videostream „Yemen: Why is the world’s worst humanitarian crisis ignored?“ („Jemen: Warum wird die schlimmste humanitäre Krise der Welt ignoriert?“), am 28.3.2022: <https://www.aljazeera.com/program/the-stream/2022/3/28/yemen-why-is-the-worlds-worst-humanitarian-crisis-ignored>
[14] AP Associated Press Presseagentur, Jon Gambrell „Trump: Saudi king wouldn’t last 2 weeks without US support“ („Trump: Der saudische König würde keine 2 Wochen ohne US-Unterstützung überleben“), am 3.10.2018: <https://apnews.com/article/055ecc1e204141a2ab38b906d7e11606>
[15] The Ukrainien Weekly Nachrichtenmagazin, Roman Tymotsko „Local governments name stadiums after Bandera and Shukhevych, provoking protest from Israel and Poland“ („Lokale Regierungen benennen Stadien nach Bandera und Shukhevych, was zu Protesten in Israel und Polen führt“), am 19.3.2021: <https://www.ukrweekly.com/uwwp/local-governments-name-stadiums-after-bandera-and-shukhevych-provoking-protest-from-israel-and-poland/>

Jemen-Krieg geht jenseits des Medienrummels weiter

Die Washington Post verpasst ihm sogar einen positiven Spin, indem sie behauptet, der Krieg habe die Gleichstellung der Geschlechter in dem verwüsteten Land verbessert.

Von Published On: 10. Februar 2023Kategorien: Krieg & Frieden

Dieser Artikel wurde zuerst am 11.01.2022 auf www.covertactionmagazine.com/ unter der URL <https://covertactionmagazine.com/ 2023/01/11/yemen-war-continues-beyond-media-spotlight/> Felix Abt, Covert Action Magazine, CC BY-NC-ND 4.0

Zerstörung im Süden Sanaas durch einen Luftangriff vom 12. Juni 2015 während der Operation Restoring Hope (Foto: 13. Juni 2015) (Foto: Ibrahem Qasim, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Ein unerwartetes Ergebnis des Krieges im Jemen: „Mehr Männer kochen und putzen“, berichtete die Washington Post [1] im Jahr 2016 über die sozialen und kulturellen Auswirkungen des Krieges. Die scheinbar gute Seite dieses von den USA geförderten Völkermords: die Gleichstellung der Geschlechter!

Dass jemenitische Männer, sofern sie noch nicht von amerikanischen und europäischen Bomben in die Luft gesprengt wurden, ihren Frauen die Hausarbeit abnehmen, dürfte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock freuen, die eine „feministische Außenpolitik“ [2] betreibt.

Überraschenderweise berichtete der US-Mainstream-Sender MSNBC am 16. Dezember 2022 [6] ziemlich einsam aus der tristen, uniformen westlichen Medienwüste:

„Nur wenige Menschen haben es bemerkt, aber der US-Senat war Anfang dieser Woche sehr nahe dran, Amerikas Komplizenschaft mit Saudi-Arabiens Krieg im Jemen [7] zu beenden. Doch genau derjenige, der geschworen hatte, diesen Krieg zu beenden, griff ein und verhinderte, dass der Senat tätig wurde – Präsident Joe Biden.“

Das ehemals führende deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet täglich (siehe zum Beispiel hier [8]) über „Russlands Angriffskrieg“ gegen die Ukraine. Der vom Westen unterstützte Angriffskrieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen, der einen unvergleichlich höheren Blutzoll fordert, findet in diesem Magazin – und in den übrigen europäischen Mainstream-Medien – kaum Beachtung. Sie verurteilen und dämonisieren Putin täglich, aber nicht die saudischen Herrscher und ihre westlichen Unterstützer.

Bei einem Protest von Huthis gegen Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz zeigt ein Teilnehmer ein Bild des Huthi-Führers Abdul-Malik Badreddin al-Houthi, am 4.9.2015.
(Foto: Henry Ridgwell, Wikimedia Commons, CC-PD-Mark)

Ein Grund für die Beteiligung der USA am Jemen-Krieg unter der Obama-Regierung war es, „Riads Widerstand gegen ein Atomabkommen mit dem Iran zu dämpfen, durch die Unterstützung einer aggressiven, von Saudi-Arabien geführten Reaktion auf den als schnell wachsend empfundenen iranischen Einfluss in arabischen Ländern“.

Ein anderer war, dass für US-Militärkommandeure „der Kampf gegen den Iran strategische Priorität vor dem Kampf gegen al-Qaida und ISIL hatte“, obwohl „einige hochrangige Offiziere die Unterstützung Washingtons für die von Riad angeführte Intervention in Frage stellten, von der sie glaubten, sie sei zum Scheitern verurteilt“, wie Al Jazeera [9] im April 2015 berichtete.

Da die Houthi-Minderheit im Jemen Schiiten sind, beschuldigte das sunnitische Saudi-Arabien sie, Vasallen des Rivalen Iran zu sein. Einem Bericht von Newsweek [10] vom Februar 2015 zufolge, kämpfen die Houthis „für Dinge, nach denen sich alle Jemeniten sehnen: Rechenschaftspflicht der Regierung, das Ende der Korruption, regelmäßige Versorgungsleistungen, faire Kraftstoffpreise, Arbeitsmöglichkeiten für einfache Jemeniten und das Ende des westlichen Einflusses“.

Wie al-Qaida und ihr syrischer Ableger al-Shabaab ist der IS (ISIL, ISIS oder auch Daesh genannt) eine wahhabitische Terrororganisation, die weitgehend von wohlhabenden saudischen Wahhabiten finanziert wird. Im Jemen wurden sie von den Schiiten (Houthis) und in Syrien von einer Regierung mit einem alawitischen Präsidenten (Alawiten sind enge Verwandte der Schiiten) mit russischer Unterstützung erfolgreich bekämpft, weil die Vereinigten Staaten diese wahhabitischen Terrororganisationen dort ebenfalls unterstützten, um einen Regime-Wechsel herbeizuführen.

Die politische Instabilität im Jemen begann nach dem von den USA unterstützten Aufstand des „Arabischen Frühlings“ im Jahr 2011, der Präsident Saleh stürzte. Der damalige Vizepräsident Hadi wurde für eine zweijährige Amtszeit bis zu den geplanten Wahlen zum Interimspräsidenten Jemens ernannt.

Im Jahr 2014 führte die Frustration der Jemeniten über die grassierende Korruption, die Arbeitslosigkeit und die steigenden Treibstoffpreise zu Unruhen im gesamten Jemen, bei denen auch Forderungen nach einem unabhängigen Südjemen laut wurden. Im September marschierten Kämpfer des Houthi-Stammes mit Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Saleh in die Hauptstadt Sanaa ein. Hadi floh nach Saudi-Arabien.

Mit dem erklärten Ziel, den vom Westen unterstützten Hadi wieder an die Macht zu bringen, schloss sich Saudi-Arabien 2015 mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zu einer Koalition aus neun arabischen Ländern zusammen. Die Koalition wurde von den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Kanada unterstützt.

Als Rechtfertigung für den Angriffskrieg behauptet die saudische und westliche Propaganda, die Houthis seien lediglich Agenten des Iran. Der stolze Stamm weist solche Behauptungen zurück. Der Jemen-Experte Stephen Zunes, Professor für Politik und internationale Studien an der Universität von San Francisco, erklärte gegenüber Al Jazeera: „Im Gegensatz zu einigen [mit dem Iran verbündeten; Anm. vom Autor] Milizen im Irak und in Syrien waren die Houthis nie ein iranischer Proxy [11] (eng.: Proxy = Stellvertreter; Anm. d. Red.). Sie haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Probleme und ihre eigene Agenda.“ [Hervorhebung hinzugefügt vom Autor.]

Und wie üblich spielen auch hier überwältigende Interessen auf Seiten Washingtons eine Rolle: Mehrere US-Kongressabgeordnete profitieren von den Waffenlieferungen an die Ukraine, weil sie Investoren der Rüstungsfirmen sind [12]. Es sind dieselben Kriegsgewinnler, die den Stellvertreterkrieg in der Ukraine eskalieren ließen, die kein Interesse an einer Beendigung des Krieges im Jemen haben.

Zur Erinnerung: Nach Angaben der UN ist dieser Krieg die größte humanitäre Katastrophe der Welt [13]. Er hat bereits Hunderttausende von Opfern gefordert, und 20 Millionen der 30 Millionen Einwohner des Jemen hungern in dem vom Krieg verwüsteten Land.

Wenn der Westen gewollt hätte, wäre es nie zu diesem Krieg gekommen oder er wäre schon längst mit einem Federstrich beendet worden. Das saudische Regime hätte ohne amerikanische Unterstützung keine zwei Wochen [14] überleben können, wie der damalige US-Präsident Trump seinen Gastgebern in Saudi-Arabien auf seine eigene, sehr direkte Weise mitteilte.

Das jemenitische Volk hat das Pech, nicht „gut“ zu sein – wie die banderistischen [15] westlichen Ukrainer – und ist einem Stellvertreterkrieg gegen den Iran ausgesetzt, der vom US-geführten liberal-demokratischen Westen unterstützt wird. Die westlichen Medien haben kaum über das laufende Massaker berichtet.

Die Solidaritätsbekundungen westlicher Politiker und Prominenter sind im Vergleich zu denen, die auf die Ukraine niederprasseln, äußerst selten, und Sanktionen gegen die Verursacher und Unterstützer dieses „guten“ Krieges – der unvergleichlich mehr Tod und Verwüstung verursacht als der Krieg in der Ukraine – werden nicht angestrebt. All das passt perfekt zu den moralisch erhabenen „Werten des Westens“.

Quellen:

[1] The Washington Post Tageszeitung, Sudarsan Raghavan, „An unexpected result of Yemen’s war: More men are cooking and cleaning“ („Eine unerwartete Folge des Jemenkriegs: Mehr Männer kochen und putzen“), am 11.12.2016: <https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/an-unexpected-result-of-yemens-war-more-men-are-cooking-and-cleaning/2016/12/09/7dcaf69d-642d-4fd4-8e74-44e189cb778b_story.html>
[2] Auswärtiges Amt BRD Bundesbehörde, Annalena Baerbock „Speech by Foreign Minister Annalena Baerbock at the Conference on Shaping Feminist Foreign Policy“ („Rede von Außenministerin Annalena Baerbock auf der Konferenz zur Gestaltung feministischer Außenpolitik“, am 12.9.2022: <https://www.auswaertiges-amt.de/en/newsroom/news/feminist-foreign-policy/2551610>
[3] Institut Montaigne Denkfabrik, Ronja Kempin „Stronger Together – Germany: a Clear Threat Perception but an Abstract Debate“ („Gemeinsam stärker – Deutschland: Klare Bedrohungswahrnehmung, aber abstrakte Debatte“) am 25.2.2021: <https://www.institutmontaigne.org/en/analysis/stronger-together-germany-clear-threat-perception-abstract-debate>
[4] Twitter Mikroblogging-Dienst, Tulsi Gabbard „Warmongers argue that we must protect Ukraine because it is a “democracy.” But they’re lying. Ukraine isn‘t actually a democracy. To hold onto power, Ukraine‘s president shut down the 3 TV stations that criticized him, and imprisoned…“ („Kriegstreiber argumentieren, dass wir die Ukraine schützen müssen, weil sie eine „Demokratie“ ist. Aber sie lügen. Die Ukraine ist eigentlich keine Demokratie. Um an der Macht zu bleiben, schloss der ukrainische Präsident die 3 Fernsehsender, die ihn kritisierten, und inhaftierte …“), am 19.2.2022: <https://twitter.com/tulsigabbard/status/1494981580468621313>
[5] BRICS Informationsportal, Uriel Araujo „Ukrainian human rights infringements being covered-up in information war“, („Ukrainische Menschenrechtsverletzungen werden im Informationskrieg vertuscht“), am 4.5.2022: <https://infobrics.org/post/35659>
[6] MSNBC Nachrichtenmagazin, Trita Parsi „While MBS undermines America, Joe Biden has his back on Yemen“ („Während MBS Amerika untergräbt, hält Joe Biden dem Jemen den Rücken frei“), am 15.12.2022: <https://www.msnbc.com/opinion/msnbc-opinion/yemen-biden-war-powers-resolution-bernie-rcna61893?mc_cid=ea468ae9f4&mc_eid=831503a369>
[7] MSNBC Nachrichtenmagazin, Trita Parsi „Biden is enabling America‘s indefensible history with Saudi Arabia“ („Biden ermöglicht Amerikas unhaltbare Geschichte mit Saudi-Arabien“), am 25.1.2022: <https://www.msnbc.com/opinion/biden-enabling-america-s-indefensible-history-saudi-arabia-n1287941>
[8] Der Spiegel Magazn,  Ann-Dorit Boy und Severin Weiland „Kommt ein Sondertribunal für Putin?“, am 9.12.2022: <https://www.spiegel.de/ausland/russlands-angriffskrieg-kommt-ein-sondertribunal-fuer-wladimir-putin-a-64acf1cf-78f0-479c-bed1-ee870c87df94>
[9] Al Jazeera Nachrichtensender, Marc Perry „US generals: Saudi intervention in Yemen ‘a bad idea’“ („US-Generäle: Saudische Intervention im Jemen „eine schlechte Idee“„), am 17.4.2015: <http://america.aljazeera.com/articles/2015/4/17/us-generals-think-saudi-strikes-in-yemen-a-bad-idea.html>
[10] Newsweek Nachrichtenmagazin, Radaktion „Rise of the Houthis“ („Aufstieg der Houthis“), am 9.2.2015: <https://www.newsweek.com/photo-essay-rise-houthis-305511>
[11] Al Jazeera Nachrichtensender, Thomas O. Falk „The limits of Iran’s influence on Yemen’s Houthi rebels“ („Die Grenzen des Einflusses des Iran auf die Houthi-Rebellen im Jemen“), am 8.3.2022: <https://www.aljazeera.com/news/2022/3/8/the-limits-of-irans-influence-on-yemens-houthi-rebels>
[12] Yahoo News Nachrichten-Website, Kimberly Leonard „20 members of Congress personally invest in top weapons contractors that‘ll profit from the just-passed $40 billion Ukraine aid package“ („20 Mitglieder des Kongresses investieren persönlich in Top-Waffenlieferanten, die von dem gerade verabschiedeten 40-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine profitieren werden“), am 19.5.2022: <https://news.yahoo.com/american-made-javelin-stinger-missiles-151206719.html?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmRlLw&guce_referrer_sig=AQAAACb_VyvcTGGopfPDjhDfM37ReDeE53q2czdpljve8HSBlK-ggy5fuPABgR-HTcR6DHt-Goc8WbLXoOeWyEdXTq8XljngAGnDk1BpTsr60Q_VoD_G3wXm-cMXPNZVc1JEgYvZKLTuDbcOUyyMhThqW7KzFAEo85KveixTAmyQ_PpG>
[13] Al Jazeera Nachrichtensender, Videostream „Yemen: Why is the world’s worst humanitarian crisis ignored?“ („Jemen: Warum wird die schlimmste humanitäre Krise der Welt ignoriert?“), am 28.3.2022: <https://www.aljazeera.com/program/the-stream/2022/3/28/yemen-why-is-the-worlds-worst-humanitarian-crisis-ignored>
[14] AP Associated Press Presseagentur, Jon Gambrell „Trump: Saudi king wouldn’t last 2 weeks without US support“ („Trump: Der saudische König würde keine 2 Wochen ohne US-Unterstützung überleben“), am 3.10.2018: <https://apnews.com/article/055ecc1e204141a2ab38b906d7e11606>
[15] The Ukrainien Weekly Nachrichtenmagazin, Roman Tymotsko „Local governments name stadiums after Bandera and Shukhevych, provoking protest from Israel and Poland“ („Lokale Regierungen benennen Stadien nach Bandera und Shukhevych, was zu Protesten in Israel und Polen führt“), am 19.3.2021: <https://www.ukrweekly.com/uwwp/local-governments-name-stadiums-after-bandera-and-shukhevych-provoking-protest-from-israel-and-poland/>