Russland mittels Ukraine lähmen und ausschalten:

Die Wahrheit ist raus – Die NATO will noch überlegener werden

Schritt für Schritt wird der Konflikt zwischen der NATO und Russland klarer - in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Die Ukraine war für den Westen immer unwichtig, außer als Spielfigur in seinem Spiel. Der Konflikt und der Krieg werden zunehmend eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickeln, die Europa, wenn nicht sogar die ganze Welt zerstören wird. Es sei denn, jemand hält jetzt inne, um sich zu fragen: Wo wird das enden?

Von Published On: 10. Juli 2022Kategorien: Krieg & Frieden

Dieser Text wurde zuerst am 26.4.2022 auf www.transnational.live unter der URL <https://transnational.live/2022/04/26/truth-is-out-nato-wants-to-become-even-more-superior-and-cripple-and-cancel-russia-through-ukraine/> veröffentlicht. Lizenz: Jan Oberg, Transnational.live, CC BY-NC 4.0

(Abbildung: San Jose, Wikipedia, gemeinfrei. Angepasst von der Internetredaktion der LpB BW)

The Guardian (25. April 2022) und mehrere andere Medien brachten die Nachricht über den Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf die Titelseite: Die USA „wollen Russland geschwächt sehen“ – so die sensationelle, schlagzeilenträchtige Äußerungen des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin nach dem Überraschungsbesuch von ihm und Außenminister Antony Blinken in Kiew.

Dies wurde auch im Zusammenhang mit einer weiteren US-Waffenlieferung für die Ukraine (in Höhe von 738 Millionen US-Dollar, womit die gesamte US-Militärhilfe für die Ukraine 3,4 Milliarden US-Dollar übersteigt) [1] und vor dem Treffen am 26. April in Ramstein, Deutschland, erklärt. Dort kamen mehr als 40 Länder zusammen, um ihre Zusammenarbeit bei der weiteren Militarisierung des von der Ukraine ausgehenden Konflikts mit Russland zu intensivieren.

Bitte beachten Sie, dass es kein ähnliches Treffen gegeben hat, bei dem es um die Frage ging, wie der Krieg deeskaliert, vermittelt oder anderweitig beendet werden kann.

Hier ist die Pentagon-Mitschrift dessen, was Austin sagte und Blinken bestätigte [2]:

„Minister AUSTIN: Ich fange einfach an und überlasse es dem Außenminister, seine Gedanken darzulegen. Aber ich denke – und er hat den ersten Teil davon bereits angedeutet. Wir wollen, dass die Ukraine ein souveränes Land bleibt, ein demokratisches Land, das in der Lage ist, sein Hoheitsgebiet zu schützen. Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es die Dinge, die es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann.

Ukraine-Krieg: Militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung ausgewählter Länder für die Ukraine (Statista)

Das Land hat also bereits viele militärische Fähigkeiten und, offen gesagt, auch viele seiner Truppen verloren. Und wir wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Fähigkeit sehr schnell wiederherzustellen. Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft geschlossener auftritt, vor allem die NATO, und das sehen wir, und das beruht erstens auf der harten Arbeit von Präsident Biden, aber auch von unseren Verbündeten und Partnern, die sich bereitwillig mit uns zusammengetan haben, als wir Sanktionen verhängt und sehr schnell demonstriert haben, dass wir jeden Zentimeter der NATO verteidigen werden.

Minister BLINKEN: Ja, und ich habe wirklich nichts hinzuzufügen. Ich denke, der Minister hat es sehr gut gesagt. Danke.“[3]

Julian Borger vom Guardian analysierte daraufhin: „Die Russland-Äußerungen des Pentagon-Chefs zeigen, dass sich die erklärten Ziele der USA in der Ukraine geändert haben“ [4].

In diesem Artikel stellt Borger fest und zitiert:

„Die Äußerungen deuteten darauf hin, dass selbst dann, wenn sich die russischen Streitkräfte aus dem ukrainischen Gebiet, welches sie seit dem 24. Februar besetzt halten, zurückziehen oder vertrieben werden, die USA und ihre Verbündeten versuchen würden, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass Russland seine Streitkräfte wieder aufbaut.

Es deutet auch darauf hin, dass Washington in einer NATO-internen Debatte dazu Stellung bezieht, ob man die Gelegenheit von Wladimir Putins strategischem Fehltritt in der Ukraine nutzen sollte, um zu versuchen seine Fähigkeit zu behindern, andere Länder in Zukunft zu bedrohen.

‚Das Gleichgewicht in der NATO selbst hat sich verschoben‘, sagte Rajan Menon, Direktor des Programms für große Strategie bei der Denkfabrik Defense Priorities. ‚Das Argument scheint nun zu sein, dass es nicht nur um die Ukraine geht, sondern um ein größeres Problem, nämlich um die Bedrohung, die Russland für Europa als Ganzes darstellt. [5] Und wenn man das so sieht, dann ergeben diese Kommentare einen Sinn.‘“

Damit sollte nun jedem, der es sehen will, klar sein: Die NATO ist nicht nur darauf aus, die Ukraine zu unterstützen. Ihr neues, zusätzliches Ziel ist es, die militärischen Fähigkeiten Russlands – für immer – so weit zu reduzieren, dass es nicht mehr in der Lage sein wird, zu seinen Fähigkeiten vor dem Ukraine-Krieg zurückzukehren, die etwa 8 % der NATO-Kapazitäten betragen.

Das heißt, das politische Ziel besteht darin, Russland ein für alle Mal als die bereits kleinere, viel schwächere Bedrohung auszuschalten, die es gegenüber der NATO darstellt.

Schauen wir uns den Hintergrund all dessen an. Bisher waren die gemeinsamen Militärausgaben der NATO etwa 12-mal höher als die Russlands – mit steigender Tendenz. In den Tagen des ersten Kalten Krieges beliefen sich die Militärausgaben des Warschauer Paktes auf etwa 70-75 % der NATO-Ausgaben. Damals – vor 30 bis 40 Jahren – war man sich auf beiden Seiten einig, dass ein Gleichgewicht – das in Bezug auf Waffen, Ausgaben, Feuerkraft, technologische Qualität usw. nur schwer zu messen ist – das Beste für die Stabilität ist und dass Stabilität eine Voraussetzung für Vertrauensbildung und eine Art Friedenserhaltung ist.

Treffen des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, mit dem US-Außenminister, Antony Blinken, und dem US-Verteidigungsminister, Lloyd Austin, am 24.April 2022 in Kiew. (Wikimedia Commons)

Die damalige Philosophie implizierte, dass sich eine Seite bei einem groben Ungleichgewicht unterlegen fühlen und möglicherweise in Panik geraten könnte, bevor sie an relativer Macht verliert, oder dass die stärkere Seite in Hybris verfallen und sich deshalb auf die schwächere Seite stürzen könnte, um sie zu erledigen.

Man glaubte, dass das militärische Kräftegleichgewicht beide Seiten davon abhalten würde, einen Krieg zu beginnen. Und dass es mit der Zeit auch dazu beitragen würde, Vertrauen, Dialog und Vertrauensbildung auf politischer Ebene zu fördern.

All diese Überlegungen wurden von dem überlebenden, jetzt einzigen Bündnis, der NATO, über den Haufen geworfen.

Mit der Sowjetunion und dann Russland auf den Knien gab es – etwa ab 1994 unter der Clinton-Administration – nur eine Politik, die sich in etwa so formulieren lässt:

Nutze die Schwäche Russlands aus, beginne Kriege, die zu beginnen du dich nie getraut hättest, als der Warschauer Pakt noch existierte – wie die Bombardierung Jugoslawiens -, erweitere die NATO-Mitgliedschaften trotz aller Versprechen dies nicht zu tun, die du Präsident Gorbatschow gegeben hast, und empfinde kein Mitleid mit den Russen, beziehe sie nicht ein und hilf ihnen nicht – um Gottes Willen, hilf Gorbatschow nicht, Russland in Richtung einer neuen Version eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates zu bewegen. Lass ihm keine Hilfe zukommen, als er im Juli 1990 vor dem G7-Treffen in London wartete und wirtschaftliche Unterstützung [6] und nicht nur nette Worte über seine Perestroika und Glasnost erwartete.

Man kann sagen, dass es sich damals militärisch gesehen um einen eher symmetrischen Konflikt handelte – das heißt, bevor sowohl die Sowjetunion als auch der Warschauer Pakt zerfielen. Danach wurde er mehr und mehr zu einem a-symmetrischen Konflikt zwischen den 30 NATO-Mitgliedern und Russland.

Damals vertraten sowohl die Transnationale Stiftung als auch dieser Autor die Auffassung, dass die Denkweise der NATO irrelevant und überholt sei und dass man etwas Neues brauche. Die NATO hatte ihre Daseinsberechtigung verloren, da sowohl die Sowjetunion als auch der Warschauer Pakt nicht mehr existierten. Aber der Westen verlangte einfach immer mehr von Russland und erklärte sich zum mehr oder weniger ewigen Sieger.

Lesen Sie darüber in „Leaving the Cold War Behind“ (1989) [7] und „Nordic Security in the 1990s. Ein skeptischer Beitrag“ (1992) [8].

Ranking der 20 Länder mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr 2021 (Statista)

Der politische Autismus der NATO

Während es gut dokumentiert ist, dass wichtige westliche Politiker Präsident Gorbatschow versprachen, die NATO keinen Zentimeter zu erweitern – und ihn so dazu brachten, das vereinigte Deutschland in der NATO zu akzeptieren -, beschloss die Clinton-Regierung, diese Versprechen einfach zu brechen, indem sie begann, sich auf Georgien, die baltischen Republiken und die Ukraine zu konzentrieren und sie als potenzielle NATO-Mitglieder zu umwerben. Sie richtete 1994 ihr Büro in Kiew ein [9].

Die Präsidenten George H. W. Bush und Michail Gorbatschow posieren für ein offizielles Porträt während ihres Treffens in Helsinki, Finnland, am 9. September 1990 (Wikimedia Commons)

In NATO-Kreisen und in den NATO-Medien ist das heute kein Thema mehr, denn es ist ein unbestreitbarer Beweis dafür, dass die NATO für den gegenwärtigen Krieg und für das russische Unsicherheits-Empfinden mitverantwortlich ist.

Es ist bekannt, dass Präsident Jelzin bei einem persönlichen Treffen mit Clinton im Jahr 1994 wegen dieser Erweiterung in die Luft gegangen ist.

Schon sehr früh in seiner Präsidentschaft wandte sich Wladimir Putin an den damaligen NATO-Generalsekretär Robertson und schlug vor, dass Russland dem Bündnis beitritt. Dann, im Jahr 2007, hielt Putin eine sehr ernste, wenn nicht gar alarmierende Rede auf der hawkistischen westlichen Münchner Konferenz („hawkistisch“ ist eine Anspielung auf den Umstand, dass diese Konferenz von den sog. „War Hawks“, also „Kriegsfalken“ aus der politischen Strömung der „Neocons“ dominiert wird, Anm. d. Redaktion) und stellte eine sehr berechtigte Frage: Gegen wen rüstet die NATO auf und expandiert, wenn nicht gegen Russland? Im Jahr darauf wurde seine Besorgnis von der NATO mit völliger Ignoranz beantwortet, indem sie offiziell beschloss, Georgien und die Ukraine in die NATO aufzunehmen.

Dann kam der Kiewer Maidan-Regimewechsel, der von der Obama-Regierung geplant und finanziert wurde. Ein russisch geprägter Präsident wurde nach Russland verscheucht, und Madame Nuland sagte in einer Diskussion mit dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine bekanntermaßen „Scheiß auf die EU“. Sie entschieden buchstäblich, wer der künftige Premierminister der Ukraine sein sollte.

Auf diese Ereignisse und als er die Zeichen der Zeit erkannte, reagierte Putin im Donbass und mit der Annexion der Krim; er wollte nicht, dass Russlands riesiger Marinestützpunkt dort in einem künftigen, vom Westen geführten Land liegt, das vielleicht auch Mitglied der NATO ist.

Jedes Mal, wenn so etwas passiert, beginnen die westlichen Medien und Apologeten ihre Geschichte damit, dass Putin dies oder jenes aus heiterem Himmel getan habe, ohne dass in der Vergangenheit etwas vorgefallen wäre. So wird der – natürlich unentschuldbare – russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar in ihrer Rhetorik systematisch als „unprovoziert“ bezeichnet. Das soll sicherstellen, was wir verstehen und nie anzweifeln sollen: dass die NATO nur gute Absichten hat, nie etwas getan hat, was von Russland als Provokation aufgefasst werden könnte, dass sie nicht einmal Konfliktpartei ist, sondern vielmehr ein Unschuldslamm, das immer wieder von einem Kriminellen angegriffen wird.

In den letzten gut 20 Jahren haben eine Reihe hochkompetenter Sicherheitsexperten davor gewarnt, dass jeder Versuch, die Ukraine zu einem vollwertigen NATO-Mitglied zu machen, zu einem Krieg führen würde. Siehe z.B. die hervorragende Analyse von Kishore Mahbubani hier [10].

Die NATO wusste natürlich immer, dass sie Russland haushoch überlegen war. Leider scheint dies der NATO zu Kopf gestiegen zu sein, was zu Hybris geführt hat – und zu einer Vielzahl von Fehlern in Bezug auf Frieden und Sicherheit. Im Gegensatz zu dem, was wir seit Jahrzehnten hören, ist Russland also eine vergleichsweise kleine Militärmacht mit einer eher kleinen Wirtschaft und keiner globalen kulturellen, wirtschaftlichen, militärischen, projektiven oder politischen Reichweite, die mit der des Westens vergleichbar wäre, insbesondere der Vereinigten Staaten.

Dies wurde – vielleicht versehentlich – am 9. März 2022 vom ehemaligen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in einem Fernsehinterview in dänischer Sprache enthüllt (meine Übersetzung) [11]:

„Putin wird von der NATO zu Brei geschlagen werden. Sobald sich die NATO bewegt, wird sie mit enormer Kraft vorgehen. Man darf nicht vergessen, dass unsere Investitionen in die Verteidigung zehnmal höher sind als die von Putin“

Warum hat man uns jahrzehntelang erzählt, dass die NATO immer höhere Militärausgaben benötige – bis hin zu der intellektuell bizarren Idee, diese an die Wirtschaftsleistung zu koppeln, indem man 2 % des BIP erreicht -, um der russischen Bedrohung gewachsen zu sein, wenn eine so kompetente NATO-Persönlichkeit ziemlich unverblümt das Gegenteil behauptet?

Bidens Erklärung zum Regimewechsel

Nun kommen zwei weitere beängstigende Entwicklungen hinzu. Abweichend von dem, was Sie vor dem 24. Februar und bis weit in den laufenden Krieg hinein gehört haben. Erstens hat US-Präsident Joe Biden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es wünschenswert bzw. notwendig sei, Putin im Kreml loszuwerden:[12]

Okay, es gab mehrere Versuche der Biden-Administration, die Welt davon zu überzeugen, dass der Präsident keinen Regimewechsel im Kreml meinte. Aber was hat er dann gemeint?

Britische Waffen, die von der Ukraine auf russischem Gebiet eingesetzt werden sollen, sowie umfangreiche koordinierte Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine

Genau an diesem Tag deuten zwei weitere Ereignisse auf eine äußerst gefährliche Wende hin:

1) Das Vereinigte Königreich verkündet, dass es für die Ukraine legitim ist, Waffen aus dem Vereinigten Königreich gegen Russland auf russischem Gebiet einzusetzen [13].

Und 2) auf dem deutschen Stützpunkt Ramstein fand ein von den USA ausgerichtetes Treffen statt, an dem NATO-Mitglieder und etwa 10-15 weitere Länder teilnahmen. Auf der Agenda stand die Frage, wie die Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine koordiniert, intensiviert und erhöht werden können, damit sie den Krieg gewinnen kann. Hier der Bericht von Stars & Stripes [14].

Und hier ein Auszug von dem, was gesagt wurde:

„Offizieller Zweck des von den USA auf ihrer deutschen Luftwaffenbasis in Ramstein einberufenen Treffens war es, ‚der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen die ungerechte Invasion Russlands zu gewinnen und die ukrainische Verteidigung für die Herausforderungen von morgen zu stärken‘, so Austin. ‚Die Ukraine glaubt ganz klar daran, dass sie gewinnen kann, und alle hier Anwesenden glauben das auch‘, fuhr er fort und sprach für die vielen anwesenden, mit den USA verbündeten Nationen.

Während Washington als wichtigster Geldgeber Kiews ‚weiterhin Himmel und Erde in Bewegung setzen wird, damit wir‘ die Bedürfnisse der ukrainischen Regierung erfüllen können, machte Austin deutlich, dass auch von anderen Ländern erwartet wird, dass sie ihren Beitrag leisten.“

Bitte beachten Sie: Es ist nicht mehr von Verhandlungen die Rede. Der ukrainische Präsident Selenskyi hat aufgehört, darüber zu sprechen und auch darüber, dass sein Land die Neutralität akzeptiert. Seine Standardbotschaft lautet jetzt: Gebt mir mehr Waffen und Geld, macht es schnell und schadet Russland so sehr ihr könnt.

US Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III spricht auf dem Treffen der Ukraine Defense Consultative Group auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein, Deutschland, am 26. April 2022. (Photo By: Chad J. McNeeley, DOD)

Blick nach vorn – Hybris und Bumerangs

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat seine Wurzeln im Wesentlichen in dem seit 30 Jahren andauernden polarisierenden Konflikt zwischen der NATO und Russland, der sich in der Ukraine abspielt.

Die USA wollen, dass der Krieg so lange andauert, wie es nötig ist, um Russland militärisch zu dezimieren und wirtschaftlich im eigenen Land zu lähmen. Sie wollen, dass Russland „ausfällt“ – als wichtiges Land und als Gegner, um sich dann gegen China wenden zu können.

Warum? Weil der Westen offensichtlich nicht ohne Feinde leben kann [15] und er die Zeichen der Zeit einfach nicht erkennen will: Der Westen ist im Niedergang begriffen und wird im Zuge des Untergangs des US-Imperiums fallen. Dieses Imperium wird das letzte sein, und wir werden – wenn wir überleben – in einer ausgewogeneren multipolaren Welt leben. Der post-westlichen Welt.

Die EU ist weder intellektuell noch politisch in der Lage, diesen Trend abzumildern, geschweige denn in den Augen der übrigen Welt ein alternativer Westen zu werden.

Werden die USA/NATO mit ihrem Projekt der Lähmung und Annullierung Russlands Erfolg haben? Werden sie danach in der Lage sein, China niederzuhalten?

Das glaube ich nicht. Ich denke, beide Projekte sind dem Untergang geweiht. Sie sind selbstzerstörerisch und werden den Niedergang des Westens beschleunigen. Die Zukunft der Menschheit liegt nicht in ständiger Konfrontation und Militarismus. Es muss – zwangsläufig – um Kooperation und globales Gemeinwohl-Denken gehen.

Die Reaktion des Westens auf die russische Invasion war eine bedauernswert unüberlegte, emotionalisierte, übers Knie gebrochene kollektive Bestrafung. Es hat den Anschein, als habe kein Entscheidungsträger auch nur einen Monat lang an die Folgen gedacht.

Ich fürchte, dass dies im Laufe der Zeit zu bisher ungeahnten Problemen für den Westen selbst führen wird:

  • Die ursprünglichen „echten“ globalen Probleme wie Klimawandel, Armutsbekämpfung usw., die durch rasche Zusammenarbeit gelöst werden müssen, werden in den Hintergrund gedrängt;
  • die Folgen von Corona – enorme wirtschaftliche Rückschläge und Lektionen, die es zu lernen gilt;
  • die Bumerangeffekte der ewigen Sanktionen, die nun in allen Bereichen gegen Russland verhängt werden;
  • enorme geschäftliche Verluste nach dem fast vollständigen Rückzug des Westens aus Russland, insbesondere seitens Deutschland – einem Land, das ebenfalls entschlossen ist, jetzt 100 Milliarden US-Dollar mehr für das Militär zu verschwenden, womit diese Ausgaben allein etwa doppelt so hoch wie in Russland sind;
  • soziale Unruhen in ganz Europa und den USA, wenn sich der wirtschaftliche Abschwung durch die oben erwähnte Initiative zur Bestrafung Russlands in immer höheren Tagespreisen niederschlägt.
  • Dies wird einen Stimmungsumschwung in Richtung der politischen Rechten bewirken;
  • die politische Rechte und die Neonazis in der Ukraine können, wenn sie Erfolg haben, hohe Posten fordern und ihre Strategie mit gleichgesinnten Gruppen in den USA und anderen europäischen Ländern koordinieren;
  • Söldner und Terroristenverbände strömen in die Ukraine, um gegen Russland zu kämpfen, nicht zuletzt diejenigen, die beispielsweise im Osten Aleppos gegen Russland und Syrien verloren haben;
  • China hat zwar seine Probleme, aber es wird wahrscheinlich weltweit noch mehr an wirtschaftlicher und technologischer Stärke gewinnen;
  • der Westen hat seine Energie in die Kriegsführung gesteckt, China in die Belt and Road Initiative (BRI); dort wird es eine Win-Win-Situation geben, aber nicht für den Westen;
  • Europa wird noch mehr gespalten sein – von den USA, aber auch untereinander -, denn schließlich werden die Mitglieder erkennen, dass sie die Last der Versorgung der Millionen ukrainischer Flüchtlinge, die jetzt in der ersten Klasse reisen, nicht gleichmäßig verteilen – was auch alle anderen Flüchtlinge sehen werden;
  • die Kosten, die der zivilen Wirtschaft durch die ständig steigenden Militärausgaben entstehen, die Aufrechterhaltung der Bewaffnung der Ukraine und der anschließende Wiederaufbau des Landes werden alles aufzehren, was noch übrig ist;
  • der Dollar wird wahrscheinlich weltweit stark unter Druck geraten, und es werden Alternativen zu SWIFT entstehen; die Welt wird sich nicht länger von den US-Sanktionen und dem politischen Missbrauch des Status des Greenback als globaler Währungsstandard schikanieren lassen;
  • die größeren Teile der Welt – Afrika, Indien, Iran, China und Südamerika, Syrien, Saudi-Arabien usw. – haben bereits erklärt, dass sie nicht hinter der NATO/EU-Politik stehen (viele bevorzugen Chinas konstruktivere Belt and Road Initiative);
  • der russische Rubel stürzte nach dem 24. Februar 2022 ab, aber etwa zwei Monate später ist er stabil um den Wert, den er im Jahr 2021 und bis zur Invasion hatte;
  • das Risiko eines Staatsstreichs in Moskau, wenn Russland gelähmt ist und jemand an die Macht kommen könnte, der viel nationalistischer und militaristischer ist als Putin;
  • die Tendenz zu Unruhen in den USA, mit 20 %, die bereits unter der Armutsgrenze leben, und unglaubliche Summen, die von Infrastrukturprojekten und Wohlfahrt in den militärisch-industriellen, medialen und akademischen Komplex (MIMAC) umgeleitet werden;
  • der Westen hat seine positive Vision für sich und den größeren Teil der Welt, seine Attraktivität verloren. Er betreibt, wie es scheint, ein ständiges Krisenmanagement und wurschtelt sich durch. Er reduziert die Vielfalt, praktiziert in seinen Medien sowohl Fake als auch Unterlassung und löscht zunehmend den kreativen Dissens aus, auf den er früher stolz war; dies ist eine außerordentlich kontraproduktive Strategie, wenn er sich doch eigentlich neu erfinden muss;
  • Russland wird dem Westen völlig den Rücken kehren und viel mehr mit China, Iran, Indien und anderen zusammenarbeiten; hier gibt es eine Dialektik, der gegenüber der Westen in fataler Weise ignorant zu sein scheint.

Wenn nur einige dieser Szenario-ähnlichen Punkte zusammentreffen, könnte dies – irgendwann in der Zukunft – die Welt der USA/NATO/EU noch verzweifelter, panischer und gefährlicher machen.

Und wie könnte die Reaktion aussehen, wenn es unmöglich ist, den Niedergang und den kommenden Fall zu leugnen?

Untergang mit einem Knall – Atomkrieg – oder mit einem Wimmern?

Und schließlich in einer Makroperspektive: Die beiden historischen Versionen der christlich-abendländischen Zivilisation – Russland und die USA/Westeuropa – könnten sich dank ihrer eigenen unglaublich kurzsichtigen Politik und ihres alles verzehrenden Militarismus durchaus gegenseitig zerstören – während beide glauben, über „den anderen“ zu siegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser kleinen Darstellung viel Wahrheit steckt:

Mit dieser Politik steht die Zukunft Europas auf dem Spiel und ist mehr bedroht als je zuvor seit 1945. In diesem Konflikt geht es nicht mehr um die Ukraine an sich, wenn es überhaupt jemals um die Ukraine ging. Er ist lediglich ein Instrument in den Händen der untergehenden NATO-Welt. Intellektuell sollte es unmöglich sein, die NATO als ein Verteidigungsbündnis zu bezeichnen.

Es ist ganz klar, dass Russland sich von nun an in seinem Überleben bedroht sehen muss – und nicht mehr als Objekt der Bestrafung für seine Invasion. Das bedeutet, dass es keine Friedensgespräche mehr geben wird und keine spezielle – begrenzte – Militäroperation, sondern einen viel größeren Krieg um die gesamte Ukraine. Während ich diese Zeilen schrieb, wurde dies zufällig in einem von Pravda.ru veröffentlichten Beitrag bestätigt. „Russlands einziges Ziel ist die totale Kapitulation der Ukraine.“ [16]

Das alles hätte vermieden werden können. Weder die USA noch Westeuropa sind seit 1945 bedroht worden. Aber wenn man expandiert, dominiert, unterwirft und glaubt, das außergewöhnliche Recht zu haben, eine westliche Zivilisierungs-Mission zu leiten, wird man zwangsläufig Konflikte schaffen.

Und all das hätte vermieden werden können, und wir könnten heute in Frieden leben, wenn der Westen bei der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes einen anderen kooperativen Weg gewählt hätte, anstatt triumphalistisch auf der Ausweitung eines seit jeher überholten, irrelevanten Bündnisses zu beharren.

Quellen:

[1] The Guardian, Dan Sabbagh and Helen Livingstone, „US pledges extra $713m for Ukraine war effort and to weaken Russia“, am 25.4.2022, <https://www.theguardian.com/world/2022/apr/25/us-diplomats-to-return-to-ukraine-and-fresh-military-aid-unveiled-after-blinken-visit>
[2] U.S. Department of Defense, „Secretary of State Antony J. Blinken and Secretary of Defense Lloyd J. Austin III Remarks to Traveling Press“, am 25.4.2022, <https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript/Article/3009051/secretary-of-state-antony-j-blinken-and-secretary-of-defense-lloyd-j-austin-iii/>
[3] Youtube, „U.S. Defense Sec. Austin: We Want to See Russia Weakened“, <https://www.youtube.com/watch?v=M_pCZeOY94E>
[4] The Guardian, Julian Borger, „Pentagon chief´s Russia remarks show shift in US´s declared aims in Ukraine“, am 25.4.2022, <https://www.theguardian.com/world/2022/apr/25/russia-weakedend-lloyd-austin-ukraine>
[5] The Guardian, <https://www.theguardian.com/world/europe-news>
[6] The Atlantic, Brian Till, „Mikhail Gorbachev: The West Could Have Saved the Russian Economy“, am 16.6.2011, <https://www.theatlantic.com/international/archive/2011/06/mikhail-gorbachev-the-west-could-have-saved-the-russian-economy/240466/>
[7] The Transnational, Jan Oberg, „Leaving the Cold War Behind“, am 11.12.2019, <https://transnational.live/2019/12/11/leaving-the-cold-war-behind/>
[8] The Transnational, Jan Oberg, „Nordic Security in the 1990s: Redefining the Problem – A Sceptical Contribution“, am 7.11.2019, <https://transnational.live/2019/11/07/nordic-security-in-the-1990s-redefining-the-problem-a-sceptical-contribution/>
[9] The Transnational, Jan Oberg, „So Trump thinks the military expenditures level is crazy“, am 6.12.2018, <https://transnational.live/2018/12/06/oh-so-trump-thinks-military-expenditures-are-crazy/>
[10] Pearls and Irritations, Kishore Mahbubani, „Where are the peacemakers to end the war in Ukraine?“, am 18.4.2022, <https://johnmenadue.com/where-are-the-peacemakers-in-ukraine/>
[11] The Transnational, Jan Oberg, „BREAKING How they have lied to about the Russian threat for the last 30 years“, am 8.4.2022, <https://transnational.live/2022/04/08/jan-oberg-how-they-have-lied-to-you-about-the-russian-threat-for-the-last-30-years/>
[12] Youtube, „Biden on Putin: For God´s Sake, This Man Cannot Remain in Power“, <https://www.youtube.com/watch?v=VLN_P5u1ALI>
[13] BBC, Doug Faulkner, „Ukraine war: Ukraine can hit Russia with UK weapons – minister“, am 26.4.2022, <https://www.bbc.com/news/uk-61226431>
[14] Stars and Stripes, John Vandiver and Jennifer H. Sean, „US and allies gather at Ramstein to discuss how to help Ukraine defeat Russians unjust invasion“, am 26.4.2022, <https://www.stripes.com/theaters/europe/2022-04-26/austin-ukraine-ramstein-air-base-russia-5804405.html>
[15] The Transnational, Jan Oberg, „Evidently the West cannot live without enemy images. Go see a shrink so we shall all live in peace“, am 27.10.2021, <https://transnational.live/2021/10/27/jan-oberg-evidently-the-west-cannot-live-without-enemy-images-go-see-a-shrink-so-we-shall-all-live-in-peace/>
[15] Pravda, Luba Lulko, „Russia´s only goal is Ukraine´s total capitulation“, am 26.4.2022, <https://english.pravda.ru/world/151425-russia_ukraine/>

Russland mittels Ukraine lähmen und ausschalten:

Die Wahrheit ist raus – Die NATO will noch überlegener werden

Schritt für Schritt wird der Konflikt zwischen der NATO und Russland klarer - in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Die Ukraine war für den Westen immer unwichtig, außer als Spielfigur in seinem Spiel. Der Konflikt und der Krieg werden zunehmend eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickeln, die Europa, wenn nicht sogar die ganze Welt zerstören wird. Es sei denn, jemand hält jetzt inne, um sich zu fragen: Wo wird das enden?

Von Published On: 10. Juli 2022Kategorien: Krieg & Frieden

Dieser Text wurde zuerst am 26.4.2022 auf www.transnational.live unter der URL <https://transnational.live/2022/04/26/truth-is-out-nato-wants-to-become-even-more-superior-and-cripple-and-cancel-russia-through-ukraine/> veröffentlicht. Lizenz: Jan Oberg, Transnational.live, CC BY-NC 4.0

(Abbildung: San Jose, Wikipedia, gemeinfrei. Angepasst von der Internetredaktion der LpB BW)

The Guardian (25. April 2022) und mehrere andere Medien brachten die Nachricht über den Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf die Titelseite: Die USA „wollen Russland geschwächt sehen“ – so die sensationelle, schlagzeilenträchtige Äußerungen des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin nach dem Überraschungsbesuch von ihm und Außenminister Antony Blinken in Kiew.

Dies wurde auch im Zusammenhang mit einer weiteren US-Waffenlieferung für die Ukraine (in Höhe von 738 Millionen US-Dollar, womit die gesamte US-Militärhilfe für die Ukraine 3,4 Milliarden US-Dollar übersteigt) [1] und vor dem Treffen am 26. April in Ramstein, Deutschland, erklärt. Dort kamen mehr als 40 Länder zusammen, um ihre Zusammenarbeit bei der weiteren Militarisierung des von der Ukraine ausgehenden Konflikts mit Russland zu intensivieren.

Bitte beachten Sie, dass es kein ähnliches Treffen gegeben hat, bei dem es um die Frage ging, wie der Krieg deeskaliert, vermittelt oder anderweitig beendet werden kann.

Hier ist die Pentagon-Mitschrift dessen, was Austin sagte und Blinken bestätigte [2]:

„Minister AUSTIN: Ich fange einfach an und überlasse es dem Außenminister, seine Gedanken darzulegen. Aber ich denke – und er hat den ersten Teil davon bereits angedeutet. Wir wollen, dass die Ukraine ein souveränes Land bleibt, ein demokratisches Land, das in der Lage ist, sein Hoheitsgebiet zu schützen. Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es die Dinge, die es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann.

Ukraine-Krieg: Militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung ausgewählter Länder für die Ukraine (Statista)

Das Land hat also bereits viele militärische Fähigkeiten und, offen gesagt, auch viele seiner Truppen verloren. Und wir wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Fähigkeit sehr schnell wiederherzustellen. Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft geschlossener auftritt, vor allem die NATO, und das sehen wir, und das beruht erstens auf der harten Arbeit von Präsident Biden, aber auch von unseren Verbündeten und Partnern, die sich bereitwillig mit uns zusammengetan haben, als wir Sanktionen verhängt und sehr schnell demonstriert haben, dass wir jeden Zentimeter der NATO verteidigen werden.

Minister BLINKEN: Ja, und ich habe wirklich nichts hinzuzufügen. Ich denke, der Minister hat es sehr gut gesagt. Danke.“[3]

Julian Borger vom Guardian analysierte daraufhin: „Die Russland-Äußerungen des Pentagon-Chefs zeigen, dass sich die erklärten Ziele der USA in der Ukraine geändert haben“ [4].

In diesem Artikel stellt Borger fest und zitiert:

„Die Äußerungen deuteten darauf hin, dass selbst dann, wenn sich die russischen Streitkräfte aus dem ukrainischen Gebiet, welches sie seit dem 24. Februar besetzt halten, zurückziehen oder vertrieben werden, die USA und ihre Verbündeten versuchen würden, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass Russland seine Streitkräfte wieder aufbaut.

Es deutet auch darauf hin, dass Washington in einer NATO-internen Debatte dazu Stellung bezieht, ob man die Gelegenheit von Wladimir Putins strategischem Fehltritt in der Ukraine nutzen sollte, um zu versuchen seine Fähigkeit zu behindern, andere Länder in Zukunft zu bedrohen.

‚Das Gleichgewicht in der NATO selbst hat sich verschoben‘, sagte Rajan Menon, Direktor des Programms für große Strategie bei der Denkfabrik Defense Priorities. ‚Das Argument scheint nun zu sein, dass es nicht nur um die Ukraine geht, sondern um ein größeres Problem, nämlich um die Bedrohung, die Russland für Europa als Ganzes darstellt. [5] Und wenn man das so sieht, dann ergeben diese Kommentare einen Sinn.‘“

Damit sollte nun jedem, der es sehen will, klar sein: Die NATO ist nicht nur darauf aus, die Ukraine zu unterstützen. Ihr neues, zusätzliches Ziel ist es, die militärischen Fähigkeiten Russlands – für immer – so weit zu reduzieren, dass es nicht mehr in der Lage sein wird, zu seinen Fähigkeiten vor dem Ukraine-Krieg zurückzukehren, die etwa 8 % der NATO-Kapazitäten betragen.

Das heißt, das politische Ziel besteht darin, Russland ein für alle Mal als die bereits kleinere, viel schwächere Bedrohung auszuschalten, die es gegenüber der NATO darstellt.

Schauen wir uns den Hintergrund all dessen an. Bisher waren die gemeinsamen Militärausgaben der NATO etwa 12-mal höher als die Russlands – mit steigender Tendenz. In den Tagen des ersten Kalten Krieges beliefen sich die Militärausgaben des Warschauer Paktes auf etwa 70-75 % der NATO-Ausgaben. Damals – vor 30 bis 40 Jahren – war man sich auf beiden Seiten einig, dass ein Gleichgewicht – das in Bezug auf Waffen, Ausgaben, Feuerkraft, technologische Qualität usw. nur schwer zu messen ist – das Beste für die Stabilität ist und dass Stabilität eine Voraussetzung für Vertrauensbildung und eine Art Friedenserhaltung ist.

Treffen des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, mit dem US-Außenminister, Antony Blinken, und dem US-Verteidigungsminister, Lloyd Austin, am 24.April 2022 in Kiew. (Wikimedia Commons)

Die damalige Philosophie implizierte, dass sich eine Seite bei einem groben Ungleichgewicht unterlegen fühlen und möglicherweise in Panik geraten könnte, bevor sie an relativer Macht verliert, oder dass die stärkere Seite in Hybris verfallen und sich deshalb auf die schwächere Seite stürzen könnte, um sie zu erledigen.

Man glaubte, dass das militärische Kräftegleichgewicht beide Seiten davon abhalten würde, einen Krieg zu beginnen. Und dass es mit der Zeit auch dazu beitragen würde, Vertrauen, Dialog und Vertrauensbildung auf politischer Ebene zu fördern.

All diese Überlegungen wurden von dem überlebenden, jetzt einzigen Bündnis, der NATO, über den Haufen geworfen.

Mit der Sowjetunion und dann Russland auf den Knien gab es – etwa ab 1994 unter der Clinton-Administration – nur eine Politik, die sich in etwa so formulieren lässt:

Nutze die Schwäche Russlands aus, beginne Kriege, die zu beginnen du dich nie getraut hättest, als der Warschauer Pakt noch existierte – wie die Bombardierung Jugoslawiens -, erweitere die NATO-Mitgliedschaften trotz aller Versprechen dies nicht zu tun, die du Präsident Gorbatschow gegeben hast, und empfinde kein Mitleid mit den Russen, beziehe sie nicht ein und hilf ihnen nicht – um Gottes Willen, hilf Gorbatschow nicht, Russland in Richtung einer neuen Version eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates zu bewegen. Lass ihm keine Hilfe zukommen, als er im Juli 1990 vor dem G7-Treffen in London wartete und wirtschaftliche Unterstützung [6] und nicht nur nette Worte über seine Perestroika und Glasnost erwartete.

Man kann sagen, dass es sich damals militärisch gesehen um einen eher symmetrischen Konflikt handelte – das heißt, bevor sowohl die Sowjetunion als auch der Warschauer Pakt zerfielen. Danach wurde er mehr und mehr zu einem a-symmetrischen Konflikt zwischen den 30 NATO-Mitgliedern und Russland.

Damals vertraten sowohl die Transnationale Stiftung als auch dieser Autor die Auffassung, dass die Denkweise der NATO irrelevant und überholt sei und dass man etwas Neues brauche. Die NATO hatte ihre Daseinsberechtigung verloren, da sowohl die Sowjetunion als auch der Warschauer Pakt nicht mehr existierten. Aber der Westen verlangte einfach immer mehr von Russland und erklärte sich zum mehr oder weniger ewigen Sieger.

Lesen Sie darüber in „Leaving the Cold War Behind“ (1989) [7] und „Nordic Security in the 1990s. Ein skeptischer Beitrag“ (1992) [8].

Ranking der 20 Länder mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr 2021 (Statista)

Der politische Autismus der NATO

Während es gut dokumentiert ist, dass wichtige westliche Politiker Präsident Gorbatschow versprachen, die NATO keinen Zentimeter zu erweitern – und ihn so dazu brachten, das vereinigte Deutschland in der NATO zu akzeptieren -, beschloss die Clinton-Regierung, diese Versprechen einfach zu brechen, indem sie begann, sich auf Georgien, die baltischen Republiken und die Ukraine zu konzentrieren und sie als potenzielle NATO-Mitglieder zu umwerben. Sie richtete 1994 ihr Büro in Kiew ein [9].

Die Präsidenten George H. W. Bush und Michail Gorbatschow posieren für ein offizielles Porträt während ihres Treffens in Helsinki, Finnland, am 9. September 1990 (Wikimedia Commons)

In NATO-Kreisen und in den NATO-Medien ist das heute kein Thema mehr, denn es ist ein unbestreitbarer Beweis dafür, dass die NATO für den gegenwärtigen Krieg und für das russische Unsicherheits-Empfinden mitverantwortlich ist.

Es ist bekannt, dass Präsident Jelzin bei einem persönlichen Treffen mit Clinton im Jahr 1994 wegen dieser Erweiterung in die Luft gegangen ist.

Schon sehr früh in seiner Präsidentschaft wandte sich Wladimir Putin an den damaligen NATO-Generalsekretär Robertson und schlug vor, dass Russland dem Bündnis beitritt. Dann, im Jahr 2007, hielt Putin eine sehr ernste, wenn nicht gar alarmierende Rede auf der hawkistischen westlichen Münchner Konferenz („hawkistisch“ ist eine Anspielung auf den Umstand, dass diese Konferenz von den sog. „War Hawks“, also „Kriegsfalken“ aus der politischen Strömung der „Neocons“ dominiert wird, Anm. d. Redaktion) und stellte eine sehr berechtigte Frage: Gegen wen rüstet die NATO auf und expandiert, wenn nicht gegen Russland? Im Jahr darauf wurde seine Besorgnis von der NATO mit völliger Ignoranz beantwortet, indem sie offiziell beschloss, Georgien und die Ukraine in die NATO aufzunehmen.

Dann kam der Kiewer Maidan-Regimewechsel, der von der Obama-Regierung geplant und finanziert wurde. Ein russisch geprägter Präsident wurde nach Russland verscheucht, und Madame Nuland sagte in einer Diskussion mit dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine bekanntermaßen „Scheiß auf die EU“. Sie entschieden buchstäblich, wer der künftige Premierminister der Ukraine sein sollte.

Auf diese Ereignisse und als er die Zeichen der Zeit erkannte, reagierte Putin im Donbass und mit der Annexion der Krim; er wollte nicht, dass Russlands riesiger Marinestützpunkt dort in einem künftigen, vom Westen geführten Land liegt, das vielleicht auch Mitglied der NATO ist.

Jedes Mal, wenn so etwas passiert, beginnen die westlichen Medien und Apologeten ihre Geschichte damit, dass Putin dies oder jenes aus heiterem Himmel getan habe, ohne dass in der Vergangenheit etwas vorgefallen wäre. So wird der – natürlich unentschuldbare – russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar in ihrer Rhetorik systematisch als „unprovoziert“ bezeichnet. Das soll sicherstellen, was wir verstehen und nie anzweifeln sollen: dass die NATO nur gute Absichten hat, nie etwas getan hat, was von Russland als Provokation aufgefasst werden könnte, dass sie nicht einmal Konfliktpartei ist, sondern vielmehr ein Unschuldslamm, das immer wieder von einem Kriminellen angegriffen wird.

In den letzten gut 20 Jahren haben eine Reihe hochkompetenter Sicherheitsexperten davor gewarnt, dass jeder Versuch, die Ukraine zu einem vollwertigen NATO-Mitglied zu machen, zu einem Krieg führen würde. Siehe z.B. die hervorragende Analyse von Kishore Mahbubani hier [10].

Die NATO wusste natürlich immer, dass sie Russland haushoch überlegen war. Leider scheint dies der NATO zu Kopf gestiegen zu sein, was zu Hybris geführt hat – und zu einer Vielzahl von Fehlern in Bezug auf Frieden und Sicherheit. Im Gegensatz zu dem, was wir seit Jahrzehnten hören, ist Russland also eine vergleichsweise kleine Militärmacht mit einer eher kleinen Wirtschaft und keiner globalen kulturellen, wirtschaftlichen, militärischen, projektiven oder politischen Reichweite, die mit der des Westens vergleichbar wäre, insbesondere der Vereinigten Staaten.

Dies wurde – vielleicht versehentlich – am 9. März 2022 vom ehemaligen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in einem Fernsehinterview in dänischer Sprache enthüllt (meine Übersetzung) [11]:

„Putin wird von der NATO zu Brei geschlagen werden. Sobald sich die NATO bewegt, wird sie mit enormer Kraft vorgehen. Man darf nicht vergessen, dass unsere Investitionen in die Verteidigung zehnmal höher sind als die von Putin“

Warum hat man uns jahrzehntelang erzählt, dass die NATO immer höhere Militärausgaben benötige – bis hin zu der intellektuell bizarren Idee, diese an die Wirtschaftsleistung zu koppeln, indem man 2 % des BIP erreicht -, um der russischen Bedrohung gewachsen zu sein, wenn eine so kompetente NATO-Persönlichkeit ziemlich unverblümt das Gegenteil behauptet?

Bidens Erklärung zum Regimewechsel

Nun kommen zwei weitere beängstigende Entwicklungen hinzu. Abweichend von dem, was Sie vor dem 24. Februar und bis weit in den laufenden Krieg hinein gehört haben. Erstens hat US-Präsident Joe Biden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es wünschenswert bzw. notwendig sei, Putin im Kreml loszuwerden:[12]

Okay, es gab mehrere Versuche der Biden-Administration, die Welt davon zu überzeugen, dass der Präsident keinen Regimewechsel im Kreml meinte. Aber was hat er dann gemeint?

Britische Waffen, die von der Ukraine auf russischem Gebiet eingesetzt werden sollen, sowie umfangreiche koordinierte Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine

Genau an diesem Tag deuten zwei weitere Ereignisse auf eine äußerst gefährliche Wende hin:

1) Das Vereinigte Königreich verkündet, dass es für die Ukraine legitim ist, Waffen aus dem Vereinigten Königreich gegen Russland auf russischem Gebiet einzusetzen [13].

Und 2) auf dem deutschen Stützpunkt Ramstein fand ein von den USA ausgerichtetes Treffen statt, an dem NATO-Mitglieder und etwa 10-15 weitere Länder teilnahmen. Auf der Agenda stand die Frage, wie die Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine koordiniert, intensiviert und erhöht werden können, damit sie den Krieg gewinnen kann. Hier der Bericht von Stars & Stripes [14].

Und hier ein Auszug von dem, was gesagt wurde:

„Offizieller Zweck des von den USA auf ihrer deutschen Luftwaffenbasis in Ramstein einberufenen Treffens war es, ‚der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen die ungerechte Invasion Russlands zu gewinnen und die ukrainische Verteidigung für die Herausforderungen von morgen zu stärken‘, so Austin. ‚Die Ukraine glaubt ganz klar daran, dass sie gewinnen kann, und alle hier Anwesenden glauben das auch‘, fuhr er fort und sprach für die vielen anwesenden, mit den USA verbündeten Nationen.

Während Washington als wichtigster Geldgeber Kiews ‚weiterhin Himmel und Erde in Bewegung setzen wird, damit wir‘ die Bedürfnisse der ukrainischen Regierung erfüllen können, machte Austin deutlich, dass auch von anderen Ländern erwartet wird, dass sie ihren Beitrag leisten.“

Bitte beachten Sie: Es ist nicht mehr von Verhandlungen die Rede. Der ukrainische Präsident Selenskyi hat aufgehört, darüber zu sprechen und auch darüber, dass sein Land die Neutralität akzeptiert. Seine Standardbotschaft lautet jetzt: Gebt mir mehr Waffen und Geld, macht es schnell und schadet Russland so sehr ihr könnt.

US Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III spricht auf dem Treffen der Ukraine Defense Consultative Group auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein, Deutschland, am 26. April 2022. (Photo By: Chad J. McNeeley, DOD)

Blick nach vorn – Hybris und Bumerangs

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat seine Wurzeln im Wesentlichen in dem seit 30 Jahren andauernden polarisierenden Konflikt zwischen der NATO und Russland, der sich in der Ukraine abspielt.

Die USA wollen, dass der Krieg so lange andauert, wie es nötig ist, um Russland militärisch zu dezimieren und wirtschaftlich im eigenen Land zu lähmen. Sie wollen, dass Russland „ausfällt“ – als wichtiges Land und als Gegner, um sich dann gegen China wenden zu können.

Warum? Weil der Westen offensichtlich nicht ohne Feinde leben kann [15] und er die Zeichen der Zeit einfach nicht erkennen will: Der Westen ist im Niedergang begriffen und wird im Zuge des Untergangs des US-Imperiums fallen. Dieses Imperium wird das letzte sein, und wir werden – wenn wir überleben – in einer ausgewogeneren multipolaren Welt leben. Der post-westlichen Welt.

Die EU ist weder intellektuell noch politisch in der Lage, diesen Trend abzumildern, geschweige denn in den Augen der übrigen Welt ein alternativer Westen zu werden.

Werden die USA/NATO mit ihrem Projekt der Lähmung und Annullierung Russlands Erfolg haben? Werden sie danach in der Lage sein, China niederzuhalten?

Das glaube ich nicht. Ich denke, beide Projekte sind dem Untergang geweiht. Sie sind selbstzerstörerisch und werden den Niedergang des Westens beschleunigen. Die Zukunft der Menschheit liegt nicht in ständiger Konfrontation und Militarismus. Es muss – zwangsläufig – um Kooperation und globales Gemeinwohl-Denken gehen.

Die Reaktion des Westens auf die russische Invasion war eine bedauernswert unüberlegte, emotionalisierte, übers Knie gebrochene kollektive Bestrafung. Es hat den Anschein, als habe kein Entscheidungsträger auch nur einen Monat lang an die Folgen gedacht.

Ich fürchte, dass dies im Laufe der Zeit zu bisher ungeahnten Problemen für den Westen selbst führen wird:

  • Die ursprünglichen „echten“ globalen Probleme wie Klimawandel, Armutsbekämpfung usw., die durch rasche Zusammenarbeit gelöst werden müssen, werden in den Hintergrund gedrängt;
  • die Folgen von Corona – enorme wirtschaftliche Rückschläge und Lektionen, die es zu lernen gilt;
  • die Bumerangeffekte der ewigen Sanktionen, die nun in allen Bereichen gegen Russland verhängt werden;
  • enorme geschäftliche Verluste nach dem fast vollständigen Rückzug des Westens aus Russland, insbesondere seitens Deutschland – einem Land, das ebenfalls entschlossen ist, jetzt 100 Milliarden US-Dollar mehr für das Militär zu verschwenden, womit diese Ausgaben allein etwa doppelt so hoch wie in Russland sind;
  • soziale Unruhen in ganz Europa und den USA, wenn sich der wirtschaftliche Abschwung durch die oben erwähnte Initiative zur Bestrafung Russlands in immer höheren Tagespreisen niederschlägt.
  • Dies wird einen Stimmungsumschwung in Richtung der politischen Rechten bewirken;
  • die politische Rechte und die Neonazis in der Ukraine können, wenn sie Erfolg haben, hohe Posten fordern und ihre Strategie mit gleichgesinnten Gruppen in den USA und anderen europäischen Ländern koordinieren;
  • Söldner und Terroristenverbände strömen in die Ukraine, um gegen Russland zu kämpfen, nicht zuletzt diejenigen, die beispielsweise im Osten Aleppos gegen Russland und Syrien verloren haben;
  • China hat zwar seine Probleme, aber es wird wahrscheinlich weltweit noch mehr an wirtschaftlicher und technologischer Stärke gewinnen;
  • der Westen hat seine Energie in die Kriegsführung gesteckt, China in die Belt and Road Initiative (BRI); dort wird es eine Win-Win-Situation geben, aber nicht für den Westen;
  • Europa wird noch mehr gespalten sein – von den USA, aber auch untereinander -, denn schließlich werden die Mitglieder erkennen, dass sie die Last der Versorgung der Millionen ukrainischer Flüchtlinge, die jetzt in der ersten Klasse reisen, nicht gleichmäßig verteilen – was auch alle anderen Flüchtlinge sehen werden;
  • die Kosten, die der zivilen Wirtschaft durch die ständig steigenden Militärausgaben entstehen, die Aufrechterhaltung der Bewaffnung der Ukraine und der anschließende Wiederaufbau des Landes werden alles aufzehren, was noch übrig ist;
  • der Dollar wird wahrscheinlich weltweit stark unter Druck geraten, und es werden Alternativen zu SWIFT entstehen; die Welt wird sich nicht länger von den US-Sanktionen und dem politischen Missbrauch des Status des Greenback als globaler Währungsstandard schikanieren lassen;
  • die größeren Teile der Welt – Afrika, Indien, Iran, China und Südamerika, Syrien, Saudi-Arabien usw. – haben bereits erklärt, dass sie nicht hinter der NATO/EU-Politik stehen (viele bevorzugen Chinas konstruktivere Belt and Road Initiative);
  • der russische Rubel stürzte nach dem 24. Februar 2022 ab, aber etwa zwei Monate später ist er stabil um den Wert, den er im Jahr 2021 und bis zur Invasion hatte;
  • das Risiko eines Staatsstreichs in Moskau, wenn Russland gelähmt ist und jemand an die Macht kommen könnte, der viel nationalistischer und militaristischer ist als Putin;
  • die Tendenz zu Unruhen in den USA, mit 20 %, die bereits unter der Armutsgrenze leben, und unglaubliche Summen, die von Infrastrukturprojekten und Wohlfahrt in den militärisch-industriellen, medialen und akademischen Komplex (MIMAC) umgeleitet werden;
  • der Westen hat seine positive Vision für sich und den größeren Teil der Welt, seine Attraktivität verloren. Er betreibt, wie es scheint, ein ständiges Krisenmanagement und wurschtelt sich durch. Er reduziert die Vielfalt, praktiziert in seinen Medien sowohl Fake als auch Unterlassung und löscht zunehmend den kreativen Dissens aus, auf den er früher stolz war; dies ist eine außerordentlich kontraproduktive Strategie, wenn er sich doch eigentlich neu erfinden muss;
  • Russland wird dem Westen völlig den Rücken kehren und viel mehr mit China, Iran, Indien und anderen zusammenarbeiten; hier gibt es eine Dialektik, der gegenüber der Westen in fataler Weise ignorant zu sein scheint.

Wenn nur einige dieser Szenario-ähnlichen Punkte zusammentreffen, könnte dies – irgendwann in der Zukunft – die Welt der USA/NATO/EU noch verzweifelter, panischer und gefährlicher machen.

Und wie könnte die Reaktion aussehen, wenn es unmöglich ist, den Niedergang und den kommenden Fall zu leugnen?

Untergang mit einem Knall – Atomkrieg – oder mit einem Wimmern?

Und schließlich in einer Makroperspektive: Die beiden historischen Versionen der christlich-abendländischen Zivilisation – Russland und die USA/Westeuropa – könnten sich dank ihrer eigenen unglaublich kurzsichtigen Politik und ihres alles verzehrenden Militarismus durchaus gegenseitig zerstören – während beide glauben, über „den anderen“ zu siegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser kleinen Darstellung viel Wahrheit steckt:

Mit dieser Politik steht die Zukunft Europas auf dem Spiel und ist mehr bedroht als je zuvor seit 1945. In diesem Konflikt geht es nicht mehr um die Ukraine an sich, wenn es überhaupt jemals um die Ukraine ging. Er ist lediglich ein Instrument in den Händen der untergehenden NATO-Welt. Intellektuell sollte es unmöglich sein, die NATO als ein Verteidigungsbündnis zu bezeichnen.

Es ist ganz klar, dass Russland sich von nun an in seinem Überleben bedroht sehen muss – und nicht mehr als Objekt der Bestrafung für seine Invasion. Das bedeutet, dass es keine Friedensgespräche mehr geben wird und keine spezielle – begrenzte – Militäroperation, sondern einen viel größeren Krieg um die gesamte Ukraine. Während ich diese Zeilen schrieb, wurde dies zufällig in einem von Pravda.ru veröffentlichten Beitrag bestätigt. „Russlands einziges Ziel ist die totale Kapitulation der Ukraine.“ [16]

Das alles hätte vermieden werden können. Weder die USA noch Westeuropa sind seit 1945 bedroht worden. Aber wenn man expandiert, dominiert, unterwirft und glaubt, das außergewöhnliche Recht zu haben, eine westliche Zivilisierungs-Mission zu leiten, wird man zwangsläufig Konflikte schaffen.

Und all das hätte vermieden werden können, und wir könnten heute in Frieden leben, wenn der Westen bei der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes einen anderen kooperativen Weg gewählt hätte, anstatt triumphalistisch auf der Ausweitung eines seit jeher überholten, irrelevanten Bündnisses zu beharren.

Quellen:

[1] The Guardian, Dan Sabbagh and Helen Livingstone, „US pledges extra $713m for Ukraine war effort and to weaken Russia“, am 25.4.2022, <https://www.theguardian.com/world/2022/apr/25/us-diplomats-to-return-to-ukraine-and-fresh-military-aid-unveiled-after-blinken-visit>
[2] U.S. Department of Defense, „Secretary of State Antony J. Blinken and Secretary of Defense Lloyd J. Austin III Remarks to Traveling Press“, am 25.4.2022, <https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript/Article/3009051/secretary-of-state-antony-j-blinken-and-secretary-of-defense-lloyd-j-austin-iii/>
[3] Youtube, „U.S. Defense Sec. Austin: We Want to See Russia Weakened“, <https://www.youtube.com/watch?v=M_pCZeOY94E>
[4] The Guardian, Julian Borger, „Pentagon chief´s Russia remarks show shift in US´s declared aims in Ukraine“, am 25.4.2022, <https://www.theguardian.com/world/2022/apr/25/russia-weakedend-lloyd-austin-ukraine>
[5] The Guardian, <https://www.theguardian.com/world/europe-news>
[6] The Atlantic, Brian Till, „Mikhail Gorbachev: The West Could Have Saved the Russian Economy“, am 16.6.2011, <https://www.theatlantic.com/international/archive/2011/06/mikhail-gorbachev-the-west-could-have-saved-the-russian-economy/240466/>
[7] The Transnational, Jan Oberg, „Leaving the Cold War Behind“, am 11.12.2019, <https://transnational.live/2019/12/11/leaving-the-cold-war-behind/>
[8] The Transnational, Jan Oberg, „Nordic Security in the 1990s: Redefining the Problem – A Sceptical Contribution“, am 7.11.2019, <https://transnational.live/2019/11/07/nordic-security-in-the-1990s-redefining-the-problem-a-sceptical-contribution/>
[9] The Transnational, Jan Oberg, „So Trump thinks the military expenditures level is crazy“, am 6.12.2018, <https://transnational.live/2018/12/06/oh-so-trump-thinks-military-expenditures-are-crazy/>
[10] Pearls and Irritations, Kishore Mahbubani, „Where are the peacemakers to end the war in Ukraine?“, am 18.4.2022, <https://johnmenadue.com/where-are-the-peacemakers-in-ukraine/>
[11] The Transnational, Jan Oberg, „BREAKING How they have lied to about the Russian threat for the last 30 years“, am 8.4.2022, <https://transnational.live/2022/04/08/jan-oberg-how-they-have-lied-to-you-about-the-russian-threat-for-the-last-30-years/>
[12] Youtube, „Biden on Putin: For God´s Sake, This Man Cannot Remain in Power“, <https://www.youtube.com/watch?v=VLN_P5u1ALI>
[13] BBC, Doug Faulkner, „Ukraine war: Ukraine can hit Russia with UK weapons – minister“, am 26.4.2022, <https://www.bbc.com/news/uk-61226431>
[14] Stars and Stripes, John Vandiver and Jennifer H. Sean, „US and allies gather at Ramstein to discuss how to help Ukraine defeat Russians unjust invasion“, am 26.4.2022, <https://www.stripes.com/theaters/europe/2022-04-26/austin-ukraine-ramstein-air-base-russia-5804405.html>
[15] The Transnational, Jan Oberg, „Evidently the West cannot live without enemy images. Go see a shrink so we shall all live in peace“, am 27.10.2021, <https://transnational.live/2021/10/27/jan-oberg-evidently-the-west-cannot-live-without-enemy-images-go-see-a-shrink-so-we-shall-all-live-in-peace/>
[15] Pravda, Luba Lulko, „Russia´s only goal is Ukraine´s total capitulation“, am 26.4.2022, <https://english.pravda.ru/world/151425-russia_ukraine/>