Die Lügen der Medien über Nord Stream hören nicht auf

Warum versuchen Milliardäre und Regierungen die Medien zu kontrollieren? Weil die Macht über unsere Gedanken, die größte Macht überhaupt ist.

Von Published On: 29. Dezember 2023Kategorien: Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 14.11.2023 auf www.jonathan-cook.net/ unter der URL <https://www.jonathan-cook.net/blog/2023-11-14/media-nord-stream-lies/> veröffentlicht. Lizenz: Jonathan Cook, CC BY-NC-ND 4.0

(Bild: rawpixel.com von PxHere.com / CC0)

Möchten Sie verstehen, warum die von uns konsumierten Medien entweder Milliardären gehören oder unter der Kontrolle der Regierung stehen? Die neuesten Entwicklungen bei der Berichterstattung, wer hinter den Explosionen steckt, die die Nord Stream-Pipelines zerstörten, die russisches Gas nach Europa brachten, liefern die Antwort.

Obwohl die Explosionen in der Ostsee im September 2022 weitgehend vergessen sind, hatten sie enorme und langfristige Auswirkungen. Die Sprengung war eine Tat sowohl beispielloser Industriesabotage als auch ein einzigartiger Akt von Umweltterrorismus, bei dem ungeheure Mengen des potentesten Treibhausgases, Methan, in die Atmosphäre freigesetzt wurden.

Die Zerstörung der Pipelines stürzte Europa in eine lang anhaltende Energiekrise und ihre Volkswirtschaften stärker in eine Rezession, aus der sie sich bis heute nicht erholt haben. Europa war gezwungen sich an die Vereinigten Staaten zu wenden und deutlich teureres Flüssiggas zu kaufen. Einer der langfristigen Effekte wird die Beschleunigung der Deindustrialisierung Europas sein, insbesondere Deutschlands. (Die Rezession begann bereits vor der Zerstörung der Nord Stream Pipelines. Die Sprengung verhinderte den Bezug von günstigem Gas und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, die erhöhte Energiekosten zur Folge hatten. Anm. d. Red.)

Es gibt in Europa kaum jemanden, der keinen persönlichen finanziellen Schaden durch die Explosionen erlitten hat – in den meisten Fällen erhebliche Schäden.

Zur Zeit der Explosionen war eine der dringend zu bentwortenden Fragen, der keine Mediengesellschaft zügig nachgehen wollte: Wer steckt dahinter?

Einmütig wiederholten die Medien einfach die außergewöhnliche Behauptung des Weißen Hauses, dass Russland seine eigenen Pipelines sabotiert habe.

Das erforderte eine noch nie dagewesene Unglaubwürdigkeit. Es bedeutete, dass Moskau sich entschieden hat, sich sowohl des lukrativen Einkommensstroms der Gasleitungen zu berauben als auch des politischen und diplomatischen Einflusses, den es durch die Kontrolle der Energieversorgung der europäischen Staaten genoss. Zur Erinnerung: Das geschah zu einer Zeit, als der durch seinen Krieg in der Ukraine gebeutelte Kreml soviel diplomatischen Einfluss zusammenkratzen musste, wie er nur konnte.

Der Haupttäter

Die Notwendigkeit, der lächerlich unwahrscheinlichen „Russland war’s“-Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, war zu dieser Zeit wichtig, weil es nur einen anderen ernsthaften Täter in diesem Zusammenhang gab. Kein Medium erwähnte das natürlich.

Die Vereinigten Staaten hatten sowohl das Motiv als auch die Mittel.

US-Beamte von Biden abwärts hatten wiederholt damit gedroht, dass Washington eingreifen würde, um sicherzustellen, dass die Nord Stream-Pipelines nicht betrieben werden können.

Die Regierung war ausdrücklich gegen die europäische Energieabhängigkeit von Russland. Ein weiterer Vorteil durch die Zerstörung der Pipelines war, dass ein wirtschaftlich anfälligeres Europa gezwungen wäre, sich noch stärker auf die USA als Garanten für die Sicherheit zu stützen – ein nützlicher Würgegriff für Europa, während sich Washington auf längere Konfrontationen sowohl mit Russland als auch mit China vorbereitet.

Was die Mittel betrifft, hatten nur wenige Staaten die Taucher und technischen Ressourcen, um die äußerst schwierige Aufgabe, unbemerkt Sprengstoffe auf dem Meeresboden zu platzieren und zu zünden, erfolgreich durchzuführen.

Hätten wir damals gewusst, was allmählich sogar durch die Berichterstattung der etablierten Medien klar wird – dass die USA, zumindest in gewissem Maße, daran beteiligt waren –, hätte es einen Aufschrei gegeben.

Es wäre klar gewesen, dass die USA ein Schurkenstaat ist – ein terroristischer Staat – bereit, seine Verbündeten für geostrategische Vorteile zu opfern. Es wäre klar gewesen, dass es keine Grenzen für die Verbrechen gab, die sie zu begehen bereit waren.

Jedes Mal, wenn Europäer erheblich mehr für ihre Heizungsrechnung, das Tanken ihres Autos oder den wöchentlichen Einkauf ausgegeben hätten, hätten sie gewusst, dass die Ursache gangsterhaftes, kriminelles Verhalten der Biden-Regierung war.

Bild von einer Demonstration am 05.09.2022. Übersetzung des Tweets: „Mein neuester Artikel: Wenn die USA, wie es wahrscheinlich ist, hinter den Pipeline-Sprengungen stecken, zeigt dies, dass sie bereit sind, ganz Europa in ein Schlachtfeld zu verwandeln – und die Bevölkerung des Kontinents ebenso grausam zu tyrannisieren, zu verraten und möglicherweise zu opfern, wie sie den globalen Süden behandelt haben“. (Screenshot:
X: https://twitter.com/Jonathan_K_Cook/tatus/1578032624412422145)

Ignorierte Beweise

Das ist auch der Grund, warum die etablierten Medien nach den Explosionen so sehr darauf bedacht waren, die Biden-Administration in keiner Weise zu belasten. Selbst wenn dies bedeutete, die Masse an Beweisen zu ignorieren, die ihnen ins Gesicht starrten.

Genau deshalb ignorierten sie den brisanten Bericht des legendären Investigativ-Journalisten Seymour Hersh – der einige der wichtigsten Geschichten der letzten Jahrzehnte aufgedeckt hat – der genau darlegte, wie die USA die Operation durchgeführt hat [1]. Wenn sein Bericht gelegentlich von den Medien erwähnt wurde, geschah dies ausschließlich, um ihn lächerlich zu machen.

Als klar wurde, dass die Behauptung „Russland war’s“ nicht haltbar war, sind die Medien buchstäblich vom sinkenden Schiff gesprungen: sie berichteten kritiklos, dass eine kleine Gruppe ukrainischer „Einzelgänger“ – natürlich dem Präsidenten Wolodymyr Zelenskyj unbekannt – eine Yacht gemietet und einen der gewagtesten und schwierigsten Tiefsee-Stunts der Geschichte durchgeführt haben.

Genau deshalb behandelten die Medien es später als völlig unspektakulär – und sicherlich nicht kommentarwürdig – dass neue Beweise darauf hinwiesen, dass die Biden-Regierung vor dieser ukrainischen „Einzelgänger“-Operation gegen die Energiesicherheit Europas gewarnt wurde [2]. Offenbar wusste sie, was passieren würde, tat aber rein gar nichts, um es zu stoppen.

Und es ist der Grund, warum der neueste Bericht der Washington Post die frühere, unglaubwürdige Behauptung, ukrainische „Einzelgänger“ hätten die Operation zur Zerstörung der Pipelines durchgeführt, ändert und stattdessen die höchsten Ebenen des ukrainischen Militärs belastet [3].

Doch auch hier weigern sich die Zeitungen und der Rest der Medien hartnäckig, die Punkte zu verbinden und den Implikationen ihrer eigenen Berichterstattung nachzugehen.

Roman Chervinsky, die Hauptfigur in dem neuen Drama, gehört zu den ukrainischen Sondereinsatzkräften. Er soll das kleine sechsköpfige Team überwacht haben, das eine Yacht gemietet und dann den James-Bond-artigen Angriff durchgeführt haben soll.

Die arglose Washington Post behauptet, dass er aufgrund seiner Ausbildung und seiner operativen Erfahrung „gut geeignet war, bei der Durchführung einer verdeckten Mission zu helfen, die die Verantwortung der Ukraine verschleiern sollte“. Sie listet seine Widerstandsaktivitäten gegen Russland auf. Keine davon deutet darauf hin, dass er die Erfahrung gehabt hätte, einen äußerst anspruchsvollen, extrem gefährlichen, technisch komplexen Angriff in den Gewässern der Ostsee zu planen und zu leiten.

Roman Chervinsky gehört zu den ukrainischen Spezialkräften und soll, laut Medienberichten, die Operation zur Zerstörung der Nord Stream-Pipelines geleitet haben. (Screenshot: Censor.net / Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=ZVF-GQOah00)

Vorwissen

Wenn das ukrainische Militär wirklich hinter den Explosionen steckte – und nicht die USA –, deuten alle Anzeichen darauf hin, dass die Biden-Regierung und das Pentagon in die Planung, Durchführung und den anschließenden Vertuschungsversuch involviert gewesen sein müssen.

Vor allem ist es äußerst unwahrscheinlich, dass das ukrainische Militär die technische Fähigkeit gehabt hätte, eine solche Operation erfolgreich und verdeckt durchzuführen.

Und da das ukrainische Militär selbst vor dem Krieg fast vollständig unter der operativen Kontrolle des US-Militärs stand, erscheint die Idee, dass das ukrainische Oberkommando diese komplexe und riskante Unternehmung ohne Beteiligung der USA hätte durchführen können oder dürfen, wenig plausibel.

Politisch wäre es außergewöhnlich für ukrainische Führer gewesen, wenn sie gedacht hätten, sie könnten einseitig beschließen, die Energieversorgung Europas zu unterbrechen, ohne sich zuvor mit den USA zu beraten.

Zumal die gesamten Kriegsanstrengungen der Ukraine von Washington und Europa bezahlt und beaufsichtigt wurden.

Und natürlich wären die ukrainischen Führer sich nur allzu bewusst gewesen, dass die USA schnell herausfinden würden, wer hinter dem Angriff steckt.

Warum sollte sich die Biden-Regierung unter solchen Umständen entscheiden, die Ukraine für ihren Akt der Industriesabotage gegen Europa mit mehr Geld und Waffen zu belohnen, anstatt sie irgendwie zu bestrafen?

Ebenso hätten die drei Staaten, die den Angriff angeblich untersuchen – Deutschland, Schweden und Dänemark – bald herausgefunden, dass die Ukraine schuld ist. Warum sollten sie sich dafür entscheiden, den Angriff der Ukraine auf die Wirtschaft Europas zu vertuschen, anstatt ihn aufzudecken – es sei denn, sie hätten Angst vor den USA?

Und natürlich gibt es den Elefant im Raum: Die frühere Berichterstattung der Washington Post deutete darauf hin, dass die USA im Voraus wusste, dass die Ukraine den Angriff plante [4]. Das ist umso wahrscheinlicher, wenn die Pipeline-Sprengung von ukrainischen Militärkommandeuren und nicht von einer Gruppe ukrainischer „Einzelgänger“ abgesegnet worden wäre.

Die neue Geschichte der Post wiederholt die Aussage, dass die Biden-Regierung vor dem Angriff gewarnt wurde. Nun jedoch berichtet die Post beiläufig, dass US-Beamte – nachdem sie Einspruch eingelegt hatten – „glaubten, der Angriff sei abgesagt worden. Aber es stellte sich heraus, dass er nur auf drei Monate später verschoben worden war, unter Verwendung eines anderen Abfahrtspunktes als ursprünglich geplant.“

Die Washington Post akzeptiert einfach das Wort der US-Beamten, dass das mächtigste Land der Welt am Steuer eingeschlafen sei. Die CIA und die Biden-Regierung wussten anscheinend, dass das ukrainische Militär darauf aus war, die Nord Stream-Pipelines in die Luft zu sprengen und Europa weiter in eine Energiekrise und wirtschaftliche Rezession zu stürzen. Aber US-Beamte wurden überrascht, als dasselbe kleine ukrainische Einsatzteam die Orte und Zeitpläne änderte.

Nach dieser Darstellung sind die US-Geheimdienste auf die einfachste Ablenkung hereingefallen – obwohl so viel auf dem Spiel stand, wie man sich nur vorstellen kann. Und die Washington Post sowie andere Medien berichten all dies mit Schein-Seriosität.

Ukrainischer Sündenbock

So oder so ist die USA tief in den Angriff auf die Energieinfrastruktur Europas und die Untergrabung der europäischen Wirtschaft verwickelt.

Selbst wenn die Berichterstattung der etablierten Medien richtig ist und die Ukraine Nord Stream in die Luft gesprengt hat, muss die Biden-Regierung grünes Licht gegeben, die operative Planung überwacht und bei der Umsetzung sowie beim anschließenden Vertuschungsversuch geholfen haben.

Wenn andererseits Hersh recht hat – was wahrscheinlicher ist –, gab es keinen Mittelsmann. Die USA führten den Angriff allein durch. Es brauchte einen Sündenbock. Als Russland nicht mehr in Frage kam, wurde die Ukraine das Opferlamm.

Ein Jahr später erregen diese verhüllten Schlussfolgerungen aus der eigenen Berichterstattung der Medien kaum Aufsehen.

Die Establishment-Medien haben genau die erwartete Rolle gespielt: die Nivellierung öffentlicher Empörung. Ihre reglementierte Akzeptanz der anfänglichen, absurden Behauptung einer russischen Verantwortung. Die tröpfchenweise, unkritische Berichterstattung über andere, ebenso unwahrscheinliche Möglichkeiten. Ihre eifrige Weigerung, die nur allzu sichtbaren Punkte zu verbinden. Ihre fortgesetzte Gleichgültigkeit gegenüber ihrer eigenen Geschichte und was die Beteiligung der Ukraine bedeuten würde.

Die Medien haben in jeder Hinsicht versagt, wenn es darum geht, wofür es Journalismus gibt und was er tun soll. Und das liegt daran, dass die Establishment-Medien nicht dazu da sind, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Macht zur Rechenschaft zu ziehen. Letztendlich – wenn es um hohe Einsätze geht, und sie könnten nicht höher sein als beim Nord-Stream-Angriff –, sind sie dazu da, Narrative zu spinnen, die den Mächtigen dienen, denn die Medien selbst sind in diese Machtstrukturen eingebettet.

Warum stürzen sich Milliardäre darauf, Medienunternehmen zu besitzen – selbst wenn diese Verluste machen? Warum sind die Regierungen so erpicht darauf, den Milliardären die Kontrolle über das wichtigste Mittel zu überlassen, mit dem wir Informationen erhalten und miteinander kommunizieren? Weil es keine größere Macht gibt als die, Geschichten zu erzählen und unseren Verstand zu kontrollieren.

Quellen:

[1] Seymour Hersh, „How America Took Out The Nord Stream Pipeline“, am 08.02.2023, <https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream>, auf deutsch: Free21, „Wie Amerika die Nord Stream-Pipeline ausschaltete“, <https://free21.org/wie-amerika-die-nord-stream-pipeline-ausschaltete/>
[2] Mint Press News, Jonathan Cook, „WHY THE MEDIA DON’T WANT TO KNOW THE TRUTH ABOUT THE NORD STREAM BLASTS“, am 11.04.2023, <https://www.mintpressnews.com/media-investigation-ignore-truth-nord-stream/284341/>
[3] The Washington Post, Shane Harris und Isabelle Khurshudyan, „Ukrainian military officer coordinated Nord Stream pipeline attack“, am 11.11.2023, <http://archive.ph/SY5Tt>
[4] siehe [2]

Die Lügen der Medien über Nord Stream hören nicht auf

Warum versuchen Milliardäre und Regierungen die Medien zu kontrollieren? Weil die Macht über unsere Gedanken, die größte Macht überhaupt ist.

Von Published On: 29. Dezember 2023Kategorien: Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 14.11.2023 auf www.jonathan-cook.net/ unter der URL <https://www.jonathan-cook.net/blog/2023-11-14/media-nord-stream-lies/> veröffentlicht. Lizenz: Jonathan Cook, CC BY-NC-ND 4.0

(Bild: rawpixel.com von PxHere.com / CC0)

Möchten Sie verstehen, warum die von uns konsumierten Medien entweder Milliardären gehören oder unter der Kontrolle der Regierung stehen? Die neuesten Entwicklungen bei der Berichterstattung, wer hinter den Explosionen steckt, die die Nord Stream-Pipelines zerstörten, die russisches Gas nach Europa brachten, liefern die Antwort.

Obwohl die Explosionen in der Ostsee im September 2022 weitgehend vergessen sind, hatten sie enorme und langfristige Auswirkungen. Die Sprengung war eine Tat sowohl beispielloser Industriesabotage als auch ein einzigartiger Akt von Umweltterrorismus, bei dem ungeheure Mengen des potentesten Treibhausgases, Methan, in die Atmosphäre freigesetzt wurden.

Die Zerstörung der Pipelines stürzte Europa in eine lang anhaltende Energiekrise und ihre Volkswirtschaften stärker in eine Rezession, aus der sie sich bis heute nicht erholt haben. Europa war gezwungen sich an die Vereinigten Staaten zu wenden und deutlich teureres Flüssiggas zu kaufen. Einer der langfristigen Effekte wird die Beschleunigung der Deindustrialisierung Europas sein, insbesondere Deutschlands. (Die Rezession begann bereits vor der Zerstörung der Nord Stream Pipelines. Die Sprengung verhinderte den Bezug von günstigem Gas und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, die erhöhte Energiekosten zur Folge hatten. Anm. d. Red.)

Es gibt in Europa kaum jemanden, der keinen persönlichen finanziellen Schaden durch die Explosionen erlitten hat – in den meisten Fällen erhebliche Schäden.

Zur Zeit der Explosionen war eine der dringend zu bentwortenden Fragen, der keine Mediengesellschaft zügig nachgehen wollte: Wer steckt dahinter?

Einmütig wiederholten die Medien einfach die außergewöhnliche Behauptung des Weißen Hauses, dass Russland seine eigenen Pipelines sabotiert habe.

Das erforderte eine noch nie dagewesene Unglaubwürdigkeit. Es bedeutete, dass Moskau sich entschieden hat, sich sowohl des lukrativen Einkommensstroms der Gasleitungen zu berauben als auch des politischen und diplomatischen Einflusses, den es durch die Kontrolle der Energieversorgung der europäischen Staaten genoss. Zur Erinnerung: Das geschah zu einer Zeit, als der durch seinen Krieg in der Ukraine gebeutelte Kreml soviel diplomatischen Einfluss zusammenkratzen musste, wie er nur konnte.

Der Haupttäter

Die Notwendigkeit, der lächerlich unwahrscheinlichen „Russland war’s“-Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, war zu dieser Zeit wichtig, weil es nur einen anderen ernsthaften Täter in diesem Zusammenhang gab. Kein Medium erwähnte das natürlich.

Die Vereinigten Staaten hatten sowohl das Motiv als auch die Mittel.

US-Beamte von Biden abwärts hatten wiederholt damit gedroht, dass Washington eingreifen würde, um sicherzustellen, dass die Nord Stream-Pipelines nicht betrieben werden können.

Die Regierung war ausdrücklich gegen die europäische Energieabhängigkeit von Russland. Ein weiterer Vorteil durch die Zerstörung der Pipelines war, dass ein wirtschaftlich anfälligeres Europa gezwungen wäre, sich noch stärker auf die USA als Garanten für die Sicherheit zu stützen – ein nützlicher Würgegriff für Europa, während sich Washington auf längere Konfrontationen sowohl mit Russland als auch mit China vorbereitet.

Was die Mittel betrifft, hatten nur wenige Staaten die Taucher und technischen Ressourcen, um die äußerst schwierige Aufgabe, unbemerkt Sprengstoffe auf dem Meeresboden zu platzieren und zu zünden, erfolgreich durchzuführen.

Hätten wir damals gewusst, was allmählich sogar durch die Berichterstattung der etablierten Medien klar wird – dass die USA, zumindest in gewissem Maße, daran beteiligt waren –, hätte es einen Aufschrei gegeben.

Es wäre klar gewesen, dass die USA ein Schurkenstaat ist – ein terroristischer Staat – bereit, seine Verbündeten für geostrategische Vorteile zu opfern. Es wäre klar gewesen, dass es keine Grenzen für die Verbrechen gab, die sie zu begehen bereit waren.

Jedes Mal, wenn Europäer erheblich mehr für ihre Heizungsrechnung, das Tanken ihres Autos oder den wöchentlichen Einkauf ausgegeben hätten, hätten sie gewusst, dass die Ursache gangsterhaftes, kriminelles Verhalten der Biden-Regierung war.

Bild von einer Demonstration am 05.09.2022. Übersetzung des Tweets: „Mein neuester Artikel: Wenn die USA, wie es wahrscheinlich ist, hinter den Pipeline-Sprengungen stecken, zeigt dies, dass sie bereit sind, ganz Europa in ein Schlachtfeld zu verwandeln – und die Bevölkerung des Kontinents ebenso grausam zu tyrannisieren, zu verraten und möglicherweise zu opfern, wie sie den globalen Süden behandelt haben“. (Screenshot:
X: https://twitter.com/Jonathan_K_Cook/tatus/1578032624412422145)

Ignorierte Beweise

Das ist auch der Grund, warum die etablierten Medien nach den Explosionen so sehr darauf bedacht waren, die Biden-Administration in keiner Weise zu belasten. Selbst wenn dies bedeutete, die Masse an Beweisen zu ignorieren, die ihnen ins Gesicht starrten.

Genau deshalb ignorierten sie den brisanten Bericht des legendären Investigativ-Journalisten Seymour Hersh – der einige der wichtigsten Geschichten der letzten Jahrzehnte aufgedeckt hat – der genau darlegte, wie die USA die Operation durchgeführt hat [1]. Wenn sein Bericht gelegentlich von den Medien erwähnt wurde, geschah dies ausschließlich, um ihn lächerlich zu machen.

Als klar wurde, dass die Behauptung „Russland war’s“ nicht haltbar war, sind die Medien buchstäblich vom sinkenden Schiff gesprungen: sie berichteten kritiklos, dass eine kleine Gruppe ukrainischer „Einzelgänger“ – natürlich dem Präsidenten Wolodymyr Zelenskyj unbekannt – eine Yacht gemietet und einen der gewagtesten und schwierigsten Tiefsee-Stunts der Geschichte durchgeführt haben.

Genau deshalb behandelten die Medien es später als völlig unspektakulär – und sicherlich nicht kommentarwürdig – dass neue Beweise darauf hinwiesen, dass die Biden-Regierung vor dieser ukrainischen „Einzelgänger“-Operation gegen die Energiesicherheit Europas gewarnt wurde [2]. Offenbar wusste sie, was passieren würde, tat aber rein gar nichts, um es zu stoppen.

Und es ist der Grund, warum der neueste Bericht der Washington Post die frühere, unglaubwürdige Behauptung, ukrainische „Einzelgänger“ hätten die Operation zur Zerstörung der Pipelines durchgeführt, ändert und stattdessen die höchsten Ebenen des ukrainischen Militärs belastet [3].

Doch auch hier weigern sich die Zeitungen und der Rest der Medien hartnäckig, die Punkte zu verbinden und den Implikationen ihrer eigenen Berichterstattung nachzugehen.

Roman Chervinsky, die Hauptfigur in dem neuen Drama, gehört zu den ukrainischen Sondereinsatzkräften. Er soll das kleine sechsköpfige Team überwacht haben, das eine Yacht gemietet und dann den James-Bond-artigen Angriff durchgeführt haben soll.

Die arglose Washington Post behauptet, dass er aufgrund seiner Ausbildung und seiner operativen Erfahrung „gut geeignet war, bei der Durchführung einer verdeckten Mission zu helfen, die die Verantwortung der Ukraine verschleiern sollte“. Sie listet seine Widerstandsaktivitäten gegen Russland auf. Keine davon deutet darauf hin, dass er die Erfahrung gehabt hätte, einen äußerst anspruchsvollen, extrem gefährlichen, technisch komplexen Angriff in den Gewässern der Ostsee zu planen und zu leiten.

Roman Chervinsky gehört zu den ukrainischen Spezialkräften und soll, laut Medienberichten, die Operation zur Zerstörung der Nord Stream-Pipelines geleitet haben. (Screenshot: Censor.net / Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=ZVF-GQOah00)

Vorwissen

Wenn das ukrainische Militär wirklich hinter den Explosionen steckte – und nicht die USA –, deuten alle Anzeichen darauf hin, dass die Biden-Regierung und das Pentagon in die Planung, Durchführung und den anschließenden Vertuschungsversuch involviert gewesen sein müssen.

Vor allem ist es äußerst unwahrscheinlich, dass das ukrainische Militär die technische Fähigkeit gehabt hätte, eine solche Operation erfolgreich und verdeckt durchzuführen.

Und da das ukrainische Militär selbst vor dem Krieg fast vollständig unter der operativen Kontrolle des US-Militärs stand, erscheint die Idee, dass das ukrainische Oberkommando diese komplexe und riskante Unternehmung ohne Beteiligung der USA hätte durchführen können oder dürfen, wenig plausibel.

Politisch wäre es außergewöhnlich für ukrainische Führer gewesen, wenn sie gedacht hätten, sie könnten einseitig beschließen, die Energieversorgung Europas zu unterbrechen, ohne sich zuvor mit den USA zu beraten.

Zumal die gesamten Kriegsanstrengungen der Ukraine von Washington und Europa bezahlt und beaufsichtigt wurden.

Und natürlich wären die ukrainischen Führer sich nur allzu bewusst gewesen, dass die USA schnell herausfinden würden, wer hinter dem Angriff steckt.

Warum sollte sich die Biden-Regierung unter solchen Umständen entscheiden, die Ukraine für ihren Akt der Industriesabotage gegen Europa mit mehr Geld und Waffen zu belohnen, anstatt sie irgendwie zu bestrafen?

Ebenso hätten die drei Staaten, die den Angriff angeblich untersuchen – Deutschland, Schweden und Dänemark – bald herausgefunden, dass die Ukraine schuld ist. Warum sollten sie sich dafür entscheiden, den Angriff der Ukraine auf die Wirtschaft Europas zu vertuschen, anstatt ihn aufzudecken – es sei denn, sie hätten Angst vor den USA?

Und natürlich gibt es den Elefant im Raum: Die frühere Berichterstattung der Washington Post deutete darauf hin, dass die USA im Voraus wusste, dass die Ukraine den Angriff plante [4]. Das ist umso wahrscheinlicher, wenn die Pipeline-Sprengung von ukrainischen Militärkommandeuren und nicht von einer Gruppe ukrainischer „Einzelgänger“ abgesegnet worden wäre.

Die neue Geschichte der Post wiederholt die Aussage, dass die Biden-Regierung vor dem Angriff gewarnt wurde. Nun jedoch berichtet die Post beiläufig, dass US-Beamte – nachdem sie Einspruch eingelegt hatten – „glaubten, der Angriff sei abgesagt worden. Aber es stellte sich heraus, dass er nur auf drei Monate später verschoben worden war, unter Verwendung eines anderen Abfahrtspunktes als ursprünglich geplant.“

Die Washington Post akzeptiert einfach das Wort der US-Beamten, dass das mächtigste Land der Welt am Steuer eingeschlafen sei. Die CIA und die Biden-Regierung wussten anscheinend, dass das ukrainische Militär darauf aus war, die Nord Stream-Pipelines in die Luft zu sprengen und Europa weiter in eine Energiekrise und wirtschaftliche Rezession zu stürzen. Aber US-Beamte wurden überrascht, als dasselbe kleine ukrainische Einsatzteam die Orte und Zeitpläne änderte.

Nach dieser Darstellung sind die US-Geheimdienste auf die einfachste Ablenkung hereingefallen – obwohl so viel auf dem Spiel stand, wie man sich nur vorstellen kann. Und die Washington Post sowie andere Medien berichten all dies mit Schein-Seriosität.

Ukrainischer Sündenbock

So oder so ist die USA tief in den Angriff auf die Energieinfrastruktur Europas und die Untergrabung der europäischen Wirtschaft verwickelt.

Selbst wenn die Berichterstattung der etablierten Medien richtig ist und die Ukraine Nord Stream in die Luft gesprengt hat, muss die Biden-Regierung grünes Licht gegeben, die operative Planung überwacht und bei der Umsetzung sowie beim anschließenden Vertuschungsversuch geholfen haben.

Wenn andererseits Hersh recht hat – was wahrscheinlicher ist –, gab es keinen Mittelsmann. Die USA führten den Angriff allein durch. Es brauchte einen Sündenbock. Als Russland nicht mehr in Frage kam, wurde die Ukraine das Opferlamm.

Ein Jahr später erregen diese verhüllten Schlussfolgerungen aus der eigenen Berichterstattung der Medien kaum Aufsehen.

Die Establishment-Medien haben genau die erwartete Rolle gespielt: die Nivellierung öffentlicher Empörung. Ihre reglementierte Akzeptanz der anfänglichen, absurden Behauptung einer russischen Verantwortung. Die tröpfchenweise, unkritische Berichterstattung über andere, ebenso unwahrscheinliche Möglichkeiten. Ihre eifrige Weigerung, die nur allzu sichtbaren Punkte zu verbinden. Ihre fortgesetzte Gleichgültigkeit gegenüber ihrer eigenen Geschichte und was die Beteiligung der Ukraine bedeuten würde.

Die Medien haben in jeder Hinsicht versagt, wenn es darum geht, wofür es Journalismus gibt und was er tun soll. Und das liegt daran, dass die Establishment-Medien nicht dazu da sind, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Macht zur Rechenschaft zu ziehen. Letztendlich – wenn es um hohe Einsätze geht, und sie könnten nicht höher sein als beim Nord-Stream-Angriff –, sind sie dazu da, Narrative zu spinnen, die den Mächtigen dienen, denn die Medien selbst sind in diese Machtstrukturen eingebettet.

Warum stürzen sich Milliardäre darauf, Medienunternehmen zu besitzen – selbst wenn diese Verluste machen? Warum sind die Regierungen so erpicht darauf, den Milliardären die Kontrolle über das wichtigste Mittel zu überlassen, mit dem wir Informationen erhalten und miteinander kommunizieren? Weil es keine größere Macht gibt als die, Geschichten zu erzählen und unseren Verstand zu kontrollieren.

Quellen:

[1] Seymour Hersh, „How America Took Out The Nord Stream Pipeline“, am 08.02.2023, <https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream>, auf deutsch: Free21, „Wie Amerika die Nord Stream-Pipeline ausschaltete“, <https://free21.org/wie-amerika-die-nord-stream-pipeline-ausschaltete/>
[2] Mint Press News, Jonathan Cook, „WHY THE MEDIA DON’T WANT TO KNOW THE TRUTH ABOUT THE NORD STREAM BLASTS“, am 11.04.2023, <https://www.mintpressnews.com/media-investigation-ignore-truth-nord-stream/284341/>
[3] The Washington Post, Shane Harris und Isabelle Khurshudyan, „Ukrainian military officer coordinated Nord Stream pipeline attack“, am 11.11.2023, <http://archive.ph/SY5Tt>
[4] siehe [2]