Die Logik imperialer Kriege

Von Published On: 2. Juni 2018Kategorien: Allgemein

Aufgrund ihrer ökonomischen und militärischen Vormachtstellung nehmen die USA seit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere seit 1990 die Rolle eines modernen Imperiums ein. Hieraus ergibt sich für ihre Außenpolitik eine eigene, genuin imperiale Handlungslogik (siehe obige Abbildung).

 

Die zentrale Unterscheidung (Nr. 1) aus Sicht eines Imperiums ist dabei jene in Klientel- und Nicht-Klientelstaaten. Der Begriff des Klientelstaates [1] stammt aus der Zeit des Römischen Reiches und bezeichnet Staaten, die sich grundsätzlich selbst verwalten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik aber am Imperium ausrichten und ihre Regierungsnachfolge mit diesem abstimmen.

 

Bei bestehenden Klientelstaaten (linke Seite des Diagramms) geht es aus imperialer Sicht entweder um die Routine-Verwaltung (B – bspw. Schweiz und Österreich), eine militärische oder nicht-militärische (z.B. ökonomische) Unterstützung (D bis I – bspw. Kolumbien und Pakistan), oder aber um den Versuch, inakzeptable Klientelregierungen demokratisch oder militärisch zu ersetzen (A – bspw. Griechenland 1967, Chile 1973, ev. auch Deutschland 2005 und Türkei 2016). In gewissen Fällen kann sich eine Klientelregierung trotz imperialer Unterstützung nicht mehr an der Macht halten und muss fallengelassen bzw. der Klientelstaat aufgegeben werden (C, F, G – bspw. Südvietnam 1975 oder Iran 1979).

 

Bei Nicht-Klientelstaaten (rechte Seite des Diagramms) ergibt sich eine andere Ausgangslage. Gerät eine Region neu in den Einflussbereich des Imperiums, so wird es zunächst versuchen, die entsprechenden Staaten auf friedliche Weise als Klientelstaaten zu erwerben (J). Dies war beispielsweise der Fall in Osteuropa und dem Baltikum nach 1990.

 

Weigert sich ein Staat hingegen, Klientelstaat zu werden, so gerät er früher oder später zum Feindstaat, da er den Hegemonialanspruch des Imperiums allein durch seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit in Frage stellt und damit die innere und äußere Stabilität des Imperiums bedroht. Denn ein Imperium, das seinen Hegemonialanspruch nicht mehr durchsetzen kann, zerfällt. Auf diese Weise geraten die meisten Imperien in einen beinahe unvermeidlichen Expansionszwang, dem sich selbst grundsätzlich friedliche Staaten nicht entziehen können.

 

Bei Feindstaaten muss das Imperium zunächst entscheiden, ob eine militärische Aktion erfolgsversprechend ist oder nicht (Nr. 11). Falls nicht, wird das Imperium möglicherweise Verhandlungen aufnehmen und je nach Erfolgsaussicht entweder den Feindstatus beenden (K) oder aber Sanktionen verhängen bzw. einen (zivilen) Regimewechsel anstreben (L).

 

Typische Beispiele hierfür sind derzeit etwa der Iran, Nordkorea, Russland und zunehmend China. Nicht zufällig sind dies meist Staaten, die Nuklearwaffen besitzen oder anstreben, denn nur damit lässt sich die entscheidende Weiche Nr. 11 nachhaltig von militärischen auf nicht-militärische Szenarien umlegen. Wichtig ist zudem die Verfügbarkeit von essentiellen Rohstoffen wie Öl und Gas, da sich ansonsten die eigene Unabhängigkeit längerfristig nicht aufrecht erhalten lässt.

 

Beurteilt das Imperium eine militärische Aktion hingegen als erfolgsversprechend, so stellt sich als nächstes die Frage, ob der Feindstaat bzw. seine Regierung internationale Legitimität besitzt oder nicht (Nr. 13). Im ersten Fall wird das Imperium eine verdeckte feindliche Intervention vorbereiten, im zweiten Fall ist eine offene feindliche Intervention möglich. Dabei kann die autokratische Regierungsform vieler Feindstaaten genutzt werden, um ihnen die internationale Legitimität abzusprechen.

 

Zu den verdeckten feindlichen Interventionen zählen insbesondere der Staatsstreich (M – z.B. Iran 1953, Ägypten 1956) sowie die verdeckte Unterstützung von Rebellen (N – z.B. Afghanistan 1979ff) oder Exilgruppen (O – z.B. Kuba 1961ff). Es sind dies klassische Geheimdienstoperationen.

 

Bei den offenen feindlichen Interventionen wird zunächst geprüft, ob sich der Feindstaat bereits in einem Konflikt befindet, ob lokale Aufständische vorhanden sind, und ob eigene Bodentruppen erforderlich sind. Je nach Szenario kommt es in der Folge zu asymmetrischen (Luft-)Angriffen (Q – z.B. Serbien 1999), zu einer Unterstützung von Rebellen (R – z.B. Syrien 2011ff), zu einer gezielten Invasion (S – z.B. Irak 2003), oder zu einem umfassenden Krieg (P – z.B. Deutschland 1941-45, Korea 1950-51).

 

Die imperiale Handlungslogik ist grundsätzlich unabhängig von der jeweils amtierenden US-Regierung. Verschiedene Regierungen können jedoch zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen bezüglich der Erfolgsaussicht militärischer Aktionen (Nr. 11) und diplomatischer Verhandlungen (Nr. 12), der Vorteile offener versus verdeckter Operationen (Nr. 13), der Akzeptanz und Bedeutung bestehender Klientelregierungen (Nr. 2), sowie der politischen Unterstützung für militärische Eingriffe (Szenario E).

 

Aus der dargestellten Logik ergeben sich zugleich die wichtigsten geopolitischen Funktionen imperial orientierter Medien: Es sind dies insbesondere das Delegitimieren von Feindstaaten bzw. deren Regierungen (Nr. 13), das Unterstützen offener und das Ausblenden verdeckter feindlicher Operationen (Nr. 14 bis 18), das Rechtfertigen von Sanktionen und Regimewechseln (Szenario L), sowie die Mithilfe bei der imperialen Führung bzw. Absetzung von Klientelregierungen (Szenario A).

 

Aufgrund des umfangreichen Medienangebots im Internet wird die einheitliche mediale Darstellung solcher Interventionen indes zunehmend erschwert. Es ist dies eine neue Entwicklung, deren Auswirkungen auf die imperiale Politik noch nicht absehbar sind.

 

Quellen:

[1] wikipedia, Client state, <https://en.wikipedia.org/wiki/Client_state>

Literatur:

Sylvan, David & Majeski, Stephen (2009): U.S. Foreign Policy in Perspective: Clients, Enemies and Empire. Routledge, London.

Blum, William (2014): Killing Hope: US Military and CIA Interventions Since World War II – Updated Edition. ZED Books, London.

Brzezinski, Zbigniew (1998): The Grand Chessboard: American Primacy And Its Geostrategic Imperatives. Basic Books, New York.

Haass, Richard (2017): A World in Disarray: American Foreign Policy and the Crisis of the Old Order. Penguin Press, London.

Kagan, Robert (1998): The Benevolent Empire. Foreign Policy Magazine.

Kissinger, Henry (2015): World Order. Penguin Books, London.

Dieser Text wurde zuerst am 25.05.2018 auf www.swprs.org unter der URL <https://swprs.org/logik-imperialer-kriege/> veröffentlicht. (Lizenz: Swiss Propaganda Research)

Die Logik imperialer Kriege

Von Published On: 2. Juni 2018Kategorien: Allgemein

Aufgrund ihrer ökonomischen und militärischen Vormachtstellung nehmen die USA seit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere seit 1990 die Rolle eines modernen Imperiums ein. Hieraus ergibt sich für ihre Außenpolitik eine eigene, genuin imperiale Handlungslogik (siehe obige Abbildung).

 

Die zentrale Unterscheidung (Nr. 1) aus Sicht eines Imperiums ist dabei jene in Klientel- und Nicht-Klientelstaaten. Der Begriff des Klientelstaates [1] stammt aus der Zeit des Römischen Reiches und bezeichnet Staaten, die sich grundsätzlich selbst verwalten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik aber am Imperium ausrichten und ihre Regierungsnachfolge mit diesem abstimmen.

 

Bei bestehenden Klientelstaaten (linke Seite des Diagramms) geht es aus imperialer Sicht entweder um die Routine-Verwaltung (B – bspw. Schweiz und Österreich), eine militärische oder nicht-militärische (z.B. ökonomische) Unterstützung (D bis I – bspw. Kolumbien und Pakistan), oder aber um den Versuch, inakzeptable Klientelregierungen demokratisch oder militärisch zu ersetzen (A – bspw. Griechenland 1967, Chile 1973, ev. auch Deutschland 2005 und Türkei 2016). In gewissen Fällen kann sich eine Klientelregierung trotz imperialer Unterstützung nicht mehr an der Macht halten und muss fallengelassen bzw. der Klientelstaat aufgegeben werden (C, F, G – bspw. Südvietnam 1975 oder Iran 1979).

 

Bei Nicht-Klientelstaaten (rechte Seite des Diagramms) ergibt sich eine andere Ausgangslage. Gerät eine Region neu in den Einflussbereich des Imperiums, so wird es zunächst versuchen, die entsprechenden Staaten auf friedliche Weise als Klientelstaaten zu erwerben (J). Dies war beispielsweise der Fall in Osteuropa und dem Baltikum nach 1990.

 

Weigert sich ein Staat hingegen, Klientelstaat zu werden, so gerät er früher oder später zum Feindstaat, da er den Hegemonialanspruch des Imperiums allein durch seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit in Frage stellt und damit die innere und äußere Stabilität des Imperiums bedroht. Denn ein Imperium, das seinen Hegemonialanspruch nicht mehr durchsetzen kann, zerfällt. Auf diese Weise geraten die meisten Imperien in einen beinahe unvermeidlichen Expansionszwang, dem sich selbst grundsätzlich friedliche Staaten nicht entziehen können.

 

Bei Feindstaaten muss das Imperium zunächst entscheiden, ob eine militärische Aktion erfolgsversprechend ist oder nicht (Nr. 11). Falls nicht, wird das Imperium möglicherweise Verhandlungen aufnehmen und je nach Erfolgsaussicht entweder den Feindstatus beenden (K) oder aber Sanktionen verhängen bzw. einen (zivilen) Regimewechsel anstreben (L).

 

Typische Beispiele hierfür sind derzeit etwa der Iran, Nordkorea, Russland und zunehmend China. Nicht zufällig sind dies meist Staaten, die Nuklearwaffen besitzen oder anstreben, denn nur damit lässt sich die entscheidende Weiche Nr. 11 nachhaltig von militärischen auf nicht-militärische Szenarien umlegen. Wichtig ist zudem die Verfügbarkeit von essentiellen Rohstoffen wie Öl und Gas, da sich ansonsten die eigene Unabhängigkeit längerfristig nicht aufrecht erhalten lässt.

 

Beurteilt das Imperium eine militärische Aktion hingegen als erfolgsversprechend, so stellt sich als nächstes die Frage, ob der Feindstaat bzw. seine Regierung internationale Legitimität besitzt oder nicht (Nr. 13). Im ersten Fall wird das Imperium eine verdeckte feindliche Intervention vorbereiten, im zweiten Fall ist eine offene feindliche Intervention möglich. Dabei kann die autokratische Regierungsform vieler Feindstaaten genutzt werden, um ihnen die internationale Legitimität abzusprechen.

 

Zu den verdeckten feindlichen Interventionen zählen insbesondere der Staatsstreich (M – z.B. Iran 1953, Ägypten 1956) sowie die verdeckte Unterstützung von Rebellen (N – z.B. Afghanistan 1979ff) oder Exilgruppen (O – z.B. Kuba 1961ff). Es sind dies klassische Geheimdienstoperationen.

 

Bei den offenen feindlichen Interventionen wird zunächst geprüft, ob sich der Feindstaat bereits in einem Konflikt befindet, ob lokale Aufständische vorhanden sind, und ob eigene Bodentruppen erforderlich sind. Je nach Szenario kommt es in der Folge zu asymmetrischen (Luft-)Angriffen (Q – z.B. Serbien 1999), zu einer Unterstützung von Rebellen (R – z.B. Syrien 2011ff), zu einer gezielten Invasion (S – z.B. Irak 2003), oder zu einem umfassenden Krieg (P – z.B. Deutschland 1941-45, Korea 1950-51).

 

Die imperiale Handlungslogik ist grundsätzlich unabhängig von der jeweils amtierenden US-Regierung. Verschiedene Regierungen können jedoch zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen bezüglich der Erfolgsaussicht militärischer Aktionen (Nr. 11) und diplomatischer Verhandlungen (Nr. 12), der Vorteile offener versus verdeckter Operationen (Nr. 13), der Akzeptanz und Bedeutung bestehender Klientelregierungen (Nr. 2), sowie der politischen Unterstützung für militärische Eingriffe (Szenario E).

 

Aus der dargestellten Logik ergeben sich zugleich die wichtigsten geopolitischen Funktionen imperial orientierter Medien: Es sind dies insbesondere das Delegitimieren von Feindstaaten bzw. deren Regierungen (Nr. 13), das Unterstützen offener und das Ausblenden verdeckter feindlicher Operationen (Nr. 14 bis 18), das Rechtfertigen von Sanktionen und Regimewechseln (Szenario L), sowie die Mithilfe bei der imperialen Führung bzw. Absetzung von Klientelregierungen (Szenario A).

 

Aufgrund des umfangreichen Medienangebots im Internet wird die einheitliche mediale Darstellung solcher Interventionen indes zunehmend erschwert. Es ist dies eine neue Entwicklung, deren Auswirkungen auf die imperiale Politik noch nicht absehbar sind.

 

Quellen:

[1] wikipedia, Client state, <https://en.wikipedia.org/wiki/Client_state>

Literatur:

Sylvan, David & Majeski, Stephen (2009): U.S. Foreign Policy in Perspective: Clients, Enemies and Empire. Routledge, London.

Blum, William (2014): Killing Hope: US Military and CIA Interventions Since World War II – Updated Edition. ZED Books, London.

Brzezinski, Zbigniew (1998): The Grand Chessboard: American Primacy And Its Geostrategic Imperatives. Basic Books, New York.

Haass, Richard (2017): A World in Disarray: American Foreign Policy and the Crisis of the Old Order. Penguin Press, London.

Kagan, Robert (1998): The Benevolent Empire. Foreign Policy Magazine.

Kissinger, Henry (2015): World Order. Penguin Books, London.

Dieser Text wurde zuerst am 25.05.2018 auf www.swprs.org unter der URL <https://swprs.org/logik-imperialer-kriege/> veröffentlicht. (Lizenz: Swiss Propaganda Research)