Aufbau der demokratischen Macht des Volkes in Südafrika

Die Streiks von Durban 1973

Lange nachdem die Entkolonialisierungswelle über Afrika, Asien und Lateinamerika hinweggefegt war, blieben zwei große Länder – Brasilien und Südafrika – in der Gewalt unseliger politischer Systeme. Die Militärdiktatur in Brasilien (1964-1985) und das Apartheid-Regime in Südafrika (1948-1994). Sie wurden jedoch von einer Reihe politischer und gesellschaftlicher Kräfte vor große Herausforderungen gestellt. Obwohl sich viele dieser Kämpfe in das öffentliche Gedächtnis eingebrannt haben, ist die Rolle des Widerstands der Arbeiter außerhalb der Gewerkschaften kaum bekannt, so als ob die Kämpfe der Arbeiter in der Geschichte der Demokratisierung eine untergeordnete Rolle spielten.

Von Published On: 21. Januar 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

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Streikende Arbeiter der Consolidated Textile Mill, Jacobs, fordern höhere Löhne. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Im Gegenteil, in beiden Ländern spielten die Kämpfe der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle beim Sturz der verhassten Regime. In Südafrika waren die Streiks in der industriellen Hafenstadt Durban 1973 der Beginn des Aufbaus einer kämpferischen Gewerkschaftsbewegung, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre das Apartheid-Regime ins Wanken brachte. In Brasilien werden die Streiks von 1978-1981 in drei Industriestädten im Großraum São Paulo – Santo André, São Bernardo do Campo und São Caetano do Sul – oft als Beginn des Endes der Militärdiktatur bezeichnet. Die Streiks wurden von Luiz Inácio Lula da Silva angeführt, dem damaligen Präsidenten der Metallarbeitergewerkschaft ABC und heutigen Präsidenten Brasiliens.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter setzten sich gegen festgefahrene Formen der Herrschaft zur Wehr, die nicht nur sie ausbeuteten, sondern auch das Volk insgesamt unterdrückten – die späteren Demokratien wurden zuerst in den Betrieben ausgebrütet. Dieses Dossier ist ein Beitrag zur Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte Südafrikas.

Die Streiks von Durban im Jahr 1973 waren Teil einer umfassenderen politischen Bewegung in der Stadt Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre, als sie zu einem fruchtbaren Ort für politische Experimente und Innovationen wurde. Schwarze Arbeiter haben in Durban und seiner Umgebung eine lange Geschichte der Organisation und Mobilisierung. Afrikanische Hafenarbeiter streikten erstmals 1874, und 1906 legten viele Arbeiter – auch solche, die in weißen Haushalten arbeiteten – ihre Arbeit nieder, um sich dem Aufstand auf dem Land gegen eine neue Kopfsteuer anzuschließen. Angeführt von Bhambatha kaMancinza nahm der Aufstand die Form von Guerilla-Angriffen an, die aus dem Schutz des Nkandla-Waldes in der Nähe von Eshowe, einer kleinen Stadt nördlich von Durban, gestartet wurden. 1913 organisierten die indischen Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen – die meisten von ihnen zur Arbeit verpflichtet – einen massiven Streik. Die Hafenarbeiter in Durban streikten 1920 erneut, und die 1919 auf den Docks in Kapstadt gegründete Industrial and Commercial Workers’ Union (Gewerkschaft der Industrie- und Handelsarbeiter, Anm. d. Red.) wurde in den späten 1920er Jahren zu einer wichtigen Kraft in der Stadt [1]. Zulu Phungula, ein charismatischer Arbeiterführer, führte in den späten 1930er Jahren eine weitere Phase der Konfrontation auf den Docks von Durban an.

1930 wurde Johannes Nkosivon, ein Organisator der Hafenarbeiter und einflussreiches Mitglied der Kommunistischen Partei Südafrikas (CPSA) – die bei den Arbeitern als abantu ababomvu („das rote Volk“) bekannt war – von der Polizei ermordet, nachdem er eine öffentliche Verbrennung von Passbüchern angeführt hatte – den Dokumenten, die die Apartheid-Regierung von Afrikanern für den Zugang zu Städten verlangte. Zwischen 1949 und 1959 organisierten die Arbeiter in den Docks von Durban fünf weitere Streiks.

Am 12. August 1946 kam es zu einem neuen Bruch als afrikanische Minenarbeiter in und um Johannesburg streikten und höhere Löhne forderten. Sie setzten den Streik eine Woche lang fort und sahen sich dabei dem Terror der Polizei ausgesetzt, der neun Arbeiter tötete und weitere 1.248 verletzte. Obwohl der Streik niedergeschlagen wurde, hatte er einen nachhaltigen Einfluss auf die Freiheitskämpfe und führte zu einer Verlagerung hin zu einer direkteren Konfrontation mit dem Staat. Aus der kommunistisch geführten African Mine Workers’ Union (Gewerkschaft afrikanischer Minenarbeiter, Anm. d. Red.), die den Streik organisiert hatte, ging der South African Congress of Trade Unions (SACTU) hervor, der 1955 in Johannesburg gegründet wurde.

Der SACTU war mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) verbündet und versuchte die gewerkschaftliche Organisation mit dem Kampf für die nationale Befreiung zu verbinden. Der Verband spielte eine führende Rolle bei der Welle landesweiter Streiks, die in den späten 1950er Jahren an Häufigkeit und Militanz zunahmen. Dies war auch in Durban der Fall, das vor allem dank der Beharrlichkeit der Hafenarbeiter zu einem wichtigen Knotenpunkt der militanten Gewerkschaftsbewegung wurde.

Die Rassentrennung des Arpartheidregimes durchdrang alle Lebensbereiche. (Bild: Dewet / Wikimedia Commons / Public Domain)

Der Versuch, Afrikaner von jeder autonomen Präsenz im städtischen Leben auszuschließen, war von zentraler Bedeutung für die Logik der Apartheid. Die Städte wurden als Stätten der weißen Moderne betrachtet, in denen Afrikaner nur als streng untergeordnete und segregierte Arbeiter präsent sein konnten.

Passgesetze waren der Schlüsselmechanismus in einem Unterdrückungssystem, welches das afrikanische Familienleben zunehmend auf ethnisch abgegrenzte ländliche „Homelands“ beschränkte, die im Namen der „Tradition“ regiert wurden.

1960 beschloss eine Abspaltung des ANC, der Pan-Africanist Congress (PAC), den Staat wegen der Passgesetze direkt anzugreifen. Am Morgen des 21. März 1960 versammelten sich rund 20.000 Menschen vor der Polizeistation in Sharpeville, einem Township in der heutigen Provinz Gauteng. Die Spannung stieg, als Kampfjets im Tiefflug über die Demonstranten flogen. Barrikaden wurden gestürmt, woraufhin die Polizei das Feuer auf die unbewaffnete Menge eröffnete und 69 Menschen tötete. Wie Frantz Fanon schrieb, das Massaker von Sharpeville „erschütterte die [weltweite] öffentliche Meinung“ [2]. Am 8. April verbot der Staat den ANC und die PAC.

Trotz ihrer offenen Zugehörigkeit zum ANC wurde die SACTU nicht verboten. Im folgenden Jahr initiierte der SACTU einige Streiks, vor allem in Durban, wo Krankenschwestern im King George V. Hospital und Arbeiter der Lion Match Company streikten. Doch im Dezember 1962 verbannte die Apartheid-Regierung 45 Funktionäre des SACTU und seiner Mitgliedsgewerkschaften und schloss sie aus dem öffentlichen Leben aus, woraufhin der Verband in den Untergrund gezwungen wurde. Die schwarze Gewerkschaftsbewegung war weitgehend zerschlagen.

Mehr als ein Jahrzehnt lang war die weiße Macht ungebrochen. Die Wirtschaft wuchs ungleichmäßig, aber schnell. Und der Staat schien unangreifbar zu sein. Ein autoritäres Regime innerhalb und außerhalb der Betriebe, sowie die steigende Beschäftigung und die zunehmende Kaufkraft der Arbeitnehmer führten zu einer relativen Duldung. Doch 1969 führte ein plötzlicher wirtschaftlicher Abschwung zu Kürzungen und einem Rückgang der Reallöhne, der die schwarzen Arbeitnehmer und ihre Familien zunehmend belastete.

Neue Ideen auf dem Campus

Gleichzeitig entstanden unter den Mitarbeitern und Studenten auf dem Campus der Universität von Natal in Durban neue Formen des Dissenses. Anfänglich konzentrierte sich diese Blüte politischer Kreativität auf zwei charismatische Männer, Steve Biko und Richard Turner. Beide nutzten ihr Charisma dazu, kollektive Denkanstöße zu geben, anstatt als Gurus für passive Anhänger zu fungieren.

Biko, der aus King William’s Town (heute Qonce) im Ostkap stammte, wurde am St. Francis College des Klosters Mariannhill außerhalb von Pinetown ausgebildet, einem Industriegebiet am westlichen Rand von Durban. Im Jahr 1966, im Alter von 22 Jahren, kehrte er nach Durban zurück, um an der Universität von Natal Medizin zu studieren, die für Schwarze reserviert war.

Turner stammte aus Kapstadt und hatte an der Sorbonne in Paris über den Philosophen Jean-Paul Sartre promoviert, dessen Ideen auch für Biko wichtig wurden. Er interessierte sich für eine Reihe anderer Denker wie Frantz Fanon, Herbert Marcuse und Karl Marx, sowie für die jüngsten politischen Experimente in China, Tansania und Jugoslawien, das er in den 1960er Jahren besucht hatte.

Turner schlug eine demokratische, partizipatorische Vision für die Gesellschaft vor, die in einem humanistischen Marxismus verwurzelt war, mit, wie er schrieb, einem besonderen Engagement für die „Beteiligung des Volkes auf der Grundlage der Arbeiterkontrolle“ [3]. Biko, ebenfalls ein radikaler Humanist, stützte sich auf Denker wie Stokely Carmichael, James Cone, Aimé Césaire, Frantz Fanon und Kwame Nkrumah [4]. Er war ein scharfer Kritiker des rassistischen Paternalismus vom weißen Liberalismus. Entgegen dem Denken einiger weißer Intellektueller der Linken bestand er darauf, dass Diskussionen über die Klasse die Frage der Ethnie nicht aushöhlen sollten.

Turner, Biko und ihre Kameraden entwickelten ihre Gedanken von Durban inmitten weltpolitischer Umwälzungen. Die politischen Energien der Black Power-Bewegung in Amerika (von den Vereinigten Staaten bis Trinidad) lagen in der Luft, ebenso wie die hauptsächlich von Jugendlichen getragenen Aufstände von 1968 – welche Städte von Mexiko-Stadt und Dakar bis Lahore und Rio de Janeiro erschütterten. Die antikolonialen Kriege in Vietnam und Algerien spielten eine wichtige Rolle bei den Aufständen in Paris, wo sich Arbeiter und Studenten verbündeten. Wie die Wissenschaftlerin Kristin Ross schreibt, ermöglichte dies „unvorhergesehene Allianzen und Synchronizität zwischen sozialen Sektoren und zwischen sehr unterschiedlichen Menschen, die zusammenarbeiten, um ihre Angelegenheiten kollektiv zu regeln“ [5].

Im selben Jahr war Biko die treibende Kraft für die Gründung der South African Students’ Organisation (SASO), einer schwarzen Studentengruppe. Sie hatte ihren Sitz in Durban und entwickelte Ideen, die für die Black Consciousness-Bewegung prägend wurden. Barney Pityana, eine führende Persönlichkeit der SASO, erinnerte sich an „stundenlange Interaktionen und Debatten unter Freunden“, während derer Biko „zuhörte und Ideen herausforderte wenn sie aufkamen, sie konkretisierte und sie zur Weiterentwicklung wieder einbrachte“. [6]

Biko ist bekannt dafür, dass er die Auseinandersetzung mit Ideen der Black Power, des karibischen Radikalismus und des afrikanischen Nationalismus angestoßen hat. Weniger bekannt ist jedoch, dass er die Ideen von Paulo Freire in Südafrika einführte, die von radikalen Akademikern und Studenten in Durban – darunter auch Turner, als er 1970 in die Stadt kam – weithin aufgegriffen wurden. [7]

Steve Biko Anti-Arpartheidsaktivist. Eine treibende Kraft bei der gründung der SASO (South African Students’ Organisation). (Bild: Unbekannter Fotograf / Wikimedia Commons)

Rückkehr der Arbeiterbewegung zur Militanz

1969 streikten die Hafenarbeiter in Durban. Die Streiks wurden mit Waffengewalt schnell unterdrückt. Rund 2.000 Hafenarbeiter wurden entlassen und in Züge gezwungen, die sie zurück in die ländlichen Gebiete brachten. Im Jahr 1971 drohten sie mit einem weiteren Streik. Im benachbarten Südwestafrika (heute Namibia) – das damals von Südafrika regiert wurde – wurde im Dezember desselben Jahres ein Generalstreik organisiert, der bis April 1972 andauerte. Es war klar, dass die Zeit der Arbeitsruhe zu Ende gehen würde.

Anfang der 1970er Jahre wurde die Wirtschaft der Apartheid durch eine Reihe von Faktoren erschüttert, darunter ein Rückgang der internationalen Ölproduktion, höhere Ölpreise und die Abkopplung des US-Dollars vom Goldstandard durch die US-Notenbank. Die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Haushalte lebte in Armut, und eine Erhöhung der Bahntarife verschärfte die Situation.

Am 23. Februar 1971 streikten mehr als 24.000 Arbeiter in Textilfabriken in und um Durban, zudem nahmen viele von ihnen an einer Massenversammlung teil, die auf dem Sportplatz Curries Fountain stattfand, einem legendären Ort in der Geschichte der Volksorganisation. Die Arbeitgeber, die aufgrund des Ausmaßes der Arbeitsniederlegung keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen konnten, stimmten der Forderung der Arbeitnehmer nach einer Lohnerhöhung von 20% rasch zu.

Nach dem Streik in den Bekleidungsfabriken suchten zwei Studenten aus Turners Umfeld – Halton Cheadle und David Davis, zusammen mit David Hemson, einem jungen Akademiker und engagierten Kämpfer – Anschluss an die wachsende Arbeitermilitanz. Die Gruppe wurde von Harriet Bolton angesprochen, die bei der Organisation des Curries Fountain-Treffens mitgeholfen hatte und Mitglied der Garment Workers’ Industrial Union war, einer indischen Gewerkschaft (GWIU, Textilarbeitergewerkschaft, Anm. d. Red.). Ihre Versuche, afrikanische Arbeiter in die Gewerkschaften einzubeziehen, waren von den weißen Führern des Trade Union Council of South Africa (TUCSA) abgelehnt worden. Im Jahr 1974 führte Bolton den Austritt der GWIU aus dem Rat an. Sie bat Turner um Hilfe, und in enger Zusammenarbeit mit Hemson beschlossen sie, radikalen Studenten Gewerkschaftsjobs anzubieten. Die Studenten setzten sich auf verschiedene Weise mit den Arbeitnehmern und Gewerkschaften auseinander, z. B. durch Recherchen zum Thema Löhne und durch die Herausgabe von Isisebenzi („Der Arbeiter“), einer Zeitung, die Interviews mit Arbeitnehmern sowie umfassendere Artikel veröffentlichte, die aus der Praxis des aufmerksamen Zuhörens entstanden.

1972 streikten die Hafenarbeiter erneut. Im Gegensatz zu der Vorstellung, dass die erneute Militanz der Arbeiter in den frühen 1970er Jahren völlig „spontan“ war, hat Hemson festgestellt, dass verschiedene Briefe und Pamphlete, die vor und während des Streiks erschienen, „konkrete Beweise für ein Netzwerk im Untergrund lieferten, das sich selbst dann nicht zu erkennen gab, als die offene Gewerkschaftsarbeit unter den Hafenarbeitern begann“. [8]

Streik Meeting 1973 in der Bolton Hall in Durban. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Als die Hafenarbeiter 1972 erneut in den Streik traten, widersetzten sie sich nicht nur ihren weißen Chefs:

Beim Streik ging es auch darum, die traditionelle Autorität herauszufordern, auf der die Standardtechnik der kolonialen Herrschaft über die Arbeit und das afrikanische Leben im Allgemeinen fußte.

1972 wurde die Autorität von J.B. Buthelezi – dem Onkel von Mangosuthu Buthelezi, dem Führer der reaktionären nationalistischen Zulu-Organisation Inkatha – von den Hafenarbeitern in Frage gestellt. Einer von ihnen verlangte zu wissen: „Wer ist dieser Mann, wer hat ihn gewählt, um uns zu vertreten?“ [9]. Cheadle, der an der Versammlung teilnahm, erinnerte sich, dass Buthelezi, als er „aufstand, um für die Arbeiter zu sprechen, ihn alle niederschrien. Es herrschte absolutes Chaos“. Morris Ndlovu, ein Hafenarbeiter, bekräftigte: „Auf dieser Versammlung wurde uns unsere Macht bewusst, denn wir sprachen für uns selbst“. [10]

Anfang 1973 spitzte sich die Situation zu. Am 9. Januar traten afrikanische Arbeiter in Fabriken in der ganzen Stadt in den Streik, um Lohnerhöhungen zu fordern, in vielen Fällen um das Zwei- bis Dreifache. Sie wachten um 3 Uhr morgens auf und machten sich auf den Weg zu einem nahe gelegenen Fußballstadion. Während sie sich durch den Berufsverkehr bewegten, skandierten sie „Ufil’ umuntu, ufile usadikiza, wamthint’ esweni, esweni usadikiza“ („Ein Mensch ist tot, aber sein Geist lebt noch; wenn man in die Iris seines Auges sticht, wird er wieder lebendig“). Hemson erinnerte sich kürzlich in bewegender Prosa an diesen Tag:

„In der Morgendämmerung strömten sie aus den kasernenartigen Wohnheimen von Coronation Bricks, den ausgedehnten Textilfabriken von Pinetown, den städtischen Anlagen, den großen Fabriken, Mühlen und Werken und der kleineren Five-Roses-Teeverarbeitungsanlage.

Die Unterdrückten und Ausgebeuteten erhoben sich und schlugen auf die Bosse und ihr Regime ein. Nur in der Gruppe, den versammelten Streikposten, den führerlosen Massenversammlungen der Streikenden und den Versammlungen der ausgesperrten Arbeiter fand der Einzelne einen Ausdruck des Vertrauens.“[11]

Der Moment hatte den Charakter eines Generalstreiks und ebnete den Weg für die kommenden Verwerfungen. Sam Mhlongo, ein Arzt, der als Jugendlicher auf Robben Island inhaftiert gewesen war, schrieb Anfang 1974, dass „dieser Streik, obwohl er beigelegt wurde, eine explosive Wirkung hatte“. [12]

Die Bosse gaben „Aufwieglern“ und „Einschüchterungen“ die Schuld und drohten den „Rädelsführern“ mit schweren Strafen. Sie weigerten sich, mit den Arbeitern zu verhandeln, riefen die Bereitschaftspolizei und bestanden darauf, dass die Arbeiter einen Ausschuss von Vertretern wählen. Nach einer langen Geschichte von Hafenarbeiterkämpfen in Durban weigerten sich die Arbeiter. Der Zulu-König Goodwill Zwelithini kaBhekuzulu erschien und appellierte an die Menge, zur Arbeit zurückzukehren und versprach, in ihrem Namen zu verhandeln. Außerdem versuchte er auf zynische Weise, den vertikalen Konflikt zwischen afrikanischen Arbeitern und weißen Bossen auf eine horizontalere Ebene zu verlagern, indem er zwischen indischen und afrikanischen Arbeitern unterschied. [13]

Zum Ende des Monats hin streikten die Beschäftigten in rund 100 Fabriken und anderen Betrieben, darunter mehr als 6.000 Beschäftigte der notorisch ausbeuterischen Frame-Gruppe, damals eines der größten Textilunternehmen der Welt. In den Worten eines Arbeiters: „Obwohl ich Decken für Herrn Philip Frame herstelle, kann ich mir Decken für meine Kinder nicht leisten.“ [14] Die Polizei verprügelte und verhaftete einige der Streikenden, aber trotz der Unterdrückung breiteten sich die Streiks entlang der Küste in beide Richtungen und bis ins Landesinnere nach Pietermaritzburg aus. Sie betrafen die Docks, die Mühlen, die verarbeitende Industrie und das Transportwesen. Viele indische Arbeiter schlossen sich den Streiks an, und die ständigen Forderungen der Bosse, repräsentative Ausschüsse zu wählen, wurden abgelehnt.

Am 5. Februar legten 3.000 afrikanische und indische kommunal Beschäftigte die Arbeit nieder; am 7. Februar waren es bereits 16.000. Kommunalarbeit wurde als wesentlicher Dienst eingestuft, so dass der Streik als illegal angesehen wurde. Der Müll wurde nicht abgeholt, Gräber wurden nicht ausgehoben, und die Lebensmittel verfaulten, da der städtische Markt und der Schlachthof geschlossen waren.

Die Arbeiter begannen, durch die Stadt zu marschieren und wurden dabei auf der Straße von der Polizei und aus der Luft von Hubschraubern beobachtet. Die Anwesenheit der rebellischen Arbeiter auf den Straßen wurde zu einer symbolisch aufständischen Präsenz in der Apartheid-Stadt. Ende März schwankten die Schätzungen über die Zahl der streikenden Arbeiter zwischen 65.000 und 100.000 in mehr als 150 Fabriken und Betrieben.

In der Chemie-, Bekleidungs-, Metall- und Textilindustrie wurden rasch Gewerkschaften gegründet. Als die Beschäftigten begannen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, kam es zu einem schrecklichen Vorfall in den Prilla Mills in Pietermaritzburg, wo das brutale Arbeitsregime auf systematischem sexuellem Missbrauch und Kinderarbeit beruhte (was im städtischen Südafrika höchst ungewöhnlich war). Princess Osman, die führende Organisatorin in den Fabriken, wurde auf dem Heimweg überfallen und ihr Gesicht mit Säure verunstaltet. [15]

Erziehung der Erzieher

Die Streiks begannen mit einem Bekenntnis zum Humanismus, einer Politik, die über die Forderung nach Lohnerhöhungen hinausging. Es gab auch öffentliche Hinweise auf eine Verbindung zum nationalen Befreiungskampf, als die Arbeiter Nkosi Sikelel’ iAfrika („Gott segne Afrika“) sangen, eine christliche Hymne, die zu einer Hymne für die im Kampf geschmiedete Nation geworden war. Hemson beobachtete: „Die Arbeiter fingen an, über den [African National] Congress zu sprechen. Wenn man nachts zu ihnen nach Hause kam, hoben sie die Dielen an und holten alte ANC-Pamphlete heraus“. [16]

Edward Webster, der im Februar 1973 nach Durban kam, um eine akademische Stelle anzutreten, erinnerte sich, dass die Arbeiterklasse

„keine kollektive Tabula rasa war und darauf wartete, dass weiße Intellektuelle ihr sagten, was sie denken sollten. Sie hatten ihre eigene Geschichte und ihre eigenen politischen Traditionen… [einschließlich] der nationalen politischen Tradition, [die] in Durban und Umgebung tief verwurzelt war“ [17].

Einige Intellektuelle mit Universitätsausbildung waren jedoch nicht in der Lage zu verstehen, dass die Arbeiter in eine offene Auseinandersetzung mit ihrer eigenen politischen Geschichte und ihren Ideen eingetreten waren. Ein Beispiel für diese auch heute noch verbreitete Tendenz ist die Reaktion eines einflussreichen radikalen, weißen Akademikers auf eine Umfrage unter Arbeitern. Als die Umfrage-Ergebnisse zeigten, dass Moses Mabhida – ein Gewerkschafter und Kommunist, der eine Woche nach dem Sharpeville-Massaker von 1960 ins Exil gegangen war – einer ihrer angesehensten Anführer war, erklärte der Akademiker, dass es eine solche Person nicht gäbe und dass die Umfrage gefälscht sein müsse. [18]

Die Verbindungen zur nationalen Befreiungsbewegung bestanden nicht nur auf der Ebene der Ideen; es gab auch persönliche Beziehungen. So war beispielsweise Harold Nxasana, ein ehemaliger SACTU-Aktivist und politischer Gefangener, der in den frühen 1970er Jahren im Arbeitermilieu aktiv war, in einer der Organisationen beschäftigt, die von den Universitätsradikalen im Dienste der Arbeiterbewegung gegründet wurden.

Hemson stellte fest, dass Turner, Biko und viele ihrer Anhänger die anhaltende Kraft des nationalen Befreiungskampfes und seine engen Verbindungen zum ANC nicht begriffen haben. In den folgenden Jahren haben jedoch mehrere Wissenschaftler erkannt, dass diese Tradition unter den Arbeitern weiterhin stark präsent war. Infolgedessen wird das Engagement der Arbeiter für die ANC-Tradition in den 1970er Jahren heute viel besser verstanden.

Die anhaltende Tendenz, reiche politische Traditionen unter den Unterdrückten zu übersehen, unterstreicht, dass „es wesentlich ist, den Erzieher selbst zu erziehen“, wie Karl Marx in seinen Thesen über Feuerbach [19] schrieb. Hemson hat in diesem Zusammenhang eine wichtige Beobachtung gemacht:

„In Wahrheit hatten die ,Erzieherʻ viel zu lernen über die Militanz der Arbeiterinnen, die bestehenden Netzwerke am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft; die zugrunde liegende Loyalität gegenüber dem ANC – wenn es die Möglichkeit gab, diese sicher zum Ausdruck zu bringen; den Geist der Berge (des bewaffneten ländlichen Widerstands gegen die Häuptlingsherrschaft in Pondoland); die Militanz vieler Wanderarbeiter, wie man für Reformen kämpft, ohne reformistisch zu werden; wie man Führung ohne Bevormundung ausübt; und welche Ansätze anzunehmen sind, um die Kontrolle der Arbeiter über die Führung der Gewerkschaften aufrechtzuerhalten.“ [20]

Vusi Shezi – der später Organisator bei der National Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA) wurde und dessen Frustration über die Behandlung von ihm und seinen Kollegen durch die Unternehmensleitung ihn dazu veranlasste, sich an den Streiks von 1973 zu beteiligen – sprach auch über umfassendere antikoloniale Beweggründe für die Streiks und erinnerte sich an einen Vorfall, bei dem seine antikoloniale Sichtweise ihm Ärger mit den Bossen einbrachte, die ihm daraufhin anspruchsvollere Arbeiten zuteilten:

„Ich arbeitete in der Nachtschicht. … Ich sagte zu mir selbst: ,Ich verschwende meine Zeit und lerne nicht. Wenn ich diese Zeit zum Lernen nutzen würde… aber ich habe keine Bücherʻ. … Dann fing ich an, mit Kreide auf den großen Wagen zu schreiben, was ich über die Ankunft der Weißen ab 1652 und die Kolonialisierung Südafrikas weiß. …Leider habe ich vergessen, es abzuwischen. Am nächsten Morgen wurde es dann von der Geschäftsleitung gesehen. Sie sahen diesen Wagen mit einer sehr guten Karte von Afrika und einigem Hintergrundwissen über den Kolonialismus, mit einem kleinen Angriff auf die Apartheid-Regierung und Beschwerden über schwarze Führer, die inhaftiert wurden. [21]

Aber natürlich konnte das dauerhafte Engagement für den nationalen Kampf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Löhne bei den Streiks von 1973 ein entscheidendes Thema waren. In der Hitze der Streiks erklärte ein Arbeiter: „Das Kind, das nicht weint, stirbt … wir sollten um uns selbst weinen, weil wir hungrig arbeiten“ [22]. Ein anderer bemerkte: „Unsere Chefs fahren in Mercedes-Autos, aber ihre Arbeiter haben nicht einmal einen Arbeitsanzug“ [23]. Andere Arbeiter berichteten, dass sie Kredithaie in Anspruch nehmen mussten, um über den Monat zu kommen. Die Bosse, die weißen Medien in Durban und die afrikanischen Nationalisten, welche die Staatsmacht innehatten, gaben ihre gleichzeitig paranoiden und beruhigenden Fantasien – über „Aufwiegler“, „kommunistische Verschwörungen“ und „Einfluss aus dem Ausland“ – weitgehend auf und einigten sich auf die Vorstellung, dass es bei den Streiks ausschließlich um die Löhne und nicht um ein umfassenderes politisches Projekt ging.

In den Berichten über die Streiks des von Turner und anderen im Mai 1973 gegründeten Institute for Industrial Education und in der Black Review – einer von Biko im selben Jahr als Projekt des Black Community Programmes initiierten Publikation – wurden die Streiks ebenfalls ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, als eine Frage der Löhne [24]. Der Historiker Julian Brown hat argumentiert, dass dieses Verständnis wahrscheinlich dazu führte, dass der Staat nicht auf die Art von intensiver Gewalt und groß angelegter Repression zurückgriff, die er zuvor gegen Massenmobilisierungen eingesetzt hatte. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich eine weitere: Es mag für die Arbeiter taktisch sinnvoll gewesen sein, in ihren öffentlichen Rede politische Themen von vornherein zu vermeiden, während sie in privaten Reden ein politischeres Verständnis aufrechterhielten.

Streikende marschieren durch die Stadt, Durban, Südafrika. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Brown stellt auch fest, dass die weißen Eliten den Streik häufig aus ethnischer Sicht betrachteten, als Ergebnis einer bestimmten Geschichte und Kultur der Zulu. Aber natürlich waren an den Streiks auch indische und afrikanische Arbeiter verschiedener Ethnien beteiligt, darunter auch Pondo- und Shangaan-Arbeiter, wie er anmerkt. Darüber hinaus könnte die Interpretation der Streiks durch ein zu maskulines Verständnis der Zulu-Kultur kaum die vielen Frauen berücksichtigen, die in den Vordergrund traten, einschließlich indischer Frauen in einigen Fabriken.

Hemson hat das zeitgenössische Publikum daran erinnert, dass Turner einen grundlegenden politischen Fehler beging, als er sich mit der reaktionären, ethnisch konstituierten Organisation Inkatha verbündete – die Turner als eine zumindest potenziell progressive Bewegung der armen Landbevölkerung missverstand. Im Gegensatz dazu stellt er fest, dass Biko sich über den kollaborativen Charakter von Inkatha sehr im Klaren war. In den 1980er Jahren griff sie die Arbeiterbewegung gewaltsam an und ermordete 1989 eine ihrer großen Führerinnen, die NUMSA-Vertrauensfrau Jabu Ndlovu.

Einige akademische Arbeiten haben explizit oder implizit die abwägenden kollektiven Praktiken und die formalen demokratischen Verpflichtungen – die aus den Streiks von Durban hervorgingen und die Gewerkschaftsbewegung in den folgenden Jahrzehnten kennzeichneten – auf das Engagement meist weißer, von der Neuen Linken in Westeuropa und Nordamerika inspirierter Intellektueller zurückgeführt. Dies macht eine bekannte Geschichte kollektiver Praktiken der abwägenden Konsenssuche bedeutungslos, die im ländlichen Raum verwurzelt ist und seit langem unzählige Kämpfe von Arbeitern und anderen geprägt hat. Diese Geschichte ist in der Arbeit von T. Dunbar Moodie und Vivienne Ndatshe über Wanderarbeiter in den Johannesburger Goldminen gut beschrieben [25]. Sie wurde von Nelson Mandela in seiner Erklärung auf der Anklagebank im Jahr 1962 hervorgehoben, als er argumentierte, dass die „Saat der revolutionären Demokratie“ in den als Pitso, Imbizo oder Kgotla bekannten Räten lag, durch die sich die ländlichen Gemeinden nach vorkolonialen Praktiken selbst verwalteten [26].

Mandela beschrieb die Praktiken in diesen Räten als „Demokratie in ihrer reinsten Form“ und erklärte, dass dort jeder das Wort ergreifen könne und „die Sitzungen so lange fortgesetzt würden, bis eine Art Konsens erreicht sei“ [27].

Diese kollektive und sorgfältig abwägende Suche nach einem Konsens ist nach wie vor eine konstitutive Kraft in der zeitgenössischen Bewegung der städtischen Armen Abahlali baseMjondolo (was so viel bedeutet wie „Bewohner der Hütten“), die 2005 in Durban entstand und heute mehr als 100.000 Mitglieder zählt. Dasselbe gilt für den afrikanischen Humanismus, der sich im Moment des Aufbruchs in den Fabrikhallen von Durban im Jahr 1973 manifestierte. Dieser wurde von Emma Mashinini, einer führenden Gewerkschafterin in den 1980er Jahren, kraftvoll zum Ausdruck gebracht: „Ich bin ein Mensch. Ich existiere. Ich bin ein vollständiger Mensch“ [28]. Die Unterdrückten betreten das politische Terrain nicht ohne bereits bestehende ethische und politische Verpflichtungen, Praktiken und Erinnerungen.

Der demokratische Charakter der Arbeiterbewegung, der aus dem Durban-Moment hervorging, lässt sich am besten als eine produktive Begegnung verstehen. Als das, was Fanon als „eine gegenseitige Strömung der Erleuchtung und Bereicherung“ zwischen Intellektuellen mit Universitätsausbildung und der Militanz der Arbeiterklasse bezeichnete. [29]

Steve Biko wurde im September 1977 in Polizeigewarsam ermordet. (Bild: Screenshot: Daily Dispatch, Mi. 14. September 1977)

Nach dem Durban-Moment

Im März 1973 wurden sowohl Biko als auch Turner verbannt, ersterer in seine Heimatstadt im Ciskei-Bantustan („Bantustan“ ist ein anderes Wort für Homeland, Anm. d. Red.) und letzterer in sein Haus in einem weißen Arbeitervorort von Durban. Hemson, der in den ersten drei Monaten des Jahres 1973 an der Gründung von Hafen-, Möbel- und Metallarbeitergewerkschaften mitgewirkt hatte, wurde im folgenden Jahr verbannt.

Am 25. September 1974 organisierte SASO am Curries-Brunnen eine Solidaritätskundgebung mit der Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO, Mosambikanische Befreiungsfront, Anm. d. Red.), deren Kampf für die Unabhängigkeit Mosambiks kurz vor dem Abschluss stand. Die Veranstaltung wurde am Vortag verboten, aber 5.000 Menschen kamen, und die Atmosphäre des Trotzes war elektrisierend. Die Polizei löste die Kundgebung auf – neun SASO-Aktivisten wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und ins Gefängnis geworfen. Die Verhaftungen beendeten die Periode der politischen Innovation, die der Wissenschaftler Tony Morphet den „Durban Moment“ nannte [30]. Im September 1977 wurde Biko von der Polizei ermordet, Turner im Januar des folgenden Jahres.

Nach den Erfolgen der Streiks von 1973 wurden sich die Arbeiter zunehmend ihrer Position als Industrieproletariat bewusst, das die industrielle Wirtschaft am Laufen hält. Sie waren sich ihrer Macht und der Tatsache bewusst, dass die Arbeitgeber große Teile der angelernten Arbeitskräfte nicht einfach entlassen konnten. Außerdem traten immer mehr Frauen als Gewerkschaftsführerinnen in Erscheinung: 1975 gründete Emma Mashinini die South African Commercial, Catering and Allied Workers’ Union (SACCAWU) in Johannesburg, zudem wurde Jabu Ndlovu in den 1980er Jahren eine mächtige Führungspersönlichkeit in der Metal and Allied Workers’ Union (MAWU) und später in der NUMSA.

Im Juni 1976 wurde eine Reihe von Protesten schwarzer Schulkinder gegen die Apartheid-Erziehung und das allgemeine Unterdrückungssystem mit mörderischer Repression beantwortet. Der Soweto-Aufstand, wie er später genannt wurde, verlagerte den Schwerpunkt des Widerstands nach Johannesburg und löste eine landesweite Hinwendung zur offenen Revolte aus. 1979 wurden die schwarzen Gewerkschaften legalisiert. Viele der Gewerkschaften, die nach dem Durban-Moment entstanden waren, schlossen sich in Hammanskraal nördlich von Johannesburg zusammen, in der Federation of South African Trade Unions (FOSATU).

FOSATU setzte sich für die Kontrolle der Arbeitnehmer in den Gewerkschaften und in den Betrieben, sowie für die Stärkung und Ausbildung von Vertrauensleuten ein.

Man war sich darüber im Klaren, dass die in der Arbeiterbewegung entwickelte Demokratie im Laufe der Zeit zur Keimzelle für die Demokratisierung der Gesellschaft werden würde.

Dies kam in dem Slogan „Building tomorrow today“ („Heute die Zukunft gestalten“, Anm. d. Red.) [31] zum Ausdruck. Wie die Industrial and Commercial Workers’ Union vor ihr leistete auch FOSATU eine beeindruckende kulturelle Arbeit und organisierte Theater-, Poesie- und Chorprojekte. Auch hier gab es produktive Verbindungen zwischen Aktivisten an der Basis und Intellektuellen mit Hochschulausbildung. Ari Sitas, ein Akademiker in Durban, spielte eine wichtige Rolle bei der Explosion der kulturellen Arbeit und der Innovation in den Gewerkschaften. Alfred Temba Qabula, ein Wanderarbeiter aus EmaMpondweni (zu deutsch „Pondoland“, Anm. d. Red.), der als Teenager an dem als Pondo-Rebellion bekannten Bauernaufstand 1959 teilgenommen hatte – und sich der MAWU anschloss, als er in den frühen 1980er Jahren in der Dunlop-Fabrik in Durban arbeitete – wurde in den Gewerkschaften und der breiteren progressiven Bewegung als renommierter Dichter bekannt.

Eine berühmte Rede, die von vielen diskutiert und weiterentwickelt wurde und 1982 vom FOSATU-Generalsekretär Joe Foster gehalten wurde, enthielt ein starkes Argument für die organisatorische Autonomie der Arbeiterschaft von der nationalen Befreiungsbewegung: „Die Arbeiter müssen danach streben, ihre eigene mächtige und effektive Organisation aufzubauen, auch wenn sie Teil des breiteren Volkskampfes sind. Diese Organisation ist notwendig … um sicherzustellen, dass die Volksbewegung nicht von Elementen vereinnahmt wird, die am Ende keine andere Wahl haben, als sich gegen ihre Unterstützer unter den Arbeitern zu wenden.“ [32]

Obwohl FOSATU eine starke Kraft war, gelang es ihr nicht, alle Gewerkschaften in einer Föderation zu vereinen. Der erste Moment der Einheit in der progressiven Arbeiterbewegung fand statt, als der radikale Arzt und Gewerkschafter Neil Aggett, ein Organisator für die African Food and Canning Workers’ Union, 1982 in Polizeigewahrsam ermordet wurde. Als Reaktion darauf streikten die Gewerkschaften im ganzen Land und eröffneten damit neue Möglichkeiten, die spätere größere Einheit zu schmieden.

Der Historiker Jabulani Sithole schreibt, dass der SACTU begann, seine „Untergrundagenten zu ermutigen, sie [die Gewerkschaften] zu infiltrieren, um sie von innen heraus zu untergraben, wenn sie als reaktionär galten, oder um sie zu übernehmen, wenn sie als fortschrittlich galten“ [33]. Zwischen 1981 und 1985 waren die SACTU-Untergrundaktivisten Samuel Bhekuyise Kikine, Thobile Mhlahlo, Sydney Mufamadi, Samson Ndou, Themba Nxumalo, Matthew Oliphant und andere daran beteiligt, die Einheit einer Reihe von Gewerkschaften herzustellen.

Der hohe Organisationsgrad, der zunächst in den Betrieben aufgebaut worden war, begann sich auf die Gesellschaft auszudehnen. Am 20. August 1983 wurde in Mitchells Plain, Kapstadt, die Vereinigte Demokratische Front (UDF) gegründet. Hunderte von Organisationen schlossen sich der UDF an, darunter Gewerkschaften, Jugend-, Frauen- und Studentenorganisationen, religiöse Gruppen und Berufsverbände. In einer berühmten Rede aus dem Jahr 1987 bekräftigte der UDF-Vorsitzende Murphy Morobe das Engagement der UDF für eine radikale Demokratie mit klaren Worten: „Wir sprechen von direkter und nicht von indirekter politischer Vertretung. Von Massenbeteiligung.“ [34] Viele Berichterstatter, die der UDF angehörten oder ihr nahestanden, argumentierten, dass ihre formell organisierten demokratischen Praktiken auf den Erfahrungen der Gewerkschaften beruhten.

Das COSATU Haus ist das Hauptquartier des Gerwerkschafts-Dachverbandes COSATU, die maßgeblich am Zusammenbruch des Apartheid-Regimes beteiligt waren. (Bild: Bobbyshabangu / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0)

Die Beziehungen zwischen der UDF und der Gewerkschaftsbewegung waren jedoch nicht unkompliziert. Zwischen den Gewerkschaften, die mit der UDF verbunden waren, und den FOSATU-Gewerkschaften, die von der UDF unabhängig blieben, herrschte großes Misstrauen. Dies führte zu einer schwelenden Debatte zwischen zwei Fraktionen der radikalen Intelligenzia, die sich gegenseitig (aber nicht sich selbst) als „Arbeiteristen“ oder „Populisten“ bezeichneten. Die Arbeiteristen wollten, dass die Gewerkschaftsbewegung vom ANC unabhängig blieb, um die Autonomie der organisierten Arbeiterklasse gegenüber der klassenübergreifenden nationalen Befreiungsbewegung zu wahren. Die Populisten sahen in der Vorherrschaft der Weißen, mit dem Schwarze klassenübergreifend konfrontiert waren, das Hauptproblem und wollten im Kampf für die nationale Befreiung ein Höchstmaß an Einheit erreichen.

Die Arbeiteristen beherrschten FOSATU bis 1985, als ein neuer und viel größerer Verband – der Congress of South African Trade Unions (COSATU) – gegründet und in Durban am Curries-Brunnen aus der Taufe gehoben wurde, nachdem 1981 ein Prozess von Einheitsgipfeln und -treffen begonnen hatte. Das Gleichgewicht der Kräfte hatte sich zugunsten der Populisten verschoben. FOSATU löste sich in COSATU auf, das sich ausdrücklich mit der UDF und später mit dem ANC verbündete.

Der Ausdruck der nationalen Tradition, die mit dem ANC verbunden war und nun in COSATU zum Ausdruck kam, war jedoch in wichtigen Aspekten durch den Durban-Moment geprägt worden, einschließlich der Ideen der Arbeiterkontrolle und des schwarzen Bewusstseins. Jay Naidoo, der erste Generalsekretär der neuen Föderation, erinnert sich, dass er bei einer aufrüttelnden öffentlichen Versammlung unter der Leitung von Biko in einem indischen Viertel in Durban radikalisiert wurde [35]. COSATU wurde in den Betrieben und in der breiteren Gesellschaft schnell außerordentlich mächtig und trug zusammen mit der UDF entscheidend zum Zusammenbruch des Apartheid-Regimes bei.

1990 begann der Apartheid-Staat sich einzugestehen, dass der Übergang zu einer gewissen Form der Demokratie, die natürlich auf die liberale Demokratie beschränkt war, unvermeidlich war. Der ugandische Wissenschaftler Mahmood Mamdani hat argumentiert, dass „die wichtigste Kraft für diesen Wandel weder der bewaffnete Kampf, noch die Exilpolitik, noch die internationale Boykottbewegung“ war, sondern vielmehr die politische Arbeit von „studentischen Aktivisten aller Couleur und von Wander- und Township-Arbeitern“. [36]

Die demokratische Volkspolitik, die ihre Wurzeln in den Streiks von Durban hat, wurde nicht völlig vergessen als die Apartheid einer neuen Ordnung wich. Mashinini betonte: „Wenn wir Politiker zu öffentlichen Vertretern wählen, bedeutet das nicht, dass sie das göttliche Recht haben, uns zu regieren. Sie sind Diener des Volkes und müssen akzeptieren, dass wir das Recht haben, sie zu kritisieren. Das haben wir in den Schützengräben des Arbeiterkampfes gelernt, welcher der Apartheid den Todesstoß versetzte.“ [37]

Die sozialistischen Hoffnungen der Gewerkschaften wichen jedoch tiefen Enttäuschungen, die aus dem Zusammenspiel von Kapital, weißer Macht und nationalen Eliten resultierten. Wie Qabula beklagte – die überzeugendste Stimme unter den Arbeiterdichtern: „Slovo und Hani sahen überall rot… Aber Tutu und die Bischöfe… sahen Regenbögen.“ [38] Im Jahr 2002 starb er in Armut, wie so viele andere, die an der Front des Kampfes standen. Er hinterließ diese eindringlichen Zeilen:

„Wir sind die beweglichen Leitern, welche die Menschen in den Himmel tragen, die im Freien dem Regen ausgesetzt sind, die mit der Erinnerung an Tränengas zurückbleiben und nach Atem ringen.“ [39]

Die Streiks von Durban und die Kämpfe der Arbeiter, die in ihrem Gefolge eine mächtige Gewerkschaftsbewegung aufbauten, erhielten in der offiziellen Erinnerung nicht den ihnen gebührenden Platz. Heute wird außerhalb von Gewerkschaftskreisen nur noch selten an sie erinnert.

Die bisweilen erbitterten persönlichen und sektiererischen Kämpfe, die in akademischen Zeitschriften darüber geführt wurden, welche politischen Kräfte – Arbeiter, Populisten, Aktivisten des Schwarzen Bewusstseins, weiße Intellektuelle oder ANC-Untergrundaktivisten – sowohl für den Durban-Moment im weiteren Sinne als auch für den Aufbau der Gewerkschaftsbewegung nach den Streiks verantwortlich gemacht werden sollten, haben der Sache nicht geholfen. Im Gegenteil, diese Auseinandersetzung hat oft die Form eines Kampfes innerhalb der Eliten angenommen.

Die Arbeiter, die innerhalb einer zutiefst unterdrückerischen Gesellschaft demokratische Formen der Gegenmacht aufbauten und dieses System schließlich zu Fall brachten, werden selten in vollem Umfang gewürdigt und respektiert. Ihre Geschichte wartet noch immer auf eine angemessene Darstellung.

Quellen:

[1] Tricontinental, „A Brief History of South Africa’s Industrial and Commercial Workers’ Union (1919-1931)“.
[2] Fanon, „The Wretched of the Earth“, 75.
[3] Richard Turner, „The Eye of the Needle“, 65.
[4] More, „Biko: Philosophy, Identity and Liberation“.
[5] Ross, „May ‘68 and Its Afterlives“, 7.
[6] Macqueen, „Black Consciousness“, 105.
[7] Tricontinental, „Paulo Freire and Popular Struggle in South Africa“.
[8] Cole, „Dockworker Power“, 180.
[9] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 190.
[10] Cole, „Dockworker Power“, 179.
[11] Hemson, „Freedom’s Footprints: Freire and Beyond“.
[12] Mhlongo, „,Black Workers’ Strikes in South Africa“, 41–49.
[13] Brown, „The Road to Soweto“, 84.
[14] Institute for Industrial Education, „The Durban Strikes 1973“.
[15] Hemson, „The 1973 Natal Strike Wave“.
[16] Hemson, „The 1973 Natal Strike Wave“.
[17] Webster, „Exodus Without a Map“.
[18] Siehe u.a. Webster, „Exodus Without a Map“.
[19] Karl Marx, „Theses on Feuerbach“.
[20] Hemson, „Freedom’s Footprints“.
[21] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 195.
[22] Brown, „The Road to Soweto“, 94.
[23] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 194.
[24] Institute for Industrial Education, „The Durban Strikes, 1973“; Black Community Programmes, Black Review; Tricontinental, „Black Community Programmes“.
[25] Moodie mit Ndatshe, „Going for Gold“.
[26] Mandela, „Long Walk to Freedom“, 64.
[27] Mandela, „Long Walk to Freedom“, 64.
[28] Mashinini, „Strikes Have Followed Me All My Life“, 27.
[29] Fanon, „The Wretched of the Earth“, 143.
[30] Morphet, „Richard Turner: A Biographical Introduction“, in Turner, „The Eye of the Needle“.
[31] Friedman, „Building Tomorrow Today“.
[32] Foster, „The Workers’ Struggle“.
[33] Sithole, „Contestations Over Knowledge Production or Ideological Bullying?“, 231.
[34] Morobe, „Towards a People’s Democracy: The UDF view“.
[35] Naidoo, „Fighting for Justice“. 33–34.
[36] Mamdani, „Neither Settler Nor Native“, 164.
[37] Mashinini, „Strikes Have Followed Me All My Life“, xvii.
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Aufbau der demokratischen Macht des Volkes in Südafrika

Die Streiks von Durban 1973

Lange nachdem die Entkolonialisierungswelle über Afrika, Asien und Lateinamerika hinweggefegt war, blieben zwei große Länder – Brasilien und Südafrika – in der Gewalt unseliger politischer Systeme. Die Militärdiktatur in Brasilien (1964-1985) und das Apartheid-Regime in Südafrika (1948-1994). Sie wurden jedoch von einer Reihe politischer und gesellschaftlicher Kräfte vor große Herausforderungen gestellt. Obwohl sich viele dieser Kämpfe in das öffentliche Gedächtnis eingebrannt haben, ist die Rolle des Widerstands der Arbeiter außerhalb der Gewerkschaften kaum bekannt, so als ob die Kämpfe der Arbeiter in der Geschichte der Demokratisierung eine untergeordnete Rolle spielten.

Von Published On: 21. Januar 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 24.01.2023 auf www.thetricontinental.org unter der URL <https://thetricontinental.org/dossier-1973-durban-strikes/> veröffentlicht. Lizenz: TriContinental und Chris Hani Institute, CC BY-NC-ND 4.0

Streikende Arbeiter der Consolidated Textile Mill, Jacobs, fordern höhere Löhne. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Im Gegenteil, in beiden Ländern spielten die Kämpfe der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle beim Sturz der verhassten Regime. In Südafrika waren die Streiks in der industriellen Hafenstadt Durban 1973 der Beginn des Aufbaus einer kämpferischen Gewerkschaftsbewegung, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre das Apartheid-Regime ins Wanken brachte. In Brasilien werden die Streiks von 1978-1981 in drei Industriestädten im Großraum São Paulo – Santo André, São Bernardo do Campo und São Caetano do Sul – oft als Beginn des Endes der Militärdiktatur bezeichnet. Die Streiks wurden von Luiz Inácio Lula da Silva angeführt, dem damaligen Präsidenten der Metallarbeitergewerkschaft ABC und heutigen Präsidenten Brasiliens.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter setzten sich gegen festgefahrene Formen der Herrschaft zur Wehr, die nicht nur sie ausbeuteten, sondern auch das Volk insgesamt unterdrückten – die späteren Demokratien wurden zuerst in den Betrieben ausgebrütet. Dieses Dossier ist ein Beitrag zur Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte Südafrikas.

Die Streiks von Durban im Jahr 1973 waren Teil einer umfassenderen politischen Bewegung in der Stadt Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre, als sie zu einem fruchtbaren Ort für politische Experimente und Innovationen wurde. Schwarze Arbeiter haben in Durban und seiner Umgebung eine lange Geschichte der Organisation und Mobilisierung. Afrikanische Hafenarbeiter streikten erstmals 1874, und 1906 legten viele Arbeiter – auch solche, die in weißen Haushalten arbeiteten – ihre Arbeit nieder, um sich dem Aufstand auf dem Land gegen eine neue Kopfsteuer anzuschließen. Angeführt von Bhambatha kaMancinza nahm der Aufstand die Form von Guerilla-Angriffen an, die aus dem Schutz des Nkandla-Waldes in der Nähe von Eshowe, einer kleinen Stadt nördlich von Durban, gestartet wurden. 1913 organisierten die indischen Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen – die meisten von ihnen zur Arbeit verpflichtet – einen massiven Streik. Die Hafenarbeiter in Durban streikten 1920 erneut, und die 1919 auf den Docks in Kapstadt gegründete Industrial and Commercial Workers’ Union (Gewerkschaft der Industrie- und Handelsarbeiter, Anm. d. Red.) wurde in den späten 1920er Jahren zu einer wichtigen Kraft in der Stadt [1]. Zulu Phungula, ein charismatischer Arbeiterführer, führte in den späten 1930er Jahren eine weitere Phase der Konfrontation auf den Docks von Durban an.

1930 wurde Johannes Nkosivon, ein Organisator der Hafenarbeiter und einflussreiches Mitglied der Kommunistischen Partei Südafrikas (CPSA) – die bei den Arbeitern als abantu ababomvu („das rote Volk“) bekannt war – von der Polizei ermordet, nachdem er eine öffentliche Verbrennung von Passbüchern angeführt hatte – den Dokumenten, die die Apartheid-Regierung von Afrikanern für den Zugang zu Städten verlangte. Zwischen 1949 und 1959 organisierten die Arbeiter in den Docks von Durban fünf weitere Streiks.

Am 12. August 1946 kam es zu einem neuen Bruch als afrikanische Minenarbeiter in und um Johannesburg streikten und höhere Löhne forderten. Sie setzten den Streik eine Woche lang fort und sahen sich dabei dem Terror der Polizei ausgesetzt, der neun Arbeiter tötete und weitere 1.248 verletzte. Obwohl der Streik niedergeschlagen wurde, hatte er einen nachhaltigen Einfluss auf die Freiheitskämpfe und führte zu einer Verlagerung hin zu einer direkteren Konfrontation mit dem Staat. Aus der kommunistisch geführten African Mine Workers’ Union (Gewerkschaft afrikanischer Minenarbeiter, Anm. d. Red.), die den Streik organisiert hatte, ging der South African Congress of Trade Unions (SACTU) hervor, der 1955 in Johannesburg gegründet wurde.

Der SACTU war mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) verbündet und versuchte die gewerkschaftliche Organisation mit dem Kampf für die nationale Befreiung zu verbinden. Der Verband spielte eine führende Rolle bei der Welle landesweiter Streiks, die in den späten 1950er Jahren an Häufigkeit und Militanz zunahmen. Dies war auch in Durban der Fall, das vor allem dank der Beharrlichkeit der Hafenarbeiter zu einem wichtigen Knotenpunkt der militanten Gewerkschaftsbewegung wurde.

Die Rassentrennung des Arpartheidregimes durchdrang alle Lebensbereiche. (Bild: Dewet / Wikimedia Commons / Public Domain)

Der Versuch, Afrikaner von jeder autonomen Präsenz im städtischen Leben auszuschließen, war von zentraler Bedeutung für die Logik der Apartheid. Die Städte wurden als Stätten der weißen Moderne betrachtet, in denen Afrikaner nur als streng untergeordnete und segregierte Arbeiter präsent sein konnten.

Passgesetze waren der Schlüsselmechanismus in einem Unterdrückungssystem, welches das afrikanische Familienleben zunehmend auf ethnisch abgegrenzte ländliche „Homelands“ beschränkte, die im Namen der „Tradition“ regiert wurden.

1960 beschloss eine Abspaltung des ANC, der Pan-Africanist Congress (PAC), den Staat wegen der Passgesetze direkt anzugreifen. Am Morgen des 21. März 1960 versammelten sich rund 20.000 Menschen vor der Polizeistation in Sharpeville, einem Township in der heutigen Provinz Gauteng. Die Spannung stieg, als Kampfjets im Tiefflug über die Demonstranten flogen. Barrikaden wurden gestürmt, woraufhin die Polizei das Feuer auf die unbewaffnete Menge eröffnete und 69 Menschen tötete. Wie Frantz Fanon schrieb, das Massaker von Sharpeville „erschütterte die [weltweite] öffentliche Meinung“ [2]. Am 8. April verbot der Staat den ANC und die PAC.

Trotz ihrer offenen Zugehörigkeit zum ANC wurde die SACTU nicht verboten. Im folgenden Jahr initiierte der SACTU einige Streiks, vor allem in Durban, wo Krankenschwestern im King George V. Hospital und Arbeiter der Lion Match Company streikten. Doch im Dezember 1962 verbannte die Apartheid-Regierung 45 Funktionäre des SACTU und seiner Mitgliedsgewerkschaften und schloss sie aus dem öffentlichen Leben aus, woraufhin der Verband in den Untergrund gezwungen wurde. Die schwarze Gewerkschaftsbewegung war weitgehend zerschlagen.

Mehr als ein Jahrzehnt lang war die weiße Macht ungebrochen. Die Wirtschaft wuchs ungleichmäßig, aber schnell. Und der Staat schien unangreifbar zu sein. Ein autoritäres Regime innerhalb und außerhalb der Betriebe, sowie die steigende Beschäftigung und die zunehmende Kaufkraft der Arbeitnehmer führten zu einer relativen Duldung. Doch 1969 führte ein plötzlicher wirtschaftlicher Abschwung zu Kürzungen und einem Rückgang der Reallöhne, der die schwarzen Arbeitnehmer und ihre Familien zunehmend belastete.

Neue Ideen auf dem Campus

Gleichzeitig entstanden unter den Mitarbeitern und Studenten auf dem Campus der Universität von Natal in Durban neue Formen des Dissenses. Anfänglich konzentrierte sich diese Blüte politischer Kreativität auf zwei charismatische Männer, Steve Biko und Richard Turner. Beide nutzten ihr Charisma dazu, kollektive Denkanstöße zu geben, anstatt als Gurus für passive Anhänger zu fungieren.

Biko, der aus King William’s Town (heute Qonce) im Ostkap stammte, wurde am St. Francis College des Klosters Mariannhill außerhalb von Pinetown ausgebildet, einem Industriegebiet am westlichen Rand von Durban. Im Jahr 1966, im Alter von 22 Jahren, kehrte er nach Durban zurück, um an der Universität von Natal Medizin zu studieren, die für Schwarze reserviert war.

Turner stammte aus Kapstadt und hatte an der Sorbonne in Paris über den Philosophen Jean-Paul Sartre promoviert, dessen Ideen auch für Biko wichtig wurden. Er interessierte sich für eine Reihe anderer Denker wie Frantz Fanon, Herbert Marcuse und Karl Marx, sowie für die jüngsten politischen Experimente in China, Tansania und Jugoslawien, das er in den 1960er Jahren besucht hatte.

Turner schlug eine demokratische, partizipatorische Vision für die Gesellschaft vor, die in einem humanistischen Marxismus verwurzelt war, mit, wie er schrieb, einem besonderen Engagement für die „Beteiligung des Volkes auf der Grundlage der Arbeiterkontrolle“ [3]. Biko, ebenfalls ein radikaler Humanist, stützte sich auf Denker wie Stokely Carmichael, James Cone, Aimé Césaire, Frantz Fanon und Kwame Nkrumah [4]. Er war ein scharfer Kritiker des rassistischen Paternalismus vom weißen Liberalismus. Entgegen dem Denken einiger weißer Intellektueller der Linken bestand er darauf, dass Diskussionen über die Klasse die Frage der Ethnie nicht aushöhlen sollten.

Turner, Biko und ihre Kameraden entwickelten ihre Gedanken von Durban inmitten weltpolitischer Umwälzungen. Die politischen Energien der Black Power-Bewegung in Amerika (von den Vereinigten Staaten bis Trinidad) lagen in der Luft, ebenso wie die hauptsächlich von Jugendlichen getragenen Aufstände von 1968 – welche Städte von Mexiko-Stadt und Dakar bis Lahore und Rio de Janeiro erschütterten. Die antikolonialen Kriege in Vietnam und Algerien spielten eine wichtige Rolle bei den Aufständen in Paris, wo sich Arbeiter und Studenten verbündeten. Wie die Wissenschaftlerin Kristin Ross schreibt, ermöglichte dies „unvorhergesehene Allianzen und Synchronizität zwischen sozialen Sektoren und zwischen sehr unterschiedlichen Menschen, die zusammenarbeiten, um ihre Angelegenheiten kollektiv zu regeln“ [5].

Im selben Jahr war Biko die treibende Kraft für die Gründung der South African Students’ Organisation (SASO), einer schwarzen Studentengruppe. Sie hatte ihren Sitz in Durban und entwickelte Ideen, die für die Black Consciousness-Bewegung prägend wurden. Barney Pityana, eine führende Persönlichkeit der SASO, erinnerte sich an „stundenlange Interaktionen und Debatten unter Freunden“, während derer Biko „zuhörte und Ideen herausforderte wenn sie aufkamen, sie konkretisierte und sie zur Weiterentwicklung wieder einbrachte“. [6]

Biko ist bekannt dafür, dass er die Auseinandersetzung mit Ideen der Black Power, des karibischen Radikalismus und des afrikanischen Nationalismus angestoßen hat. Weniger bekannt ist jedoch, dass er die Ideen von Paulo Freire in Südafrika einführte, die von radikalen Akademikern und Studenten in Durban – darunter auch Turner, als er 1970 in die Stadt kam – weithin aufgegriffen wurden. [7]

Steve Biko Anti-Arpartheidsaktivist. Eine treibende Kraft bei der gründung der SASO (South African Students’ Organisation). (Bild: Unbekannter Fotograf / Wikimedia Commons)

Rückkehr der Arbeiterbewegung zur Militanz

1969 streikten die Hafenarbeiter in Durban. Die Streiks wurden mit Waffengewalt schnell unterdrückt. Rund 2.000 Hafenarbeiter wurden entlassen und in Züge gezwungen, die sie zurück in die ländlichen Gebiete brachten. Im Jahr 1971 drohten sie mit einem weiteren Streik. Im benachbarten Südwestafrika (heute Namibia) – das damals von Südafrika regiert wurde – wurde im Dezember desselben Jahres ein Generalstreik organisiert, der bis April 1972 andauerte. Es war klar, dass die Zeit der Arbeitsruhe zu Ende gehen würde.

Anfang der 1970er Jahre wurde die Wirtschaft der Apartheid durch eine Reihe von Faktoren erschüttert, darunter ein Rückgang der internationalen Ölproduktion, höhere Ölpreise und die Abkopplung des US-Dollars vom Goldstandard durch die US-Notenbank. Die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Haushalte lebte in Armut, und eine Erhöhung der Bahntarife verschärfte die Situation.

Am 23. Februar 1971 streikten mehr als 24.000 Arbeiter in Textilfabriken in und um Durban, zudem nahmen viele von ihnen an einer Massenversammlung teil, die auf dem Sportplatz Curries Fountain stattfand, einem legendären Ort in der Geschichte der Volksorganisation. Die Arbeitgeber, die aufgrund des Ausmaßes der Arbeitsniederlegung keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen konnten, stimmten der Forderung der Arbeitnehmer nach einer Lohnerhöhung von 20% rasch zu.

Nach dem Streik in den Bekleidungsfabriken suchten zwei Studenten aus Turners Umfeld – Halton Cheadle und David Davis, zusammen mit David Hemson, einem jungen Akademiker und engagierten Kämpfer – Anschluss an die wachsende Arbeitermilitanz. Die Gruppe wurde von Harriet Bolton angesprochen, die bei der Organisation des Curries Fountain-Treffens mitgeholfen hatte und Mitglied der Garment Workers’ Industrial Union war, einer indischen Gewerkschaft (GWIU, Textilarbeitergewerkschaft, Anm. d. Red.). Ihre Versuche, afrikanische Arbeiter in die Gewerkschaften einzubeziehen, waren von den weißen Führern des Trade Union Council of South Africa (TUCSA) abgelehnt worden. Im Jahr 1974 führte Bolton den Austritt der GWIU aus dem Rat an. Sie bat Turner um Hilfe, und in enger Zusammenarbeit mit Hemson beschlossen sie, radikalen Studenten Gewerkschaftsjobs anzubieten. Die Studenten setzten sich auf verschiedene Weise mit den Arbeitnehmern und Gewerkschaften auseinander, z. B. durch Recherchen zum Thema Löhne und durch die Herausgabe von Isisebenzi („Der Arbeiter“), einer Zeitung, die Interviews mit Arbeitnehmern sowie umfassendere Artikel veröffentlichte, die aus der Praxis des aufmerksamen Zuhörens entstanden.

1972 streikten die Hafenarbeiter erneut. Im Gegensatz zu der Vorstellung, dass die erneute Militanz der Arbeiter in den frühen 1970er Jahren völlig „spontan“ war, hat Hemson festgestellt, dass verschiedene Briefe und Pamphlete, die vor und während des Streiks erschienen, „konkrete Beweise für ein Netzwerk im Untergrund lieferten, das sich selbst dann nicht zu erkennen gab, als die offene Gewerkschaftsarbeit unter den Hafenarbeitern begann“. [8]

Streik Meeting 1973 in der Bolton Hall in Durban. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Als die Hafenarbeiter 1972 erneut in den Streik traten, widersetzten sie sich nicht nur ihren weißen Chefs:

Beim Streik ging es auch darum, die traditionelle Autorität herauszufordern, auf der die Standardtechnik der kolonialen Herrschaft über die Arbeit und das afrikanische Leben im Allgemeinen fußte.

1972 wurde die Autorität von J.B. Buthelezi – dem Onkel von Mangosuthu Buthelezi, dem Führer der reaktionären nationalistischen Zulu-Organisation Inkatha – von den Hafenarbeitern in Frage gestellt. Einer von ihnen verlangte zu wissen: „Wer ist dieser Mann, wer hat ihn gewählt, um uns zu vertreten?“ [9]. Cheadle, der an der Versammlung teilnahm, erinnerte sich, dass Buthelezi, als er „aufstand, um für die Arbeiter zu sprechen, ihn alle niederschrien. Es herrschte absolutes Chaos“. Morris Ndlovu, ein Hafenarbeiter, bekräftigte: „Auf dieser Versammlung wurde uns unsere Macht bewusst, denn wir sprachen für uns selbst“. [10]

Anfang 1973 spitzte sich die Situation zu. Am 9. Januar traten afrikanische Arbeiter in Fabriken in der ganzen Stadt in den Streik, um Lohnerhöhungen zu fordern, in vielen Fällen um das Zwei- bis Dreifache. Sie wachten um 3 Uhr morgens auf und machten sich auf den Weg zu einem nahe gelegenen Fußballstadion. Während sie sich durch den Berufsverkehr bewegten, skandierten sie „Ufil’ umuntu, ufile usadikiza, wamthint’ esweni, esweni usadikiza“ („Ein Mensch ist tot, aber sein Geist lebt noch; wenn man in die Iris seines Auges sticht, wird er wieder lebendig“). Hemson erinnerte sich kürzlich in bewegender Prosa an diesen Tag:

„In der Morgendämmerung strömten sie aus den kasernenartigen Wohnheimen von Coronation Bricks, den ausgedehnten Textilfabriken von Pinetown, den städtischen Anlagen, den großen Fabriken, Mühlen und Werken und der kleineren Five-Roses-Teeverarbeitungsanlage.

Die Unterdrückten und Ausgebeuteten erhoben sich und schlugen auf die Bosse und ihr Regime ein. Nur in der Gruppe, den versammelten Streikposten, den führerlosen Massenversammlungen der Streikenden und den Versammlungen der ausgesperrten Arbeiter fand der Einzelne einen Ausdruck des Vertrauens.“[11]

Der Moment hatte den Charakter eines Generalstreiks und ebnete den Weg für die kommenden Verwerfungen. Sam Mhlongo, ein Arzt, der als Jugendlicher auf Robben Island inhaftiert gewesen war, schrieb Anfang 1974, dass „dieser Streik, obwohl er beigelegt wurde, eine explosive Wirkung hatte“. [12]

Die Bosse gaben „Aufwieglern“ und „Einschüchterungen“ die Schuld und drohten den „Rädelsführern“ mit schweren Strafen. Sie weigerten sich, mit den Arbeitern zu verhandeln, riefen die Bereitschaftspolizei und bestanden darauf, dass die Arbeiter einen Ausschuss von Vertretern wählen. Nach einer langen Geschichte von Hafenarbeiterkämpfen in Durban weigerten sich die Arbeiter. Der Zulu-König Goodwill Zwelithini kaBhekuzulu erschien und appellierte an die Menge, zur Arbeit zurückzukehren und versprach, in ihrem Namen zu verhandeln. Außerdem versuchte er auf zynische Weise, den vertikalen Konflikt zwischen afrikanischen Arbeitern und weißen Bossen auf eine horizontalere Ebene zu verlagern, indem er zwischen indischen und afrikanischen Arbeitern unterschied. [13]

Zum Ende des Monats hin streikten die Beschäftigten in rund 100 Fabriken und anderen Betrieben, darunter mehr als 6.000 Beschäftigte der notorisch ausbeuterischen Frame-Gruppe, damals eines der größten Textilunternehmen der Welt. In den Worten eines Arbeiters: „Obwohl ich Decken für Herrn Philip Frame herstelle, kann ich mir Decken für meine Kinder nicht leisten.“ [14] Die Polizei verprügelte und verhaftete einige der Streikenden, aber trotz der Unterdrückung breiteten sich die Streiks entlang der Küste in beide Richtungen und bis ins Landesinnere nach Pietermaritzburg aus. Sie betrafen die Docks, die Mühlen, die verarbeitende Industrie und das Transportwesen. Viele indische Arbeiter schlossen sich den Streiks an, und die ständigen Forderungen der Bosse, repräsentative Ausschüsse zu wählen, wurden abgelehnt.

Am 5. Februar legten 3.000 afrikanische und indische kommunal Beschäftigte die Arbeit nieder; am 7. Februar waren es bereits 16.000. Kommunalarbeit wurde als wesentlicher Dienst eingestuft, so dass der Streik als illegal angesehen wurde. Der Müll wurde nicht abgeholt, Gräber wurden nicht ausgehoben, und die Lebensmittel verfaulten, da der städtische Markt und der Schlachthof geschlossen waren.

Die Arbeiter begannen, durch die Stadt zu marschieren und wurden dabei auf der Straße von der Polizei und aus der Luft von Hubschraubern beobachtet. Die Anwesenheit der rebellischen Arbeiter auf den Straßen wurde zu einer symbolisch aufständischen Präsenz in der Apartheid-Stadt. Ende März schwankten die Schätzungen über die Zahl der streikenden Arbeiter zwischen 65.000 und 100.000 in mehr als 150 Fabriken und Betrieben.

In der Chemie-, Bekleidungs-, Metall- und Textilindustrie wurden rasch Gewerkschaften gegründet. Als die Beschäftigten begannen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, kam es zu einem schrecklichen Vorfall in den Prilla Mills in Pietermaritzburg, wo das brutale Arbeitsregime auf systematischem sexuellem Missbrauch und Kinderarbeit beruhte (was im städtischen Südafrika höchst ungewöhnlich war). Princess Osman, die führende Organisatorin in den Fabriken, wurde auf dem Heimweg überfallen und ihr Gesicht mit Säure verunstaltet. [15]

Erziehung der Erzieher

Die Streiks begannen mit einem Bekenntnis zum Humanismus, einer Politik, die über die Forderung nach Lohnerhöhungen hinausging. Es gab auch öffentliche Hinweise auf eine Verbindung zum nationalen Befreiungskampf, als die Arbeiter Nkosi Sikelel’ iAfrika („Gott segne Afrika“) sangen, eine christliche Hymne, die zu einer Hymne für die im Kampf geschmiedete Nation geworden war. Hemson beobachtete: „Die Arbeiter fingen an, über den [African National] Congress zu sprechen. Wenn man nachts zu ihnen nach Hause kam, hoben sie die Dielen an und holten alte ANC-Pamphlete heraus“. [16]

Edward Webster, der im Februar 1973 nach Durban kam, um eine akademische Stelle anzutreten, erinnerte sich, dass die Arbeiterklasse

„keine kollektive Tabula rasa war und darauf wartete, dass weiße Intellektuelle ihr sagten, was sie denken sollten. Sie hatten ihre eigene Geschichte und ihre eigenen politischen Traditionen… [einschließlich] der nationalen politischen Tradition, [die] in Durban und Umgebung tief verwurzelt war“ [17].

Einige Intellektuelle mit Universitätsausbildung waren jedoch nicht in der Lage zu verstehen, dass die Arbeiter in eine offene Auseinandersetzung mit ihrer eigenen politischen Geschichte und ihren Ideen eingetreten waren. Ein Beispiel für diese auch heute noch verbreitete Tendenz ist die Reaktion eines einflussreichen radikalen, weißen Akademikers auf eine Umfrage unter Arbeitern. Als die Umfrage-Ergebnisse zeigten, dass Moses Mabhida – ein Gewerkschafter und Kommunist, der eine Woche nach dem Sharpeville-Massaker von 1960 ins Exil gegangen war – einer ihrer angesehensten Anführer war, erklärte der Akademiker, dass es eine solche Person nicht gäbe und dass die Umfrage gefälscht sein müsse. [18]

Die Verbindungen zur nationalen Befreiungsbewegung bestanden nicht nur auf der Ebene der Ideen; es gab auch persönliche Beziehungen. So war beispielsweise Harold Nxasana, ein ehemaliger SACTU-Aktivist und politischer Gefangener, der in den frühen 1970er Jahren im Arbeitermilieu aktiv war, in einer der Organisationen beschäftigt, die von den Universitätsradikalen im Dienste der Arbeiterbewegung gegründet wurden.

Hemson stellte fest, dass Turner, Biko und viele ihrer Anhänger die anhaltende Kraft des nationalen Befreiungskampfes und seine engen Verbindungen zum ANC nicht begriffen haben. In den folgenden Jahren haben jedoch mehrere Wissenschaftler erkannt, dass diese Tradition unter den Arbeitern weiterhin stark präsent war. Infolgedessen wird das Engagement der Arbeiter für die ANC-Tradition in den 1970er Jahren heute viel besser verstanden.

Die anhaltende Tendenz, reiche politische Traditionen unter den Unterdrückten zu übersehen, unterstreicht, dass „es wesentlich ist, den Erzieher selbst zu erziehen“, wie Karl Marx in seinen Thesen über Feuerbach [19] schrieb. Hemson hat in diesem Zusammenhang eine wichtige Beobachtung gemacht:

„In Wahrheit hatten die ,Erzieherʻ viel zu lernen über die Militanz der Arbeiterinnen, die bestehenden Netzwerke am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft; die zugrunde liegende Loyalität gegenüber dem ANC – wenn es die Möglichkeit gab, diese sicher zum Ausdruck zu bringen; den Geist der Berge (des bewaffneten ländlichen Widerstands gegen die Häuptlingsherrschaft in Pondoland); die Militanz vieler Wanderarbeiter, wie man für Reformen kämpft, ohne reformistisch zu werden; wie man Führung ohne Bevormundung ausübt; und welche Ansätze anzunehmen sind, um die Kontrolle der Arbeiter über die Führung der Gewerkschaften aufrechtzuerhalten.“ [20]

Vusi Shezi – der später Organisator bei der National Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA) wurde und dessen Frustration über die Behandlung von ihm und seinen Kollegen durch die Unternehmensleitung ihn dazu veranlasste, sich an den Streiks von 1973 zu beteiligen – sprach auch über umfassendere antikoloniale Beweggründe für die Streiks und erinnerte sich an einen Vorfall, bei dem seine antikoloniale Sichtweise ihm Ärger mit den Bossen einbrachte, die ihm daraufhin anspruchsvollere Arbeiten zuteilten:

„Ich arbeitete in der Nachtschicht. … Ich sagte zu mir selbst: ,Ich verschwende meine Zeit und lerne nicht. Wenn ich diese Zeit zum Lernen nutzen würde… aber ich habe keine Bücherʻ. … Dann fing ich an, mit Kreide auf den großen Wagen zu schreiben, was ich über die Ankunft der Weißen ab 1652 und die Kolonialisierung Südafrikas weiß. …Leider habe ich vergessen, es abzuwischen. Am nächsten Morgen wurde es dann von der Geschäftsleitung gesehen. Sie sahen diesen Wagen mit einer sehr guten Karte von Afrika und einigem Hintergrundwissen über den Kolonialismus, mit einem kleinen Angriff auf die Apartheid-Regierung und Beschwerden über schwarze Führer, die inhaftiert wurden. [21]

Aber natürlich konnte das dauerhafte Engagement für den nationalen Kampf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Löhne bei den Streiks von 1973 ein entscheidendes Thema waren. In der Hitze der Streiks erklärte ein Arbeiter: „Das Kind, das nicht weint, stirbt … wir sollten um uns selbst weinen, weil wir hungrig arbeiten“ [22]. Ein anderer bemerkte: „Unsere Chefs fahren in Mercedes-Autos, aber ihre Arbeiter haben nicht einmal einen Arbeitsanzug“ [23]. Andere Arbeiter berichteten, dass sie Kredithaie in Anspruch nehmen mussten, um über den Monat zu kommen. Die Bosse, die weißen Medien in Durban und die afrikanischen Nationalisten, welche die Staatsmacht innehatten, gaben ihre gleichzeitig paranoiden und beruhigenden Fantasien – über „Aufwiegler“, „kommunistische Verschwörungen“ und „Einfluss aus dem Ausland“ – weitgehend auf und einigten sich auf die Vorstellung, dass es bei den Streiks ausschließlich um die Löhne und nicht um ein umfassenderes politisches Projekt ging.

In den Berichten über die Streiks des von Turner und anderen im Mai 1973 gegründeten Institute for Industrial Education und in der Black Review – einer von Biko im selben Jahr als Projekt des Black Community Programmes initiierten Publikation – wurden die Streiks ebenfalls ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, als eine Frage der Löhne [24]. Der Historiker Julian Brown hat argumentiert, dass dieses Verständnis wahrscheinlich dazu führte, dass der Staat nicht auf die Art von intensiver Gewalt und groß angelegter Repression zurückgriff, die er zuvor gegen Massenmobilisierungen eingesetzt hatte. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich eine weitere: Es mag für die Arbeiter taktisch sinnvoll gewesen sein, in ihren öffentlichen Rede politische Themen von vornherein zu vermeiden, während sie in privaten Reden ein politischeres Verständnis aufrechterhielten.

Streikende marschieren durch die Stadt, Durban, Südafrika. (Foto: © David Hemson / University of Cape Town / Fair use)

Brown stellt auch fest, dass die weißen Eliten den Streik häufig aus ethnischer Sicht betrachteten, als Ergebnis einer bestimmten Geschichte und Kultur der Zulu. Aber natürlich waren an den Streiks auch indische und afrikanische Arbeiter verschiedener Ethnien beteiligt, darunter auch Pondo- und Shangaan-Arbeiter, wie er anmerkt. Darüber hinaus könnte die Interpretation der Streiks durch ein zu maskulines Verständnis der Zulu-Kultur kaum die vielen Frauen berücksichtigen, die in den Vordergrund traten, einschließlich indischer Frauen in einigen Fabriken.

Hemson hat das zeitgenössische Publikum daran erinnert, dass Turner einen grundlegenden politischen Fehler beging, als er sich mit der reaktionären, ethnisch konstituierten Organisation Inkatha verbündete – die Turner als eine zumindest potenziell progressive Bewegung der armen Landbevölkerung missverstand. Im Gegensatz dazu stellt er fest, dass Biko sich über den kollaborativen Charakter von Inkatha sehr im Klaren war. In den 1980er Jahren griff sie die Arbeiterbewegung gewaltsam an und ermordete 1989 eine ihrer großen Führerinnen, die NUMSA-Vertrauensfrau Jabu Ndlovu.

Einige akademische Arbeiten haben explizit oder implizit die abwägenden kollektiven Praktiken und die formalen demokratischen Verpflichtungen – die aus den Streiks von Durban hervorgingen und die Gewerkschaftsbewegung in den folgenden Jahrzehnten kennzeichneten – auf das Engagement meist weißer, von der Neuen Linken in Westeuropa und Nordamerika inspirierter Intellektueller zurückgeführt. Dies macht eine bekannte Geschichte kollektiver Praktiken der abwägenden Konsenssuche bedeutungslos, die im ländlichen Raum verwurzelt ist und seit langem unzählige Kämpfe von Arbeitern und anderen geprägt hat. Diese Geschichte ist in der Arbeit von T. Dunbar Moodie und Vivienne Ndatshe über Wanderarbeiter in den Johannesburger Goldminen gut beschrieben [25]. Sie wurde von Nelson Mandela in seiner Erklärung auf der Anklagebank im Jahr 1962 hervorgehoben, als er argumentierte, dass die „Saat der revolutionären Demokratie“ in den als Pitso, Imbizo oder Kgotla bekannten Räten lag, durch die sich die ländlichen Gemeinden nach vorkolonialen Praktiken selbst verwalteten [26].

Mandela beschrieb die Praktiken in diesen Räten als „Demokratie in ihrer reinsten Form“ und erklärte, dass dort jeder das Wort ergreifen könne und „die Sitzungen so lange fortgesetzt würden, bis eine Art Konsens erreicht sei“ [27].

Diese kollektive und sorgfältig abwägende Suche nach einem Konsens ist nach wie vor eine konstitutive Kraft in der zeitgenössischen Bewegung der städtischen Armen Abahlali baseMjondolo (was so viel bedeutet wie „Bewohner der Hütten“), die 2005 in Durban entstand und heute mehr als 100.000 Mitglieder zählt. Dasselbe gilt für den afrikanischen Humanismus, der sich im Moment des Aufbruchs in den Fabrikhallen von Durban im Jahr 1973 manifestierte. Dieser wurde von Emma Mashinini, einer führenden Gewerkschafterin in den 1980er Jahren, kraftvoll zum Ausdruck gebracht: „Ich bin ein Mensch. Ich existiere. Ich bin ein vollständiger Mensch“ [28]. Die Unterdrückten betreten das politische Terrain nicht ohne bereits bestehende ethische und politische Verpflichtungen, Praktiken und Erinnerungen.

Der demokratische Charakter der Arbeiterbewegung, der aus dem Durban-Moment hervorging, lässt sich am besten als eine produktive Begegnung verstehen. Als das, was Fanon als „eine gegenseitige Strömung der Erleuchtung und Bereicherung“ zwischen Intellektuellen mit Universitätsausbildung und der Militanz der Arbeiterklasse bezeichnete. [29]

Steve Biko wurde im September 1977 in Polizeigewarsam ermordet. (Bild: Screenshot: Daily Dispatch, Mi. 14. September 1977)

Nach dem Durban-Moment

Im März 1973 wurden sowohl Biko als auch Turner verbannt, ersterer in seine Heimatstadt im Ciskei-Bantustan („Bantustan“ ist ein anderes Wort für Homeland, Anm. d. Red.) und letzterer in sein Haus in einem weißen Arbeitervorort von Durban. Hemson, der in den ersten drei Monaten des Jahres 1973 an der Gründung von Hafen-, Möbel- und Metallarbeitergewerkschaften mitgewirkt hatte, wurde im folgenden Jahr verbannt.

Am 25. September 1974 organisierte SASO am Curries-Brunnen eine Solidaritätskundgebung mit der Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO, Mosambikanische Befreiungsfront, Anm. d. Red.), deren Kampf für die Unabhängigkeit Mosambiks kurz vor dem Abschluss stand. Die Veranstaltung wurde am Vortag verboten, aber 5.000 Menschen kamen, und die Atmosphäre des Trotzes war elektrisierend. Die Polizei löste die Kundgebung auf – neun SASO-Aktivisten wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und ins Gefängnis geworfen. Die Verhaftungen beendeten die Periode der politischen Innovation, die der Wissenschaftler Tony Morphet den „Durban Moment“ nannte [30]. Im September 1977 wurde Biko von der Polizei ermordet, Turner im Januar des folgenden Jahres.

Nach den Erfolgen der Streiks von 1973 wurden sich die Arbeiter zunehmend ihrer Position als Industrieproletariat bewusst, das die industrielle Wirtschaft am Laufen hält. Sie waren sich ihrer Macht und der Tatsache bewusst, dass die Arbeitgeber große Teile der angelernten Arbeitskräfte nicht einfach entlassen konnten. Außerdem traten immer mehr Frauen als Gewerkschaftsführerinnen in Erscheinung: 1975 gründete Emma Mashinini die South African Commercial, Catering and Allied Workers’ Union (SACCAWU) in Johannesburg, zudem wurde Jabu Ndlovu in den 1980er Jahren eine mächtige Führungspersönlichkeit in der Metal and Allied Workers’ Union (MAWU) und später in der NUMSA.

Im Juni 1976 wurde eine Reihe von Protesten schwarzer Schulkinder gegen die Apartheid-Erziehung und das allgemeine Unterdrückungssystem mit mörderischer Repression beantwortet. Der Soweto-Aufstand, wie er später genannt wurde, verlagerte den Schwerpunkt des Widerstands nach Johannesburg und löste eine landesweite Hinwendung zur offenen Revolte aus. 1979 wurden die schwarzen Gewerkschaften legalisiert. Viele der Gewerkschaften, die nach dem Durban-Moment entstanden waren, schlossen sich in Hammanskraal nördlich von Johannesburg zusammen, in der Federation of South African Trade Unions (FOSATU).

FOSATU setzte sich für die Kontrolle der Arbeitnehmer in den Gewerkschaften und in den Betrieben, sowie für die Stärkung und Ausbildung von Vertrauensleuten ein.

Man war sich darüber im Klaren, dass die in der Arbeiterbewegung entwickelte Demokratie im Laufe der Zeit zur Keimzelle für die Demokratisierung der Gesellschaft werden würde.

Dies kam in dem Slogan „Building tomorrow today“ („Heute die Zukunft gestalten“, Anm. d. Red.) [31] zum Ausdruck. Wie die Industrial and Commercial Workers’ Union vor ihr leistete auch FOSATU eine beeindruckende kulturelle Arbeit und organisierte Theater-, Poesie- und Chorprojekte. Auch hier gab es produktive Verbindungen zwischen Aktivisten an der Basis und Intellektuellen mit Hochschulausbildung. Ari Sitas, ein Akademiker in Durban, spielte eine wichtige Rolle bei der Explosion der kulturellen Arbeit und der Innovation in den Gewerkschaften. Alfred Temba Qabula, ein Wanderarbeiter aus EmaMpondweni (zu deutsch „Pondoland“, Anm. d. Red.), der als Teenager an dem als Pondo-Rebellion bekannten Bauernaufstand 1959 teilgenommen hatte – und sich der MAWU anschloss, als er in den frühen 1980er Jahren in der Dunlop-Fabrik in Durban arbeitete – wurde in den Gewerkschaften und der breiteren progressiven Bewegung als renommierter Dichter bekannt.

Eine berühmte Rede, die von vielen diskutiert und weiterentwickelt wurde und 1982 vom FOSATU-Generalsekretär Joe Foster gehalten wurde, enthielt ein starkes Argument für die organisatorische Autonomie der Arbeiterschaft von der nationalen Befreiungsbewegung: „Die Arbeiter müssen danach streben, ihre eigene mächtige und effektive Organisation aufzubauen, auch wenn sie Teil des breiteren Volkskampfes sind. Diese Organisation ist notwendig … um sicherzustellen, dass die Volksbewegung nicht von Elementen vereinnahmt wird, die am Ende keine andere Wahl haben, als sich gegen ihre Unterstützer unter den Arbeitern zu wenden.“ [32]

Obwohl FOSATU eine starke Kraft war, gelang es ihr nicht, alle Gewerkschaften in einer Föderation zu vereinen. Der erste Moment der Einheit in der progressiven Arbeiterbewegung fand statt, als der radikale Arzt und Gewerkschafter Neil Aggett, ein Organisator für die African Food and Canning Workers’ Union, 1982 in Polizeigewahrsam ermordet wurde. Als Reaktion darauf streikten die Gewerkschaften im ganzen Land und eröffneten damit neue Möglichkeiten, die spätere größere Einheit zu schmieden.

Der Historiker Jabulani Sithole schreibt, dass der SACTU begann, seine „Untergrundagenten zu ermutigen, sie [die Gewerkschaften] zu infiltrieren, um sie von innen heraus zu untergraben, wenn sie als reaktionär galten, oder um sie zu übernehmen, wenn sie als fortschrittlich galten“ [33]. Zwischen 1981 und 1985 waren die SACTU-Untergrundaktivisten Samuel Bhekuyise Kikine, Thobile Mhlahlo, Sydney Mufamadi, Samson Ndou, Themba Nxumalo, Matthew Oliphant und andere daran beteiligt, die Einheit einer Reihe von Gewerkschaften herzustellen.

Der hohe Organisationsgrad, der zunächst in den Betrieben aufgebaut worden war, begann sich auf die Gesellschaft auszudehnen. Am 20. August 1983 wurde in Mitchells Plain, Kapstadt, die Vereinigte Demokratische Front (UDF) gegründet. Hunderte von Organisationen schlossen sich der UDF an, darunter Gewerkschaften, Jugend-, Frauen- und Studentenorganisationen, religiöse Gruppen und Berufsverbände. In einer berühmten Rede aus dem Jahr 1987 bekräftigte der UDF-Vorsitzende Murphy Morobe das Engagement der UDF für eine radikale Demokratie mit klaren Worten: „Wir sprechen von direkter und nicht von indirekter politischer Vertretung. Von Massenbeteiligung.“ [34] Viele Berichterstatter, die der UDF angehörten oder ihr nahestanden, argumentierten, dass ihre formell organisierten demokratischen Praktiken auf den Erfahrungen der Gewerkschaften beruhten.

Das COSATU Haus ist das Hauptquartier des Gerwerkschafts-Dachverbandes COSATU, die maßgeblich am Zusammenbruch des Apartheid-Regimes beteiligt waren. (Bild: Bobbyshabangu / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0)

Die Beziehungen zwischen der UDF und der Gewerkschaftsbewegung waren jedoch nicht unkompliziert. Zwischen den Gewerkschaften, die mit der UDF verbunden waren, und den FOSATU-Gewerkschaften, die von der UDF unabhängig blieben, herrschte großes Misstrauen. Dies führte zu einer schwelenden Debatte zwischen zwei Fraktionen der radikalen Intelligenzia, die sich gegenseitig (aber nicht sich selbst) als „Arbeiteristen“ oder „Populisten“ bezeichneten. Die Arbeiteristen wollten, dass die Gewerkschaftsbewegung vom ANC unabhängig blieb, um die Autonomie der organisierten Arbeiterklasse gegenüber der klassenübergreifenden nationalen Befreiungsbewegung zu wahren. Die Populisten sahen in der Vorherrschaft der Weißen, mit dem Schwarze klassenübergreifend konfrontiert waren, das Hauptproblem und wollten im Kampf für die nationale Befreiung ein Höchstmaß an Einheit erreichen.

Die Arbeiteristen beherrschten FOSATU bis 1985, als ein neuer und viel größerer Verband – der Congress of South African Trade Unions (COSATU) – gegründet und in Durban am Curries-Brunnen aus der Taufe gehoben wurde, nachdem 1981 ein Prozess von Einheitsgipfeln und -treffen begonnen hatte. Das Gleichgewicht der Kräfte hatte sich zugunsten der Populisten verschoben. FOSATU löste sich in COSATU auf, das sich ausdrücklich mit der UDF und später mit dem ANC verbündete.

Der Ausdruck der nationalen Tradition, die mit dem ANC verbunden war und nun in COSATU zum Ausdruck kam, war jedoch in wichtigen Aspekten durch den Durban-Moment geprägt worden, einschließlich der Ideen der Arbeiterkontrolle und des schwarzen Bewusstseins. Jay Naidoo, der erste Generalsekretär der neuen Föderation, erinnert sich, dass er bei einer aufrüttelnden öffentlichen Versammlung unter der Leitung von Biko in einem indischen Viertel in Durban radikalisiert wurde [35]. COSATU wurde in den Betrieben und in der breiteren Gesellschaft schnell außerordentlich mächtig und trug zusammen mit der UDF entscheidend zum Zusammenbruch des Apartheid-Regimes bei.

1990 begann der Apartheid-Staat sich einzugestehen, dass der Übergang zu einer gewissen Form der Demokratie, die natürlich auf die liberale Demokratie beschränkt war, unvermeidlich war. Der ugandische Wissenschaftler Mahmood Mamdani hat argumentiert, dass „die wichtigste Kraft für diesen Wandel weder der bewaffnete Kampf, noch die Exilpolitik, noch die internationale Boykottbewegung“ war, sondern vielmehr die politische Arbeit von „studentischen Aktivisten aller Couleur und von Wander- und Township-Arbeitern“. [36]

Die demokratische Volkspolitik, die ihre Wurzeln in den Streiks von Durban hat, wurde nicht völlig vergessen als die Apartheid einer neuen Ordnung wich. Mashinini betonte: „Wenn wir Politiker zu öffentlichen Vertretern wählen, bedeutet das nicht, dass sie das göttliche Recht haben, uns zu regieren. Sie sind Diener des Volkes und müssen akzeptieren, dass wir das Recht haben, sie zu kritisieren. Das haben wir in den Schützengräben des Arbeiterkampfes gelernt, welcher der Apartheid den Todesstoß versetzte.“ [37]

Die sozialistischen Hoffnungen der Gewerkschaften wichen jedoch tiefen Enttäuschungen, die aus dem Zusammenspiel von Kapital, weißer Macht und nationalen Eliten resultierten. Wie Qabula beklagte – die überzeugendste Stimme unter den Arbeiterdichtern: „Slovo und Hani sahen überall rot… Aber Tutu und die Bischöfe… sahen Regenbögen.“ [38] Im Jahr 2002 starb er in Armut, wie so viele andere, die an der Front des Kampfes standen. Er hinterließ diese eindringlichen Zeilen:

„Wir sind die beweglichen Leitern, welche die Menschen in den Himmel tragen, die im Freien dem Regen ausgesetzt sind, die mit der Erinnerung an Tränengas zurückbleiben und nach Atem ringen.“ [39]

Die Streiks von Durban und die Kämpfe der Arbeiter, die in ihrem Gefolge eine mächtige Gewerkschaftsbewegung aufbauten, erhielten in der offiziellen Erinnerung nicht den ihnen gebührenden Platz. Heute wird außerhalb von Gewerkschaftskreisen nur noch selten an sie erinnert.

Die bisweilen erbitterten persönlichen und sektiererischen Kämpfe, die in akademischen Zeitschriften darüber geführt wurden, welche politischen Kräfte – Arbeiter, Populisten, Aktivisten des Schwarzen Bewusstseins, weiße Intellektuelle oder ANC-Untergrundaktivisten – sowohl für den Durban-Moment im weiteren Sinne als auch für den Aufbau der Gewerkschaftsbewegung nach den Streiks verantwortlich gemacht werden sollten, haben der Sache nicht geholfen. Im Gegenteil, diese Auseinandersetzung hat oft die Form eines Kampfes innerhalb der Eliten angenommen.

Die Arbeiter, die innerhalb einer zutiefst unterdrückerischen Gesellschaft demokratische Formen der Gegenmacht aufbauten und dieses System schließlich zu Fall brachten, werden selten in vollem Umfang gewürdigt und respektiert. Ihre Geschichte wartet noch immer auf eine angemessene Darstellung.

Quellen:

[1] Tricontinental, „A Brief History of South Africa’s Industrial and Commercial Workers’ Union (1919-1931)“.
[2] Fanon, „The Wretched of the Earth“, 75.
[3] Richard Turner, „The Eye of the Needle“, 65.
[4] More, „Biko: Philosophy, Identity and Liberation“.
[5] Ross, „May ‘68 and Its Afterlives“, 7.
[6] Macqueen, „Black Consciousness“, 105.
[7] Tricontinental, „Paulo Freire and Popular Struggle in South Africa“.
[8] Cole, „Dockworker Power“, 180.
[9] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 190.
[10] Cole, „Dockworker Power“, 179.
[11] Hemson, „Freedom’s Footprints: Freire and Beyond“.
[12] Mhlongo, „,Black Workers’ Strikes in South Africa“, 41–49.
[13] Brown, „The Road to Soweto“, 84.
[14] Institute for Industrial Education, „The Durban Strikes 1973“.
[15] Hemson, „The 1973 Natal Strike Wave“.
[16] Hemson, „The 1973 Natal Strike Wave“.
[17] Webster, „Exodus Without a Map“.
[18] Siehe u.a. Webster, „Exodus Without a Map“.
[19] Karl Marx, „Theses on Feuerbach“.
[20] Hemson, „Freedom’s Footprints“.
[21] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 195.
[22] Brown, „The Road to Soweto“, 94.
[23] Davie, „Poverty Knowledge in South Africa“, 194.
[24] Institute for Industrial Education, „The Durban Strikes, 1973“; Black Community Programmes, Black Review; Tricontinental, „Black Community Programmes“.
[25] Moodie mit Ndatshe, „Going for Gold“.
[26] Mandela, „Long Walk to Freedom“, 64.
[27] Mandela, „Long Walk to Freedom“, 64.
[28] Mashinini, „Strikes Have Followed Me All My Life“, 27.
[29] Fanon, „The Wretched of the Earth“, 143.
[30] Morphet, „Richard Turner: A Biographical Introduction“, in Turner, „The Eye of the Needle“.
[31] Friedman, „Building Tomorrow Today“.
[32] Foster, „The Workers’ Struggle“.
[33] Sithole, „Contestations Over Knowledge Production or Ideological Bullying?“, 231.
[34] Morobe, „Towards a People’s Democracy: The UDF view“.
[35] Naidoo, „Fighting for Justice“. 33–34.
[36] Mamdani, „Neither Settler Nor Native“, 164.
[37] Mashinini, „Strikes Have Followed Me All My Life“, xvii.
[38] Qabula, „Collected Poems“, 87.
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