USAID – Das humanitäre Gesicht kolonialer Ausbeutung

Die US-Behörde für internationale Entwicklung wurde 1961 durch eine Verfügung der Kennedy-Regierung mit dem erklärten Auftrag gegründet, humanitäre Hilfe und internationale Entwicklung im Ausland zu verwalten. Aber lassen Sie sich nicht täuschen: USAID dient als Werkzeug kapitalistischer und imperialistischer US-Interessen – die Behörde existiert einzig und allein, um das Geld und die Ressourcen des globalen Südens in die Taschen der US-Kapitalistenklasse zu lenken. USAID ist heute in 100 Ländern weltweit tätig, vor allem in Osteuropa, Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika, und verfügt über ein Jahresbudget von fast 30 Milliarden Dollar für seine globalen Entwicklungsprogramme.

Von Published On: 29. April 2023Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 15.02.2023 auf www.liberationnews.org unter der URL <https://www.liberationnews.org/usaid-the-humanitarian-face-of-colonial-exploitation/> veröffentlicht. Lizenz: Amanda Yee, Liberation News, CC BY-NC-ND 4.0

Vorstandsvorsitzender und CEO, Muhtar Kent, trifft sich mit der USAID-Familie zu einem intimen Gespräch mit Dr. Rajiv Shah über seinen Führungsansatz, seinen Glauben an die Macht des Geschäfts, unsere Welt durch Partnerschaften zum Besseren zu verändern und darüber, wie The Coca-Cola Company ihren Beitrag leistet, am 16.12.2014.
(Foto: USAID, Flickr, CC BY-NC 2.0)

Die Zusammenarbeit zwischen USAID und der Privatwirtschaft ist seit Gründung der Organisation immer enger geworden. In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens war USAID vor allem für die Entwicklung von Programmen und Infrastruktur in anderen Ländern zuständig, um ausländische Investitionen anzuziehen. Dies bedeutete „die Lockerung von Handelsbestimmungen, das Angebot von Kreditbürgschaften für Unternehmen, die Bereitstellung von Stipendien für Studenten zum Studium in den USA und die Schaffung landwirtschaftlicher Entwicklungsprogramme, die die Märkte armer Länder für große Agrarunternehmen öffneten“ [1].

Obwohl diese Programme den ausländischen Unternehmen zugutekamen, waren diese selbst nicht direkt an ihrer Umsetzung beteiligt.

Anfang der 2000er Jahre ging USAID mit Gründung der „Global Development Alliance“ jedoch zu einer direkteren Zusammenarbeit mit dem Privatsektor über.

In dieser Partnerschaft arbeiten „USAID und der Privatsektor […] zusammen, um marktorientierte Ansätze zur Lösung von Entwicklungsproblemen zu entwickeln und umzusetzen” [2].

In der Praxis bedeutet dies, dass USAID eng mit Unternehmen der Privatwirtschaft zusammenarbeitet und millionenschwere Aufträge an US-Konzerne wie Dupont, Johnson & Johnson, Microsoft und Coca-Cola vergibt, um „Entwicklungs“- und Hilfsprojekte im globalen Süden durchzuführen.

Dabei ist es das erklärte Ziel von USAID, neue Geschäftsmöglichkeiten für US-Firmen zu schaffen, auch wenn es dies hinter unangreifbaren Formulierungen wie „Nothilfe” oder „Entwicklungshilfe” verbirgt.

USAID-Botschafter Mark Green erklärte in der „Private Sector Engagement Policy” der Organisation:

„Unternehmensgestützte Entwicklung bedeutet einen Zusammenschluss mit privaten Unternehmen als Mitgestaltern marktorientierter Lösungen, mit geteiltem Risiko und geteiltem Nutzen. Es bedeutet, den Wert der Beteiligung des Privatsektors bei Entwicklung und humanitärer Hilfe zu erkennen, um Lösungen zu gestalten, die eine nachhaltige Wirkung erzielen und noch lange nach dem Ende der Unterstützung durch USAID fortbestehen können, und unsere Investitionen neu auszurichten, um Märkte für US-Firmen zu öffnen … Letztendlich wird uns unsere verstärkte Zusammenarbeit mit dem Privatsektor in allen Bereichen unserer Arbeit zu besseren Entwicklungs- und humanitären Fachleuten machen, uns unserem Ziel näher bringen, die Notwendigkeit ausländischer Hilfe zu beenden, und mehr Möglichkeiten für amerikanische Unternehmen bieten.“ [3]

Als Instrument der US-Konzerninteressen und des US-Imperialismus im Allgemeinen besteht das Ziel von USAID darin, neue Märkte zu erschließen und Profite für westliche Unternehmen zu erzielen, und zwar auf zwei verschiedenen Wegen. Der erste Weg ist die Vergabe von Aufträgen für humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit, oft nach Naturkatastrophen, um diese Länder für ausländisches Kapital zu öffnen und die US-Kapitalistenklasse auf Kosten der lokalen Wirtschaft zu bereichern. Tatsächlich gehen 80 % aller USAID-Mittel allein an 75 Organisationen [4], während nur 6 % direkt an die Empfängerländer gehen [5].

Auf dem zweiten Weg werden Auftragnehmer für die Durchführung von Programmen zur „Demokratieförderung” angeworben, die die außenpolitischen Ziele der USA vorantreiben sollen. Oft geht es dabei um die Beeinflussung der Zivilgesellschaft durch Schulungsprogramme und Seminare oder um die Unterstützung lokaler Bewegungen, um Regierungen zu unterwandern, die sich der US-Hegemonie widersetzen. Das Ziel ist es, eine solche Regierung zu stürzen und durch eine zu ersetzen, die sich der westlichen kapitalistischen Durchdringung und den Forderungen der US-Außenpolitik stärker unterwirft.

In diesem Artikel untersuchen wir vier Beispiele von USAID-Projekten aus den letzten zwei Jahrzehnten. Die ersten beiden, Irak und Haiti, zeigen USAIDs Strategie des Katastrophenkapitalismus, der darin besteht, Aufträge an den privaten Sektor zu vergeben unter dem Deckmantel des Wiederaufbaus und der Sanierung – in beiden Ländern mit katastrophalen Ergebnissen. Die letzten beiden, Bolivien und Kuba, veranschaulichen die USAID-Strategie der „Demokratieförderung“, die darauf abzielt, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu manipulieren und gegen die Regierung zu lenken, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Außerdem ist anzumerken, dass es im Irak und in Haiti ebenfalls USAID-Programme zur „Demokratieförderung“ gibt. Diese beiden Länder dienen hier aber gleichzeitig als Beispiele für die Taktik der Organisation, Naturkatastrophen in unterentwickelten Ländern auszunutzen, um unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe Gewinne für US-Konzerne zu ermöglichen.

Haitische Bürger gehen durch die überfluteten Straßen von Port-au-Prince, Haiti, nachdem der Hurrikan Tomas das Land getroffen hat. Marines flogen über haitianischem Boden, um die Folgen des Hurrikans in Vorbereitung auf vorläufige Katastrophenhilfemaßnahmen in der Region zur Unterstützung der Regierung von Haiti, MINUSTAH und USAID zu beurteilen, 6.11.2010.
(Foto: DVIDSHUB, Flickr, CC BY 2.0)

Irak

Noch vor Beginn des US-Kriegs gegen den Irak 2003 hatte USAID bereits damit begonnen, Angebote von Unternehmen für den Wiederaufbau der Infrastruktur des Landes nach dem Krieg einzuholen. Eine der Firmen, die sich um den Auftrag bewarben, war Bechtel, ein Bauunternehmen aus San Francisco. Der Senior Vice President von Bechtel, Jack Sheehan, sah darin eine lukrative Geschäftsmöglichkeit und nutzte seinen Sitz im Defense Policy Board, um das Pentagon zum Einmarsch in den Irak zu bewegen. Gleichzeitig warb er öffentlich um Unterstützung für den Krieg. [6] Darüber hinaus hatten das Unternehmen und seine Angestellten zwischen 1999 und 2002 insgesamt 1,3 Millionen Dollar an Kandidaten auf Bundesebene gespendet [7], um dadurch sicherzustellen, dass die Abgeordneten im Sinne ihrer Geschäftsinteressen von vornherein für den Krieg stimmen würden.

Bechtels Hinterzimmer-Aktivitäten zahlten sich aus: nach der Invasion erteilte USAID dem Unternehmen Aufträge im Wert von 1,8 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau der irakischen Abwassersysteme, Stromnetze, kommunalen Wassersysteme und weiterer Infrastruktur. Die Ergebnisse waren absehbar katastrophal: Bechtel, in erster Linie vom Profit und nicht von den Interessen der Iraker getrieben, wurde für Missmanagement, schlechte Leistungen und die Nichtbeendigung wichtiger Aufträge kritisiert. [8] Darunter war ein Kinderkrankenhaus in Basra, dessen Aufbau ein Jahr hinter dem Zeitplan zurücklag.

Bechtel hatte über eine Milliarde Dollar Steuergelder eingesackt, verließ schließlich den Irak und hatte dabei nicht einmal die Hälfte seiner Bauprojekte abgeschlossen.

Die Bush-Regierung plante, den Irak nach dem Sturz Saddam Husseins in eine „freie Marktwirtschaft” zu verwandeln. Zur Entwicklung eines Plans zur Massenprivatisierung sämtlicher staatlichen irakischen Industrie [9] – vor allem des Ölsektors – vergab USAID auch einen 9-Millionen-Dollar-Vertrag an die in Virginia ansässige Beratungsfirma BearingPoint, Inc. Bald darauf wurde das irakische Öl, das früher einmal vollständig verstaatlicht war, unter internationalen Konzernen aufgeteilt.

Haiti

Am 12. Januar 2010 wurde Haiti von einem Erdbeben der Stärke 7,0 erschüttert, bei dem 220.000 Menschen starben, weitere 300.000 verletzt und 1,5 Millionen obdachlos wurden. Nach der Katastrophe stellten die Vereinigten Staaten 1,6 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau in Haiti bereit, von denen 651 Millionen Dollar an USAID gingen. [10] Anstatt haitianische Bauunternehmen zu beauftragen, vergab USAID die Wiederaufbauprojekte an internationale Firmen. So erhielt beispielsweise die in Minnesota ansässige Baufirma THOR Aufträge im Wert von 18 Millionen Dollar und die in Mexiko ansässige Firma CEMEX Aufträge über 7 Millionen Dollar.

Die Tragödie des Erdbebens – US-Botschafter Kenneth Merten hatte dieses in einem durchgesickerten Wikileaks-Memo vom 1. Februar 2010 als „Goldrausch“ [11] beschrieben – war ein wahrer Segen für internationale Unternehmen: Von jedem Dollar, den USAID ausgab, ging weniger als ein Cent direkt an haitianische Organisationen, Unternehmen oder die haitianische Regierung. [12]

Der mit Abstand größte Nutznießer der USAID-Mittel für Haiti war jedoch das in Washington D.C. ansässige Unternehmen Chemonics International, das über 200 Millionen Dollar für die Durchführung von insgesamt 141 Projekten erhielt. Tatsächlich vergab USAID nach dem Erdbeben mehr Geld an Chemonics als an die gesamte haitianische Regierung. [13]

Und genau wie im Irak lieferten diese ausländischen Unternehmen kaum die gewünschten Ergebnisse: Eine bei Chemonics durchgeführte Untersuchung ergab, dass das Unternehmen tendenziell seine Aufträge nicht zu Ende führte, eigene Projekte nach willkürlichen Kriterien, die nichts mit dem Projekt zu tun hatten, bewertete und es versäumte, Zeitvorgaben festzulegen. Dadurch blieben manche Projekte hinter dem Zeitplan zurück. [14] So wurde Chemonics mit dem Bau des neuen haitianischen Parlamentsgebäudes beauftragt. [15] Aber was gebaut wurde, war halbfertig und unbrauchbar: Das Unternehmen errichtete nur den Rohbau des Gebäudes – nicht einmal Innenwände zur Unterteilung der Büroräume, geschweige denn die Gebäudeeinrichtungen. So war die haitianische Regierung gezwungen, das Projekt selbst für 775.000 Dollar aus der Staatskasse fertigzustellen. Trotz dieser katastrophalen Ergebnisse ist Chemonics bis heute der wichtigste Auftragnehmer von USAID – allein im Jahr 2021 erhielt das Bauunternehmen Aufträge im Wert von 506,4 Millionen Dollar [16].

Ein weiteres USAID-Projekt nach dem Erdbeben war ein „New Settlement Program“ zum Bau von über 15.000 Häusern in Caracol.

Aufgrund von Missmanagement und unsachgemäßer Planung musste die Zahl der gebauten Häuser drastisch reduziert werden auf 2.649. [17] Dies war zum großen Teil auf die ausufernden Kosten zurückzuführen, die durch die Vergabe der Arbeiten an ausländische Firmen und den Import von Materialien entstanden, und die die ursprünglich veranschlagten Projekt-Kosten von 55 auf 90 Millionen Dollar ansteigen ließen [18]. Viele der gebauten Häuser waren von mangelhafter Qualität. Oft „fehlten Dachbefestigungen, Dachmaterial und Betonverstärkungen waren von minderer Qualität und es gab weitere bauliche und abwassertechnische Probleme“ [19]. Aufgrund der mangelhaften Arbeit der ersten Auftragnehmer musste USAID in aller Stille einen weiteren Auftrag über 4,5 Millionen Dollar an das US-amerikanische Beratungs- und Ingenieurbüro Tetra Tech vergeben, das einen Plan zur Reparatur der Häuser in Caracol erstellen sollte.

(Screenshot: Haitian Times, 9.10.2014)

Bolivien

Programme zur „Demokratieförderung” in Bolivien reichen bis in die Mitte der 1990er Jahre zurück. Dabei wurde in Initiativen zur „Dezentralisierung” und „regionalen Autonomie” investiert. Von 1996 bis 2003 beauftragte USAID Chemonics International mit der Durchführung eines Programms zur „Demokratischen Entwicklung und Bürgerbeteiligung” in Bolivien im Wert von 15 Millionen Dollar. Ziel dieses Projekts war es, die damalige Regierung und ihre staatlichen Institutionen zu unterstützen und Vertrauen zu schaffen. Damit sollte wiederum die wachsende Unterstützung für die Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) untergraben und ihre Basis entradikalisiert werden. Diese bestand aus indigenen Bauern und Landarbeitern, die sich gegen Ausbeutung und den Abbau der bolivianischen Ressourcen durch internationale Konzerne wehrten.

Wie Neil Burron erklärt:

„Chemonics war insbesondere darauf bedacht, den Dezentralisierungsplan als wichtig für das effektive Funktionieren der Demokratie erscheinen zu lassen, eine Sorge, die auch mit der Bedrohung durch systemfeindliche Kräfte [d.h. die MAS] zusammenhing.

In einem Bericht wurde davor gewarnt, die Kommunalwahlen 2004 könnten der MAS Gelegenheit bieten, ,das System´ grundsätzlich zu kritisieren. Man hoffte, dass effizientere Bürgermeister und Ratsmitglieder eingesetzt würden, die das Vertrauen in die demokratischen Institutionen Boliviens wiederherstellen (Chemonics International, 2003: 75). USAID versuchte auch, die MAS-Hochburgen in den Kokaanbaugebieten der Yungas und Chapare zu gewinnen, indem es die Gemeinden in die nationale Bewegung einbezog und ihre Fähigkeit zur Bereitstellung von Dienstleistungen und zur Konfliktlösung ausbaute (USAID-Bolivien, 2003: 8).” [20]

Im Jahr 2004 richtete USAID in Bolivien ein Büro für Übergangsinitiativen (Office for Transition Initiatives, OTI) ein. Offiziell wird es als Büro von USAID bezeichnet, das „mit lokalen Partnern zusammenarbeitet, um wichtige politische Themen wie Konflikte, demokratische Rückschritte, Terrorismusprävention und Stabilisierung anzugehen”. In der Praxis fungiert OTI als US-Geheimdienst im Ausland und leitet Millionen von Dollar an NGOs und Oppositionsparteien weiter, die mit den politischen Interessen der USA übereinstimmen. [21] Das Büro beauftragte die in Virginia ansässige Beratungsfirma Casals & Associates mit der Koordinierung einer Reihe von Workshops und Seminaren, um die Opposition gegen den MAS-Präsidentschaftskandidaten Evo Morales von 2005 aufzubauen.

Nach der Wahl von Morales verlagerte OTI den Schwerpunkt auf die Finanzierung und Unterstützung separatistischer Bewegungen im Osten Boliviens, um eine Bewegung zur Destabilisierung der neu gewählten Regierung aufzubauen. Ziel von OTI war es, Bolivien in zwei Staaten aufzuspalten: einen, der von der indigenen Mehrheit regiert wird, und einen zweiten in den ressourcenreichen Gebieten im Osten, die die Hochburg der europäischstämmigen Eliten sind, und in denen – was nicht überrascht – die separatistischen Gruppierungen ihren Sitz haben. [22]

2013 verwies Morales USAID aus Bolivien nach Jahren dieser Subversion.

Kuba

USAID hat die in Washington D.C. ansässige internationale Entwicklungsfirma Creative Associates International mit mindestens drei Projekten zur „Demokratieförderung” beauftragt. Diese zielen darauf ab, konterrevolutionäre Kräfte in Kuba zu schüren in der Hoffnung, sie gegen die sozialistische kubanische Regierung mobilisieren zu können.

2009 startete USAID ein zweijähriges Programm. Dabei beauftragte Creative Associates einen serbischen Musikproduzenten, regimekritische kubanische Musiker zu rekrutieren, um die Untergrundmusikszene zu infiltrieren. Die Produzenten sollten Musikfestivals organisieren sowie versuchen, andere Musikfestivals zu infiltrieren. Anfänglich war die Initiative rein kultureller Natur, doch mit der Zeit wurden immer mehr politische und regierungsfeindliche Botschaften mit de r Musik verpackt.

Die Vertragspartner kontaktierten kubanische Musiker mit dem Versprechen, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und eine Bewegung von Fans anzustacheln, die die Regierung provozieren sollten. Letztendlich entdeckte die kubanische Regierung das Programm und beendete es.

2010 ging USAID erneut eine Partnerschaft mit Creative Associates ein. Mit „ZunZuneo“ sollte eine Textnachrichten- und Microblogging-Plattform für Handys, ähnlich wie Twitter, entwickelt werden. Inspiriert von den Protesten des Arabischen Frühlings hofften die Koordinatoren des Programms, den Unmut unter der kubanischen Jugend gegen die Regierung zu schüren – und diese Revolte zu einem „kubanischen Frühling” kanalisieren zu können. Die Plattform sammelte Daten ihrer Nutzer – Alter, Geschlecht, politische Tendenzen – mit der Absicht, sie für politische Zwecke zu nutzen. Und wie schon bei der Operation in der Untergrundmusikszene plante die US-Regierung, die Plattform zunächst mit unpolitischen, „nicht kontroversen” kulturellen Inhalten [23] wachsen zu lassen: Sportnachrichten, Musik, Wetter usw. Mit der Zeit, so hofften die Betreiber, könnten sie zunehmend politische und schließlich regierungsfeindliche Inhalte einführen, so dass auf der ganzen Insel Massenproteste gegen die kubanische Regierung ausbrechen würden.

Die Finanzierung von „ZunZuneo“ lief 2012 aus und die Seite wurde geschlossen.

Schließlich entwickelten USAID und Creative Associates von Oktober 2009 bis September 2012 ein zivilgesellschaftliches Projekt, bei dem sie Jugendliche aus Venezuela, Costa Rica und Peru nach Kuba schickten. Für nur 5,41 Dollar pro Stunde [24] sollten diese, als Touristen getarnt, kubanische Bürger rekrutieren, um sie dann zu politischen Aktivisten ausbilden zu können. Oftmals wurden diese Rekrutierer auf Universitätsgelände geschickt, um politische Dissidenten zu finden und anzuwerben. In einem anderen Fall ging das Programm sogar so weit, eigens für seine Zwecke eine Klinik zur HIV-Prävention einzurichten. Im Projekt unternahmen alle große Anstrengungen, die Aktivitäten zu verbergen. Die verdeckten Agenten wurden angewiesen, verschlüsselt zu kommunizieren. So bedeutete beispielsweise „Ich habe Kopfschmerzen”, dass sie vermuteten, von den kubanischen Behörden überwacht zu werden; „deine Schwester ist krank” war dagegen ein Code, um die Reise abzubrechen. [25]

Ende 2010 beendeten USAID und Creative Associates das Reiseprogramm und entschieden sich für einen Strategiewechsel: Anstatt Jugendliche zu Rekrutierungszwecken nach Kuba zu schicken, konzentrierten sie sich auf die Beschaffung von Ausreisevisa für politische Aktivisten und deren Ausbildung in den Vereinigten Staaten.

(Screenshot: america21, 19.12.2014)

Ein Instrument des Kolonialismus und Kapitalismus

Ob durch Hilfe in Notlagen oder durch die Förderung der „Demokratie” im globalen Süden, die wirtschaftlichen Ziele von USAID bleiben klar: auf Kosten der lokalen Bevölkerung neue Märkte für das internationale Kapital zu schaffen. Oder im Rahmen einer längerfristigen Strategie ein Regime zu installieren, das den Launen des internationalen Kapitals und den politischen Zielen der USA gehorcht. Auf diese Weise dient USAID als das humanitäre Gesicht der kolonialen Ausbeutung.

Quellen:

[1] Current Affairs Magazin, Saheli Khastagir „Aid for Profit: The Dark History of USAID”, am 10.03.2021: USAID (United States Agency for International Development) Behörde „Global Development Alliances”, Datum unbekant: <https://www.currentaffairs.org/2021/03/aid-for-profit-the-dark-history-of-usaid>
[2] USAID „Private-Sector Engagement Policy”, Datum unbekannt: <https://www.usaid.gov/partner-with-us/private-sector-engagement/gda>
[3] USAID „Administrator Samantha Power On A New Vision for Global Development”, am 4.11.2021: <https://www.usaid.gov/sites/default/files/2022-05/usaid_psepolicy_final.pdf>
[4] Unlock Aid globale Organisation, Homepage: <https://unlockaid.org/>
[5] USAID <https://www.usaid.gov/news-information/speeches/nov-04-2021-administrator-samantha-power-new-vision-global-development>
[6] Center for Public Integrity (CPI) Non-Profit-Organisation, André Verlöy und Daniel Politi „Advisors of influence: Nine members of the Defense Policy Board have ties to defense contractors”, am 28.3.2003: <https://publicintegrity.org/national-security/advisors-of-influence-nine-members-of-the-defense-policy-board-have-ties-to-defense-contractors/>
[7] PBS NewsHour Nachrichtensendung, Red. „Bechtel Awarded First Major Contract to Rebuild Iraq”, am 28.4.2003: <https://www.pbs.org/newshour/economy/business-jan-june03-bechtel_04-18>
[8] NBC News, Andy Mosher und Griff Witte „Rebuilding Iraq an unfinished job”, am 2.8.2006: <https://www.nbcnews.com/id/wbna14142569>
[9] ReliefWeb Informationsportal, Nachrichten und Pressemitteilung „USAID awards contract for economic recovery, reform and sustained growth in Iraq”, am 25.3.2003: <https://reliefweb.int/report/iraq/usaid-awards-contract-economic-recovery-reform-and-sustained-growth-iraq>
[10] Reuters, Reuters Mitarbeiter „U.S. program to build houses in Haiti falls short, report finds”, am 25.6.2016: <https://www.reuters.com/article/us-usa-haiti-earthquake/u-s-program-to-build-houses-in-haiti-falls-short-report-finds-idUSBRE95O1GV20130625>
[11] Wikileaks „TFHA01: EMBASSY PORT AU PRINCE EARTHQUAKE SITREP AS OF 1800″, am 1.2.2010: <https://wikileaks.org/plusd/cables/10PORTAUPRINCE110_a.html>
[12] Non Profit News (NPQ), Rick Cohen „HBO to Air VICE’s “Haitian Money Pit” Tonight, and It Is Worth Watching”, am 24.4.2015: <https://nonprofitquarterly.org/hbo-to-air-vice-s-haitian-money-pit-tonight-and-it-is-worth-watching/>
[13] Boston Review Magazin, Jake Johnston „Outsourcing Haiti – How disaster relief became a disaster of its own”, am 16.1.2014: <https://www.bostonreview.net/articles/jake-johnston-haiti-earthquake-aid-caracol/>
[14] <https://theworld.org/stories/2012-10-05/usaid-contractor-chemonics-cited-numerous-mistakes-haiti>
[15] The World Magazin, Jacob Kushner „Four months and $2M US tax dollars later, Haiti’s new Parliament building sits unfinished”, am 19.3.2012: <https://theworld.org/dispatch/news/regions/americas/haiti/120318/haiti-parliament-USAID-unfinished-unused>
[16] DevelopmentAid Anbieter von Informationsdiensten, Ion Ilasco „Top six USAID contractors in 2021″, am 12.4.2022: <https://www.developmentaid.org/news-stream/post/141002/top-usaid-contractors-for-2021>
[17] Reuters, Reuters Mitarbeiter „U.S. program to build houses in Haiti falls short, report finds”, am 25.6.2013: <https://www.reuters.com/article/us-usa-haiti-earthquake/u-s-program-to-build-houses-in-haiti-falls-short-report-finds-idUSBRE95O1GV20130625>
[18] The Nation Wochenzeitschrift, Jake Johnston „Is USAID Helping Haiti to Recover, or US Contractors to Make Millions?”, am 21.1.2015: <https://www.thenation.com/article/archive/usaid-helping-haiti-recover-or-us-contractors-make-millions/>
[19] The Haitian Times Zeitung, Red. „Haiti: USAID Houses Found to be of Poor Quality, Will Cost Millions to Repair”, am 9.12.2014: <https://haitiantimes.com/2014/12/09/haiti-usaid-houses-found-to-be-of-poor-quality-will-cost-millions-to-repair/>
[20] JSTOR Online-Archiv, Neil Burron „Unpacking U.S. Democracy Promotion in Bolivia: From Soft Tactics to Regime Change”, im Januar 2012: <https://www.jstor.org/stable/23238971>
[21] North American Congress in Latin America (NACLA), Eva Golinger „USAID’s Silent Invasion in Bolivia”, am 20.5.2009: <https://nacla.org/news/usaids-silent-invasion-bolivia>
[22] North American Congress in Latin America (NACLA), Eva Golinger „USAID’s Silent Invasion in Bolivia”, am 20.5.2009: <https://nacla.org/news/usaids-silent-invasion-bolivia>
[23] The Guardian Tageszeitung, Associated Press in Washington „US secretly created ‘Cuban Twitter’ to stir unrest and undermine government”, am 3.4.2014: <https://www.theguardian.com/world/2014/apr/03/us-cuban-twitter-zunzuneo-stir-unrest>
[24] Politico Tageszeitung, Associated Press „U.S. sent youth undercover in Cuba”, am 4.8.2014: <https://www.politico.com/story/2014/08/youth-undercover-cuba-usaid-109684>
[25] Politico Tageszeitung, Associated Press „Undercover Cuba program assailed”, am 4.8.2014: <https://www.politico.com/story/2014/08/undercover-cuba-program-109713>

USAID – Das humanitäre Gesicht kolonialer Ausbeutung

Die US-Behörde für internationale Entwicklung wurde 1961 durch eine Verfügung der Kennedy-Regierung mit dem erklärten Auftrag gegründet, humanitäre Hilfe und internationale Entwicklung im Ausland zu verwalten. Aber lassen Sie sich nicht täuschen: USAID dient als Werkzeug kapitalistischer und imperialistischer US-Interessen – die Behörde existiert einzig und allein, um das Geld und die Ressourcen des globalen Südens in die Taschen der US-Kapitalistenklasse zu lenken. USAID ist heute in 100 Ländern weltweit tätig, vor allem in Osteuropa, Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika, und verfügt über ein Jahresbudget von fast 30 Milliarden Dollar für seine globalen Entwicklungsprogramme.

Von Published On: 29. April 2023Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 15.02.2023 auf www.liberationnews.org unter der URL <https://www.liberationnews.org/usaid-the-humanitarian-face-of-colonial-exploitation/> veröffentlicht. Lizenz: Amanda Yee, Liberation News, CC BY-NC-ND 4.0

Vorstandsvorsitzender und CEO, Muhtar Kent, trifft sich mit der USAID-Familie zu einem intimen Gespräch mit Dr. Rajiv Shah über seinen Führungsansatz, seinen Glauben an die Macht des Geschäfts, unsere Welt durch Partnerschaften zum Besseren zu verändern und darüber, wie The Coca-Cola Company ihren Beitrag leistet, am 16.12.2014.
(Foto: USAID, Flickr, CC BY-NC 2.0)

Die Zusammenarbeit zwischen USAID und der Privatwirtschaft ist seit Gründung der Organisation immer enger geworden. In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens war USAID vor allem für die Entwicklung von Programmen und Infrastruktur in anderen Ländern zuständig, um ausländische Investitionen anzuziehen. Dies bedeutete „die Lockerung von Handelsbestimmungen, das Angebot von Kreditbürgschaften für Unternehmen, die Bereitstellung von Stipendien für Studenten zum Studium in den USA und die Schaffung landwirtschaftlicher Entwicklungsprogramme, die die Märkte armer Länder für große Agrarunternehmen öffneten“ [1].

Obwohl diese Programme den ausländischen Unternehmen zugutekamen, waren diese selbst nicht direkt an ihrer Umsetzung beteiligt.

Anfang der 2000er Jahre ging USAID mit Gründung der „Global Development Alliance“ jedoch zu einer direkteren Zusammenarbeit mit dem Privatsektor über.

In dieser Partnerschaft arbeiten „USAID und der Privatsektor […] zusammen, um marktorientierte Ansätze zur Lösung von Entwicklungsproblemen zu entwickeln und umzusetzen” [2].

In der Praxis bedeutet dies, dass USAID eng mit Unternehmen der Privatwirtschaft zusammenarbeitet und millionenschwere Aufträge an US-Konzerne wie Dupont, Johnson & Johnson, Microsoft und Coca-Cola vergibt, um „Entwicklungs“- und Hilfsprojekte im globalen Süden durchzuführen.

Dabei ist es das erklärte Ziel von USAID, neue Geschäftsmöglichkeiten für US-Firmen zu schaffen, auch wenn es dies hinter unangreifbaren Formulierungen wie „Nothilfe” oder „Entwicklungshilfe” verbirgt.

USAID-Botschafter Mark Green erklärte in der „Private Sector Engagement Policy” der Organisation:

„Unternehmensgestützte Entwicklung bedeutet einen Zusammenschluss mit privaten Unternehmen als Mitgestaltern marktorientierter Lösungen, mit geteiltem Risiko und geteiltem Nutzen. Es bedeutet, den Wert der Beteiligung des Privatsektors bei Entwicklung und humanitärer Hilfe zu erkennen, um Lösungen zu gestalten, die eine nachhaltige Wirkung erzielen und noch lange nach dem Ende der Unterstützung durch USAID fortbestehen können, und unsere Investitionen neu auszurichten, um Märkte für US-Firmen zu öffnen … Letztendlich wird uns unsere verstärkte Zusammenarbeit mit dem Privatsektor in allen Bereichen unserer Arbeit zu besseren Entwicklungs- und humanitären Fachleuten machen, uns unserem Ziel näher bringen, die Notwendigkeit ausländischer Hilfe zu beenden, und mehr Möglichkeiten für amerikanische Unternehmen bieten.“ [3]

Als Instrument der US-Konzerninteressen und des US-Imperialismus im Allgemeinen besteht das Ziel von USAID darin, neue Märkte zu erschließen und Profite für westliche Unternehmen zu erzielen, und zwar auf zwei verschiedenen Wegen. Der erste Weg ist die Vergabe von Aufträgen für humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit, oft nach Naturkatastrophen, um diese Länder für ausländisches Kapital zu öffnen und die US-Kapitalistenklasse auf Kosten der lokalen Wirtschaft zu bereichern. Tatsächlich gehen 80 % aller USAID-Mittel allein an 75 Organisationen [4], während nur 6 % direkt an die Empfängerländer gehen [5].

Auf dem zweiten Weg werden Auftragnehmer für die Durchführung von Programmen zur „Demokratieförderung” angeworben, die die außenpolitischen Ziele der USA vorantreiben sollen. Oft geht es dabei um die Beeinflussung der Zivilgesellschaft durch Schulungsprogramme und Seminare oder um die Unterstützung lokaler Bewegungen, um Regierungen zu unterwandern, die sich der US-Hegemonie widersetzen. Das Ziel ist es, eine solche Regierung zu stürzen und durch eine zu ersetzen, die sich der westlichen kapitalistischen Durchdringung und den Forderungen der US-Außenpolitik stärker unterwirft.

In diesem Artikel untersuchen wir vier Beispiele von USAID-Projekten aus den letzten zwei Jahrzehnten. Die ersten beiden, Irak und Haiti, zeigen USAIDs Strategie des Katastrophenkapitalismus, der darin besteht, Aufträge an den privaten Sektor zu vergeben unter dem Deckmantel des Wiederaufbaus und der Sanierung – in beiden Ländern mit katastrophalen Ergebnissen. Die letzten beiden, Bolivien und Kuba, veranschaulichen die USAID-Strategie der „Demokratieförderung“, die darauf abzielt, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu manipulieren und gegen die Regierung zu lenken, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Außerdem ist anzumerken, dass es im Irak und in Haiti ebenfalls USAID-Programme zur „Demokratieförderung“ gibt. Diese beiden Länder dienen hier aber gleichzeitig als Beispiele für die Taktik der Organisation, Naturkatastrophen in unterentwickelten Ländern auszunutzen, um unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe Gewinne für US-Konzerne zu ermöglichen.

Haitische Bürger gehen durch die überfluteten Straßen von Port-au-Prince, Haiti, nachdem der Hurrikan Tomas das Land getroffen hat. Marines flogen über haitianischem Boden, um die Folgen des Hurrikans in Vorbereitung auf vorläufige Katastrophenhilfemaßnahmen in der Region zur Unterstützung der Regierung von Haiti, MINUSTAH und USAID zu beurteilen, 6.11.2010.
(Foto: DVIDSHUB, Flickr, CC BY 2.0)

Irak

Noch vor Beginn des US-Kriegs gegen den Irak 2003 hatte USAID bereits damit begonnen, Angebote von Unternehmen für den Wiederaufbau der Infrastruktur des Landes nach dem Krieg einzuholen. Eine der Firmen, die sich um den Auftrag bewarben, war Bechtel, ein Bauunternehmen aus San Francisco. Der Senior Vice President von Bechtel, Jack Sheehan, sah darin eine lukrative Geschäftsmöglichkeit und nutzte seinen Sitz im Defense Policy Board, um das Pentagon zum Einmarsch in den Irak zu bewegen. Gleichzeitig warb er öffentlich um Unterstützung für den Krieg. [6] Darüber hinaus hatten das Unternehmen und seine Angestellten zwischen 1999 und 2002 insgesamt 1,3 Millionen Dollar an Kandidaten auf Bundesebene gespendet [7], um dadurch sicherzustellen, dass die Abgeordneten im Sinne ihrer Geschäftsinteressen von vornherein für den Krieg stimmen würden.

Bechtels Hinterzimmer-Aktivitäten zahlten sich aus: nach der Invasion erteilte USAID dem Unternehmen Aufträge im Wert von 1,8 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau der irakischen Abwassersysteme, Stromnetze, kommunalen Wassersysteme und weiterer Infrastruktur. Die Ergebnisse waren absehbar katastrophal: Bechtel, in erster Linie vom Profit und nicht von den Interessen der Iraker getrieben, wurde für Missmanagement, schlechte Leistungen und die Nichtbeendigung wichtiger Aufträge kritisiert. [8] Darunter war ein Kinderkrankenhaus in Basra, dessen Aufbau ein Jahr hinter dem Zeitplan zurücklag.

Bechtel hatte über eine Milliarde Dollar Steuergelder eingesackt, verließ schließlich den Irak und hatte dabei nicht einmal die Hälfte seiner Bauprojekte abgeschlossen.

Die Bush-Regierung plante, den Irak nach dem Sturz Saddam Husseins in eine „freie Marktwirtschaft” zu verwandeln. Zur Entwicklung eines Plans zur Massenprivatisierung sämtlicher staatlichen irakischen Industrie [9] – vor allem des Ölsektors – vergab USAID auch einen 9-Millionen-Dollar-Vertrag an die in Virginia ansässige Beratungsfirma BearingPoint, Inc. Bald darauf wurde das irakische Öl, das früher einmal vollständig verstaatlicht war, unter internationalen Konzernen aufgeteilt.

Haiti

Am 12. Januar 2010 wurde Haiti von einem Erdbeben der Stärke 7,0 erschüttert, bei dem 220.000 Menschen starben, weitere 300.000 verletzt und 1,5 Millionen obdachlos wurden. Nach der Katastrophe stellten die Vereinigten Staaten 1,6 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau in Haiti bereit, von denen 651 Millionen Dollar an USAID gingen. [10] Anstatt haitianische Bauunternehmen zu beauftragen, vergab USAID die Wiederaufbauprojekte an internationale Firmen. So erhielt beispielsweise die in Minnesota ansässige Baufirma THOR Aufträge im Wert von 18 Millionen Dollar und die in Mexiko ansässige Firma CEMEX Aufträge über 7 Millionen Dollar.

Die Tragödie des Erdbebens – US-Botschafter Kenneth Merten hatte dieses in einem durchgesickerten Wikileaks-Memo vom 1. Februar 2010 als „Goldrausch“ [11] beschrieben – war ein wahrer Segen für internationale Unternehmen: Von jedem Dollar, den USAID ausgab, ging weniger als ein Cent direkt an haitianische Organisationen, Unternehmen oder die haitianische Regierung. [12]

Der mit Abstand größte Nutznießer der USAID-Mittel für Haiti war jedoch das in Washington D.C. ansässige Unternehmen Chemonics International, das über 200 Millionen Dollar für die Durchführung von insgesamt 141 Projekten erhielt. Tatsächlich vergab USAID nach dem Erdbeben mehr Geld an Chemonics als an die gesamte haitianische Regierung. [13]

Und genau wie im Irak lieferten diese ausländischen Unternehmen kaum die gewünschten Ergebnisse: Eine bei Chemonics durchgeführte Untersuchung ergab, dass das Unternehmen tendenziell seine Aufträge nicht zu Ende führte, eigene Projekte nach willkürlichen Kriterien, die nichts mit dem Projekt zu tun hatten, bewertete und es versäumte, Zeitvorgaben festzulegen. Dadurch blieben manche Projekte hinter dem Zeitplan zurück. [14] So wurde Chemonics mit dem Bau des neuen haitianischen Parlamentsgebäudes beauftragt. [15] Aber was gebaut wurde, war halbfertig und unbrauchbar: Das Unternehmen errichtete nur den Rohbau des Gebäudes – nicht einmal Innenwände zur Unterteilung der Büroräume, geschweige denn die Gebäudeeinrichtungen. So war die haitianische Regierung gezwungen, das Projekt selbst für 775.000 Dollar aus der Staatskasse fertigzustellen. Trotz dieser katastrophalen Ergebnisse ist Chemonics bis heute der wichtigste Auftragnehmer von USAID – allein im Jahr 2021 erhielt das Bauunternehmen Aufträge im Wert von 506,4 Millionen Dollar [16].

Ein weiteres USAID-Projekt nach dem Erdbeben war ein „New Settlement Program“ zum Bau von über 15.000 Häusern in Caracol.

Aufgrund von Missmanagement und unsachgemäßer Planung musste die Zahl der gebauten Häuser drastisch reduziert werden auf 2.649. [17] Dies war zum großen Teil auf die ausufernden Kosten zurückzuführen, die durch die Vergabe der Arbeiten an ausländische Firmen und den Import von Materialien entstanden, und die die ursprünglich veranschlagten Projekt-Kosten von 55 auf 90 Millionen Dollar ansteigen ließen [18]. Viele der gebauten Häuser waren von mangelhafter Qualität. Oft „fehlten Dachbefestigungen, Dachmaterial und Betonverstärkungen waren von minderer Qualität und es gab weitere bauliche und abwassertechnische Probleme“ [19]. Aufgrund der mangelhaften Arbeit der ersten Auftragnehmer musste USAID in aller Stille einen weiteren Auftrag über 4,5 Millionen Dollar an das US-amerikanische Beratungs- und Ingenieurbüro Tetra Tech vergeben, das einen Plan zur Reparatur der Häuser in Caracol erstellen sollte.

(Screenshot: Haitian Times, 9.10.2014)

Bolivien

Programme zur „Demokratieförderung” in Bolivien reichen bis in die Mitte der 1990er Jahre zurück. Dabei wurde in Initiativen zur „Dezentralisierung” und „regionalen Autonomie” investiert. Von 1996 bis 2003 beauftragte USAID Chemonics International mit der Durchführung eines Programms zur „Demokratischen Entwicklung und Bürgerbeteiligung” in Bolivien im Wert von 15 Millionen Dollar. Ziel dieses Projekts war es, die damalige Regierung und ihre staatlichen Institutionen zu unterstützen und Vertrauen zu schaffen. Damit sollte wiederum die wachsende Unterstützung für die Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) untergraben und ihre Basis entradikalisiert werden. Diese bestand aus indigenen Bauern und Landarbeitern, die sich gegen Ausbeutung und den Abbau der bolivianischen Ressourcen durch internationale Konzerne wehrten.

Wie Neil Burron erklärt:

„Chemonics war insbesondere darauf bedacht, den Dezentralisierungsplan als wichtig für das effektive Funktionieren der Demokratie erscheinen zu lassen, eine Sorge, die auch mit der Bedrohung durch systemfeindliche Kräfte [d.h. die MAS] zusammenhing.

In einem Bericht wurde davor gewarnt, die Kommunalwahlen 2004 könnten der MAS Gelegenheit bieten, ,das System´ grundsätzlich zu kritisieren. Man hoffte, dass effizientere Bürgermeister und Ratsmitglieder eingesetzt würden, die das Vertrauen in die demokratischen Institutionen Boliviens wiederherstellen (Chemonics International, 2003: 75). USAID versuchte auch, die MAS-Hochburgen in den Kokaanbaugebieten der Yungas und Chapare zu gewinnen, indem es die Gemeinden in die nationale Bewegung einbezog und ihre Fähigkeit zur Bereitstellung von Dienstleistungen und zur Konfliktlösung ausbaute (USAID-Bolivien, 2003: 8).” [20]

Im Jahr 2004 richtete USAID in Bolivien ein Büro für Übergangsinitiativen (Office for Transition Initiatives, OTI) ein. Offiziell wird es als Büro von USAID bezeichnet, das „mit lokalen Partnern zusammenarbeitet, um wichtige politische Themen wie Konflikte, demokratische Rückschritte, Terrorismusprävention und Stabilisierung anzugehen”. In der Praxis fungiert OTI als US-Geheimdienst im Ausland und leitet Millionen von Dollar an NGOs und Oppositionsparteien weiter, die mit den politischen Interessen der USA übereinstimmen. [21] Das Büro beauftragte die in Virginia ansässige Beratungsfirma Casals & Associates mit der Koordinierung einer Reihe von Workshops und Seminaren, um die Opposition gegen den MAS-Präsidentschaftskandidaten Evo Morales von 2005 aufzubauen.

Nach der Wahl von Morales verlagerte OTI den Schwerpunkt auf die Finanzierung und Unterstützung separatistischer Bewegungen im Osten Boliviens, um eine Bewegung zur Destabilisierung der neu gewählten Regierung aufzubauen. Ziel von OTI war es, Bolivien in zwei Staaten aufzuspalten: einen, der von der indigenen Mehrheit regiert wird, und einen zweiten in den ressourcenreichen Gebieten im Osten, die die Hochburg der europäischstämmigen Eliten sind, und in denen – was nicht überrascht – die separatistischen Gruppierungen ihren Sitz haben. [22]

2013 verwies Morales USAID aus Bolivien nach Jahren dieser Subversion.

Kuba

USAID hat die in Washington D.C. ansässige internationale Entwicklungsfirma Creative Associates International mit mindestens drei Projekten zur „Demokratieförderung” beauftragt. Diese zielen darauf ab, konterrevolutionäre Kräfte in Kuba zu schüren in der Hoffnung, sie gegen die sozialistische kubanische Regierung mobilisieren zu können.

2009 startete USAID ein zweijähriges Programm. Dabei beauftragte Creative Associates einen serbischen Musikproduzenten, regimekritische kubanische Musiker zu rekrutieren, um die Untergrundmusikszene zu infiltrieren. Die Produzenten sollten Musikfestivals organisieren sowie versuchen, andere Musikfestivals zu infiltrieren. Anfänglich war die Initiative rein kultureller Natur, doch mit der Zeit wurden immer mehr politische und regierungsfeindliche Botschaften mit de r Musik verpackt.

Die Vertragspartner kontaktierten kubanische Musiker mit dem Versprechen, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und eine Bewegung von Fans anzustacheln, die die Regierung provozieren sollten. Letztendlich entdeckte die kubanische Regierung das Programm und beendete es.

2010 ging USAID erneut eine Partnerschaft mit Creative Associates ein. Mit „ZunZuneo“ sollte eine Textnachrichten- und Microblogging-Plattform für Handys, ähnlich wie Twitter, entwickelt werden. Inspiriert von den Protesten des Arabischen Frühlings hofften die Koordinatoren des Programms, den Unmut unter der kubanischen Jugend gegen die Regierung zu schüren – und diese Revolte zu einem „kubanischen Frühling” kanalisieren zu können. Die Plattform sammelte Daten ihrer Nutzer – Alter, Geschlecht, politische Tendenzen – mit der Absicht, sie für politische Zwecke zu nutzen. Und wie schon bei der Operation in der Untergrundmusikszene plante die US-Regierung, die Plattform zunächst mit unpolitischen, „nicht kontroversen” kulturellen Inhalten [23] wachsen zu lassen: Sportnachrichten, Musik, Wetter usw. Mit der Zeit, so hofften die Betreiber, könnten sie zunehmend politische und schließlich regierungsfeindliche Inhalte einführen, so dass auf der ganzen Insel Massenproteste gegen die kubanische Regierung ausbrechen würden.

Die Finanzierung von „ZunZuneo“ lief 2012 aus und die Seite wurde geschlossen.

Schließlich entwickelten USAID und Creative Associates von Oktober 2009 bis September 2012 ein zivilgesellschaftliches Projekt, bei dem sie Jugendliche aus Venezuela, Costa Rica und Peru nach Kuba schickten. Für nur 5,41 Dollar pro Stunde [24] sollten diese, als Touristen getarnt, kubanische Bürger rekrutieren, um sie dann zu politischen Aktivisten ausbilden zu können. Oftmals wurden diese Rekrutierer auf Universitätsgelände geschickt, um politische Dissidenten zu finden und anzuwerben. In einem anderen Fall ging das Programm sogar so weit, eigens für seine Zwecke eine Klinik zur HIV-Prävention einzurichten. Im Projekt unternahmen alle große Anstrengungen, die Aktivitäten zu verbergen. Die verdeckten Agenten wurden angewiesen, verschlüsselt zu kommunizieren. So bedeutete beispielsweise „Ich habe Kopfschmerzen”, dass sie vermuteten, von den kubanischen Behörden überwacht zu werden; „deine Schwester ist krank” war dagegen ein Code, um die Reise abzubrechen. [25]

Ende 2010 beendeten USAID und Creative Associates das Reiseprogramm und entschieden sich für einen Strategiewechsel: Anstatt Jugendliche zu Rekrutierungszwecken nach Kuba zu schicken, konzentrierten sie sich auf die Beschaffung von Ausreisevisa für politische Aktivisten und deren Ausbildung in den Vereinigten Staaten.

(Screenshot: america21, 19.12.2014)

Ein Instrument des Kolonialismus und Kapitalismus

Ob durch Hilfe in Notlagen oder durch die Förderung der „Demokratie” im globalen Süden, die wirtschaftlichen Ziele von USAID bleiben klar: auf Kosten der lokalen Bevölkerung neue Märkte für das internationale Kapital zu schaffen. Oder im Rahmen einer längerfristigen Strategie ein Regime zu installieren, das den Launen des internationalen Kapitals und den politischen Zielen der USA gehorcht. Auf diese Weise dient USAID als das humanitäre Gesicht der kolonialen Ausbeutung.

Quellen:

[1] Current Affairs Magazin, Saheli Khastagir „Aid for Profit: The Dark History of USAID”, am 10.03.2021: USAID (United States Agency for International Development) Behörde „Global Development Alliances”, Datum unbekant: <https://www.currentaffairs.org/2021/03/aid-for-profit-the-dark-history-of-usaid>
[2] USAID „Private-Sector Engagement Policy”, Datum unbekannt: <https://www.usaid.gov/partner-with-us/private-sector-engagement/gda>
[3] USAID „Administrator Samantha Power On A New Vision for Global Development”, am 4.11.2021: <https://www.usaid.gov/sites/default/files/2022-05/usaid_psepolicy_final.pdf>
[4] Unlock Aid globale Organisation, Homepage: <https://unlockaid.org/>
[5] USAID <https://www.usaid.gov/news-information/speeches/nov-04-2021-administrator-samantha-power-new-vision-global-development>
[6] Center for Public Integrity (CPI) Non-Profit-Organisation, André Verlöy und Daniel Politi „Advisors of influence: Nine members of the Defense Policy Board have ties to defense contractors”, am 28.3.2003: <https://publicintegrity.org/national-security/advisors-of-influence-nine-members-of-the-defense-policy-board-have-ties-to-defense-contractors/>
[7] PBS NewsHour Nachrichtensendung, Red. „Bechtel Awarded First Major Contract to Rebuild Iraq”, am 28.4.2003: <https://www.pbs.org/newshour/economy/business-jan-june03-bechtel_04-18>
[8] NBC News, Andy Mosher und Griff Witte „Rebuilding Iraq an unfinished job”, am 2.8.2006: <https://www.nbcnews.com/id/wbna14142569>
[9] ReliefWeb Informationsportal, Nachrichten und Pressemitteilung „USAID awards contract for economic recovery, reform and sustained growth in Iraq”, am 25.3.2003: <https://reliefweb.int/report/iraq/usaid-awards-contract-economic-recovery-reform-and-sustained-growth-iraq>
[10] Reuters, Reuters Mitarbeiter „U.S. program to build houses in Haiti falls short, report finds”, am 25.6.2016: <https://www.reuters.com/article/us-usa-haiti-earthquake/u-s-program-to-build-houses-in-haiti-falls-short-report-finds-idUSBRE95O1GV20130625>
[11] Wikileaks „TFHA01: EMBASSY PORT AU PRINCE EARTHQUAKE SITREP AS OF 1800″, am 1.2.2010: <https://wikileaks.org/plusd/cables/10PORTAUPRINCE110_a.html>
[12] Non Profit News (NPQ), Rick Cohen „HBO to Air VICE’s “Haitian Money Pit” Tonight, and It Is Worth Watching”, am 24.4.2015: <https://nonprofitquarterly.org/hbo-to-air-vice-s-haitian-money-pit-tonight-and-it-is-worth-watching/>
[13] Boston Review Magazin, Jake Johnston „Outsourcing Haiti – How disaster relief became a disaster of its own”, am 16.1.2014: <https://www.bostonreview.net/articles/jake-johnston-haiti-earthquake-aid-caracol/>
[14] <https://theworld.org/stories/2012-10-05/usaid-contractor-chemonics-cited-numerous-mistakes-haiti>
[15] The World Magazin, Jacob Kushner „Four months and $2M US tax dollars later, Haiti’s new Parliament building sits unfinished”, am 19.3.2012: <https://theworld.org/dispatch/news/regions/americas/haiti/120318/haiti-parliament-USAID-unfinished-unused>
[16] DevelopmentAid Anbieter von Informationsdiensten, Ion Ilasco „Top six USAID contractors in 2021″, am 12.4.2022: <https://www.developmentaid.org/news-stream/post/141002/top-usaid-contractors-for-2021>
[17] Reuters, Reuters Mitarbeiter „U.S. program to build houses in Haiti falls short, report finds”, am 25.6.2013: <https://www.reuters.com/article/us-usa-haiti-earthquake/u-s-program-to-build-houses-in-haiti-falls-short-report-finds-idUSBRE95O1GV20130625>
[18] The Nation Wochenzeitschrift, Jake Johnston „Is USAID Helping Haiti to Recover, or US Contractors to Make Millions?”, am 21.1.2015: <https://www.thenation.com/article/archive/usaid-helping-haiti-recover-or-us-contractors-make-millions/>
[19] The Haitian Times Zeitung, Red. „Haiti: USAID Houses Found to be of Poor Quality, Will Cost Millions to Repair”, am 9.12.2014: <https://haitiantimes.com/2014/12/09/haiti-usaid-houses-found-to-be-of-poor-quality-will-cost-millions-to-repair/>
[20] JSTOR Online-Archiv, Neil Burron „Unpacking U.S. Democracy Promotion in Bolivia: From Soft Tactics to Regime Change”, im Januar 2012: <https://www.jstor.org/stable/23238971>
[21] North American Congress in Latin America (NACLA), Eva Golinger „USAID’s Silent Invasion in Bolivia”, am 20.5.2009: <https://nacla.org/news/usaids-silent-invasion-bolivia>
[22] North American Congress in Latin America (NACLA), Eva Golinger „USAID’s Silent Invasion in Bolivia”, am 20.5.2009: <https://nacla.org/news/usaids-silent-invasion-bolivia>
[23] The Guardian Tageszeitung, Associated Press in Washington „US secretly created ‘Cuban Twitter’ to stir unrest and undermine government”, am 3.4.2014: <https://www.theguardian.com/world/2014/apr/03/us-cuban-twitter-zunzuneo-stir-unrest>
[24] Politico Tageszeitung, Associated Press „U.S. sent youth undercover in Cuba”, am 4.8.2014: <https://www.politico.com/story/2014/08/youth-undercover-cuba-usaid-109684>
[25] Politico Tageszeitung, Associated Press „Undercover Cuba program assailed”, am 4.8.2014: <https://www.politico.com/story/2014/08/undercover-cuba-program-109713>