Der Dollar frisst den Euro

Inzwischen ist klar: Die heutige Eskalation des neuen Kalten Krieges wurde schon vor über einem Jahr geplant. Amerikas Plan, Nord Stream 2 zu blockieren, war in Wirklichkeit Teil seiner Strategie, Westeuropa („NATO“) daran zu hindern, durch gemeinsamen Handel und Investitionen mit China und Russland Wohlstand zu erlangen.

Von Published On: 16. Mai 2022Kategorien: Wirtschaft & Geld

Dieser Text wurde zuerst am 07.04.2022 auf www.michael-hudson.com unter der URL <https://michael-hudson.com/2022/04/the-dollar-devours-the-euro/> veröffentlicht. Lizenz: Michael Hudson, CC BY-NC-SA 3.0

Symbolbild. USA und China prallen aufeinander. Gemeinfrei.

Wie Präsident Biden und die nationalen Sicherheitsberichte der USA verkündeten, wird China als der Hauptfeind betrachtet. Und das, obwohl China für amerikanische Konzerne sehr nützlich war, um die Löhne ihrer Arbeiter zu drücken, indem sie die US-Wirtschaft deindustrialisierten zugunsten einer chinesischen Industrialisierung. Chinas Wachstum wurde hingegen als das ultimative Schreckgespenst erkannt: Wohlstand durch Sozialismus. Die sozialistische Industrialisierung wurde immer als der große Feind der Rentier-Ökonomie [1] angesehen, die im Jahrhundert seit Ende des Ersten Weltkriegs und insbesondere seit den 1980er Jahren von den meisten Nationen übernommen wurde. Als Ergebnis sehen wir heute ein Aufeinanderprallen der Wirtschaftssysteme: sozialistische Industrialisierung versus neoliberaler Finanzkapitalismus.

Das macht den neuen Kalten Krieg gegen China implizit zum Auftakt dessen, was zu einem langwierigen Dritten Weltkrieg führen könnte. Die Strategie der USA besteht darin, China seine wahrscheinlichsten wirtschaftlichen Verbündeten – insbesondere Russland, Zentralasien sowie Süd- und Ostasien – zu entreißen. Die Frage war nur, wo man mit der Zerstückelung und Isolierung beginnen sollte.

Die größte Chance sah man demzufolge darin, mit der Isolierung Russland zu beginnen, sowohl von China als auch von der NATO-Eurozone. Es wurde eine Reihe von immer schärferen – und, so die Hoffnung, tödlichen – Sanktionen gegen Russland ausgearbeitet, um den Handel der NATO mit Russland zu blockieren. Alles, was noch fehlte, um das geopolitische Erdbeben auszulösen, war ein Casus Belli.

Dieser ließ sich ziemlich einfach arrangieren. Der eskalierende neue Kalte Krieg hätte im Nahen Osten beginnen können – wegen des Widerstands gegen Amerikas Aneignung irakischer Ölfelder, oder gegen den Iran und diejenigen Länder, die ihm dabei helfen, wirtschaftlich zu überleben, oder in Ostafrika. Für alle diese Regionen wurden Pläne für Putsche, farbige Revolutionen und Regimechanges ausgearbeitet. Dazu wurde Amerikas afrikanische Armee in den letzten ein bis zwei Jahren besonders schnell aufgebaut. Aber die Ukraine, die seit dem Maidan-Putsch von 2014 acht Jahre lang einem von den USA angeheizten Bürgerkrieg ausgesetzt war, bot die Chance auf den ersten großen Sieg in der Konfrontation mit China, Russland und ihren Verbündeten.

So wurden die russischsprachigen Regionen Donezk und Lugansk mit zunehmender Heftigkeit beschossen. Und als Russland immer noch nicht reagierte, schmiedete man – Berichten zufolge – Pläne für den großen Showdown. Ende Februar sollte er beginnen, ausgehend von einem durch US-Berater organisierten und von der NATO bewaffneten Blitzangriff durch die Westukraine.

Russlands präventive Verteidigung der beiden ostukrainischen Provinzen und die anschließende militärische Zerstörung von ukrainischer Armee, Marine und Luftwaffe in den letzten zwei Monaten durch Russland wurde als Vorwand für die Verhängung des von den USA konzipierten Sanktionsprogramms genutzt, wie es sich uns heute darstellt. Pflichtbewusst hat Westeuropa mitgemacht. Anstatt russisches Gas, Öl und Nahrungsmittel zu kaufen, wird es diese von den Vereinigten Staaten beziehen – zusammen mit stark erhöhten Waffenimporten.

Der abzusehende Fall des Euro-/Dollar-Kurses

Untersuchen wir deshalb, wie sich dies auf die Zahlungsbilanz Westeuropas und damit auf den Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar auswirken wird.

Der europäische Handel und die Investitionen vor dem Sanktionskrieg versprachen einen steigenden beiderseitigen Wohlstand zwischen Deutschland, Frankreich und anderen NATO-Ländern gegenüber Russland und China. Russland lieferte reichlich Energie zu einem wettbewerbsfähigen Preis, und Nord Stream 2 sollte hier einen weiteren Quantensprung bringen.

Die Devisen für diesen steigenden Importhandel von Energie sollte Europa durch die Kombination aus Industrie-Exporten nach Russland und Kapitalinvestitionen in die Entwicklung der russischen Wirtschaft verdienen, z. B. durch Investitionen deutscher Automobilunternehmen und Finanzinvestitionen. Dieser bilaterale Handel und die Investitionen sind nun gestoppt – und werden noch viele, viele Jahre gestoppt bleiben. Die NATO hat Russlands Devisenreserven, die in Euro und britischen Pfund gehalten werden, beschlagnahmt. Und die Russophobie in Europa wird durch US-Propagandamedien angefacht.

Stattdessen werden die NATO-Länder US-amerikanisches Flüssiggas kaufen – aber zunächst müssen sie erstmal Milliarden von Dollar für den Aufbau ausreichender Hafenkapazitäten ausgeben, was vielleicht bis 2024 dauern kann (viel Glück bis dahin).

Die Energieknappheit wird die Weltmarktpreise für Gas und Öl drastisch ansteigen lassen. Ebenso werden die NATO-Länder ihre Waffenkäufe beim militärisch-industriellen Komplex der USA verstärken. Ihre geradezu panischen Käufe werden den Preis für Waffen in die Höhe treiben. Genauso werden auch die Lebensmittelpreise steigen, da ein dramatischer Mangel an Getreide zu erwarten ist: einerseits durch den Wegfall der Importe aus Russland und der Ukraine, andererseits aus Mangel an Ammoniakdünger, der aus Gas hergestellt wird.

All diese drei Entwicklungen werden den Dollar gegenüber dem Euro stärken. Die Frage ist, wie Europa seine internationalen Zahlungen mit den Vereinigten Staaten ausgleichen wird. Was hat es zu exportieren, das die US-Wirtschaft akzeptiert, während deren eigener protektionistischer Einfluss wächst – jetzt, da der globale Freihandel rasant stirbt?

Die Antwort lautet: nicht viel. Was wird Europa also tun?

Ich könnte einen bescheidenen Vorschlag machen. Jetzt, da Europa immer weniger ein politisch unabhängiger Staat ist, sieht es zunehmend mehr wie Panama und Liberia aus – Offshore-Bankenzentren unter „Billigflaggen“, die keine echten „Staaten“ sind, weil sie keine eigene Währung ausgeben, sondern den US-Dollar verwenden. Da der Eurozone monetäre Handschellen angelegt wurden, die ihre Fähigkeit zur Geldschöpfung auf 3 Prozent des BIP beschränken – warum nicht einfach finanztechnisch das Handtuch werfen und den US-Dollar einführen? So wie Ecuador, Somalia oder die Turks- und Caicosinseln?

Ausländischen Investoren würde das Sicherheit bringen gegen eine Währungsabwertung in ihrem zunehmenden Handel mit Europa und dessen Exportfinanzierung.

Die Alternative für Europa besteht darin, dass die Dollar-Kosten seiner Auslandsschulden, die es zur Finanzierung seines wachsenden Handelsdefizits mit den Vereinigten Staaten für Öl, Waffen und Lebensmittel aufgenommen hat, explodieren werden.

Die Kosten in Euro werden sogar noch höher sein, da die Währung gegenüber dem Dollar fällt. Die Zinssätze werden steigen, was die Investitionen bremst und Europa noch abhängiger von Importen macht. Die Eurozone wird wirtschaftlich zu einer toten Zone.

Für die Vereinigten Staaten ist dies eine Dollar-Hegemonie auf Pump – zumindest gegenüber Europa. Der Kontinent würde zu einer etwas größeren Version von Puerto Rico werden.

Der Dollar im Vergleich zu den Währungen des Globalen Südens

Die letzte Konsequenz ist ein neuer Kalter Krieg, der sich – ausgelöst durch den „Ukraine-Krieg“ – in die Eröffnungssalve des Dritten Weltkriegs verwandelt. Und er wird wahrscheinlich mindestens ein Jahrzehnt, vielleicht zwei, dauern, da die USA den Kampf zwischen Neoliberalismus und Sozialismus zu einem weltweiten Konflikt ausweiten. Abgesehen von der wirtschaftlichen Eroberung Europas durch die USA versuchen ihre Strategen gleichzeitig, afrikanische, südamerikanische und asiatische Länder auf ähnliche Weise zu vereinnahmen, wie sie es für Europa geplant haben.

Der starke Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise wird die Volkswirtschaften mit Nahrungsmittel- und Ölknappheit hart treffen – zur gleichen Zeit, in der ihre auf Dollar lautenden Auslandsschulden bei Anleihegläubigern und Banken fällig werden und der Dollarkurs gegenüber ihrer eigenen Währung steigt. Viele afrikanische und lateinamerikanische Länder – vor allem in Nordafrika – stehen vor der Wahl, entweder zu hungern, ihren Benzin- und Stromverbrauch zu drosseln oder sich die Dollars zu leihen, um ihre Abhängigkeit vom US-geprägten Handel zu decken.

Es ist die Rede davon, dass der IWF neue Sonderziehungsrechte ausgibt, um die steigenden Handels- und Zahlungsdefizite zu finanzieren. Aber solche Kredite sind immer mit Bedingungen verbunden. Der IWF hat seine eigenen Methoden, um Länder zu sanktionieren, die nicht der US-Politik gehorchen. Die erste Forderung der USA wird sein, dass diese Länder Russland, China und deren aufstrebende Handels- und Währungsselbsthilfeallianz boykottieren. „Warum sollten wir euch Sonderziehungsrechte geben oder neue Dollarkredite gewähren, wenn ihr diese einfach in Russland, China und anderen Ländern ausgebt, die wir zu Feinden erklärt haben?“, werden die US-Beamten fragen.

Das ist zumindest der Plan.

Es würde mich nicht überraschen, wenn irgendein afrikanisches Land zur „nächsten Ukraine“ würde, mit US-Stellvertretern (es gibt immer noch viele Wahabi-Anhänger und Söldner), die gegen Armeen und Bevölkerungen von Ländern kämpfen, die sich mit Getreide von russischen Farmen ernähren und ihre Wirtschaft mit Öl oder Gas aus russischen Quellen versorgen wollen – ganz zu schweigen von der Teilnahme an Chinas neuer Seidenstraßeninitiative, die ja der Auslöser für Amerikas neuen Krieg um die globale neoliberale Hegemonie war.

Die Weltwirtschaft steht in Flammen, und die Vereinigten Staaten haben sich auf eine militärische Reaktion und den Einsatz des eigenen Öl- und Agrarexports als Waffe sowie auf den Waffenhandel vorbereitet. Jetzt fordern sie die Länder auf, sich zu entscheiden, auf welcher Seite des neuen Eisernen Vorhangs sie stehen wollen.

Und was hat Europa davon? Die griechischen Gewerkschaften demonstrieren bereits gegen die verhängten Sanktionen. Und in Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orbán gerade die Wahl mit einer im Grunde EU- und US-feindlichen Weltanschauung gewonnen, angefangen mit der Bezahlung von russischem Gas in Rubel. Wie viele weitere Länder werden aus der Reihe tanzen – und wie lange wird es dauern?

Was bedeutet das für die Länder des Globalen Südens, die unter Druck gesetzt werden? Das sind nicht einfach „Kollateralschäden“ aufgrund drastischer Verknappung und steigender Preise für Energie und Lebensmittel, sondern es ist das eigentliche Ziel der US-Strategie, die damit die große Spaltung der Weltwirtschaft in zwei Teile einleitet. Indien hat US-Diplomaten bereits erklärt, dass seine Wirtschaft natürlich mit der Russlands und Chinas verbunden ist.

Aus amerikanischer Sicht stellt sich nur die Frage: „Was springt für die lokalen Politiker und Oligarchien heraus, die wir für die Auslieferung ihrer Länder an uns belohnen?“

Das macht den heraufziehenden Dritten Weltkrieg zu einem regelrechten Krieg der Wirtschaftssysteme. Für welche Seite werden sich die Länder entscheiden: für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen und ihren sozialen Zusammenhalt, oder für die US-Diplomatie, die in den Händen ihrer politischen Führer liegt?

Mit Blick auf die Einmischung der USA in Form der 5 Milliarden Dollar, die sie vor acht Jahren in ukrainische Neonazi-Parteien investierten, um die Kämpfe zu initiieren, die den heutigen Krieg auslösten – wie die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland prahlte – wäre einiges zu bedenken.

Wie lange wird es angesichts all dieser politischen Einmischungen und Medienpropaganda dauern, bis der Rest der Welt begreift, dass ein globaler Krieg im Gange ist, der sich zum Dritten Weltkrieg ausweitet?

Das eigentliche Problem besteht darin, dass bis zu dem Zeitpunkt, da die Welt begriffen hat, was vor sich geht, Russland, China und Eurasien aufgrund des globalen Zerfalls bereits in der Lage sein werden, eine echte Alternative zur neoliberalen Neuen Weltordnung zu schaffen, die keine NATO-Länder mehr brauchen wird. Diese haben das Vertrauen und die Hoffnung auf gegenseitige wirtschaftliche Vorteile verloren.

Das militärische Schlachtfeld wird mit wirtschaftlichen Leichen übersät sein.

Quellen:

[1] Michael Hudson, „R is for Rentier“, am 05.04.2014, <https://michael-hudson.com/2014/04/r-is-for-rentier/>

Der Dollar frisst den Euro

Inzwischen ist klar: Die heutige Eskalation des neuen Kalten Krieges wurde schon vor über einem Jahr geplant. Amerikas Plan, Nord Stream 2 zu blockieren, war in Wirklichkeit Teil seiner Strategie, Westeuropa („NATO“) daran zu hindern, durch gemeinsamen Handel und Investitionen mit China und Russland Wohlstand zu erlangen.

Von Published On: 16. Mai 2022Kategorien: Wirtschaft & Geld

Dieser Text wurde zuerst am 07.04.2022 auf www.michael-hudson.com unter der URL <https://michael-hudson.com/2022/04/the-dollar-devours-the-euro/> veröffentlicht. Lizenz: Michael Hudson, CC BY-NC-SA 3.0

Symbolbild. USA und China prallen aufeinander. Gemeinfrei.

Wie Präsident Biden und die nationalen Sicherheitsberichte der USA verkündeten, wird China als der Hauptfeind betrachtet. Und das, obwohl China für amerikanische Konzerne sehr nützlich war, um die Löhne ihrer Arbeiter zu drücken, indem sie die US-Wirtschaft deindustrialisierten zugunsten einer chinesischen Industrialisierung. Chinas Wachstum wurde hingegen als das ultimative Schreckgespenst erkannt: Wohlstand durch Sozialismus. Die sozialistische Industrialisierung wurde immer als der große Feind der Rentier-Ökonomie [1] angesehen, die im Jahrhundert seit Ende des Ersten Weltkriegs und insbesondere seit den 1980er Jahren von den meisten Nationen übernommen wurde. Als Ergebnis sehen wir heute ein Aufeinanderprallen der Wirtschaftssysteme: sozialistische Industrialisierung versus neoliberaler Finanzkapitalismus.

Das macht den neuen Kalten Krieg gegen China implizit zum Auftakt dessen, was zu einem langwierigen Dritten Weltkrieg führen könnte. Die Strategie der USA besteht darin, China seine wahrscheinlichsten wirtschaftlichen Verbündeten – insbesondere Russland, Zentralasien sowie Süd- und Ostasien – zu entreißen. Die Frage war nur, wo man mit der Zerstückelung und Isolierung beginnen sollte.

Die größte Chance sah man demzufolge darin, mit der Isolierung Russland zu beginnen, sowohl von China als auch von der NATO-Eurozone. Es wurde eine Reihe von immer schärferen – und, so die Hoffnung, tödlichen – Sanktionen gegen Russland ausgearbeitet, um den Handel der NATO mit Russland zu blockieren. Alles, was noch fehlte, um das geopolitische Erdbeben auszulösen, war ein Casus Belli.

Dieser ließ sich ziemlich einfach arrangieren. Der eskalierende neue Kalte Krieg hätte im Nahen Osten beginnen können – wegen des Widerstands gegen Amerikas Aneignung irakischer Ölfelder, oder gegen den Iran und diejenigen Länder, die ihm dabei helfen, wirtschaftlich zu überleben, oder in Ostafrika. Für alle diese Regionen wurden Pläne für Putsche, farbige Revolutionen und Regimechanges ausgearbeitet. Dazu wurde Amerikas afrikanische Armee in den letzten ein bis zwei Jahren besonders schnell aufgebaut. Aber die Ukraine, die seit dem Maidan-Putsch von 2014 acht Jahre lang einem von den USA angeheizten Bürgerkrieg ausgesetzt war, bot die Chance auf den ersten großen Sieg in der Konfrontation mit China, Russland und ihren Verbündeten.

So wurden die russischsprachigen Regionen Donezk und Lugansk mit zunehmender Heftigkeit beschossen. Und als Russland immer noch nicht reagierte, schmiedete man – Berichten zufolge – Pläne für den großen Showdown. Ende Februar sollte er beginnen, ausgehend von einem durch US-Berater organisierten und von der NATO bewaffneten Blitzangriff durch die Westukraine.

Russlands präventive Verteidigung der beiden ostukrainischen Provinzen und die anschließende militärische Zerstörung von ukrainischer Armee, Marine und Luftwaffe in den letzten zwei Monaten durch Russland wurde als Vorwand für die Verhängung des von den USA konzipierten Sanktionsprogramms genutzt, wie es sich uns heute darstellt. Pflichtbewusst hat Westeuropa mitgemacht. Anstatt russisches Gas, Öl und Nahrungsmittel zu kaufen, wird es diese von den Vereinigten Staaten beziehen – zusammen mit stark erhöhten Waffenimporten.

Der abzusehende Fall des Euro-/Dollar-Kurses

Untersuchen wir deshalb, wie sich dies auf die Zahlungsbilanz Westeuropas und damit auf den Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar auswirken wird.

Der europäische Handel und die Investitionen vor dem Sanktionskrieg versprachen einen steigenden beiderseitigen Wohlstand zwischen Deutschland, Frankreich und anderen NATO-Ländern gegenüber Russland und China. Russland lieferte reichlich Energie zu einem wettbewerbsfähigen Preis, und Nord Stream 2 sollte hier einen weiteren Quantensprung bringen.

Die Devisen für diesen steigenden Importhandel von Energie sollte Europa durch die Kombination aus Industrie-Exporten nach Russland und Kapitalinvestitionen in die Entwicklung der russischen Wirtschaft verdienen, z. B. durch Investitionen deutscher Automobilunternehmen und Finanzinvestitionen. Dieser bilaterale Handel und die Investitionen sind nun gestoppt – und werden noch viele, viele Jahre gestoppt bleiben. Die NATO hat Russlands Devisenreserven, die in Euro und britischen Pfund gehalten werden, beschlagnahmt. Und die Russophobie in Europa wird durch US-Propagandamedien angefacht.

Stattdessen werden die NATO-Länder US-amerikanisches Flüssiggas kaufen – aber zunächst müssen sie erstmal Milliarden von Dollar für den Aufbau ausreichender Hafenkapazitäten ausgeben, was vielleicht bis 2024 dauern kann (viel Glück bis dahin).

Die Energieknappheit wird die Weltmarktpreise für Gas und Öl drastisch ansteigen lassen. Ebenso werden die NATO-Länder ihre Waffenkäufe beim militärisch-industriellen Komplex der USA verstärken. Ihre geradezu panischen Käufe werden den Preis für Waffen in die Höhe treiben. Genauso werden auch die Lebensmittelpreise steigen, da ein dramatischer Mangel an Getreide zu erwarten ist: einerseits durch den Wegfall der Importe aus Russland und der Ukraine, andererseits aus Mangel an Ammoniakdünger, der aus Gas hergestellt wird.

All diese drei Entwicklungen werden den Dollar gegenüber dem Euro stärken. Die Frage ist, wie Europa seine internationalen Zahlungen mit den Vereinigten Staaten ausgleichen wird. Was hat es zu exportieren, das die US-Wirtschaft akzeptiert, während deren eigener protektionistischer Einfluss wächst – jetzt, da der globale Freihandel rasant stirbt?

Die Antwort lautet: nicht viel. Was wird Europa also tun?

Ich könnte einen bescheidenen Vorschlag machen. Jetzt, da Europa immer weniger ein politisch unabhängiger Staat ist, sieht es zunehmend mehr wie Panama und Liberia aus – Offshore-Bankenzentren unter „Billigflaggen“, die keine echten „Staaten“ sind, weil sie keine eigene Währung ausgeben, sondern den US-Dollar verwenden. Da der Eurozone monetäre Handschellen angelegt wurden, die ihre Fähigkeit zur Geldschöpfung auf 3 Prozent des BIP beschränken – warum nicht einfach finanztechnisch das Handtuch werfen und den US-Dollar einführen? So wie Ecuador, Somalia oder die Turks- und Caicosinseln?

Ausländischen Investoren würde das Sicherheit bringen gegen eine Währungsabwertung in ihrem zunehmenden Handel mit Europa und dessen Exportfinanzierung.

Die Alternative für Europa besteht darin, dass die Dollar-Kosten seiner Auslandsschulden, die es zur Finanzierung seines wachsenden Handelsdefizits mit den Vereinigten Staaten für Öl, Waffen und Lebensmittel aufgenommen hat, explodieren werden.

Die Kosten in Euro werden sogar noch höher sein, da die Währung gegenüber dem Dollar fällt. Die Zinssätze werden steigen, was die Investitionen bremst und Europa noch abhängiger von Importen macht. Die Eurozone wird wirtschaftlich zu einer toten Zone.

Für die Vereinigten Staaten ist dies eine Dollar-Hegemonie auf Pump – zumindest gegenüber Europa. Der Kontinent würde zu einer etwas größeren Version von Puerto Rico werden.

Der Dollar im Vergleich zu den Währungen des Globalen Südens

Die letzte Konsequenz ist ein neuer Kalter Krieg, der sich – ausgelöst durch den „Ukraine-Krieg“ – in die Eröffnungssalve des Dritten Weltkriegs verwandelt. Und er wird wahrscheinlich mindestens ein Jahrzehnt, vielleicht zwei, dauern, da die USA den Kampf zwischen Neoliberalismus und Sozialismus zu einem weltweiten Konflikt ausweiten. Abgesehen von der wirtschaftlichen Eroberung Europas durch die USA versuchen ihre Strategen gleichzeitig, afrikanische, südamerikanische und asiatische Länder auf ähnliche Weise zu vereinnahmen, wie sie es für Europa geplant haben.

Der starke Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise wird die Volkswirtschaften mit Nahrungsmittel- und Ölknappheit hart treffen – zur gleichen Zeit, in der ihre auf Dollar lautenden Auslandsschulden bei Anleihegläubigern und Banken fällig werden und der Dollarkurs gegenüber ihrer eigenen Währung steigt. Viele afrikanische und lateinamerikanische Länder – vor allem in Nordafrika – stehen vor der Wahl, entweder zu hungern, ihren Benzin- und Stromverbrauch zu drosseln oder sich die Dollars zu leihen, um ihre Abhängigkeit vom US-geprägten Handel zu decken.

Es ist die Rede davon, dass der IWF neue Sonderziehungsrechte ausgibt, um die steigenden Handels- und Zahlungsdefizite zu finanzieren. Aber solche Kredite sind immer mit Bedingungen verbunden. Der IWF hat seine eigenen Methoden, um Länder zu sanktionieren, die nicht der US-Politik gehorchen. Die erste Forderung der USA wird sein, dass diese Länder Russland, China und deren aufstrebende Handels- und Währungsselbsthilfeallianz boykottieren. „Warum sollten wir euch Sonderziehungsrechte geben oder neue Dollarkredite gewähren, wenn ihr diese einfach in Russland, China und anderen Ländern ausgebt, die wir zu Feinden erklärt haben?“, werden die US-Beamten fragen.

Das ist zumindest der Plan.

Es würde mich nicht überraschen, wenn irgendein afrikanisches Land zur „nächsten Ukraine“ würde, mit US-Stellvertretern (es gibt immer noch viele Wahabi-Anhänger und Söldner), die gegen Armeen und Bevölkerungen von Ländern kämpfen, die sich mit Getreide von russischen Farmen ernähren und ihre Wirtschaft mit Öl oder Gas aus russischen Quellen versorgen wollen – ganz zu schweigen von der Teilnahme an Chinas neuer Seidenstraßeninitiative, die ja der Auslöser für Amerikas neuen Krieg um die globale neoliberale Hegemonie war.

Die Weltwirtschaft steht in Flammen, und die Vereinigten Staaten haben sich auf eine militärische Reaktion und den Einsatz des eigenen Öl- und Agrarexports als Waffe sowie auf den Waffenhandel vorbereitet. Jetzt fordern sie die Länder auf, sich zu entscheiden, auf welcher Seite des neuen Eisernen Vorhangs sie stehen wollen.

Und was hat Europa davon? Die griechischen Gewerkschaften demonstrieren bereits gegen die verhängten Sanktionen. Und in Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orbán gerade die Wahl mit einer im Grunde EU- und US-feindlichen Weltanschauung gewonnen, angefangen mit der Bezahlung von russischem Gas in Rubel. Wie viele weitere Länder werden aus der Reihe tanzen – und wie lange wird es dauern?

Was bedeutet das für die Länder des Globalen Südens, die unter Druck gesetzt werden? Das sind nicht einfach „Kollateralschäden“ aufgrund drastischer Verknappung und steigender Preise für Energie und Lebensmittel, sondern es ist das eigentliche Ziel der US-Strategie, die damit die große Spaltung der Weltwirtschaft in zwei Teile einleitet. Indien hat US-Diplomaten bereits erklärt, dass seine Wirtschaft natürlich mit der Russlands und Chinas verbunden ist.

Aus amerikanischer Sicht stellt sich nur die Frage: „Was springt für die lokalen Politiker und Oligarchien heraus, die wir für die Auslieferung ihrer Länder an uns belohnen?“

Das macht den heraufziehenden Dritten Weltkrieg zu einem regelrechten Krieg der Wirtschaftssysteme. Für welche Seite werden sich die Länder entscheiden: für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen und ihren sozialen Zusammenhalt, oder für die US-Diplomatie, die in den Händen ihrer politischen Führer liegt?

Mit Blick auf die Einmischung der USA in Form der 5 Milliarden Dollar, die sie vor acht Jahren in ukrainische Neonazi-Parteien investierten, um die Kämpfe zu initiieren, die den heutigen Krieg auslösten – wie die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland prahlte – wäre einiges zu bedenken.

Wie lange wird es angesichts all dieser politischen Einmischungen und Medienpropaganda dauern, bis der Rest der Welt begreift, dass ein globaler Krieg im Gange ist, der sich zum Dritten Weltkrieg ausweitet?

Das eigentliche Problem besteht darin, dass bis zu dem Zeitpunkt, da die Welt begriffen hat, was vor sich geht, Russland, China und Eurasien aufgrund des globalen Zerfalls bereits in der Lage sein werden, eine echte Alternative zur neoliberalen Neuen Weltordnung zu schaffen, die keine NATO-Länder mehr brauchen wird. Diese haben das Vertrauen und die Hoffnung auf gegenseitige wirtschaftliche Vorteile verloren.

Das militärische Schlachtfeld wird mit wirtschaftlichen Leichen übersät sein.

Quellen:

[1] Michael Hudson, „R is for Rentier“, am 05.04.2014, <https://michael-hudson.com/2014/04/r-is-for-rentier/>