Im September 2021 gab die New Yorker Börse (NYSE) bekannt, dass sie eine neue Anlageklasse und ein dazugehöriges Börsen­zulassungs­instrument [1] ent­wickelt hat, um „die Naturgüter zu erhalten und wiederherzustellen, die letztlich die Grundlage für das Leben auf der Erde sind“ [2]. Das als Natural Asset Company (NAC) [Natur-Güter-Gesellschaft, Anm. d. Red.] bezeichnete Instrument ermöglicht die Gründung spezialisierter Unternehmen, „die die Rechte an den Ökosystem-Leistungen halten, die auf einem bestimmten Stück Land erbracht werden, Leistungen wie Kohlenstoffbindung oder sauberes Wasser“. Diese NACs werden dann die Naturgüter, die sie zu Handelsgütern machen, pflegen, verwalten und kulti­vieren [3], mit dem Ziel, die Aspekte dieser Naturgüter zu maximieren, die von dem Unternehmen als profitabel erachtet werden.

Obwohl die NACs als „Unternehmen wie alle anderen“ an der NYSE be­schrieben werden, wird behauptet, dass sie „die Gelder zur Erhaltung eines Regenwaldes oder für andere Erhaltungsmaßnahmen verwenden, z.B. die Änderung der konven­tio­nel­len landwirtschaftlichen Produktions­praktiken einer Farm“. Doch – wie am Ende dieses Artikels erläutert – geben selbst die Erfinder der NACs zu, dass das ultimative Ziel darin besteht, nahezu unbegrenzt Gewinne aus den natürlichen Prozessen zu ziehen, die sie zu quantifizieren und dann zu mone­tarisieren versuchen.

Michael Blaugrund, COO [Chief Ope­rating Officer, Leitung des operativen Geschäfts, Anm. d. Red.] der NYSE, spielte genau darauf an, als er sich zur Einführung der NACs wie folgt äußerte:

„Wir hoffen, dass der Besitz einer Natur-Güter-Gesellschaft einem immer breiteren Anlegerkreis die Möglichkeit bieten wird, in etwas zu investieren, das an sich wertvoll ist, aber bisher von den Finanzmärkten ausgeschlossen war.“
Michael Blaugrund, COO der NYSE

Die Medienberichte über diesen Schritt wurden von den hochtrabenden Begrif­fen „Nachhaltigkeit“ und „Umwelt­schutz“ umrahmt. Medien wie Fortune kamen dennoch nicht umhin zu erwäh­nen, dass die NACs Türen zu „einer neuen Form der nachhaltigen Investition“ öffnen, die „in den letzten Jahren Personen wie Larry Fink (CEO von BlackRock) begeistert hat, obwohl es noch große, unbeantwortete Fragen dazu gibt“ [4]. Fink, einer der mächtigsten Finanzoligarchen der Welt [5], ist und war lange Zeit ein Unternehmens­plün­derer [6] – kein Umweltschützer. Seine Begeisterung für NACs sollte selbst die enthusiastischsten Befürworter zum Nachdenken bringen, ob es, wie behauptet, dabei wirklich um die Förderung des Naturschutzes geht.

Die Intrinsic Exchange Group (IEG) informiert, wie man eine NAC gründet und daraus Profit schlägt. (Bild: © Intrinsic Exchange Group / intrinsicexchange.com [19])

Wert der verschiedenen Anlageklassen. (Bild: © Intrinsic Exchange Group / intrinsicexchange.com [19])

Wie man eine NAC aufbaut

Die Gründung und Einführung der NACs hat zwei Jahre gedauert und die NYSE hat sich mit der Intrinsic Ex­change Group (IEG) [7] – an der die NYSE selbst eine Minderheitsbeteili­gung hält – zusammengetan. Die drei Inves­toren der IEG sind:

1. Die Interamerikanische Entwicklungs­bank (IADB), der auf Lateinamerika ausgerichtete Zweig des multilateralen Entwicklungsbanken-Systems [8].Sie setzt neoliberale und neokolonialis­tische Agenden durch Verschuldung durch [9].
2. Die Rockefeller Foundation, die Stiftung der amerikanischen Oligar­chen­dynastie. Ihre Aktivitäten sind seit Langem eng mit der Wall Street verflochten [10, 11].
3. Aberdare Ventures, ein Risikokapital-Unternehmen, das sich hauptsächlich auf das digitale Gesundheitswesen konzen­triert [12].

Die IADB [13] und die Rockefeller Foun­dation sind eng mit den Vorstößen in Richtung digitale Zentralbankwäh­rungen (CBDC‘s = Central Bank Digital Currencies, Anm. d. Red.)[14] und digi­tale bio­met­rische Ausweise [15], ver­bunden.

Die Aufgabe der IEG (Intrinsic Ex­change Group) besteht darin, „Pionier­arbeit für eine neue Anlageklasse zu leisten, die auf Naturgütern und dem Mechanismus zu deren Umwandlung in Finanzkapital basiert“. „Diese Güter“, so die IEG, „machen das Leben auf der Erde möglich und angenehm… Sie umfassen biologische Systeme, die für saubere Luft, Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, ein stabiles Klima, die menschliche Gesundheit und gesellschaft­liches Potenzial sorgen“.

Anders ausgedrückt: Mit den NACs werden nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Rechte an „Ökosystem-Leis­tungen“, oder sogar die Vorteile, die Menschen aus der Natur ziehen, zu finan­ziellen Vermögenswerten. Dazu gehören Nahrungsmittelproduktion, Tourismus, sauberes Wasser, biologische Vielfalt, Bestäubung, Kohlenstoffbindung und vieles mehr. Die IEG arbeitet derzeit zusammen mit der Regierung Costa Ricas an der Erprobung ihrer NAC-Bestrebungen in diesem Land. Andrea Meza Murillo, die costa-ricanische Ministerin für Umwelt und Energie, erklärte, dass das Pilotprojekt mit der IEG „die ökonomische Analyse zum wirtschaftlichen Wert der Natur vertiefen und weiterhin Finanzströme für den Naturschutz mobilisieren wird.“ [16]

Mit den NACs bieten die NYSE und die IEG nun die gesamte Natur zum Verkauf an. Sie behaupten zwar, dass dies „unsere Wirtschaft zu einer gerechteren, widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Wirtschaft umgestalten“ wird, aber es ist klar, dass die künftigen „Eigentümer“ der Natur und der natürlichen Prozesse, die einzigen wirklichen Nutznießer sein werden.

Laut IEG beginnen NACs zunächst mit der Identifizierung eines Naturgutes, z. B. eines Waldes oder Sees, das dann mittels spezieller Protokolle quantifiziert wird. Solche Protokolle wurden bereits von verwandten Gruppen, wie der Capitals Coalition [17] entwickelt, die mit meh­re­ren Partnern der IEG, sowie dem Welt­wirtschaftsforum und verschiedenen Koali­tionen multinationaler Unternehmen [18] zusammenarbeitet. Dann wird eine NAC geschaffen: Die Struktur des Unter­nehmens entscheidet darüber, wer die Rechte an der Produktivität dieser Naturgüter hat und wie diese verwaltet und geführt werden. Schließlich wird eine NAC in Finanzkapital „umgewandelt“, indem ein Börsengang an einer Börse wie der NYSE durchgeführt wird. In dieser letzten Phase wird „Kapital für die Verwaltung der Naturgüter generiert“, und der Börsenkurs „signalisiert dann den Wert des Natur-Kapitals“.

Allerdings sind die NACs und ihre Mitarbeiter, Direktoren und Eigentümer nach diesem letzten Schritt nicht unbedingt die Eigentümer der Naturgüter. Wie die IEG feststellt, ist die NAC lediglich der Emittent. Zu den potenziellen Käufern der von den NACs verwalteten Naturgütern können institutionelle Anleger, private Investoren, Einzelpersonen sowie Ins­titu­tionen, Unternehmen, Staatsfonds und multilaterale Entwicklungs­banken gehören [19]. So könnten Vermögens­verwalter wie BlackRock – die im Grunde bereits einen Großteil der Welt besitzen – zu Eigentümern der natürlichen Prozesse, Ressourcen und der Grundlagen des natür­lichen Lebens selbst werden – und sie somit zu Geld machen.

Sowohl die NYSE als auch die IEG haben dieses neue Anlageinstrument so vermarktet, als ob es darauf abziele, Gelder zu generieren, die in den Erhalt oder die Nachhaltigkeit zurückfließen.

Auf der Website der IEG wird jedoch darauf hingewiesen, dass das Ziel in Wirk­lich­keit darin besteht, endlos Ge­winne aus natürlichen Prozessen und Öko­systemen zu erzielen, die früher als Teil der „Allmende“ [20] betrachtet wurden. Das heißt, aus kulturellen und natürlichen Ressourcen, die vorher allen Mit­gliedern einer Gesellschaft zur Verfügung standen, einschließlich Luft, Wasser und einer bewohnbaren Erde.

Laut IEG „sollte das Eigenkapital des Unternehmens in dem Maße, in dem das Naturgut gedeiht und einen stetigen oder zunehmenden Strom von Ökosystem-Leistungen liefert, entsprechend an Wert gewinnen und Investitions­erträge liefern. Aktionäre und Investoren des Unter­nehmens können durch den Verkauf von Aktien Gewinne erzielen. Diese Verkäufe können so bemessen werden, dass sie den Anstieg des Kapitalwerts der Aktien widerspiegeln, der in etwa der Rentabilität des Unternehmens entspricht und einen Cashflow auf der Grundlage der Gesundheit des Unternehmens und seiner Vermögenswerte schafft.“ [21]

Die Forscherin und Journalistin Cory Morningstar ist mit dem Ansatz der NYSE/IEG ganz und gar nicht einver­standen. Sie betrachtet die NACs als ein System, das den Raubbau der Unter­nehmen an der Natur nur noch verschlimmern wird [22]. Morningstar beschrieb NACs so: „Rockefeller et al. lassen die Märkte diktieren, was in der Natur einen Wert hat – und was nicht. Es ist jedoch nicht Sache der kapitalis­tischen Institutionen und der globalen Finanzwelt, zu entscheiden, welches Leben einen Wert hat. Ökosysteme sind keine ‚Vermögenswerte‘. Biologische Gemeinschaften existieren für ihre eige­nen Zwecke, nicht für unsere.“

Eine neue Art des Plünderns

Das ultimative Ziel von NACs ist nicht Nachhaltigkeit oder Naturschutz – es ist die Monetarisierung der Natur, d.h. die Verwandlung der Natur in eine Ware. Diese Ware kann dazu verwendet werden, die derzeitige, korrupte Wall-Street-Wirtschaft – unter dem Deckmantel des Umweltschutzes und der Verhinderung weiterer Umweltschäden – am Laufen zu halten. Die IEG macht dies deutlich, wenn sie feststellt, dass „die Chance“ der NACs nicht in ihrem Potenzial zur Verbesserung des ökologischen Wohlbefindens oder der Nachhaltigkeit liegt, sondern am großen Umfang dieser als „Natur-Ökonomie“ bezeichneten neuen Anlageklasse [23].

Während die Anlageklassen der gegen­wärtigen Wirtschaft einen Wert von ca. 512 Billionen Dollar haben, wären die Anlageklassen, die durch NACs er­schlossen würden, mit 4.000 Billionen Dollar (d.h. 4 Billiarden Dollar) in der Tat deutlich größer.

Die NACs bieten einen neuen Nähr­boden für räuberische Wall-Street-Banken und Finanzinstitute, der es ermöglicht, nicht nur die menschliche Wirt­schaft, sondern die gesamte Natur zu beherrschen.

In der Welt, die derzeit von diesen und verwandten Organisationen aufgebaut wird – und in der sogar die Freiheit nicht mehr als Recht angesehen, sondern zur „Dienstleistung“ [24] umgemünzt wird – werden die natürlichen Prozesse, von denen das Leben abhängt, in ähnlicher Weise zu Vermögenswerten umgestaltet. Und diese Vermögenswerte werden Eigen­tümer haben. Diese „Eigentümer“ werden letztlich das Recht haben, zu diktieren, wer zu welchem Preis Zugang zu sauberem Wasser, zu sauberer Luft und zur Natur selbst erhält.

Laut Cory Morningstar ist ein weite­res Ziel bei der Schaffung der „Natur-Ökonomie“ und ihrer grünen Verpackung als NAC für die Wall Street, die mas­siven Landraub-Versuche der Wall Street und der Oligarchenklasse der letzten Jahre drastisch voranzutreiben. Die jüngsten Landnahmen durch Wall-Street-Firmen [25], gehören genauso dazu, wie die Landnahmen durch milliardenschwere „Philanthropen“ während der COVID-Krise, z.B. Bill Gates [26]. Dieser Land­raub, durch den Aufbau der NACs enorm erleichtert, betrifft vor allem indigene Gemein­schaften in den Entwicklungs­ländern [27].

Wie Morningstar anmerkte: „Der öffent­liche Start der NACs erfolgte strategisch, vor der fünfzehnten Tagung der ,Konferenz der Vertragspartner des Abkommens zur biologischen Vielfalt‘, der größten Biodiversitätskonferenz seit zehn Jahren. Unter dem Vorwand, 30% der Erde in ‚Schutzgebiete‘ umzu­wandeln, findet der größte globale Landraub der Geschichte statt. Auf der Grund­lage der weißen Vorherrschaft wird dieser Vorschlag Hunderte Millionen Menschen vertreiben und den laufenden Völkermord an den indigenen Völkern vorantreiben. Die tragische Ironie dabei ist, dass die indigenen Völker zwar weniger als 5% der Weltbevölkerung ausmachen, aber etwa 80% der gesamten Artenvielfalt beherbergen.“

In ihrer Erläuterung der NACs stellt die IEG bezeichnenderweise fest, dass Erlöse aus dem Börsengang einer NAC für den Erwerb weiterer Landflächen durch die von einer NAC kontrollierten Unternehmen verwendet werden können – oder zur Aufstockung der Budgets der börsendotierten Unternehmen. Dies ist weit entfernt von dem Verkaufsargu­ment der NYSE/IEG, die NAC`s seien „anders“, weil ihre Börsengänge zur „Erhaltung und Schutz“ von Natur­gebieten genutzt würden.

Die Panik vor dem Klimawandel, die nun wieder an die Stelle der COVID-19-Panik tritt, wird sicherlich dazu genutzt, die NACs und ähnliche Konstrukte als notwendig zur Rettung des Planeten zu vermarkten, aber – seien Sie versichert – die NACs sind nicht dazu da. Statt­dessen ist es ein weiterer Schritt derer, die für die aktuellen Umweltkrisen verantwortlich sind. Ein weiterer Schritt, der es ihnen ermöglicht, eine neue Ära einzuläuten. Eine Ära, in der ihre räuberische Aus­beutung neue, bisher unvorstellbare Ausmaße erreicht.