Dieses Bild kombiniert drei Aufnahmen aus der Nacht vom 25. auf den 26. September: Eine P-8A Poseidon verlässt Keflavik. Sie schaltet ihren Transponder um 22:53 Uhr UTC (00:53 Uhr MESZ) aus. Sie schaltet den Transponder nördlich von Schottland ein. Um 00:03 Uhr UTC (dem Zeitpunkt der ersten Explosion) befindet sich die P-8A südwestlich von Norwegen. Genau eine Stunde nach der Explosion befindet sich das Flugzeug in der Nähe von Bornholm, Dänemark. In gelb ist das Tankflugzeug BART12 zu sehen, das die P-8A auftanken wird. Man kann den Sikorsky-Hubschrauber über der südöstlichen Ostsee schweben sehen.
Der Poseidon-Angriff auf Nordstream: Teil 2
Der 2. Teil der Recherche zu den Flugzeugbewegungen vor und nach der Nordstream-Sabotage. Es starteten auch Flugzeuge aus Deutschland.
Dieser Text wurde zuerst am 09.09.2023 auf www.olatunander.substack.com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/the-poseidon-attack-on-nord-stream-ef2> veröffentlicht. Lizenz: © Ola Tunander
Auf „FlightRadar24“ verlässt am 26. September eine amerikanische P-8A Poseidon mit „maskierter Identität“ (und ebenfalls als US-Flugzeug registriert) um 00:30 Uhr MESZ Keflavik und fliegt in Richtung Osten. Sie schaltet ihren Transponder um 00:53 Uhr MESZ aus. Dann überfliegt sie die Färöer-Inseln und schaltet ihren Transponder ein, überfliegt die Shetland-Inseln und fliegt dann, genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion um 02:03 Uhr MESZ [1], in einer Höhe von 10.000 Metern, südwestlich von Norwegen. Die P-8A überfliegt Dänemark von 02:35 Uhr bis 02:50 Uhr MESZ und fliegt über die Ostsee in Richtung der südlichen Spitze Schwedens. Dann dreht sie nach Osten in Richtung Bornholm ab. Sie fliegt nah am ersten Explosionsort vorbei, fast genau eine Stunde nach dieser Explosion. Derselbe US-amerikanische Sikorsky-Hubschrauber schwebt zu dem Zeitpunkt, an dem sich die P-8A über der Ostsee befindet, immer noch über der südöstlichen Ostsee. Der Hubschrauber hätte die Explosion mit Sicherheit registriert. Eine alternative Hypothese wäre, dass der Hubschrauber sie sogar ausgelöst hat.
Die P-8A Poseidon fliegt gegen 03:15 Uhr MESZ auf polnisches Hoheitsgebiet. Sie sinkt auf eine Höhe von 7.300 Metern, um mehr als eine Stunde lang von einem US-Tankflugzeug BART12 (KC-135R) aufgetankt zu werden, das vom US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem im Westen Deutschlands (in der Nähe von Luxemburg) startete. Die BART12 verließ den Stützpunkt (um die P-8A aufzutanken) genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion, um 02:03 Uhr MESZ, und zu dem Zeitpunkt, als sich die P-8A Südnorwegen näherte (BART12 landete um 05:45 Uhr wieder in Spangdahlem). Um ca. 04:30 Uhr MESZ wird die Poseidon aufgetankt und kreist dann wieder über der Ostsee im Gebiet östlich von Bornholm – von der Position der Detonation im Westen bis zum Hauptquartier der russischen Baltischen Flotte in Baltijsk weiter östlich. Die P-8A patrouilliert in niedriger Höhe, bis der Transponder um 05:10 Uhr MESZ abgeschaltet wird. Drei Stunden später, um 08:26 Uhr MESZ, wird der Transponder wieder eingeschaltet. Das Flugzeug operiert immer noch in niedriger Höhe über der südlichen Ostsee. Schließlich fliegt es zurück in Richtung Keflavik und überfliegt um 09:00 Uhr MESZ den ersten Explosionsort. Dann steigt es plötzlich auf 10.000 Meter und folgt der gleichen Route wie bei seiner Ankunft, überfliegt Dänemark und die Südspitze Norwegens und dann um 10:35 Uhr MESZ die Shetland-Inseln. Im Anflug auf Keflavik schaltet es seinen Transponder um 11:25 Uhr aus. Anschließend schaltet es ihn wieder ein, bevor es auf dem Luftwaffenstützpunkt der US-Marine in Keflavik landet, wo die USA ihre P-8A Poseidons betreiben. Diese Poseidon patrouillierte am frühen Morgen, nach dem verheerendsten Angriff auf zivile Infrastruktur aller Zeiten, stundenlang in dem Gebiet östlich von Bornholm. Die Entscheidung über einen ausgedehnten Einsatz in der südlichen Ostsee – bei dem ein Tankflugzeug zur Betankung der P-8A eingesetzt wurde – ging der ersten Explosion voraus, da der Befehl zur Entsendung eines Tankflugzeugs zur Betankung der P-8A bereits vor der ersten Explosion erteilt wurde. Die P-8A verließ Keflavik mit dem Auftrag, nach der bevorstehenden Explosion in dem Gebiet zu patrouillieren.
Während die erste US-Poseidon vom Luftwaffenstützpunkt der US-Marine in Sigonella die Aufgabe gehabt haben könnte, eine Sonarboje abzusetzen, die das Signal zur Auslösung der Explosion sendete, hatte die zweite US-Poseidon definitiv die Aufgabe, die Zerstörung der Pipelines zu bestätigen und den Fallout nach der Explosion zu untersuchen.
Dies war der bisher schwerste Angriff in der Ostsee in Friedenszeiten.
Um 06:00 Uhr MESZ starteten zwei Signalaufklärungsflugzeuge RC-12X Guardrail der US-Armee mit den Rufzeichen YANK01 und YANK02 vom litauischen Stützpunkt Siauliai, um im Gebiet zwischen der russischen Enklave (einschließlich des Marinehauptquartiers der Baltischen Flotte Russlands in Baltijsk) im Westen und der weißrussischen Grenze im Osten bis zu sechs Stunden lang zu patrouillieren. Um 08:00 Uhr MESZ verlässt ein großes US-Signalaufklärungsflugzeug RC-135W River Joint mit dem Rufzeichen JAKE11 seinen Stützpunkt in Großbritannien zusammen mit einem US-Tankflugzeug KC-135T. Beide Flugzeuge fliegen weiter nach Polen, wo die RC-135W von einem Tankflugzeug aufgetankt wird. Um 10:45 Uhr MESZ fliegt die RC-135W in der Nähe von Baltijsk auf die Ostsee hinaus. Um 11:15 Uhr fliegt sie über Litauen. Sie folgt der russischen Grenze über Lettland und Estland bis zum Finnischen Meerbusen und zurück nach Polen. Als sich die RC-135W auf dem Rückflug über Estland befindet, nähert sich von Norden her ein norwegischer Falcon Jet (ein Aufklärungs- und elektronisches Kampfflugzeug) mit dem Rufzeichen RAVEN77. Der „RadarBox“-Flight-Tracker zeigt, dass das Flugzeug um 11:30 Uhr MESZ in Oslo gestartet ist. Es überflog Schweden nördlich von Stockholm, flog über die Ostsee und den Finnischen Meerbusen und dann über Estland, Lettland und Litauen. Der norwegische Falcon Jet landete um 12:07 Uhr MESZ in Warschau, Polen. Er wurde jedoch aus irgendeinem Grund von „Flight-Radar24“ entfernt. Ein schwedisches Aufklärungsflugzeug SVF623 verlässt Linköping um 10:30 Uhr MESZ und patrouilliert drei Stunden lang in großer Höhe entlang der Küste zwischen der russischen Enklave (und dem Marinehauptquartier in Baltijsk) im Süden und Estland im Norden hin und her. Zwischen 13:00 Uhr und 18:30 Uhr MESZ steigt ein Aufklärungsflugzeug der US-Armee mit dem Rufzeichen YANK03 von Siauliai in Litauen aus auf, um YANK01 und YANK02 abzulösen, die am Morgen in demselben Gebiet patrouilliert hatten. Eine NATO AWACS E-3A Sentry mit dem Rufzeichen NATO06 verlässt Großbritannien Richtung Polen. Nachdem sie von einem anderen US-Tankflugzeug aufgetankt wurde, fliegt sie um 13:30 Uhr nach Litauen ein (kurz nachdem die RC-135W abgeflogen ist). Die AWACS kreist dann über Lettland, um den Luftraum über Russland zu überwachen. Zur gleichen Zeit fliegt das große britische Geheimflugzeug RRR9911 KC2 Voyager von der Ostsee her nach Lettland ein und überfliegt Lettland einige Stunden lang, bevor es nach Großbritannien zurückkehrt. Mehrere Stunden lang patrouilliert eine US-amerikanische Redeye6 E-8C (Überwachungs- und taktisches Führungsflugzeug mit Sitz in Westdeutschland) mit dem Rufzeichen REDEYE6 über dem Gebiet südlich von Baltijsk. Bis 16:15 Uhr MESZ ist die RC-135W dreieinhalb Mal um die russische Enklave Kaliningrad und Baltijsk gekreist, bevor das Flugzeug nach Großbritannien zurückkehrte. Währenddessen verlässt die AWACS Lettland und Litauen in Richtung Polen und dann Richtung Deutschland.
Um 17:45 Uhr MESZ steigt eine weitere AWACS mit dem Rufzeichen „NATO40“ vom Flugplatz Geilenkirchen in Deutschland an der Grenze zu den Niederlanden auf. Es patrouilliert im Gebiet östlich von Luxemburg in niedriger Höhe (800 Meter) und mit niedriger Geschwindigkeit (125 Knoten) (dies entspricht 231,5 km/h, Anm. d. Red.). Um 18:50 Uhr MESZ fliegt die AWACS jedoch plötzlich nach Norden in Richtung Ostsee. In weniger als zehn Minuten steigt sie auf eine Höhe von 8.000 Metern mit einer Geschwindigkeit von 480 Knoten (888,96 km/h, Anm. d. Red.). Begleitet wird sie von einem Tankflugzeug US KC-135T. Als es um 19:30 Uhr MESZ (eine halbe Stunde nach der zweiten Explosion) die Ostsee erreicht, schaltet es seinen Transponder aus. Nach der verheerendsten Explosion, die es dort je gab, überfliegt es drei Stunden lang, bis 22:40 Uhr MESZ, die Ostsee. Es muss um 18:50 Uhr, also 10-15 Minuten vor der Explosion, den Befehl erhalten haben, zur Ostsee zu fliegen. Wir müssen uns fragen, warum diese AWACS es so eilig hatte, hinauf zur Ostsee zu fliegen. Es scheint, dass jemand die bevorstehende Explosion um 19:03-19:04 Uhr MESZ vorausgeahnt hat.
Der US-Hubschrauber Seahawk (Sikorsky) schwebte weiterhin im Gebiet der südöstlichen Ostsee außerhalb von Baltijsk, bis die US P-8A das Gebiet verlassen hat. Am 27. September stieg auch eine AWACS der NATO entlang der russischen Grenze in Litauen und Lettland auf, während ein britisches RRR9912 über die Ostsee, die Insel Bornholm und zurück flog. Die US-amerikanische RC-135 flog mehrere Tage lang über Polen und Litauen, wobei sie ein oder zwei Vollkreise um Baltijsk absolvierte, aber nicht drei oder vier wie am 26. September. Im Monat vor der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines gab es eine gewisse nachrichtendienstliche Aktivität der USA und Großbritanniens rund um Baltijsk, die jedoch im Vergleich zu der massiven Aktivität am 26. September, bei der viele nachrichtendienstliche Flugzeuge in der Gegend patrouillierten, begrenzt war. Am 26. September gab es auch einige schwedische und norwegische Aktivitäten. Zwei schwedische Aufklärungsflüge SVF623 und S100D Argus (schwedisches AWACS mit dem Rufzeichen C604) überflogen am 22. und 24. September das Gebiet zwischen Bornholm und Baltijsk, während zwei schwedische Marineschiffe die beiden spezifischen Positionen der bevorstehenden Explosionen aufsuchten. Die schwedischen Schiffe hatten ihre Transponder für 22 Stunden abgeschaltet (siehe Hauptartikel [2]).
Einige abschließende Bemerkungen
Seymour Hersh behauptete, dass eine norwegische Poseidon eine Sonarboje abwarf, die das Signal zum Auslösen der Zeitzünder der Bomben, mit denen die Nord Stream-Pipelines zerstört wurden, sendete. Die Nationalität der beiden P-8A-Flugzeuge, die vom 22. bis 26. September über der Ostsee operierten, war jedoch eindeutig amerikanisch. Die erste P-8A kam vom US-Luftwaffenstützpunkt der Marine in Sigonella, Sizilien und war als US-Flugzeug registriert. Es konnte sich weder um eine norwegische P-8A (von Evenes in Nordnorwegen) noch um eine britische Poseidon von der Royal Air Force Base Lossiemouth in Nordschottland handeln. Letztere wurde auch identifiziert, allerdings nicht als P-8A, sondern als Poseidon MRA1. „FlightRadar24“ registrierte die britischen und norwegischen Flugzeuge als solche. Die zweite P-8A, die in diesen Tagen über der Ostsee operierte, war ebenfalls als US-Flugzeug registriert und kam vom US-Luftwaffenstützpunkt der Marine in Keflavik, Island, von wo aus die US-Marine ihre Poseidons betreibt, und kehrte dorthin zurück. Bei dieser P-8A handelt es sich also ebenfalls um ein US-Flugzeug. Und auch das Tankflugzeug, mit dem sie aufgetankt wurde, war eindeutig amerikanisch. Die letztgenannte P-8A traf eine Stunde nach der Explosion über Bornholm ein. Ihre Aufgabe bestand eher darin, die Explosion zu bestätigen und die Auswirkungen abzuschätzen.
Die erste P-8A hätte die Explosion leicht auslösen können, indem sie in einer der drei Nächte, die den Explosionen vorausgingen, eine Sonarboje abwarf [3]. Die Boje würde ein kodiertes Signal an die Zeitzünder senden, die die Bomben auslösten (normalerweise wird die Sonarboje mit einem kleinen Fallschirm abgeworfen; die Höhe spielt keine Rolle, siehe Bild 11). Diese P-8A überflog Bornholm viele Male. Nur ein paar Leute im Flugzeug mussten von dem Abwurf wissen. Die P-8A hatte die Kapazität, mehr als hundert Sonarbojen abzusetzen. Die Tatsache, dass die P-8A ihren Transponder in der Gegend östlich von Gotland ausgeschaltet hat, könnte uns zu dem Schluss führen, dass ihre „Hauptaufgabe“ am 22. und 25. September in diesem Gebiet lag, aber das könnte auch leicht eine Tarnung gewesen sein. Man könnte auch argumentieren, dass die Amerikaner den Seahawk-Hubschrauber, der in dem Gebiet patrouillierte, zum Absetzen der Sonarboje hätten benutzen können. Der US-Seahawk (Sikorsky MH-60R) schwebte stunden- und tagelang über der südlichen Ostsee, während die P-8A über Bornholm flog. Der Seahawk hätte sehr wahrscheinlich das Signal einer von der P-8A abgeworfenen Sonarboje auffangen können. Er wäre in der Lage gewesen, das Signal der Sonarboje zu bestätigen, das von den Zeitzündern zum Auslösen der Bomben empfangen worden wäre. Die Amerikaner wüssten dann genau, wann die erste und zweite Explosion stattfinden würde.Diese Daten haben allerdings wichtige Konsequenzen. Eine zweite Poseidon, die ein paar Stunden vor der bevorstehenden Explosion – dem zerstörerischsten Angriff auf zivile Infrastrukturen in Friedenszeiten überhaupt – in das Gebiet dieser Explosion beordert wird, deutet auf eine US-Beteiligung hin. Als diese P-8A über Polen eintrifft, um von einem Tankflugzeug aufgetankt zu werden, – was es ihr ermöglicht, stundenlang über der Ostsee zu patrouillieren – so deutet dies eindeutig auf ein Vorwissen und auf eine Verantwortlichkeit der USA hin. Das Tankflugzeug flog genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion von seiner Basis ab, um diese Aufgabe zu erfüllen. Dies kann nur durch die Notwendigkeit erklärt werden, die Zerstörung zu bestätigen und die Auswirkungen zu untersuchen (siehe Hauptartikel).
Die Planung dieser Operation muss lange vor der Zerstörung der Pipelines erfolgt sein.
Dies ist eindeutig ein Beweis für die Verantwortlichkeit der USA.
Natürlich war dies eine äußerst heikle Operation, und man könnte sich leicht vorstellen, dass die USA eine norwegische Poseidon einsetzen wollten, die ihren Transponder bereits beim Start ausschaltet und dann „unsichtbar“ in Richtung Ostsee fliegt. Wenn die USA jedoch eine „plausible Abstreitbarkeit“ und letztlich die Norweger als geheimen Beitrag zu einer US-Operation „abdrücken“ lassen wollten, dann ist es nicht logisch, dass die Amerikaner mit ihrer eigenen P-8A zweimal in jeder Nacht vor den Explosionen über der Ostsee und über Bornholm auftauchen. Das ergibt keinen Sinn. Jeder wird auf die Amerikaner zeigen. Der Grund, warum die USA eine norwegische P-8A einsetzen würden, wäre nicht, dass Norwegen näher gelegen wäre. Der einzige Grund wäre, dass die USA eine „plausible Abstreitbarkeit“ brauchten, um den Norwegern die Schuld geben zu können, falls etwas schief gehen sollte. Aber dann kann man eine US-Poseidon nicht Tage vor der Zerstörung der Pipelines über der Ostsee einsetzen. Dies würde eine norwegische Poseidon oder irgendein norwegisches Flugzeug eher ausschließen.
Zwei Fragen:
Erstens: Warum setzten die Amerikaner ihre eigenen P-8A Poseidons ein, wenn sie es normalerweise vorziehen, aus Gründen der „plausiblen Abstreitbarkeit“ fremde Flugzeuge zu verwenden? Warum haben die USA ihre eigene Poseidon auf diese sehr öffentliche Weise eingesetzt? Es wäre doch viel logischer gewesen, eine norwegische Poseidon als Tarnung zu verwenden (siehe Hauptartikel). Aber schauen wir uns die Chronologie an. Vielleicht hat jemand in Norwegen geltend gemacht, dass man nicht bereit sei für die Operation. Die drei P-8A, die Norwegen im Frühjahr 2022 von der US-Marine erhalten hatte, wiesen technische Probleme auf. Sie brauchten spezielle Schmieröle von der US Navy. Auf dem europäischen Markt gab es sie nicht zu kaufen. Das erste Training mit den norwegischen Flugzeugen konnte erst im Juni beginnen, drei Monate später als geplant. Während der Sommerferien von Ende Juni bis Anfang August gab es möglicherweise weniger Möglichkeiten für die Ausbildung. Ende August, Mitte September und eine Woche später unternahmen die Norweger einige kürzere Touren mit zwei P-8A nach Finnmark im Norden (Gebiet im äußersten Nordosten Norwegens, Anm. d. Red.), in Gebiete um Evenes sowie eine nach Mittelnorwegen und eine nach Südnorwegen. Norwegen hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Besatzung, die ihre eigenen Flugzeuge hätte fliegen können. Vielleicht wollten einige Norweger diese Tatsache nutzen, um ihre Beteiligung zu begrenzen. Eine Beteiligung an einer solchen Operation stünde im krassen Widerspruch zur traditionellen norwegischen Politik. Die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines wäre definitiv eine Kriegserklärung an Russland und an einen Verbündeten, nämlich Deutschland. Sollte Norwegen jedoch einen Rückzieher machen, müssten die USA einen „Plan B“ verfolgen und ihre eigenen P-8A Poseidons einsetzen, die sogar physisch auf die Vereinigten Staaten zeigen würden. Dies würde auch erklären, warum ein US-Herkules-Flugzeug eine Woche vor der dreitägigen US-Operation über der Ostsee (22.-25. September) sieben Stunden von Sigonella nach Andenes (Nordnorwegen) und zurück fliegen musste. Jemand von der US-Poseidon-Besatzung in Sigonella musste die sehr empfindliche Sonarboje unter Aufsicht von US-Offizieren, die mit einem US-Poseidon-Flugzeug aus Keflavik kamen, von den Norwegern abholen. Zumindest ergibt diese Erklärung einen Sinn für einige sehr seltsame amerikanische Flüge.
Die Tatsache, dass die Pipelines am Tag vor der Einweihung der norwegisch-polnischen Pipeline (der „Baltic Pipe“) zerstört wurden, muss auf die eine oder andere Weise erklärt werden. Und es ist eine Tatsache, dass man aus norwegischer Sicht keinen schlechteren Tag als diesen hätte wählen können.
Die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines am Tag vor der Einweihung der „Baltic Pipe“ war die „ultimative Beleidigung“ für Norwegen.
Die Teilnahme des norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre an der Einweihung der Baltic Pipe am 27. September wäre wie eine Feier zur Zerstörung von Norwegens größtem Gaskonkurrenten erschienen (siehe Hauptartikel). Vielleicht hatte jemand, vielleicht sogar Ministerpräsident Støre selbst, einen Rückzieher gemacht und gesagt, Norwegen sei „nicht bereit für diese Aufgabe“, weil die USA ihre P-8A zu spät übergeben hätten. Am 22. September, fünf Tage vor der Einweihungszeremonie für die norwegisch-dänisch-polnische „Baltic Pipe“ im polnischen Stettin –, nach einer fast ganztägigen Besichtigungstour mit dem amerikanischen Marineminister Carlos Del Toro auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Norfolk außerhalb von Washington und nach seinem Treffen mit dem amerikanischen Staatssekretär Anthony Blinken – sagte Støre seine Teilnahme ab. Vielleicht wurde das Datum – der Tag vor der Einweihungsfeier in Polen – tatsächlich gewählt, um Norwegen zu bestrafen.
Zweitens: Warum musste das zweite Flugzeug über Polen aufgetankt werden? Die P-8A Poseidon hat angeblich eine Reichweite von 7.200 km – ohne Auftanken zu müssen [4, 5]. Um von Island zur südlichen Ostsee und zurück zu fliegen, hätte nicht aufgetankt werden müssen. Das stundenlange Kreisen über der südlichen Ostsee in der Nacht und am frühen Morgen wäre also bereits Teil des Plans gewesen. Und das Tankflugzeug, das von seinem Stützpunkt im Westen Deutschlands aus startete – und zwar genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion – war offensichtlich damit beauftragt, die P-8A für einen längeren Einsatz aufzutanken. Dies wäre im Voraus beschlossen worden. Die P-8A verließ Keflavik fast zwei Stunden vor der ersten Explosion in Richtung Ostsee, um die Zerstörung der Pipeline zu bestätigen, den Fallout der Explosion zu untersuchen und vielleicht auch die süd-südöstliche Ostsee zu überwachen. Außerdem hätte dies der Versuch sein können, ein russisches U-Boot oder Schiff in der Nähe zu finden, das man möglicherweise für die Zerstörung verantwortlich machen könnte. Der einzige glaubwürdige Grund für die P-8A, in der Nacht und in den frühen Morgenstunden nach der verheerendsten Sabotageaktion aller Zeiten mehr als vier Stunden lang über der südlichen Ostsee zu kreisen, wäre, dass dieses Flugzeug diese Sabotage untersuchen sollte. Die P-8A patrouillierte stundenlang in geringer Höhe über dem Gebiet östlich von Bornholm unmittelbar vor der Rückkehr nach Keflavik, nachdem das Flugzeug den Explosionsort zum letzten Mal überflogen hatte. Es stieg in zehn Minuten auf 10.000 Meter und kehrte auf demselben Weg zurück, über den es gekommen war. Seine Aufgabe muss es gewesen sein, die Zerstörung zu bestätigen und das Gebiet zu untersuchen. Der Plan für den Einsatz der P-8A in der Ostsee, einschließlich des Plans, die P-8A für genau diese Aufgabe aufzutanken, wurde definitiv lange vor der ersten Explosion erstellt.
Wir können nun feststellen: Zwei amerikanische P-8A Poseidon flogen in diesen Tagen über der Ostsee (eine zwischen 22. und 25. September und eine weitere am 26. September). Während die erste Poseidon möglicherweise die Boje abwarf, die die Explosionen auslöste, war die zweite Poseidon definitiv in der Ostsee, um die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines zu bestätigen und die Folgen der Explosion zu untersuchen. Die Pläne für diesen Einsatz müssen schon lange vor der Zerstörung der Pipelines gemacht worden sein. Dies ist mit ziemlicher Sicherheit ein Beweis für die Verantwortlichkeit der USA.
Die norwegische Rolle war vielleicht weniger prominent, als Seymor Hershs Quellen ihm berichtet haben.
Quellen:
[2] Free21, Ola Tunander, „Nach dem Artikel von Seymour Hersh: Norwegen, die Poseidon und Premierminister Støre”, am 25.04.2023, <https://free21.org/norwegen-die-poseidon-und-premierminister-stoere/>
[3] Key.Aero, „BOEING P-8A: THE FREE WORLD’S MOST CAPABLE MARITIME PATROL AIRCRAFT?”, am 05.04.2023, <https://www.key.aero/article/boeing-p-8a-worlds-most-capable-maritime-patrol-aircraft>
[4] Naval Technology, „The top ten maritime patrol aircraft”, am 11.06.2019, <https://www.naval-technology.com/features/feature-the-top-10-maritime-patrol-aircraft/?cf-view>
[5] Royal Air Force, „POSEIDON MRA1 – The UK’s Poseidon Maritime Patrol Aircraft (MPA)”, <https://www.raf.mod.uk/aircraft/poseidon-mra1/>
Der Poseidon-Angriff auf Nordstream: Teil 2
Dieser Text wurde zuerst am 09.09.2023 auf www.olatunander.substack.com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/the-poseidon-attack-on-nord-stream-ef2> veröffentlicht. Lizenz: © Ola Tunander
Dieses Bild kombiniert drei Aufnahmen aus der Nacht vom 25. auf den 26. September: Eine P-8A Poseidon verlässt Keflavik. Sie schaltet ihren Transponder um 22:53 Uhr UTC (00:53 Uhr MESZ) aus. Sie schaltet den Transponder nördlich von Schottland ein. Um 00:03 Uhr UTC (dem Zeitpunkt der ersten Explosion) befindet sich die P-8A südwestlich von Norwegen. Genau eine Stunde nach der Explosion befindet sich das Flugzeug in der Nähe von Bornholm, Dänemark. In gelb ist das Tankflugzeug BART12 zu sehen, das die P-8A auftanken wird. Man kann den Sikorsky-Hubschrauber über der südöstlichen Ostsee schweben sehen.
Der 2. Teil der Recherche zu den Flugzeugbewegungen vor und nach der Nordstream-Sabotage. Es starteten auch Flugzeuge aus Deutschland.
Auf „FlightRadar24“ verlässt am 26. September eine amerikanische P-8A Poseidon mit „maskierter Identität“ (und ebenfalls als US-Flugzeug registriert) um 00:30 Uhr MESZ Keflavik und fliegt in Richtung Osten. Sie schaltet ihren Transponder um 00:53 Uhr MESZ aus. Dann überfliegt sie die Färöer-Inseln und schaltet ihren Transponder ein, überfliegt die Shetland-Inseln und fliegt dann, genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion um 02:03 Uhr MESZ [1], in einer Höhe von 10.000 Metern, südwestlich von Norwegen. Die P-8A überfliegt Dänemark von 02:35 Uhr bis 02:50 Uhr MESZ und fliegt über die Ostsee in Richtung der südlichen Spitze Schwedens. Dann dreht sie nach Osten in Richtung Bornholm ab. Sie fliegt nah am ersten Explosionsort vorbei, fast genau eine Stunde nach dieser Explosion. Derselbe US-amerikanische Sikorsky-Hubschrauber schwebt zu dem Zeitpunkt, an dem sich die P-8A über der Ostsee befindet, immer noch über der südöstlichen Ostsee. Der Hubschrauber hätte die Explosion mit Sicherheit registriert. Eine alternative Hypothese wäre, dass der Hubschrauber sie sogar ausgelöst hat.
Die P-8A Poseidon fliegt gegen 03:15 Uhr MESZ auf polnisches Hoheitsgebiet. Sie sinkt auf eine Höhe von 7.300 Metern, um mehr als eine Stunde lang von einem US-Tankflugzeug BART12 (KC-135R) aufgetankt zu werden, das vom US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem im Westen Deutschlands (in der Nähe von Luxemburg) startete. Die BART12 verließ den Stützpunkt (um die P-8A aufzutanken) genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion, um 02:03 Uhr MESZ, und zu dem Zeitpunkt, als sich die P-8A Südnorwegen näherte (BART12 landete um 05:45 Uhr wieder in Spangdahlem). Um ca. 04:30 Uhr MESZ wird die Poseidon aufgetankt und kreist dann wieder über der Ostsee im Gebiet östlich von Bornholm – von der Position der Detonation im Westen bis zum Hauptquartier der russischen Baltischen Flotte in Baltijsk weiter östlich. Die P-8A patrouilliert in niedriger Höhe, bis der Transponder um 05:10 Uhr MESZ abgeschaltet wird. Drei Stunden später, um 08:26 Uhr MESZ, wird der Transponder wieder eingeschaltet. Das Flugzeug operiert immer noch in niedriger Höhe über der südlichen Ostsee. Schließlich fliegt es zurück in Richtung Keflavik und überfliegt um 09:00 Uhr MESZ den ersten Explosionsort. Dann steigt es plötzlich auf 10.000 Meter und folgt der gleichen Route wie bei seiner Ankunft, überfliegt Dänemark und die Südspitze Norwegens und dann um 10:35 Uhr MESZ die Shetland-Inseln. Im Anflug auf Keflavik schaltet es seinen Transponder um 11:25 Uhr aus. Anschließend schaltet es ihn wieder ein, bevor es auf dem Luftwaffenstützpunkt der US-Marine in Keflavik landet, wo die USA ihre P-8A Poseidons betreiben. Diese Poseidon patrouillierte am frühen Morgen, nach dem verheerendsten Angriff auf zivile Infrastruktur aller Zeiten, stundenlang in dem Gebiet östlich von Bornholm. Die Entscheidung über einen ausgedehnten Einsatz in der südlichen Ostsee – bei dem ein Tankflugzeug zur Betankung der P-8A eingesetzt wurde – ging der ersten Explosion voraus, da der Befehl zur Entsendung eines Tankflugzeugs zur Betankung der P-8A bereits vor der ersten Explosion erteilt wurde. Die P-8A verließ Keflavik mit dem Auftrag, nach der bevorstehenden Explosion in dem Gebiet zu patrouillieren.
Während die erste US-Poseidon vom Luftwaffenstützpunkt der US-Marine in Sigonella die Aufgabe gehabt haben könnte, eine Sonarboje abzusetzen, die das Signal zur Auslösung der Explosion sendete, hatte die zweite US-Poseidon definitiv die Aufgabe, die Zerstörung der Pipelines zu bestätigen und den Fallout nach der Explosion zu untersuchen.
Dies war der bisher schwerste Angriff in der Ostsee in Friedenszeiten.
Um 06:00 Uhr MESZ starteten zwei Signalaufklärungsflugzeuge RC-12X Guardrail der US-Armee mit den Rufzeichen YANK01 und YANK02 vom litauischen Stützpunkt Siauliai, um im Gebiet zwischen der russischen Enklave (einschließlich des Marinehauptquartiers der Baltischen Flotte Russlands in Baltijsk) im Westen und der weißrussischen Grenze im Osten bis zu sechs Stunden lang zu patrouillieren. Um 08:00 Uhr MESZ verlässt ein großes US-Signalaufklärungsflugzeug RC-135W River Joint mit dem Rufzeichen JAKE11 seinen Stützpunkt in Großbritannien zusammen mit einem US-Tankflugzeug KC-135T. Beide Flugzeuge fliegen weiter nach Polen, wo die RC-135W von einem Tankflugzeug aufgetankt wird. Um 10:45 Uhr MESZ fliegt die RC-135W in der Nähe von Baltijsk auf die Ostsee hinaus. Um 11:15 Uhr fliegt sie über Litauen. Sie folgt der russischen Grenze über Lettland und Estland bis zum Finnischen Meerbusen und zurück nach Polen. Als sich die RC-135W auf dem Rückflug über Estland befindet, nähert sich von Norden her ein norwegischer Falcon Jet (ein Aufklärungs- und elektronisches Kampfflugzeug) mit dem Rufzeichen RAVEN77. Der „RadarBox“-Flight-Tracker zeigt, dass das Flugzeug um 11:30 Uhr MESZ in Oslo gestartet ist. Es überflog Schweden nördlich von Stockholm, flog über die Ostsee und den Finnischen Meerbusen und dann über Estland, Lettland und Litauen. Der norwegische Falcon Jet landete um 12:07 Uhr MESZ in Warschau, Polen. Er wurde jedoch aus irgendeinem Grund von „Flight-Radar24“ entfernt. Ein schwedisches Aufklärungsflugzeug SVF623 verlässt Linköping um 10:30 Uhr MESZ und patrouilliert drei Stunden lang in großer Höhe entlang der Küste zwischen der russischen Enklave (und dem Marinehauptquartier in Baltijsk) im Süden und Estland im Norden hin und her. Zwischen 13:00 Uhr und 18:30 Uhr MESZ steigt ein Aufklärungsflugzeug der US-Armee mit dem Rufzeichen YANK03 von Siauliai in Litauen aus auf, um YANK01 und YANK02 abzulösen, die am Morgen in demselben Gebiet patrouilliert hatten. Eine NATO AWACS E-3A Sentry mit dem Rufzeichen NATO06 verlässt Großbritannien Richtung Polen. Nachdem sie von einem anderen US-Tankflugzeug aufgetankt wurde, fliegt sie um 13:30 Uhr nach Litauen ein (kurz nachdem die RC-135W abgeflogen ist). Die AWACS kreist dann über Lettland, um den Luftraum über Russland zu überwachen. Zur gleichen Zeit fliegt das große britische Geheimflugzeug RRR9911 KC2 Voyager von der Ostsee her nach Lettland ein und überfliegt Lettland einige Stunden lang, bevor es nach Großbritannien zurückkehrt. Mehrere Stunden lang patrouilliert eine US-amerikanische Redeye6 E-8C (Überwachungs- und taktisches Führungsflugzeug mit Sitz in Westdeutschland) mit dem Rufzeichen REDEYE6 über dem Gebiet südlich von Baltijsk. Bis 16:15 Uhr MESZ ist die RC-135W dreieinhalb Mal um die russische Enklave Kaliningrad und Baltijsk gekreist, bevor das Flugzeug nach Großbritannien zurückkehrte. Währenddessen verlässt die AWACS Lettland und Litauen in Richtung Polen und dann Richtung Deutschland.
Um 17:45 Uhr MESZ steigt eine weitere AWACS mit dem Rufzeichen „NATO40“ vom Flugplatz Geilenkirchen in Deutschland an der Grenze zu den Niederlanden auf. Es patrouilliert im Gebiet östlich von Luxemburg in niedriger Höhe (800 Meter) und mit niedriger Geschwindigkeit (125 Knoten) (dies entspricht 231,5 km/h, Anm. d. Red.). Um 18:50 Uhr MESZ fliegt die AWACS jedoch plötzlich nach Norden in Richtung Ostsee. In weniger als zehn Minuten steigt sie auf eine Höhe von 8.000 Metern mit einer Geschwindigkeit von 480 Knoten (888,96 km/h, Anm. d. Red.). Begleitet wird sie von einem Tankflugzeug US KC-135T. Als es um 19:30 Uhr MESZ (eine halbe Stunde nach der zweiten Explosion) die Ostsee erreicht, schaltet es seinen Transponder aus. Nach der verheerendsten Explosion, die es dort je gab, überfliegt es drei Stunden lang, bis 22:40 Uhr MESZ, die Ostsee. Es muss um 18:50 Uhr, also 10-15 Minuten vor der Explosion, den Befehl erhalten haben, zur Ostsee zu fliegen. Wir müssen uns fragen, warum diese AWACS es so eilig hatte, hinauf zur Ostsee zu fliegen. Es scheint, dass jemand die bevorstehende Explosion um 19:03-19:04 Uhr MESZ vorausgeahnt hat.
Der US-Hubschrauber Seahawk (Sikorsky) schwebte weiterhin im Gebiet der südöstlichen Ostsee außerhalb von Baltijsk, bis die US P-8A das Gebiet verlassen hat. Am 27. September stieg auch eine AWACS der NATO entlang der russischen Grenze in Litauen und Lettland auf, während ein britisches RRR9912 über die Ostsee, die Insel Bornholm und zurück flog. Die US-amerikanische RC-135 flog mehrere Tage lang über Polen und Litauen, wobei sie ein oder zwei Vollkreise um Baltijsk absolvierte, aber nicht drei oder vier wie am 26. September. Im Monat vor der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines gab es eine gewisse nachrichtendienstliche Aktivität der USA und Großbritanniens rund um Baltijsk, die jedoch im Vergleich zu der massiven Aktivität am 26. September, bei der viele nachrichtendienstliche Flugzeuge in der Gegend patrouillierten, begrenzt war. Am 26. September gab es auch einige schwedische und norwegische Aktivitäten. Zwei schwedische Aufklärungsflüge SVF623 und S100D Argus (schwedisches AWACS mit dem Rufzeichen C604) überflogen am 22. und 24. September das Gebiet zwischen Bornholm und Baltijsk, während zwei schwedische Marineschiffe die beiden spezifischen Positionen der bevorstehenden Explosionen aufsuchten. Die schwedischen Schiffe hatten ihre Transponder für 22 Stunden abgeschaltet (siehe Hauptartikel [2]).
Einige abschließende Bemerkungen
Seymour Hersh behauptete, dass eine norwegische Poseidon eine Sonarboje abwarf, die das Signal zum Auslösen der Zeitzünder der Bomben, mit denen die Nord Stream-Pipelines zerstört wurden, sendete. Die Nationalität der beiden P-8A-Flugzeuge, die vom 22. bis 26. September über der Ostsee operierten, war jedoch eindeutig amerikanisch. Die erste P-8A kam vom US-Luftwaffenstützpunkt der Marine in Sigonella, Sizilien und war als US-Flugzeug registriert. Es konnte sich weder um eine norwegische P-8A (von Evenes in Nordnorwegen) noch um eine britische Poseidon von der Royal Air Force Base Lossiemouth in Nordschottland handeln. Letztere wurde auch identifiziert, allerdings nicht als P-8A, sondern als Poseidon MRA1. „FlightRadar24“ registrierte die britischen und norwegischen Flugzeuge als solche. Die zweite P-8A, die in diesen Tagen über der Ostsee operierte, war ebenfalls als US-Flugzeug registriert und kam vom US-Luftwaffenstützpunkt der Marine in Keflavik, Island, von wo aus die US-Marine ihre Poseidons betreibt, und kehrte dorthin zurück. Bei dieser P-8A handelt es sich also ebenfalls um ein US-Flugzeug. Und auch das Tankflugzeug, mit dem sie aufgetankt wurde, war eindeutig amerikanisch. Die letztgenannte P-8A traf eine Stunde nach der Explosion über Bornholm ein. Ihre Aufgabe bestand eher darin, die Explosion zu bestätigen und die Auswirkungen abzuschätzen.
Die erste P-8A hätte die Explosion leicht auslösen können, indem sie in einer der drei Nächte, die den Explosionen vorausgingen, eine Sonarboje abwarf [3]. Die Boje würde ein kodiertes Signal an die Zeitzünder senden, die die Bomben auslösten (normalerweise wird die Sonarboje mit einem kleinen Fallschirm abgeworfen; die Höhe spielt keine Rolle, siehe Bild 11). Diese P-8A überflog Bornholm viele Male. Nur ein paar Leute im Flugzeug mussten von dem Abwurf wissen. Die P-8A hatte die Kapazität, mehr als hundert Sonarbojen abzusetzen. Die Tatsache, dass die P-8A ihren Transponder in der Gegend östlich von Gotland ausgeschaltet hat, könnte uns zu dem Schluss führen, dass ihre „Hauptaufgabe“ am 22. und 25. September in diesem Gebiet lag, aber das könnte auch leicht eine Tarnung gewesen sein. Man könnte auch argumentieren, dass die Amerikaner den Seahawk-Hubschrauber, der in dem Gebiet patrouillierte, zum Absetzen der Sonarboje hätten benutzen können. Der US-Seahawk (Sikorsky MH-60R) schwebte stunden- und tagelang über der südlichen Ostsee, während die P-8A über Bornholm flog. Der Seahawk hätte sehr wahrscheinlich das Signal einer von der P-8A abgeworfenen Sonarboje auffangen können. Er wäre in der Lage gewesen, das Signal der Sonarboje zu bestätigen, das von den Zeitzündern zum Auslösen der Bomben empfangen worden wäre. Die Amerikaner wüssten dann genau, wann die erste und zweite Explosion stattfinden würde.Diese Daten haben allerdings wichtige Konsequenzen. Eine zweite Poseidon, die ein paar Stunden vor der bevorstehenden Explosion – dem zerstörerischsten Angriff auf zivile Infrastrukturen in Friedenszeiten überhaupt – in das Gebiet dieser Explosion beordert wird, deutet auf eine US-Beteiligung hin. Als diese P-8A über Polen eintrifft, um von einem Tankflugzeug aufgetankt zu werden, – was es ihr ermöglicht, stundenlang über der Ostsee zu patrouillieren – so deutet dies eindeutig auf ein Vorwissen und auf eine Verantwortlichkeit der USA hin. Das Tankflugzeug flog genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion von seiner Basis ab, um diese Aufgabe zu erfüllen. Dies kann nur durch die Notwendigkeit erklärt werden, die Zerstörung zu bestätigen und die Auswirkungen zu untersuchen (siehe Hauptartikel).
Die Planung dieser Operation muss lange vor der Zerstörung der Pipelines erfolgt sein.
Dies ist eindeutig ein Beweis für die Verantwortlichkeit der USA.
Natürlich war dies eine äußerst heikle Operation, und man könnte sich leicht vorstellen, dass die USA eine norwegische Poseidon einsetzen wollten, die ihren Transponder bereits beim Start ausschaltet und dann „unsichtbar“ in Richtung Ostsee fliegt. Wenn die USA jedoch eine „plausible Abstreitbarkeit“ und letztlich die Norweger als geheimen Beitrag zu einer US-Operation „abdrücken“ lassen wollten, dann ist es nicht logisch, dass die Amerikaner mit ihrer eigenen P-8A zweimal in jeder Nacht vor den Explosionen über der Ostsee und über Bornholm auftauchen. Das ergibt keinen Sinn. Jeder wird auf die Amerikaner zeigen. Der Grund, warum die USA eine norwegische P-8A einsetzen würden, wäre nicht, dass Norwegen näher gelegen wäre. Der einzige Grund wäre, dass die USA eine „plausible Abstreitbarkeit“ brauchten, um den Norwegern die Schuld geben zu können, falls etwas schief gehen sollte. Aber dann kann man eine US-Poseidon nicht Tage vor der Zerstörung der Pipelines über der Ostsee einsetzen. Dies würde eine norwegische Poseidon oder irgendein norwegisches Flugzeug eher ausschließen.
Zwei Fragen:
Erstens: Warum setzten die Amerikaner ihre eigenen P-8A Poseidons ein, wenn sie es normalerweise vorziehen, aus Gründen der „plausiblen Abstreitbarkeit“ fremde Flugzeuge zu verwenden? Warum haben die USA ihre eigene Poseidon auf diese sehr öffentliche Weise eingesetzt? Es wäre doch viel logischer gewesen, eine norwegische Poseidon als Tarnung zu verwenden (siehe Hauptartikel). Aber schauen wir uns die Chronologie an. Vielleicht hat jemand in Norwegen geltend gemacht, dass man nicht bereit sei für die Operation. Die drei P-8A, die Norwegen im Frühjahr 2022 von der US-Marine erhalten hatte, wiesen technische Probleme auf. Sie brauchten spezielle Schmieröle von der US Navy. Auf dem europäischen Markt gab es sie nicht zu kaufen. Das erste Training mit den norwegischen Flugzeugen konnte erst im Juni beginnen, drei Monate später als geplant. Während der Sommerferien von Ende Juni bis Anfang August gab es möglicherweise weniger Möglichkeiten für die Ausbildung. Ende August, Mitte September und eine Woche später unternahmen die Norweger einige kürzere Touren mit zwei P-8A nach Finnmark im Norden (Gebiet im äußersten Nordosten Norwegens, Anm. d. Red.), in Gebiete um Evenes sowie eine nach Mittelnorwegen und eine nach Südnorwegen. Norwegen hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Besatzung, die ihre eigenen Flugzeuge hätte fliegen können. Vielleicht wollten einige Norweger diese Tatsache nutzen, um ihre Beteiligung zu begrenzen. Eine Beteiligung an einer solchen Operation stünde im krassen Widerspruch zur traditionellen norwegischen Politik. Die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines wäre definitiv eine Kriegserklärung an Russland und an einen Verbündeten, nämlich Deutschland. Sollte Norwegen jedoch einen Rückzieher machen, müssten die USA einen „Plan B“ verfolgen und ihre eigenen P-8A Poseidons einsetzen, die sogar physisch auf die Vereinigten Staaten zeigen würden. Dies würde auch erklären, warum ein US-Herkules-Flugzeug eine Woche vor der dreitägigen US-Operation über der Ostsee (22.-25. September) sieben Stunden von Sigonella nach Andenes (Nordnorwegen) und zurück fliegen musste. Jemand von der US-Poseidon-Besatzung in Sigonella musste die sehr empfindliche Sonarboje unter Aufsicht von US-Offizieren, die mit einem US-Poseidon-Flugzeug aus Keflavik kamen, von den Norwegern abholen. Zumindest ergibt diese Erklärung einen Sinn für einige sehr seltsame amerikanische Flüge.
Die Tatsache, dass die Pipelines am Tag vor der Einweihung der norwegisch-polnischen Pipeline (der „Baltic Pipe“) zerstört wurden, muss auf die eine oder andere Weise erklärt werden. Und es ist eine Tatsache, dass man aus norwegischer Sicht keinen schlechteren Tag als diesen hätte wählen können.
Die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines am Tag vor der Einweihung der „Baltic Pipe“ war die „ultimative Beleidigung“ für Norwegen.
Die Teilnahme des norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre an der Einweihung der Baltic Pipe am 27. September wäre wie eine Feier zur Zerstörung von Norwegens größtem Gaskonkurrenten erschienen (siehe Hauptartikel). Vielleicht hatte jemand, vielleicht sogar Ministerpräsident Støre selbst, einen Rückzieher gemacht und gesagt, Norwegen sei „nicht bereit für diese Aufgabe“, weil die USA ihre P-8A zu spät übergeben hätten. Am 22. September, fünf Tage vor der Einweihungszeremonie für die norwegisch-dänisch-polnische „Baltic Pipe“ im polnischen Stettin –, nach einer fast ganztägigen Besichtigungstour mit dem amerikanischen Marineminister Carlos Del Toro auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Norfolk außerhalb von Washington und nach seinem Treffen mit dem amerikanischen Staatssekretär Anthony Blinken – sagte Støre seine Teilnahme ab. Vielleicht wurde das Datum – der Tag vor der Einweihungsfeier in Polen – tatsächlich gewählt, um Norwegen zu bestrafen.
Zweitens: Warum musste das zweite Flugzeug über Polen aufgetankt werden? Die P-8A Poseidon hat angeblich eine Reichweite von 7.200 km – ohne Auftanken zu müssen [4, 5]. Um von Island zur südlichen Ostsee und zurück zu fliegen, hätte nicht aufgetankt werden müssen. Das stundenlange Kreisen über der südlichen Ostsee in der Nacht und am frühen Morgen wäre also bereits Teil des Plans gewesen. Und das Tankflugzeug, das von seinem Stützpunkt im Westen Deutschlands aus startete – und zwar genau zum Zeitpunkt der ersten Explosion – war offensichtlich damit beauftragt, die P-8A für einen längeren Einsatz aufzutanken. Dies wäre im Voraus beschlossen worden. Die P-8A verließ Keflavik fast zwei Stunden vor der ersten Explosion in Richtung Ostsee, um die Zerstörung der Pipeline zu bestätigen, den Fallout der Explosion zu untersuchen und vielleicht auch die süd-südöstliche Ostsee zu überwachen. Außerdem hätte dies der Versuch sein können, ein russisches U-Boot oder Schiff in der Nähe zu finden, das man möglicherweise für die Zerstörung verantwortlich machen könnte. Der einzige glaubwürdige Grund für die P-8A, in der Nacht und in den frühen Morgenstunden nach der verheerendsten Sabotageaktion aller Zeiten mehr als vier Stunden lang über der südlichen Ostsee zu kreisen, wäre, dass dieses Flugzeug diese Sabotage untersuchen sollte. Die P-8A patrouillierte stundenlang in geringer Höhe über dem Gebiet östlich von Bornholm unmittelbar vor der Rückkehr nach Keflavik, nachdem das Flugzeug den Explosionsort zum letzten Mal überflogen hatte. Es stieg in zehn Minuten auf 10.000 Meter und kehrte auf demselben Weg zurück, über den es gekommen war. Seine Aufgabe muss es gewesen sein, die Zerstörung zu bestätigen und das Gebiet zu untersuchen. Der Plan für den Einsatz der P-8A in der Ostsee, einschließlich des Plans, die P-8A für genau diese Aufgabe aufzutanken, wurde definitiv lange vor der ersten Explosion erstellt.
Wir können nun feststellen: Zwei amerikanische P-8A Poseidon flogen in diesen Tagen über der Ostsee (eine zwischen 22. und 25. September und eine weitere am 26. September). Während die erste Poseidon möglicherweise die Boje abwarf, die die Explosionen auslöste, war die zweite Poseidon definitiv in der Ostsee, um die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines zu bestätigen und die Folgen der Explosion zu untersuchen. Die Pläne für diesen Einsatz müssen schon lange vor der Zerstörung der Pipelines gemacht worden sein. Dies ist mit ziemlicher Sicherheit ein Beweis für die Verantwortlichkeit der USA.
Die norwegische Rolle war vielleicht weniger prominent, als Seymor Hershs Quellen ihm berichtet haben.
Quellen:
[2] Free21, Ola Tunander, „Nach dem Artikel von Seymour Hersh: Norwegen, die Poseidon und Premierminister Støre”, am 25.04.2023, <https://free21.org/norwegen-die-poseidon-und-premierminister-stoere/>
[3] Key.Aero, „BOEING P-8A: THE FREE WORLD’S MOST CAPABLE MARITIME PATROL AIRCRAFT?”, am 05.04.2023, <https://www.key.aero/article/boeing-p-8a-worlds-most-capable-maritime-patrol-aircraft>
[4] Naval Technology, „The top ten maritime patrol aircraft”, am 11.06.2019, <https://www.naval-technology.com/features/feature-the-top-10-maritime-patrol-aircraft/?cf-view>
[5] Royal Air Force, „POSEIDON MRA1 – The UK’s Poseidon Maritime Patrol Aircraft (MPA)”, <https://www.raf.mod.uk/aircraft/poseidon-mra1/>