(Karte: Ijanderson977 / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)
Von der Krajina zu Donezk und Lugansk:
Das Vorbild Jugoslawien
Der Krieg um die Ukraine folgt dem Konflikt um das zerfallende Jugoslawien – doch diesmal könnte es anders kommen als in den Neunzigerjahren.
Dieser Text wurde zuerst am 19.03.2022 auf www.telepolis.de unter der URL <https://www.heise.de/tp/features/Das-Vorbild-Jugoslawien-von-der-Krajina-zu-Donezk-und-Lugansk-6586119.html> veröffentlicht. Lizenz: © Andreas Wehr, Telepolis
Am 25. Juni 1991 erklärten sich die jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien für unabhängig. Die internationale Staatengemeinde erkannte sie aber nicht an. Sie drängte vielmehr auf eine gesamtjugoslawische Lösung für den Konflikt auf dem Balkan. Befürchtet wurde ein Bürgerkrieg. Und so kam es denn auch. Bereits am 26. Juni 1991 griff die Armee Jugoslawiens (JNA) in Slowenien ein.
Von Belgrad aus starteten Mig-29-Jagdflugzeuge und beschossen den Flughafen von Ljubljana. Panzer tauchten an der österreichisch-jugoslawischen Grenze auf. Nach zehn Tagen Krieg konnte zwar dieser Konflikt durch einen international vermittelten Waffenstillstand beendet werden, doch auch um Kroatien wurde bald gekämpft, und dieser Krieg konnte nicht mehr gestoppt werden.
In den folgenden knapp zehn Jahren fraß sich die Kriegswalze von Norden nach Süden durch das Land, das bis dahin Jugoslawien war – ein international hochgeachtetes blockfreies sozialistisches Land. Am Ende des Krieges 1999 bombardierten Nato-Staaten – unter ihnen die Bundesrepublik Deutschland – Serbien und töteten dabei Tausende Zivilisten. Es war der erste militärische Einsatz des Bündnisses überhaupt.
Der Preis, den die Bevölkerung Jugoslawiens für den Krieg zu zahlen hatte, war hoch: Mehr als 120.000 Menschen wurden getötet. Allein das Gemetzel auf dem Territorium Bosnien-Herzegowina kostete das Leben von 97.000 Menschen. Hunderte Dörfer und ganze Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht – im Gedächtnis geblieben sind die rauchenden Trümmer von Vukovar und Sarajevo.
Millionen Menschen flüchteten vor dem Krieg, die meisten in vermeintlich noch sichere Regionen des Landes. Hunderttausende verließen ihre Heimat gen Westen. Sie gingen vor allem nach Österreich und Deutschland. Die EU stand vor ihrer ersten Flüchtlingskrise.
Heute existieren auf dem Boden des einstigen Jugoslawiens nicht weniger als sieben Staaten bzw. staatenähnliche Gebilde: Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo und Nordmazedonien.
Mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende des Krieges – der als Bürgerkrieg begann, sich dann aber zu einem internationalen Konflikt unter der kriegsentscheidenden Beteiligung der Nato entwickelte – gibt es zwischen diesen Staaten und auch in ihrem Innerem starke politische und kulturelle Spannungen, die auf ethnischen Gegensätzen beruhen.
Kroatien als „Staat der Kroaten“
Das sich für unabhängig erklärte Kroatien verabschiedete am 22. Dezember 1991 eine Verfassung, in der es sich als „Staat der Kroaten“ bezeichnete. Die auf seinem Boden gleichfalls lebenden Serben und Angehörige anderer jugoslawischer Nationalitäten wurden damit entrechtet. Es ging dabei um nicht weniger als 650.000 Menschen.
Die von Serben, Montenegrinern und Mazedoniern benutzte kyrillische Schrift sowie die serbokroatische Sprache wurden aus der Öffentlichkeit verbannt. Offizielle Landessprache wurde das neu geschaffene Kroatisch.
Dieses Vorgehen entsprach der politischen und gesellschaftlichen Ausrichtung des neuen Staates. Bereits 1990, am Beginn der Schwächephase des jugoslawischen Bundesstaates, hatten dort ultranationalistische und rechtsextreme Kräfte die Macht an sich gerissen. Zu ihnen gesellten sich antikommunistische Exilkroaten aus Kanada, den USA, Österreich und Deutschland, die in der Zeit des sozialistischen Jugoslawiens dorthin ausgewichen waren.
Viele von ihnen beriefen sich auf die berüchtigte Schwarze Legion, die Ustascha, die zwischen 1941 und 1945 an der Seite der Wehrmacht und der SS im damals kurzzeitig unter deutschem Schutz existierenden faschistischen Kroatien für zahlreiche Verbrechen an Serben und kommunistischen Partisanen verantwortlich waren. Sammelbecken für all diese Kräfte wurde im neuen Staat die Kroatische Demokratische Union (HDZ). Bis auf zwei kurze Unterbrechungen ist sie seit 1990 die Regierungspartei des Landes.
Ungeachtet der offenen Diskriminierung eines großen Teils der in Kroatien lebenden Bevölkerung wurde das Land am 23. Dezember 1991 von der deutschen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl und Außenminister Dietrich Genscher völkerrechtlich anerkannt.
Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens waren zwar anfangs entsetzt über den Alleingang, doch wenige Wochen später folgten sie den Deutschen.
Am 15. Januar 1992 erkannten sie und die übrigen Staaten der Europäischen Union Kroatien und Slowenien an. Unter deutscher Führung hatten damit die EU-Staaten Staatsgründungen gebilligt, die von der Existenz eines einzigen, ethnisch reinen Staatsvolkes ausgingen.
Damit war die Büchse der Pandora des Bürgerkriegs geöffnet, da nicht nur in Kroatien, sondern auch in Serbien, Mazedonien, vor allem aber in Bosnien-Herzegowina große nationale Minderheiten anderer Titularnationen der vormaligen Bundesrepublik Jugoslawien lebten, die es nicht hinnehmen wollten, künftig unter fremder Vorherrschaft zu stehen.
Die Grenzen der jugoslawischen Republiken waren bis dahin nie identisch mit den ethnischen Grenzen gewesen. Die Angehörigen der Staatsvölker Jugoslawiens – Serben, Kroaten, Slowenen, Mazedonier und weitere – waren vielmehr auf dem gesamten Territorium Jugoslawiens gleichberechtigt, unabhängig davon, wo sie jeweils lebten. Von den Kroaten waren etwa 20 Prozent in anderen Republiken beheimatet. Bei den Serben waren es sogar 30 Prozent, die außerhalb der Grenzen Serbiens lebten, und dies zum Teil seit Jahrhunderten.
In Reaktion auf die Staatsgründung Kroatiens als „Staat der Kroaten“ erklärten die etwa 250.000 an der südlichen Grenze des Landes lebenden Serben, dass sie sich nicht den Verfassungsorganen des neuen Staates unterordnen werden. Sie proklamierten die „Serbische autonome Republik Krajina“. Diese Provinz sollte nach ihrem Willen einen autonomen Status erhalten, vergleichbar dem des Kosovo in Serbien. Dieser Status wurde jedoch von den Kroaten nicht anerkannt.
Es kam zu blutigen Konflikten, UN-Blauhelme wurden als Streitschlichter stationiert, doch alle Verhandlungen blieben ergebnislos. Die kroatische Seite setzte auf eine gewaltsame Lösung des Konflikts, denn sie wusste ja, dass der „Westen“, Deutschland und die EU, vor allem aber die gewaltige Militärmacht der USA hinter ihnen stand.
Am 3. August 1995 griffen kroatische Truppen in der Operation Oluja (Gewittersturm) die Krajina an und überrannten sie. Sie waren den serbischen Verteidigern weit überlegen, waren sie doch von den USA mit modernsten Präzisionswaffen ausgestattet und von US-amerikanischen Strategen bei der Ausarbeitung des Feldzugs beraten worden. Nur fünf Tage nach Beginn des Angriffs konnte der Sprecher des kroatischen Verteidigungsministeriums bekannt geben: „Die Krajina besteht nicht mehr.“
Bereits während der Offensive begann die ethnische Säuberung. Die Berliner Zeitung meldete am 8. August 1995:
„Zehntausende serbische Zivilisten flohen in kilometerlangen Strömen aus den umkämpften Gebieten der Krajina nach Nordbosnien in Banja-Luka. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rechnet mit dem größten einzelnen Flüchtlingsstrom seit Beginn der Kriege im ehemaligen Jugoslawien.“
Mit der Austreibung gingen zahlreiche Verbrechen an den Bewohnern einher, wie man sie bis dahin nach 1945 in Europa nicht mehr gesehen hatte. Jene, die nicht rechtzeitig hatten fliehen können, vor allem Alte und Kranke, wurden niedergemetzelt. Häuser wurden mitsamt den darin befindlichen Menschen in Brand gesteckt.
Der kroatische General Ante Gotovina wurde später durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an serbischen Zivilisten in erster Instanz für schuldig befunden, im Berufungsprozess jedoch freigesprochen. Ebenso verschont wurde der Mitangeklagte Mladen MarkaĊ. Ganz anders verfuhr man hingegen mit den serbischen Kriegsverbrechern Radovan Karadžić und Ratko Mladić. Sie wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Das EU-Protektorat Bosnien-Herzegowina
Seine ganze Brutalität zeigte der Jugoslawienkrieg in den 1992 begonnenen Kämpfen zwischen muslimischen Bosniern, Kroaten und Serben auf dem Territorium der Republik Bosnien-Herzegowina. Sie galt vor Ausbruch des Krieges als ein Jugoslawien im Kleinen – die drei Völkerschaften lebten zusammen, ohne dass eine von ihnen dominierte. Es waren die westlichen Staaten, die die dort größte Ethnie – die muslimischen Bosnier – dabei unterstützten, sich zur dominierenden Kraft in der Republik zu machen.
Mit Hilfe modernster Waffen aus den USA, die von Regierungen arabischer Länder finanziert wurden, und mit islamistischen Freischärlern aus dem Nahen Osten sollten die in Bosnien-Herzegowina lebenden Serben, aber auch die Kroaten unterworfen werden.
Die Serben antworteten darauf mit der Gründung der Republika Srpska in ihren Siedlungsgebieten an der Grenze zu Serbien, die Kroaten schlossen sich zur Kroatischen Gemeinschaft zusammen.
Beide Volksgruppen strebten den Anschluss ihrer Gebiete an Serbien bzw. Kroatien an. Alle drei Bürgerkriegsparteien verübten während der Kämpfe furchtbare Massaker. Von Politik und Medien des Westens wird aber allein das der Serben an Muslimen in Srebrenica in Erinnerung behalten.
Auf diese Weise sollen die Serben als Alleinschuldige nicht nur für den Krieg in Bosnien-Herzegowina, sondern für alle jugoslawischen Bürgerkriege gebrandmarkt werden. Den Ausgang des Krieges in Bosnien-Herzegowina entschieden die USA mit Hilfe ihrer militärischen Übermacht: Sie zerstörten die serbischen Stellungen aus der Luft.
Bis heute ist die staatliche Zukunft Bosnien-Herzegowinas ungeklärt. Das Land ist geteilt in die Republika Srpska und die bosnisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina, die jeweils weitreichende Befugnisse haben, die des Gesamtstaates sind hingegen nur schwach ausgebildet.
Lediglich die muslimischen Bosnier betrachten heute den Staat Bosnien-Herzegowina als den ihrigen. Die Kroaten, vor allem aber die Serben fordern hingegen den Anschluss ihrer Siedlungsgebiete an Kroatien bzw. Serbien. Darüber, dass das nicht geschieht, wacht seit dem 1995 im US-amerikanischen Dayton geschlossenen Abkommen ein „Hoher Repräsentant“ im Namen der Vereinten Nationen.
Alle bisherigen „Hohen Repräsentanten“ stammten aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Derzeitiger Amtsinhaber ist der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt. Bosnien-Herzegowina kann daher zu Recht als Protektorat der EU auf dem Balkan bezeichnet werden.
Serbien wird das Kosovo genommen
Den blutigen Höhepunkt fanden die jugoslawischen Bürgerkriege in der faktischen Herauslösung des Kosovo aus dem serbischen Staatsverband. Die westliche Gemeinschaft stellte sich in diesem Konflikt von Beginn an auf die Seite der albanischen Unabhängigkeitsbewegung UÇK, die ab 1997 ihre bewaffneten Angriffe auf die serbische Polizei intensivierte.
Unter dem Vorwand eine humanitäre Katastrophe verhindern zu wollen, griff die Nato, unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe, im Frühjahr 1999 militärisch ein, indem sie nicht nur im Kosovo serbische Stellungen beschoss und dabei zur Luftwaffe der UÇK wurde, sondern auch Serbien selbst bombardierte.
Hunderte Zivilisten wurden im 78 Tage dauernden Luftkrieg getötet, viele weitere wurden schwer verletzt. Zahlreiche Industriebetriebe und weite Teile der serbischen Infrastruktur wurden zerstört, etwa die für das Land lebenswichtigen Brücken über die Donau. Serbien wurde in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen.
Die Abtrennung des Kosovo bricht mit dem seit Ende des Zweiten Weltkriegs geltenden Grundsatz, wonach es in Europa keine gewaltsamen Änderungen der Grenzen mehr geben darf. Die Bewertung der 2014 von Moskau vorgenommenen Eingliederung der ukrainischen Krim in die Russische Föderation als ersten Völkerrechtsbruch in Europa seit 1945, verschweigt, dass es in Wirklichkeit die westlichen Länder waren, die das zuvor taten!
Serbien und mit ihm zahlreiche andere Länder, darunter auch einige EU-Staaten, erkennen aber bis heute die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. Formell gilt für das Gebiet der Status eines „stabilisierten De-facto-Regimes“ unter Oberaufsicht der Vereinten Nationen (VN) und es wird weiterhin als Teil Serbiens geführt.
Die VN können bzw. wollen jedoch nichts dagegen unternehmen, dass die kosovarischen Machthaber der verbliebenen serbischen Minderheit – aber auch den dort lebenden Roma und Sinti – ihre Rechte verweigern und sie damit zu geächteten Bürgern macht.
Das westliche Vorgehen in Jugoslawien folgte immer demselben Muster
Der Westen stellte sich in den jugoslawischen Bürgerkriegen stets auf die Seite der jeweils dominierenden Nationalität und unterstützte sie dabei, ethnisch einheitliche Staaten zu bilden. So war es in Slowenien, Kroatien, in Bosnien-Herzegowina, und so war es im Kosovo.
Dieses Vorgehen richtete sich stets gegen die Serben, waren diese doch darauf angewiesen, multiethnisch besiedelte Gebiete zu erhalten, da sie auf dem Territorium des alten Jugoslawiens verstreut lebten. Erst als sich Kroatien und dann Bosnien-Herzegowina als Staaten konstituierten, mit der Konsequenz, dass die Serben dort zur Minderheit wurden, setzten sie auf die Herauslösung ihrer Siedlungsgebiete und auf den Zusammenschluss mit Serbien.
Im Westen wurde dieses Vorgehen sofort als Anspruch diffamiert, ein „Großserbien“ schaffen zu wollen. Die verschiedenen jugoslawischen Bürgerkriege zwischen 1991 und 1999 können daher auch als einheitlicher Krieg gegen die Serben bzw. Serbien angesehen werden.
Die „westliche Wertegemeinschaft“ – wie sie sich so gern selbst bezeichnet – unterstützte mit politischen und militärischen Mitteln die sich für selbstständig erklärenden jugoslawischen Provinzen bei der Vertreibung ihrer nationalen Minderheiten. Sie hat sich damit der Beihilfe der ethnischen Säuberung schuldig gemacht. Selbst politische Kräfte wie die deutschen Grünen, die sich ansonsten vehement für multikulturelle Gesellschaften einsetzen, hatten damit kein Problem.
Der Westen nahm auch immer wieder Partei für ultranationalistische und sogar offen rechtsextreme Kräfte. Das gilt besonders für die kroatische HDZ und die albanische UÇK.
Westliche Medien und Politik ignorierten dabei stets deren Verbindungen mit faschistischen Kräften und die dort immer wieder beschworenen Traditionen, die auf die Kollaboration mit Hitlerdeutschland verweisen.
Jugoslawien und die Ukraine
In der westlichen Haltung gegenüber dem heutigen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine findet man all das wieder. Nachdem die Ukraine 2014 durch den Putsch auf dem Kiewer Maidan politisch aus dem Gleichgewicht zwischen West und Ost gebracht worden war, begann sich die russischsprachige Minderheit gegen die nun einsetzende politische und kulturelle Unterdrückung zu wehren.
Im Süden und Osten des Landes kam es zu Protesten, die bürgerkriegsähnliche Ausmaße annahmen. Im April 2014 gründeten sich die an Russland anlehnenden Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Die Parallelen mit der Serbischen autonomen Republik Krajina in Kroatien und der Republika Srpska [1] in Bosnien-Herzegowina sind offensichtlich.
So wie die beiden Gebiete in Jugoslawien nur von Serbien unterstützt wurden, so wurden die beiden Volksrepubliken nur von Russland anerkannt. Die Gründe, die zu ihrer Entstehung geführt hatten, die politische und gesellschaftliche Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung, interessierten im Westen jedoch kaum jemanden.
Versuche Deutschlands und Frankreichs im sogenannten Normandie-Format zu vermitteln, blieben erfolglos. Die Regierung in Kiew erfüllte die von ihr im Minsker-Abkommen abgegebenen Verpflichtungen nicht, sie weigerte sich sowohl diesen Gebieten eine gewisse Autonomie zuzugestehen, noch ließ sie dort Wahlen zu. Sie setzte stattdessen auf Rückeroberung.
Die ihr seit 2014 von den USA, aber auch von den Staaten der EU gelieferten Waffen ließ sie darauf vertrauen, die abtrünnigen Gebiete bald wieder eingliedern zu können. Es begann ein überaus blutiger Abnutzungskrieg der Ukraine gegen die beiden abtrünnigen Gebiete mit bisher mehr als 14.000 Toten.
So wie der Westen in den jugoslawischen Bürgerkriegen nie ein Problem darin sah, mit kroatischen, bosnisch-muslimischen und albanischen Ultranationalisten und Rechtsradikalen zu kooperieren, so hält er es heute mit solchen Kräften in der Ukraine.
Die Rolle des offen mit faschistischer Symbolik für sich werbenden Bataillons Asow bei der Verfolgung und Tötung Russischsprachiger wird verharmlost oder gleich ganz geleugnet. Ignoriert wird, dass der in Russland, aber auch in Polen und in Israel als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher geltende Stepan Bandera in der Ukraine ganz offiziell zum Nationalhelden erklärt wurde. Viele Straßen, Plätze und Gebäude sind nach ihm benannt, und die ukrainische Post ehrte ihn mit der Herausgabe einer Briefmarke mit seinem Konterfei.
Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ist jetzt allerdings ungewiss geworden, ob der Konflikt in der Ukraine auf ähnliche Weise zugunsten des Westens gelöst werden kann, wie es ihm seinerzeit in Jugoslawien gelang. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat diesen Unterschied am 8. März 2022 in einem Kommentar in aller Offenheit benannt:
„Serbien fiel man in den Arm, weil das ohne größere eigene Verluste möglich war. Das Land ließ sich vergleichsweise risikolos bombardieren. Mit Blick auf Russland liegt der Fall anders. Der Westen will durch Nichteinschreiten größere (eigene) Opfer vermeiden.“
Selten wurde so offen das Kalkül des Westens offengelegt.
Quellen:
Von der Krajina zu Donezk und Lugansk:
Das Vorbild Jugoslawien
Dieser Text wurde zuerst am 19.03.2022 auf www.telepolis.de unter der URL <https://www.heise.de/tp/features/Das-Vorbild-Jugoslawien-von-der-Krajina-zu-Donezk-und-Lugansk-6586119.html> veröffentlicht. Lizenz: © Andreas Wehr, Telepolis
(Karte: Ijanderson977 / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)
Der Krieg um die Ukraine folgt dem Konflikt um das zerfallende Jugoslawien – doch diesmal könnte es anders kommen als in den Neunzigerjahren.
Am 25. Juni 1991 erklärten sich die jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien für unabhängig. Die internationale Staatengemeinde erkannte sie aber nicht an. Sie drängte vielmehr auf eine gesamtjugoslawische Lösung für den Konflikt auf dem Balkan. Befürchtet wurde ein Bürgerkrieg. Und so kam es denn auch. Bereits am 26. Juni 1991 griff die Armee Jugoslawiens (JNA) in Slowenien ein.
Von Belgrad aus starteten Mig-29-Jagdflugzeuge und beschossen den Flughafen von Ljubljana. Panzer tauchten an der österreichisch-jugoslawischen Grenze auf. Nach zehn Tagen Krieg konnte zwar dieser Konflikt durch einen international vermittelten Waffenstillstand beendet werden, doch auch um Kroatien wurde bald gekämpft, und dieser Krieg konnte nicht mehr gestoppt werden.
In den folgenden knapp zehn Jahren fraß sich die Kriegswalze von Norden nach Süden durch das Land, das bis dahin Jugoslawien war – ein international hochgeachtetes blockfreies sozialistisches Land. Am Ende des Krieges 1999 bombardierten Nato-Staaten – unter ihnen die Bundesrepublik Deutschland – Serbien und töteten dabei Tausende Zivilisten. Es war der erste militärische Einsatz des Bündnisses überhaupt.
Der Preis, den die Bevölkerung Jugoslawiens für den Krieg zu zahlen hatte, war hoch: Mehr als 120.000 Menschen wurden getötet. Allein das Gemetzel auf dem Territorium Bosnien-Herzegowina kostete das Leben von 97.000 Menschen. Hunderte Dörfer und ganze Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht – im Gedächtnis geblieben sind die rauchenden Trümmer von Vukovar und Sarajevo.
Millionen Menschen flüchteten vor dem Krieg, die meisten in vermeintlich noch sichere Regionen des Landes. Hunderttausende verließen ihre Heimat gen Westen. Sie gingen vor allem nach Österreich und Deutschland. Die EU stand vor ihrer ersten Flüchtlingskrise.
Heute existieren auf dem Boden des einstigen Jugoslawiens nicht weniger als sieben Staaten bzw. staatenähnliche Gebilde: Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo und Nordmazedonien.
Mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende des Krieges – der als Bürgerkrieg begann, sich dann aber zu einem internationalen Konflikt unter der kriegsentscheidenden Beteiligung der Nato entwickelte – gibt es zwischen diesen Staaten und auch in ihrem Innerem starke politische und kulturelle Spannungen, die auf ethnischen Gegensätzen beruhen.
Kroatien als „Staat der Kroaten“
Das sich für unabhängig erklärte Kroatien verabschiedete am 22. Dezember 1991 eine Verfassung, in der es sich als „Staat der Kroaten“ bezeichnete. Die auf seinem Boden gleichfalls lebenden Serben und Angehörige anderer jugoslawischer Nationalitäten wurden damit entrechtet. Es ging dabei um nicht weniger als 650.000 Menschen.
Die von Serben, Montenegrinern und Mazedoniern benutzte kyrillische Schrift sowie die serbokroatische Sprache wurden aus der Öffentlichkeit verbannt. Offizielle Landessprache wurde das neu geschaffene Kroatisch.
Dieses Vorgehen entsprach der politischen und gesellschaftlichen Ausrichtung des neuen Staates. Bereits 1990, am Beginn der Schwächephase des jugoslawischen Bundesstaates, hatten dort ultranationalistische und rechtsextreme Kräfte die Macht an sich gerissen. Zu ihnen gesellten sich antikommunistische Exilkroaten aus Kanada, den USA, Österreich und Deutschland, die in der Zeit des sozialistischen Jugoslawiens dorthin ausgewichen waren.
Viele von ihnen beriefen sich auf die berüchtigte Schwarze Legion, die Ustascha, die zwischen 1941 und 1945 an der Seite der Wehrmacht und der SS im damals kurzzeitig unter deutschem Schutz existierenden faschistischen Kroatien für zahlreiche Verbrechen an Serben und kommunistischen Partisanen verantwortlich waren. Sammelbecken für all diese Kräfte wurde im neuen Staat die Kroatische Demokratische Union (HDZ). Bis auf zwei kurze Unterbrechungen ist sie seit 1990 die Regierungspartei des Landes.
Ungeachtet der offenen Diskriminierung eines großen Teils der in Kroatien lebenden Bevölkerung wurde das Land am 23. Dezember 1991 von der deutschen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl und Außenminister Dietrich Genscher völkerrechtlich anerkannt.
Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens waren zwar anfangs entsetzt über den Alleingang, doch wenige Wochen später folgten sie den Deutschen.
Am 15. Januar 1992 erkannten sie und die übrigen Staaten der Europäischen Union Kroatien und Slowenien an. Unter deutscher Führung hatten damit die EU-Staaten Staatsgründungen gebilligt, die von der Existenz eines einzigen, ethnisch reinen Staatsvolkes ausgingen.
Damit war die Büchse der Pandora des Bürgerkriegs geöffnet, da nicht nur in Kroatien, sondern auch in Serbien, Mazedonien, vor allem aber in Bosnien-Herzegowina große nationale Minderheiten anderer Titularnationen der vormaligen Bundesrepublik Jugoslawien lebten, die es nicht hinnehmen wollten, künftig unter fremder Vorherrschaft zu stehen.
Die Grenzen der jugoslawischen Republiken waren bis dahin nie identisch mit den ethnischen Grenzen gewesen. Die Angehörigen der Staatsvölker Jugoslawiens – Serben, Kroaten, Slowenen, Mazedonier und weitere – waren vielmehr auf dem gesamten Territorium Jugoslawiens gleichberechtigt, unabhängig davon, wo sie jeweils lebten. Von den Kroaten waren etwa 20 Prozent in anderen Republiken beheimatet. Bei den Serben waren es sogar 30 Prozent, die außerhalb der Grenzen Serbiens lebten, und dies zum Teil seit Jahrhunderten.
In Reaktion auf die Staatsgründung Kroatiens als „Staat der Kroaten“ erklärten die etwa 250.000 an der südlichen Grenze des Landes lebenden Serben, dass sie sich nicht den Verfassungsorganen des neuen Staates unterordnen werden. Sie proklamierten die „Serbische autonome Republik Krajina“. Diese Provinz sollte nach ihrem Willen einen autonomen Status erhalten, vergleichbar dem des Kosovo in Serbien. Dieser Status wurde jedoch von den Kroaten nicht anerkannt.
Es kam zu blutigen Konflikten, UN-Blauhelme wurden als Streitschlichter stationiert, doch alle Verhandlungen blieben ergebnislos. Die kroatische Seite setzte auf eine gewaltsame Lösung des Konflikts, denn sie wusste ja, dass der „Westen“, Deutschland und die EU, vor allem aber die gewaltige Militärmacht der USA hinter ihnen stand.
Am 3. August 1995 griffen kroatische Truppen in der Operation Oluja (Gewittersturm) die Krajina an und überrannten sie. Sie waren den serbischen Verteidigern weit überlegen, waren sie doch von den USA mit modernsten Präzisionswaffen ausgestattet und von US-amerikanischen Strategen bei der Ausarbeitung des Feldzugs beraten worden. Nur fünf Tage nach Beginn des Angriffs konnte der Sprecher des kroatischen Verteidigungsministeriums bekannt geben: „Die Krajina besteht nicht mehr.“
Bereits während der Offensive begann die ethnische Säuberung. Die Berliner Zeitung meldete am 8. August 1995:
„Zehntausende serbische Zivilisten flohen in kilometerlangen Strömen aus den umkämpften Gebieten der Krajina nach Nordbosnien in Banja-Luka. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rechnet mit dem größten einzelnen Flüchtlingsstrom seit Beginn der Kriege im ehemaligen Jugoslawien.“
Mit der Austreibung gingen zahlreiche Verbrechen an den Bewohnern einher, wie man sie bis dahin nach 1945 in Europa nicht mehr gesehen hatte. Jene, die nicht rechtzeitig hatten fliehen können, vor allem Alte und Kranke, wurden niedergemetzelt. Häuser wurden mitsamt den darin befindlichen Menschen in Brand gesteckt.
Der kroatische General Ante Gotovina wurde später durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an serbischen Zivilisten in erster Instanz für schuldig befunden, im Berufungsprozess jedoch freigesprochen. Ebenso verschont wurde der Mitangeklagte Mladen MarkaĊ. Ganz anders verfuhr man hingegen mit den serbischen Kriegsverbrechern Radovan Karadžić und Ratko Mladić. Sie wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Das EU-Protektorat Bosnien-Herzegowina
Seine ganze Brutalität zeigte der Jugoslawienkrieg in den 1992 begonnenen Kämpfen zwischen muslimischen Bosniern, Kroaten und Serben auf dem Territorium der Republik Bosnien-Herzegowina. Sie galt vor Ausbruch des Krieges als ein Jugoslawien im Kleinen – die drei Völkerschaften lebten zusammen, ohne dass eine von ihnen dominierte. Es waren die westlichen Staaten, die die dort größte Ethnie – die muslimischen Bosnier – dabei unterstützten, sich zur dominierenden Kraft in der Republik zu machen.
Mit Hilfe modernster Waffen aus den USA, die von Regierungen arabischer Länder finanziert wurden, und mit islamistischen Freischärlern aus dem Nahen Osten sollten die in Bosnien-Herzegowina lebenden Serben, aber auch die Kroaten unterworfen werden.
Die Serben antworteten darauf mit der Gründung der Republika Srpska in ihren Siedlungsgebieten an der Grenze zu Serbien, die Kroaten schlossen sich zur Kroatischen Gemeinschaft zusammen.
Beide Volksgruppen strebten den Anschluss ihrer Gebiete an Serbien bzw. Kroatien an. Alle drei Bürgerkriegsparteien verübten während der Kämpfe furchtbare Massaker. Von Politik und Medien des Westens wird aber allein das der Serben an Muslimen in Srebrenica in Erinnerung behalten.
Auf diese Weise sollen die Serben als Alleinschuldige nicht nur für den Krieg in Bosnien-Herzegowina, sondern für alle jugoslawischen Bürgerkriege gebrandmarkt werden. Den Ausgang des Krieges in Bosnien-Herzegowina entschieden die USA mit Hilfe ihrer militärischen Übermacht: Sie zerstörten die serbischen Stellungen aus der Luft.
Bis heute ist die staatliche Zukunft Bosnien-Herzegowinas ungeklärt. Das Land ist geteilt in die Republika Srpska und die bosnisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina, die jeweils weitreichende Befugnisse haben, die des Gesamtstaates sind hingegen nur schwach ausgebildet.
Lediglich die muslimischen Bosnier betrachten heute den Staat Bosnien-Herzegowina als den ihrigen. Die Kroaten, vor allem aber die Serben fordern hingegen den Anschluss ihrer Siedlungsgebiete an Kroatien bzw. Serbien. Darüber, dass das nicht geschieht, wacht seit dem 1995 im US-amerikanischen Dayton geschlossenen Abkommen ein „Hoher Repräsentant“ im Namen der Vereinten Nationen.
Alle bisherigen „Hohen Repräsentanten“ stammten aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Derzeitiger Amtsinhaber ist der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt. Bosnien-Herzegowina kann daher zu Recht als Protektorat der EU auf dem Balkan bezeichnet werden.
Serbien wird das Kosovo genommen
Den blutigen Höhepunkt fanden die jugoslawischen Bürgerkriege in der faktischen Herauslösung des Kosovo aus dem serbischen Staatsverband. Die westliche Gemeinschaft stellte sich in diesem Konflikt von Beginn an auf die Seite der albanischen Unabhängigkeitsbewegung UÇK, die ab 1997 ihre bewaffneten Angriffe auf die serbische Polizei intensivierte.
Unter dem Vorwand eine humanitäre Katastrophe verhindern zu wollen, griff die Nato, unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe, im Frühjahr 1999 militärisch ein, indem sie nicht nur im Kosovo serbische Stellungen beschoss und dabei zur Luftwaffe der UÇK wurde, sondern auch Serbien selbst bombardierte.
Hunderte Zivilisten wurden im 78 Tage dauernden Luftkrieg getötet, viele weitere wurden schwer verletzt. Zahlreiche Industriebetriebe und weite Teile der serbischen Infrastruktur wurden zerstört, etwa die für das Land lebenswichtigen Brücken über die Donau. Serbien wurde in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen.
Die Abtrennung des Kosovo bricht mit dem seit Ende des Zweiten Weltkriegs geltenden Grundsatz, wonach es in Europa keine gewaltsamen Änderungen der Grenzen mehr geben darf. Die Bewertung der 2014 von Moskau vorgenommenen Eingliederung der ukrainischen Krim in die Russische Föderation als ersten Völkerrechtsbruch in Europa seit 1945, verschweigt, dass es in Wirklichkeit die westlichen Länder waren, die das zuvor taten!
Serbien und mit ihm zahlreiche andere Länder, darunter auch einige EU-Staaten, erkennen aber bis heute die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. Formell gilt für das Gebiet der Status eines „stabilisierten De-facto-Regimes“ unter Oberaufsicht der Vereinten Nationen (VN) und es wird weiterhin als Teil Serbiens geführt.
Die VN können bzw. wollen jedoch nichts dagegen unternehmen, dass die kosovarischen Machthaber der verbliebenen serbischen Minderheit – aber auch den dort lebenden Roma und Sinti – ihre Rechte verweigern und sie damit zu geächteten Bürgern macht.
Das westliche Vorgehen in Jugoslawien folgte immer demselben Muster
Der Westen stellte sich in den jugoslawischen Bürgerkriegen stets auf die Seite der jeweils dominierenden Nationalität und unterstützte sie dabei, ethnisch einheitliche Staaten zu bilden. So war es in Slowenien, Kroatien, in Bosnien-Herzegowina, und so war es im Kosovo.
Dieses Vorgehen richtete sich stets gegen die Serben, waren diese doch darauf angewiesen, multiethnisch besiedelte Gebiete zu erhalten, da sie auf dem Territorium des alten Jugoslawiens verstreut lebten. Erst als sich Kroatien und dann Bosnien-Herzegowina als Staaten konstituierten, mit der Konsequenz, dass die Serben dort zur Minderheit wurden, setzten sie auf die Herauslösung ihrer Siedlungsgebiete und auf den Zusammenschluss mit Serbien.
Im Westen wurde dieses Vorgehen sofort als Anspruch diffamiert, ein „Großserbien“ schaffen zu wollen. Die verschiedenen jugoslawischen Bürgerkriege zwischen 1991 und 1999 können daher auch als einheitlicher Krieg gegen die Serben bzw. Serbien angesehen werden.
Die „westliche Wertegemeinschaft“ – wie sie sich so gern selbst bezeichnet – unterstützte mit politischen und militärischen Mitteln die sich für selbstständig erklärenden jugoslawischen Provinzen bei der Vertreibung ihrer nationalen Minderheiten. Sie hat sich damit der Beihilfe der ethnischen Säuberung schuldig gemacht. Selbst politische Kräfte wie die deutschen Grünen, die sich ansonsten vehement für multikulturelle Gesellschaften einsetzen, hatten damit kein Problem.
Der Westen nahm auch immer wieder Partei für ultranationalistische und sogar offen rechtsextreme Kräfte. Das gilt besonders für die kroatische HDZ und die albanische UÇK.
Westliche Medien und Politik ignorierten dabei stets deren Verbindungen mit faschistischen Kräften und die dort immer wieder beschworenen Traditionen, die auf die Kollaboration mit Hitlerdeutschland verweisen.
Jugoslawien und die Ukraine
In der westlichen Haltung gegenüber dem heutigen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine findet man all das wieder. Nachdem die Ukraine 2014 durch den Putsch auf dem Kiewer Maidan politisch aus dem Gleichgewicht zwischen West und Ost gebracht worden war, begann sich die russischsprachige Minderheit gegen die nun einsetzende politische und kulturelle Unterdrückung zu wehren.
Im Süden und Osten des Landes kam es zu Protesten, die bürgerkriegsähnliche Ausmaße annahmen. Im April 2014 gründeten sich die an Russland anlehnenden Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Die Parallelen mit der Serbischen autonomen Republik Krajina in Kroatien und der Republika Srpska [1] in Bosnien-Herzegowina sind offensichtlich.
So wie die beiden Gebiete in Jugoslawien nur von Serbien unterstützt wurden, so wurden die beiden Volksrepubliken nur von Russland anerkannt. Die Gründe, die zu ihrer Entstehung geführt hatten, die politische und gesellschaftliche Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung, interessierten im Westen jedoch kaum jemanden.
Versuche Deutschlands und Frankreichs im sogenannten Normandie-Format zu vermitteln, blieben erfolglos. Die Regierung in Kiew erfüllte die von ihr im Minsker-Abkommen abgegebenen Verpflichtungen nicht, sie weigerte sich sowohl diesen Gebieten eine gewisse Autonomie zuzugestehen, noch ließ sie dort Wahlen zu. Sie setzte stattdessen auf Rückeroberung.
Die ihr seit 2014 von den USA, aber auch von den Staaten der EU gelieferten Waffen ließ sie darauf vertrauen, die abtrünnigen Gebiete bald wieder eingliedern zu können. Es begann ein überaus blutiger Abnutzungskrieg der Ukraine gegen die beiden abtrünnigen Gebiete mit bisher mehr als 14.000 Toten.
So wie der Westen in den jugoslawischen Bürgerkriegen nie ein Problem darin sah, mit kroatischen, bosnisch-muslimischen und albanischen Ultranationalisten und Rechtsradikalen zu kooperieren, so hält er es heute mit solchen Kräften in der Ukraine.
Die Rolle des offen mit faschistischer Symbolik für sich werbenden Bataillons Asow bei der Verfolgung und Tötung Russischsprachiger wird verharmlost oder gleich ganz geleugnet. Ignoriert wird, dass der in Russland, aber auch in Polen und in Israel als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher geltende Stepan Bandera in der Ukraine ganz offiziell zum Nationalhelden erklärt wurde. Viele Straßen, Plätze und Gebäude sind nach ihm benannt, und die ukrainische Post ehrte ihn mit der Herausgabe einer Briefmarke mit seinem Konterfei.
Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ist jetzt allerdings ungewiss geworden, ob der Konflikt in der Ukraine auf ähnliche Weise zugunsten des Westens gelöst werden kann, wie es ihm seinerzeit in Jugoslawien gelang. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat diesen Unterschied am 8. März 2022 in einem Kommentar in aller Offenheit benannt:
„Serbien fiel man in den Arm, weil das ohne größere eigene Verluste möglich war. Das Land ließ sich vergleichsweise risikolos bombardieren. Mit Blick auf Russland liegt der Fall anders. Der Westen will durch Nichteinschreiten größere (eigene) Opfer vermeiden.“
Selten wurde so offen das Kalkül des Westens offengelegt.