Plastik „Überbevölkerung“ im Neanderthal-Museum, Mettmann; Wikimedia Commons, gemeinfrei
Überbevölkerung – Wer sind wir und wenn ja, wieviele?
Nun ist es soweit – die Vereinten Nationen haben den achtmilliardsten Menschen gezählt (genauer: sie haben den 15. Oktober als Stichtag festgelegt, an dem acht Milliarden Menschen auf der Erde leben sollen, da es unmöglich ist, eine tagesgenaue Zahlenangabe zu machen). Das Thema Überbevölkerung wird seit fast 300 Jahren kontrovers und emotional geführt. Verständlich, denn die Frage, ob es zu viele Menschen gibt, berührt die Eitelkeit des Menschen und stellt seine Sicht als Krone der Schöpfung in Frage, und sie sollte nicht leichtfertig und unbedacht beantwortet werden. Hier soll der Versuch unternommen werden, naturwissenschaftliche Tatsachen zu beleuchten, die wir – trotz unserer anthropozentrischen Brille – nicht leugnen können.
Dieser Text wurde zuerst am 02.12.2022 auf www.free21.org unter der URL <https://free21.org/ ueberbevoelkerung-wer-sind-wir-und-wenn-ja-wieviele> veröffentlicht. Lizenz: Björn Gschwendtner, CC BY-NC-ND 4.0
Die Menschheit sieht sich den Auswirkungen ihres Handelns und Tuns auf der Erde gegenübergestellt. Die endlichen Ressourcen der Erde werden in steigendem Maße ausgeschöpft und in gleichem Maße wird sie mit den Abfällen dieser Lebensweise zugemüllt. Giftige Stoffe machen den Menschen und das restliche Ökosystem krank und kaputt, die Artenvielfalt verringert sich Jahr um Jahr. Kein anderes Lebewesen hat einen vergleichsweise destruktiven Einfluss auf den Planeten.
Ressourcen, die noch nicht „angezapft“ oder erschöpft wurden, werden es in Zukunft sein, da der gesamte Planet kapitalistischer Verwertungslogik unterworfen ist. Eine Umkehr vom „weiter so“ wird schon seit Jahrzehnten angemahnt, aber das weltweite System des Kapitalismus, das auf Konsum und Verbrauch ausgelegt ist, ist seither nicht überwunden. Keines der großen Menschheitsprobleme wird sich mit einer noch größeren Anzahl an Menschen lösen lassen. Das Verlangen nach höherem Wohlstand, der gleichbedeutend ist mit einem höheren Verbrauch der irdischen Ressourcen, wird verständlicherweise auch aus den bisher armen aber bevölkerungsreichen Regionen der Erde geäußert. Während es bei uns in den sog. Erste-Welt-Ländern praktisch an nichts mangelt, und in China die Armut extrem stark abgenommen hat [1], stehen bereits andere Regionen der Erde auch in der Warteschlange, um an diesem Kuchen teilzuhaben. Da der Kuchen aber nicht unendlich groß ist wird es eher früher als später zu Futterneid kommen und die jetzt schon bestehenden kriegerischen Auseinandersetzungen könnten sich verstärken und neue erzeugen.
Der globale Kuchen
Kritiker des Begriffs „Überbevölkerung“ führen ins Feld, dass die Erde bei gerechterer Verteilung 12 Milliarden Menschen ernähren könnte und dass alle 8 Milliarden Menschen ausreichend Platz auf dem Planeten hätten. Hierbei lässt sich feststellen, dass wir tatsächlich ein großes Verteilungsproblem der Lebensmittel und, im Allgemeinen, des Wohlstands weltweit haben. Die Industrienationen ziehen die Ressourcen aus den armen Ländern ab, verbrauchen sie und Werfen den Rest weg. Der Lebensstandard der Industrienationen verbraucht pro Jahr so viel, wie mehrere Erden an Rohstoffen bereitstellen [2].
Aber hierbei stellt sich die Frage, ob wir 12 Milliarden Menschen auf der Welt haben sollten, nur weil wir es könnten. Was sollte es für einen Nutzen bringen? Schließlich geht es bei der Frage, ob es zu viele Menschen auf der Erde gibt, nicht nur um die Lebensmittelversorgung oder um einen eventuellen Platzmangel. Da der ökologische Fußabdruck des Menschen seit der neolithischen Revolution – also seit dem der Mensch aus dem Paradies ausgestoßen wurde und nicht mehr im Einklang mit der Natur lebt – nicht gleich null ist, wird mit jedem weiteren Menschen der Einfluss auf die Natur immer größer und mit jeder „Einheit Mensch“ wird zwangsläufig eine „Einheit Natur“ weichen.
Unter den Landsäugetieren macht die Biomasse des Menschen 36% aus, 60% fallen auf Haus- und Nutztiere und nur 4% fallen auf freilebende Wildtiere [3]. Zwangsläufig wird mit steigender Populationsgröße des Menschen der Bedarf an Nahrungsmitteln und demnach an Nutztieren steigen. Im Endeffekt bedeutet das – da sich die irdische Gesamtbiomasse wohl nicht nennenswert erhöhen lässt – dass die 4% Wildtiere, als logische Folge dieser Entwicklung, noch weiter dezimiert werden.
Der Mensch und die Entkopplung von der Populationsregulation
Der Mensch hat unzählige Generationen lang im Einklang mit der Natur gelebt. Er verbrauchte nur das, was auch wieder nachwachsen konnte – sein ökologischer Fußabdruck existierte praktisch nicht. Irgendwann begann der Mensch aber, sich von der natürlichen Populationsregulation zu entkoppeln. Wir kennen den Begriff aus dem Biologieunterricht: Fuchs frisst Hase, die Hasenpopulation sinkt, der Fuchs hat weniger zu fressen, woraufhin die Fuchspopulation sinkt. Durch den geringen Fraßdruck steigt die Hasenpopulation wieder an und der – zugegeben vereinfachte – Kreislauf beginnt von vorne.
Stellen wir uns im Falle des Menschen einen männlichen Jäger vor tausenden von Jahren vor, der seinem Stammesbruder das Bein schient, das dieser sich bei der gemeinsamen Jagd gebrochen hat. Statt vor Ort in der Savanne zu sterben und von Aasfressern in den Kreislauf des Lebens wieder eingebunden zu werden hat der Verletzte eine Art zweite Chance bekommen. Er wurde in die Siedlung zurückgebracht, sein Bein heilte und er zeugte weitere Kinder, die er so nicht gezeugt hätte. Die Versorgung der Kranken und Verletzten wurde zum allgemeinen Wissensstand des damaligen Menschen und so verbreitete sich diese Kulturtechnik auf die Menschheit. Sie war nun mit Wissen und Fertigkeiten ausgestattet, der Natur „ein Schnippchen zu schlagen“. Insofern könnte man argumentieren, dass auch nur ein einziger Mensch, der durch die Entkopplung der Populationsregulation nicht starb, eine „Überbevölkerung“ darstelle.
Der Mensch erfand auch den Ackerbau, um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, die vorher in der Jäger und Sammler Kultur immer in die Populationsregulation eingebunden war. Gab es vorher nur dann etwas zu essen, wenn die Jagd oder das Sammeln erfolgreich war, so war nun die geplante Erzeugung und Lagerung von Nahrungsmitteln möglich (die schlechtere Nährstoffversorgung, die zu Mangelerscheinungen durch diese Umstellung der Nahrungsquelle führten, soll hier nicht Thema sein).
Der Mensch erfand auch Waffen, die es ihm erlaubten, selbst nicht mehr in Gefahr zu geraten, wenn er zur Nahrungsversorgung jagen ging oder von einem Tier bedroht wurde. Ein Pfeil und Bogen und erst recht ein Gewehr erlaubten es dem Menschen hinsichtlich Distanz sowie Geschwindigkeit jedem anderen Tier bei Weitem überlegen zu sein.
Da aus der frühgeschichtlichen und antiken Welt keine Daten über Bevölkerungszahlen überliefert sind, müssen wir uns mit Schätzwerten, beruhend auf dem, was wir über die Lebensbedingungen der damaligen Menschen wissen, begnügen. Wie Ökologen berechnet haben, hätte in der vor-agrikulturellen Periode, in der die Menschen ausschließlich von der Jagd, vom Fischfang und vom Sammeln wildwachsender Früchte (Nüsse usw.) lebten, das globale Nahrungsangebot für höchstens 20 Millionen Menschen gereicht. Es gilt als sicher, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl in der Altsteinzeit allerhöchstens bei einem Drittel oder der Hälfte dieses Maximalwerts lag. Das würde bedeuten, dass es beispielsweise um 6000 v Chr. nicht mehr als sechs bis zehn Millionen Menschen auf der Erde gegeben hat – eine Zahl, die von etlichen Megametropolen auf der ganzen Welt heute übertroffen wird.
Um das Jahr 1600 dürfte die Gesamtbevölkerung der Erde bei 500 Millionen Menschen gelegen haben. Die anschließende industrielle Revolution bedeutete auch eine Revolution in der Nahrungsmittelproduktion und so waren es dann im Jahr 1900 bereits um die 1,6 Milliarden Menschen. Trotz der zwei anschließenden Weltkriege wurde der exponentielle Anstieg nicht dauerhaft gebremst.
In Anbetracht der Besonderheit einer Exponentialfunktion dürften sämtliche technologischen Versuche, den Einfluss des Menschen auf den Planeten zu reduzieren, zum Scheitern verurteilt sein. Auch wenn es auf jeglichen Gebieten, seien es Nahrungsmittelproduktion, Energiegewinnung etc., Verbesserungen gab: Die exzessive Nutzung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln bedeuteten einen noch heftigeren Eingriff in das empfindliche Ökosystem und die vorgestellten Konzepte für die Zukunft, wie vertikaler Anbau und Hydrokulturen, entfernen sich noch weiter von der Natur, was ja genau die „Ursünde“ war, weshalb die Menschheit über tausende Jahre in diese Situation schlitterte.
Es ist ja nicht nur das Essen
In den Industrienationen (auch gerne als die Erste-Welt-Länder bezeichnet) besitzt, überspitzt formuliert, jeder Erwachsene ein Auto. Eine mehr oder weniger typische deutsche Familie oberhalb der armen Bevölkerungsschicht hat für den Vater ein Auto, für die Mutter ein Auto und wenn die Tochter oder der Sohn 18 werden bekommen auch sie ein Auto. 48,5 Millionen in Deutschland zugelassene PKW kommen auf 68,5 Millionen Volljährige, was bedeutet, dass statistisch 70 Prozent der erwachsenen Deutschen ein Auto besitzen [4].
Nun kann man den Menschen aus den bevölkerungsreichen – und oftmals damit korrelierend armen – Ländern nicht das vorenthalten, was wir haben. Wie würde man es rechtfertigen wollen, jedem volljährigen Chinesen oder Inder ein Auto zu verwehren?
Das Problem ist: es geht schlicht und einfach nicht. Das heißt, die Industrienationen müssen den von ihnen auf Kosten der Entwicklungsländer erbeuteten Reichtum abgeben. Dies könnte, bei gleichzeitig geringerer Geburtenrate, weltweit zu mehr Wohlstand und Gerechtigkeit führen und das Auskommen für jeden sichern.
Zusammenfassung
Wir haben also gesehen, dass der aus der Natur erbeutete Reichtum hauptsächlich in den relativ bevölkerungsärmeren Ländern akkumuliert und bevölkerungsreiche Länder gerade aus der Armutssituation heraus zur Absicherung im Alter und der Nachkommenschaft überhaupt eine hohe Geburtenrate haben. Länder mit hoher Bildung und einer gleichwertigen Stellung der Frau in der Gesellschaft haben geringe Geburtenraten.
China hat es zwar geschafft, mehrere hundertmillionen Menschen aus der Armut zu befreien und zu den Industrienationen aufzuschließen, aber zu den gleichen Kosten für den Planeten, wie die Industrienationen zuvor auch. Es ist nicht davon auszugehen, dass Wohlstandsmehrung in den noch armen aber bevölkerungsreichen Ländern nicht mit einer weiteren Zerstörung der Lebensgrundlagen für alle Lebewesen einhergeht, da der ökologische Fußabdruck des Menschen – im Gegensatz zu den übrigen Lebewesen – ungleich null ist.
Im Laufe der Jahrtausende entwickelte der Mensch also eine Lebensweise, die indirekt eine Erhöhung der Populationsgröße bedingte. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Mensch praktisch nie wieder in diesen Zustand kommen kann (Jäger und Sammler) und er daher immer einen ökologischen Fußabdruck haben wird.
Möglichkeiten der Bevölkerungsreduktion
Wenn man also zu der Überzeugung gelangt ist, dass die momentane humane Populationsgröße ein Problem darstellt und ein „weiter so“ die Lebensgrundlage der Menschen sowie die in Mitleidenschaft gezogene Tier- und Pflanzenwelt schädlich ist, welche Möglichkeiten gibt es, diese Population auf ein für das Ökosystem Erde verträgliches Maß zu reduzieren?
Grundsätzlich gibt es nur zwei Wege, die Populationsgröße zu beeinflussen: entweder erhöht man die Todesrate oder man vermindert die Geburtenrate. Zwar kann man beides auch gleichzeitig verfolgen, jedoch sind beide voneinander unabhängig und können auch so betrachtet werden.
A. Anstieg der Todesrate
1. Natürlicher Anstieg
Diese Art der Populationsregulation haben wir schon besprochen. Es war das Hase-Fuchs-Prinzip: fressen und gefressen werden. Oder Krieg und Totschlag. Dabei haben wir aber Krankheiten noch nicht betrachtet. Diese spielten in früheren Zeiten noch eine große Rolle in der Dezimierung der Population des Menschen, bis Technologie, Medizin und Hygiene so weit waren, dass Krankheiten keinen nennenswerten Einfluss mehr auf die Todesrate hatten. Es war sogar der Hauptgrund für den starken Anstieg der Bevölkerungszahl seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Immer mehr Kinder erreichten die Geschlechtsreife sowie ein langes Leben, in dessen Verlauf sie etliche Kinder zeugten.
Sollten wir den Dingen also freien Lauf lassen? Sollten wir medizinische Versorgung einstellen und kriegerische Auseinandersetzungen nicht beilegen wollen, sondern sie sogar fördern? Nun, die Menschheit hat sich Waffensysteme geschaffen, mit denen es ein Leichtes ist, die Bevölkerungszahl deutlich zu minimieren. Aber diese Waffen hinterlassen keine lebenswerte Umwelt und würden für die Überlebenden ein Leben in Krankheit bedeuten. Auch die folgenden Generationen würden durch die Strahlenbelastung wesentlich schlechter dastehen, als es mit der Bevölkerungsreduktion beabsichtigt war.
2. Gelenkter allgemeiner Anstieg
a) unfreiwilliger Anstieg
Man könnte auf die Idee kommen, eine Volkszählung zu machen und danach – sagen wir mal – jede zehnte Person töten. Science-Fiction-Bücher haben dieses Szenario bereits beleuchtet. Durch eine festgelegte Zahl würde man Ungerechtigkeit vermeiden. So wären Reiche wie Arme von dieser Maßnahme betroffen.
Das wohl einzige, was über diese Methode gesagt werden kann: Sie ist ein klein wenig besser als ein thermonuklearer Krieg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein gesunder Mensch sie in Betracht ziehen würde, wenn es noch eine Alternative gibt.
b) freiwilliger Anstieg
Man könnte eine Gesellschaft mit bestimmten Anreizen schaffen, in der sich z.B. durch Versprechen „im Jenseits“ oder Vergünstigung für die hinterbliebene Familie Menschen selbst töten.
Es ist zu bezweifeln, dass es gelänge genügend Selbstmord-affine Menschen zu bekommen, dass dies eine Auswirkung auf das exponentielle Wachstum hätte, geschweige denn, dass eine solche gesellschaftliche Haltung einen gesunden Nutzen für die Menschheit hätte.
3. Gelenkter ausgewählter Anstieg
a) Minderwertigkeit
Diese als Eugenik bezeichnete Herangehensweise wurde in der Menschheitsgeschichte bereits mehrfach praktiziert. Und immer waren es „die Anderen“, denen diese „Minderwertigkeit“ attestiert wurde. So hatte man sich eine moralische Rechtfertigung geschaffen, den Feind zu töten und selbst den eroberten Kuchen zu übernehmen. Eine solche Ideologie beinhaltet immer die Gefahr, dass man irgendwann selbst von einer anderen Seite als minderwertig und somit nicht lebenswert deklariert würde.
b) hohes Alter
Ältere Menschen sind körperlich nicht mehr zu harter Arbeit in der Lage und mit fortschreitendem körperlichem Verfall immer mehr auf aufwändige Pflege durch Andere angewiesen. Man könnte also beschließen, dass der Bevölkerungsanteil getötet würde, der kaum etwas zur Erzeugung der Lebensmittel beitrüge und stattdessen einen Mehraufwand bedeute.
Tatsächlich gab es in der Menschheitsgeschichte Kulturen, die diejenigen töteten, die sich nicht mehr selbständig ernähren konnten.
Diese Vorgehensweise hat aber keinerlei Effekt auf die Rate des Bevölkerungswachstums, denn als alter Mensch hat man bereits seine Nachfahren gezeugt. Ihren Beitrag zum Bevölkerungswachstum haben sie bereits geleistet. Es würde also zu keiner Verhinderung von Geburten kommen, die Bevölkerung würde lediglich im Schnitt jünger.
c) Kinder
Kindstötungen wurden schon seit langen Zeiten praktiziert und sie sind, was die Regulierung der Bevölkerungszahl angeht, sehr effektiv. Insbesondere die Tötung von Mädchen ist hierbei besonders effektiv, nicht aus männlich-chauvinistischen Motiven, sondern aus den biologischen Gegebenheiten heraus. Frauen bilden den Flaschenhals in der Geburtenhäufigkeit. Während Männer praktisch mehrfach am Tage hunderte Millionen Spermien entladen können, haben Frauen nur 12- 13 Mal im Jahr einen Eisprung und sind während einer Schwangerschaft gar nicht empfängnisbereit. Hunderttausend Frauen können immer nur die gleiche Anzahl an Kindern gebären, unabhängig davon ob nur 10.000 oder eine Million Männer zur Verfügung stehen.
Zusätzlich könnte man als Argument für Kindstötungen anführen, dass Säuglinge nur ein Minimum an Bewusstsein besitzen und damit nicht die Qual des Erkennens ihrer Situation erleiden.
Dennoch wäre eine Gesellschaft, die gezielt Kinder tötet wohl zu inhuman, als dass sie der gesamten Menschheit dienen könnte. Zudem könnte man nicht alle Kinder töten, da dies das Ende der Menschheit bedeuten würde, was wieder zur Folge hätte, zwischen „lebenswert“ und „unwert“ unterscheiden zu müssen.
d) Föten
In Anbetracht der zuvor erwähnten Kindstötungen könnte man sagen, dass Föten das geringste Bewusstsein besitzen und eine Abtreibung die am wenigsten inhumane Tötung eines Kindes darstellen würde.
Das Thema Abtreibung ist kontrovers und soll hier nicht im Detail, und vor allem nicht moralisch-ideologisch betrachtet werden. Es wäre rein populationsregulatorisch eine sehr effektive Maßnahme, die aber auch eine Unterscheidung bedingen würde, welcher Fötus abgetrieben wird und welcher nicht.
Wenn also die Tötung von geistig voll entwickelten Menschen inhumaner wäre, als das Töten von Kindern, und dieses inhumaner wäre als das Töten von geistig geringer entwickelten Föten, könnte man einen Schritt weiter gehen und sagen, dass die humanste Art die Verhinderung der Empfängnis an sich wäre. Damit kämen wir zum zweiten Weg, die Populationsgröße zu beeinflussen:
B. Senkung der Geburtenrate
1. Unfreiwillige Senkung
Die chinesische Ein-Kind-Politik Anfang der 1970er Jahre bis 2015 ist ein Beispiel für eine unfreiwillige Senkung der Geburtenrate. Die Regierung bestimmte unter Strafandrohung, dass Paare nur noch ein Kind haben durften (es gab auch Ausnahmen). Die Maßnahmen waren effektiv: Nach Angaben der chinesischen Regierung wurde z.B die Geburtenrate in den Jahren zwischen 1994 und 2004 um 300 Millionen verringert.
Dennoch schafft die unfreiwillige Geburtenkontrolle auch Leid: In China werden die Zweitgeborenen als Rechtlose behandelt und verbringen ihr Leben im Verborgenen des Elternhauses. Zudem wurden auf Grund kultureller Vorurteile Mädchen abgetrieben, wodurch ein starkes Ungleichgewicht unter den Geschlechtern entstand, welches auch soziale Probleme hervorruft [5].
2. Freiwillige Senkung
Dies dürfte die wohl humanste Art der Senkung der Bevölkerungszahl sein. Wenn jedes Paar sich freiwillig entschließe, nur noch maximal zwei Kinder zu haben, da sie die Notwendigkeit der Begrenzung der Population erkennen, würde die Bevölkerungszahl sogar sinken, da nicht jedes Paar zwei Kinder hätte. Manche würden sich auf ein Kind oder gar kein Kind beschränken.
Sollte die Menschheit irgendwann zu dem Schluss kommen, dass es zu wenige Menschen auf der Erde gibt – was gibt es denn vergnüglicheres, als Nachkommen zu zeugen?
Ist es wahrscheinlich, dass sich die Menschen freiwillig auf die Beschränkung der Nachkommen begrenzen? Davon ist zurzeit nicht auszugehen. Solange die Kirche Verhütungsmittel verbietet – und es gibt noch genügend Orte, an denen sich die Menschen an diese Vorgaben halten – und solange Staaten finanzielle Anreize für Nachkommen schaffen und solange das Bewusstsein der Menschen das Bevölkerungsproblem nicht erkannt hat, wird es schwer sein, eine freiwillige Beschränkung zu erreichen.
Und es wird auch nicht zu einer allgemeinen Freiwilligkeit kommen. Manche Paare würden sich nicht freiwillig auf maximal zwei Kinder beschränken. Und da man nicht weniger als ein Kind haben kann, aber sehr leicht mehr als zwei Kinder haben kann, würden die kinderreichen Paare das Konzept des freiwilligen Verzichts konterkarieren.
Es ist auch leicht vorstellbar, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in einem Land nicht in Geburtenzahl der als Konkurrenz angesehenen Gruppe im Nachteil sein möchte. So könnte es sein, dass z.B. in den USA die weiße Bevölkerung nicht in Unterzahl zur schwarzen Bevölkerung geraten möchte und demnach für mehr Nachwuchs sorgt. Die schwarze Bevölkerung würde ebenfalls dagegen sein, in Unterzahl zu geraten. Sich in Konkurrenz wähnende Bevölkerungsgruppen innerhalb von Ländern gibt es weltweit zuhauf und so wäre der freiwillige Verzicht auf Nachwuchs – trotz einer möglichen Einsicht, dass das Ökosystem mit weniger Menschen besser dastehen würde als heute – nicht machbar.
3. „erzwungene Freiwilligkeit“
Diese widersprüchlich klingende Methode der Senkung der Geburtenrate soll im Folgenden erklärt werden: Diese, allgemein als „Nudging“ bezeichnete Art der Lenkung des Bevölkerungswillens kann auch zur Populationsregulation eingesetzt werden, und zwar durch erhöhte Abgaben mit jedem weiteren Kind.
Zurzeit fördern Staaten das Aufziehen von Kindern mit z.B. Zuschüssen oder geringeren Steuersätzen. Dieses Prinzip könnte umgekehrt werden und es würde mit jedem weiteren Kind für die Eltern teurer werden. Die ersten beiden Kinder könnten noch relativ geringe finanzielle Einbußen bedeuten, aber mit dem dritten Kind könnte der Steuersatz dann sprunghaft ansteigen. Reicht dies nicht aus, um die Geburtenrate bedeutsam zu senken, könnte eine Anpassung nach unten vorgenommen werden, bei der bereits ab dem zweiten Kind deutlich spürbare finanzielle Einbußen greifen würden.
Eine solche Vorgehensweise ist zwar erwartbar effektiv, aber sie würde auch die reichen Bevölkerungsschichten bevorzugen und ärmere benachteiligen.
Wir sehen also, dass das Thema Populationskontrolle ein heikles ist. Entweder bemüht man Methoden, die viel Leid erzeugen oder Methoden, die nur in der Theorie funktionieren und Ungerechtigkeiten verstärken bzw. erst hervorrufen.
Dadurch, dass die Empfängnisbereitschaft der Frauen und die Zeugungsfähigkeit der Männer sich nicht an die verbesserten Lebensumstände des Menschen angepasst – sprich: nach unten reguliert – haben, und dass Nachkommen zu zeugen Vergnügen bereitet, werden Zwangsmaßnahmen vermutlich unumgänglich sein, wenn die Menschheit eine Reduzierung der Populationsgröße anstrebt. Es sei noch anzumerken, dass es sich um Maßnahmen handeln muss, die über Generationen laufen.
Ich persönlich erlaube mir kein Urteil darüber, welche der humaneren – freiwilligen – Methoden zu bevorzugen wäre (die inhumanen unfreiwilligen kommen gar nicht in Betracht). Dennoch kann ich sicher sagen, dass Wohlstand, Bildung und die Verbesserung der Stellung der Frau in der jeweiligen Gesellschaft automatisch eine Senkung der Geburtenrate nach sich zieht. Der von den Industrienationen erbeutete Wohlstand muss gleichmäßiger verteilt werden und gleichzeitig sollte über Generationen hinweg eine Reduzierung der Geburtenrate angestrebt werden.
Quellen:
[1] Welthungerhilfe, „China hat die Armut ausgerottet. Wirklich?“ von Ulrich Post, April 2021. Zwar berechnet China, das die Zahlen zur Überwindung der absoluten Armut liefert, nach selbstdefinierten Maßstäben, was zu Kritik von der Weltbank führte. Dennoch gilt auch nach den höheren Maßstäben der Weltbank, dass hunderte Millionen Chinesen von der absoluten Armut seit den 1970er Jahren befreit sind. <https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda-2030/china-erklaert-das-ende-der-armut/>
[2] Tagesschau, „UNICEF-Bericht: Deutsche verbrauchen fast drei Erden“ vom 24.05.2022 <https://www.tagesschau.de/ausland/unicef-ressourcen-verbrauch-101.html>
[3] Wikipedia „Biomasse“ <https://de.wikipedia.org/wiki/Biomasse>
[4] Statista: „Anzahl zugelassener Pkw in Deutschland von 1960 bis 2022“ <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12131/umfrage/pkw-bestand-in-deutschland/>
[5] Wikipedia „Ein-Kind-Politik“. Im Hinblick auf die Reduktion der Bevölkerungsgröße war die Ein-Kind-Politik erfolgreich, die Kollateralschäden sind aber zahlreich und fragwürdig. Sie reichen von sozialer Inkompetenz der vielen Einzelkinder bis zur sozialen Ächtung von illegal gezeugten Zweit- und Drittkindern. Sogar geschlechtsspezifische Tötungen wurden durch diese Politik befördert, da die konfuzianische Lehre Mädchen als minderwertiger ansieht. Die Folge: ein starkes Ungleichgewicht der Geschlechter. Viele Männer werden um wenige Frauen konkurrieren müssen. <https://de.wikipedia.org/wiki/Ein-Kind-Politik>
Überbevölkerung – Wer sind wir und wenn ja, wieviele?
Dieser Text wurde zuerst am 02.12.2022 auf www.free21.org unter der URL <https://free21.org/ ueberbevoelkerung-wer-sind-wir-und-wenn-ja-wieviele> veröffentlicht. Lizenz: Björn Gschwendtner, CC BY-NC-ND 4.0
Plastik „Überbevölkerung“ im Neanderthal-Museum, Mettmann; Wikimedia Commons, gemeinfrei
Nun ist es soweit – die Vereinten Nationen haben den achtmilliardsten Menschen gezählt (genauer: sie haben den 15. Oktober als Stichtag festgelegt, an dem acht Milliarden Menschen auf der Erde leben sollen, da es unmöglich ist, eine tagesgenaue Zahlenangabe zu machen). Das Thema Überbevölkerung wird seit fast 300 Jahren kontrovers und emotional geführt. Verständlich, denn die Frage, ob es zu viele Menschen gibt, berührt die Eitelkeit des Menschen und stellt seine Sicht als Krone der Schöpfung in Frage, und sie sollte nicht leichtfertig und unbedacht beantwortet werden. Hier soll der Versuch unternommen werden, naturwissenschaftliche Tatsachen zu beleuchten, die wir – trotz unserer anthropozentrischen Brille – nicht leugnen können.
Die Menschheit sieht sich den Auswirkungen ihres Handelns und Tuns auf der Erde gegenübergestellt. Die endlichen Ressourcen der Erde werden in steigendem Maße ausgeschöpft und in gleichem Maße wird sie mit den Abfällen dieser Lebensweise zugemüllt. Giftige Stoffe machen den Menschen und das restliche Ökosystem krank und kaputt, die Artenvielfalt verringert sich Jahr um Jahr. Kein anderes Lebewesen hat einen vergleichsweise destruktiven Einfluss auf den Planeten.
Ressourcen, die noch nicht „angezapft“ oder erschöpft wurden, werden es in Zukunft sein, da der gesamte Planet kapitalistischer Verwertungslogik unterworfen ist. Eine Umkehr vom „weiter so“ wird schon seit Jahrzehnten angemahnt, aber das weltweite System des Kapitalismus, das auf Konsum und Verbrauch ausgelegt ist, ist seither nicht überwunden. Keines der großen Menschheitsprobleme wird sich mit einer noch größeren Anzahl an Menschen lösen lassen. Das Verlangen nach höherem Wohlstand, der gleichbedeutend ist mit einem höheren Verbrauch der irdischen Ressourcen, wird verständlicherweise auch aus den bisher armen aber bevölkerungsreichen Regionen der Erde geäußert. Während es bei uns in den sog. Erste-Welt-Ländern praktisch an nichts mangelt, und in China die Armut extrem stark abgenommen hat [1], stehen bereits andere Regionen der Erde auch in der Warteschlange, um an diesem Kuchen teilzuhaben. Da der Kuchen aber nicht unendlich groß ist wird es eher früher als später zu Futterneid kommen und die jetzt schon bestehenden kriegerischen Auseinandersetzungen könnten sich verstärken und neue erzeugen.
Der globale Kuchen
Kritiker des Begriffs „Überbevölkerung“ führen ins Feld, dass die Erde bei gerechterer Verteilung 12 Milliarden Menschen ernähren könnte und dass alle 8 Milliarden Menschen ausreichend Platz auf dem Planeten hätten. Hierbei lässt sich feststellen, dass wir tatsächlich ein großes Verteilungsproblem der Lebensmittel und, im Allgemeinen, des Wohlstands weltweit haben. Die Industrienationen ziehen die Ressourcen aus den armen Ländern ab, verbrauchen sie und Werfen den Rest weg. Der Lebensstandard der Industrienationen verbraucht pro Jahr so viel, wie mehrere Erden an Rohstoffen bereitstellen [2].
Aber hierbei stellt sich die Frage, ob wir 12 Milliarden Menschen auf der Welt haben sollten, nur weil wir es könnten. Was sollte es für einen Nutzen bringen? Schließlich geht es bei der Frage, ob es zu viele Menschen auf der Erde gibt, nicht nur um die Lebensmittelversorgung oder um einen eventuellen Platzmangel. Da der ökologische Fußabdruck des Menschen seit der neolithischen Revolution – also seit dem der Mensch aus dem Paradies ausgestoßen wurde und nicht mehr im Einklang mit der Natur lebt – nicht gleich null ist, wird mit jedem weiteren Menschen der Einfluss auf die Natur immer größer und mit jeder „Einheit Mensch“ wird zwangsläufig eine „Einheit Natur“ weichen.
Unter den Landsäugetieren macht die Biomasse des Menschen 36% aus, 60% fallen auf Haus- und Nutztiere und nur 4% fallen auf freilebende Wildtiere [3]. Zwangsläufig wird mit steigender Populationsgröße des Menschen der Bedarf an Nahrungsmitteln und demnach an Nutztieren steigen. Im Endeffekt bedeutet das – da sich die irdische Gesamtbiomasse wohl nicht nennenswert erhöhen lässt – dass die 4% Wildtiere, als logische Folge dieser Entwicklung, noch weiter dezimiert werden.
Der Mensch und die Entkopplung von der Populationsregulation
Der Mensch hat unzählige Generationen lang im Einklang mit der Natur gelebt. Er verbrauchte nur das, was auch wieder nachwachsen konnte – sein ökologischer Fußabdruck existierte praktisch nicht. Irgendwann begann der Mensch aber, sich von der natürlichen Populationsregulation zu entkoppeln. Wir kennen den Begriff aus dem Biologieunterricht: Fuchs frisst Hase, die Hasenpopulation sinkt, der Fuchs hat weniger zu fressen, woraufhin die Fuchspopulation sinkt. Durch den geringen Fraßdruck steigt die Hasenpopulation wieder an und der – zugegeben vereinfachte – Kreislauf beginnt von vorne.
Stellen wir uns im Falle des Menschen einen männlichen Jäger vor tausenden von Jahren vor, der seinem Stammesbruder das Bein schient, das dieser sich bei der gemeinsamen Jagd gebrochen hat. Statt vor Ort in der Savanne zu sterben und von Aasfressern in den Kreislauf des Lebens wieder eingebunden zu werden hat der Verletzte eine Art zweite Chance bekommen. Er wurde in die Siedlung zurückgebracht, sein Bein heilte und er zeugte weitere Kinder, die er so nicht gezeugt hätte. Die Versorgung der Kranken und Verletzten wurde zum allgemeinen Wissensstand des damaligen Menschen und so verbreitete sich diese Kulturtechnik auf die Menschheit. Sie war nun mit Wissen und Fertigkeiten ausgestattet, der Natur „ein Schnippchen zu schlagen“. Insofern könnte man argumentieren, dass auch nur ein einziger Mensch, der durch die Entkopplung der Populationsregulation nicht starb, eine „Überbevölkerung“ darstelle.
Der Mensch erfand auch den Ackerbau, um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, die vorher in der Jäger und Sammler Kultur immer in die Populationsregulation eingebunden war. Gab es vorher nur dann etwas zu essen, wenn die Jagd oder das Sammeln erfolgreich war, so war nun die geplante Erzeugung und Lagerung von Nahrungsmitteln möglich (die schlechtere Nährstoffversorgung, die zu Mangelerscheinungen durch diese Umstellung der Nahrungsquelle führten, soll hier nicht Thema sein).
Der Mensch erfand auch Waffen, die es ihm erlaubten, selbst nicht mehr in Gefahr zu geraten, wenn er zur Nahrungsversorgung jagen ging oder von einem Tier bedroht wurde. Ein Pfeil und Bogen und erst recht ein Gewehr erlaubten es dem Menschen hinsichtlich Distanz sowie Geschwindigkeit jedem anderen Tier bei Weitem überlegen zu sein.
Da aus der frühgeschichtlichen und antiken Welt keine Daten über Bevölkerungszahlen überliefert sind, müssen wir uns mit Schätzwerten, beruhend auf dem, was wir über die Lebensbedingungen der damaligen Menschen wissen, begnügen. Wie Ökologen berechnet haben, hätte in der vor-agrikulturellen Periode, in der die Menschen ausschließlich von der Jagd, vom Fischfang und vom Sammeln wildwachsender Früchte (Nüsse usw.) lebten, das globale Nahrungsangebot für höchstens 20 Millionen Menschen gereicht. Es gilt als sicher, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl in der Altsteinzeit allerhöchstens bei einem Drittel oder der Hälfte dieses Maximalwerts lag. Das würde bedeuten, dass es beispielsweise um 6000 v Chr. nicht mehr als sechs bis zehn Millionen Menschen auf der Erde gegeben hat – eine Zahl, die von etlichen Megametropolen auf der ganzen Welt heute übertroffen wird.
Um das Jahr 1600 dürfte die Gesamtbevölkerung der Erde bei 500 Millionen Menschen gelegen haben. Die anschließende industrielle Revolution bedeutete auch eine Revolution in der Nahrungsmittelproduktion und so waren es dann im Jahr 1900 bereits um die 1,6 Milliarden Menschen. Trotz der zwei anschließenden Weltkriege wurde der exponentielle Anstieg nicht dauerhaft gebremst.
In Anbetracht der Besonderheit einer Exponentialfunktion dürften sämtliche technologischen Versuche, den Einfluss des Menschen auf den Planeten zu reduzieren, zum Scheitern verurteilt sein. Auch wenn es auf jeglichen Gebieten, seien es Nahrungsmittelproduktion, Energiegewinnung etc., Verbesserungen gab: Die exzessive Nutzung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln bedeuteten einen noch heftigeren Eingriff in das empfindliche Ökosystem und die vorgestellten Konzepte für die Zukunft, wie vertikaler Anbau und Hydrokulturen, entfernen sich noch weiter von der Natur, was ja genau die „Ursünde“ war, weshalb die Menschheit über tausende Jahre in diese Situation schlitterte.
Es ist ja nicht nur das Essen
In den Industrienationen (auch gerne als die Erste-Welt-Länder bezeichnet) besitzt, überspitzt formuliert, jeder Erwachsene ein Auto. Eine mehr oder weniger typische deutsche Familie oberhalb der armen Bevölkerungsschicht hat für den Vater ein Auto, für die Mutter ein Auto und wenn die Tochter oder der Sohn 18 werden bekommen auch sie ein Auto. 48,5 Millionen in Deutschland zugelassene PKW kommen auf 68,5 Millionen Volljährige, was bedeutet, dass statistisch 70 Prozent der erwachsenen Deutschen ein Auto besitzen [4].
Nun kann man den Menschen aus den bevölkerungsreichen – und oftmals damit korrelierend armen – Ländern nicht das vorenthalten, was wir haben. Wie würde man es rechtfertigen wollen, jedem volljährigen Chinesen oder Inder ein Auto zu verwehren?
Das Problem ist: es geht schlicht und einfach nicht. Das heißt, die Industrienationen müssen den von ihnen auf Kosten der Entwicklungsländer erbeuteten Reichtum abgeben. Dies könnte, bei gleichzeitig geringerer Geburtenrate, weltweit zu mehr Wohlstand und Gerechtigkeit führen und das Auskommen für jeden sichern.
Zusammenfassung
Wir haben also gesehen, dass der aus der Natur erbeutete Reichtum hauptsächlich in den relativ bevölkerungsärmeren Ländern akkumuliert und bevölkerungsreiche Länder gerade aus der Armutssituation heraus zur Absicherung im Alter und der Nachkommenschaft überhaupt eine hohe Geburtenrate haben. Länder mit hoher Bildung und einer gleichwertigen Stellung der Frau in der Gesellschaft haben geringe Geburtenraten.
China hat es zwar geschafft, mehrere hundertmillionen Menschen aus der Armut zu befreien und zu den Industrienationen aufzuschließen, aber zu den gleichen Kosten für den Planeten, wie die Industrienationen zuvor auch. Es ist nicht davon auszugehen, dass Wohlstandsmehrung in den noch armen aber bevölkerungsreichen Ländern nicht mit einer weiteren Zerstörung der Lebensgrundlagen für alle Lebewesen einhergeht, da der ökologische Fußabdruck des Menschen – im Gegensatz zu den übrigen Lebewesen – ungleich null ist.
Im Laufe der Jahrtausende entwickelte der Mensch also eine Lebensweise, die indirekt eine Erhöhung der Populationsgröße bedingte. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Mensch praktisch nie wieder in diesen Zustand kommen kann (Jäger und Sammler) und er daher immer einen ökologischen Fußabdruck haben wird.
Möglichkeiten der Bevölkerungsreduktion
Wenn man also zu der Überzeugung gelangt ist, dass die momentane humane Populationsgröße ein Problem darstellt und ein „weiter so“ die Lebensgrundlage der Menschen sowie die in Mitleidenschaft gezogene Tier- und Pflanzenwelt schädlich ist, welche Möglichkeiten gibt es, diese Population auf ein für das Ökosystem Erde verträgliches Maß zu reduzieren?
Grundsätzlich gibt es nur zwei Wege, die Populationsgröße zu beeinflussen: entweder erhöht man die Todesrate oder man vermindert die Geburtenrate. Zwar kann man beides auch gleichzeitig verfolgen, jedoch sind beide voneinander unabhängig und können auch so betrachtet werden.
A. Anstieg der Todesrate
1. Natürlicher Anstieg
Diese Art der Populationsregulation haben wir schon besprochen. Es war das Hase-Fuchs-Prinzip: fressen und gefressen werden. Oder Krieg und Totschlag. Dabei haben wir aber Krankheiten noch nicht betrachtet. Diese spielten in früheren Zeiten noch eine große Rolle in der Dezimierung der Population des Menschen, bis Technologie, Medizin und Hygiene so weit waren, dass Krankheiten keinen nennenswerten Einfluss mehr auf die Todesrate hatten. Es war sogar der Hauptgrund für den starken Anstieg der Bevölkerungszahl seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Immer mehr Kinder erreichten die Geschlechtsreife sowie ein langes Leben, in dessen Verlauf sie etliche Kinder zeugten.
Sollten wir den Dingen also freien Lauf lassen? Sollten wir medizinische Versorgung einstellen und kriegerische Auseinandersetzungen nicht beilegen wollen, sondern sie sogar fördern? Nun, die Menschheit hat sich Waffensysteme geschaffen, mit denen es ein Leichtes ist, die Bevölkerungszahl deutlich zu minimieren. Aber diese Waffen hinterlassen keine lebenswerte Umwelt und würden für die Überlebenden ein Leben in Krankheit bedeuten. Auch die folgenden Generationen würden durch die Strahlenbelastung wesentlich schlechter dastehen, als es mit der Bevölkerungsreduktion beabsichtigt war.
2. Gelenkter allgemeiner Anstieg
a) unfreiwilliger Anstieg
Man könnte auf die Idee kommen, eine Volkszählung zu machen und danach – sagen wir mal – jede zehnte Person töten. Science-Fiction-Bücher haben dieses Szenario bereits beleuchtet. Durch eine festgelegte Zahl würde man Ungerechtigkeit vermeiden. So wären Reiche wie Arme von dieser Maßnahme betroffen.
Das wohl einzige, was über diese Methode gesagt werden kann: Sie ist ein klein wenig besser als ein thermonuklearer Krieg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein gesunder Mensch sie in Betracht ziehen würde, wenn es noch eine Alternative gibt.
b) freiwilliger Anstieg
Man könnte eine Gesellschaft mit bestimmten Anreizen schaffen, in der sich z.B. durch Versprechen „im Jenseits“ oder Vergünstigung für die hinterbliebene Familie Menschen selbst töten.
Es ist zu bezweifeln, dass es gelänge genügend Selbstmord-affine Menschen zu bekommen, dass dies eine Auswirkung auf das exponentielle Wachstum hätte, geschweige denn, dass eine solche gesellschaftliche Haltung einen gesunden Nutzen für die Menschheit hätte.
3. Gelenkter ausgewählter Anstieg
a) Minderwertigkeit
Diese als Eugenik bezeichnete Herangehensweise wurde in der Menschheitsgeschichte bereits mehrfach praktiziert. Und immer waren es „die Anderen“, denen diese „Minderwertigkeit“ attestiert wurde. So hatte man sich eine moralische Rechtfertigung geschaffen, den Feind zu töten und selbst den eroberten Kuchen zu übernehmen. Eine solche Ideologie beinhaltet immer die Gefahr, dass man irgendwann selbst von einer anderen Seite als minderwertig und somit nicht lebenswert deklariert würde.
b) hohes Alter
Ältere Menschen sind körperlich nicht mehr zu harter Arbeit in der Lage und mit fortschreitendem körperlichem Verfall immer mehr auf aufwändige Pflege durch Andere angewiesen. Man könnte also beschließen, dass der Bevölkerungsanteil getötet würde, der kaum etwas zur Erzeugung der Lebensmittel beitrüge und stattdessen einen Mehraufwand bedeute.
Tatsächlich gab es in der Menschheitsgeschichte Kulturen, die diejenigen töteten, die sich nicht mehr selbständig ernähren konnten.
Diese Vorgehensweise hat aber keinerlei Effekt auf die Rate des Bevölkerungswachstums, denn als alter Mensch hat man bereits seine Nachfahren gezeugt. Ihren Beitrag zum Bevölkerungswachstum haben sie bereits geleistet. Es würde also zu keiner Verhinderung von Geburten kommen, die Bevölkerung würde lediglich im Schnitt jünger.
c) Kinder
Kindstötungen wurden schon seit langen Zeiten praktiziert und sie sind, was die Regulierung der Bevölkerungszahl angeht, sehr effektiv. Insbesondere die Tötung von Mädchen ist hierbei besonders effektiv, nicht aus männlich-chauvinistischen Motiven, sondern aus den biologischen Gegebenheiten heraus. Frauen bilden den Flaschenhals in der Geburtenhäufigkeit. Während Männer praktisch mehrfach am Tage hunderte Millionen Spermien entladen können, haben Frauen nur 12- 13 Mal im Jahr einen Eisprung und sind während einer Schwangerschaft gar nicht empfängnisbereit. Hunderttausend Frauen können immer nur die gleiche Anzahl an Kindern gebären, unabhängig davon ob nur 10.000 oder eine Million Männer zur Verfügung stehen.
Zusätzlich könnte man als Argument für Kindstötungen anführen, dass Säuglinge nur ein Minimum an Bewusstsein besitzen und damit nicht die Qual des Erkennens ihrer Situation erleiden.
Dennoch wäre eine Gesellschaft, die gezielt Kinder tötet wohl zu inhuman, als dass sie der gesamten Menschheit dienen könnte. Zudem könnte man nicht alle Kinder töten, da dies das Ende der Menschheit bedeuten würde, was wieder zur Folge hätte, zwischen „lebenswert“ und „unwert“ unterscheiden zu müssen.
d) Föten
In Anbetracht der zuvor erwähnten Kindstötungen könnte man sagen, dass Föten das geringste Bewusstsein besitzen und eine Abtreibung die am wenigsten inhumane Tötung eines Kindes darstellen würde.
Das Thema Abtreibung ist kontrovers und soll hier nicht im Detail, und vor allem nicht moralisch-ideologisch betrachtet werden. Es wäre rein populationsregulatorisch eine sehr effektive Maßnahme, die aber auch eine Unterscheidung bedingen würde, welcher Fötus abgetrieben wird und welcher nicht.
Wenn also die Tötung von geistig voll entwickelten Menschen inhumaner wäre, als das Töten von Kindern, und dieses inhumaner wäre als das Töten von geistig geringer entwickelten Föten, könnte man einen Schritt weiter gehen und sagen, dass die humanste Art die Verhinderung der Empfängnis an sich wäre. Damit kämen wir zum zweiten Weg, die Populationsgröße zu beeinflussen:
B. Senkung der Geburtenrate
1. Unfreiwillige Senkung
Die chinesische Ein-Kind-Politik Anfang der 1970er Jahre bis 2015 ist ein Beispiel für eine unfreiwillige Senkung der Geburtenrate. Die Regierung bestimmte unter Strafandrohung, dass Paare nur noch ein Kind haben durften (es gab auch Ausnahmen). Die Maßnahmen waren effektiv: Nach Angaben der chinesischen Regierung wurde z.B die Geburtenrate in den Jahren zwischen 1994 und 2004 um 300 Millionen verringert.
Dennoch schafft die unfreiwillige Geburtenkontrolle auch Leid: In China werden die Zweitgeborenen als Rechtlose behandelt und verbringen ihr Leben im Verborgenen des Elternhauses. Zudem wurden auf Grund kultureller Vorurteile Mädchen abgetrieben, wodurch ein starkes Ungleichgewicht unter den Geschlechtern entstand, welches auch soziale Probleme hervorruft [5].
2. Freiwillige Senkung
Dies dürfte die wohl humanste Art der Senkung der Bevölkerungszahl sein. Wenn jedes Paar sich freiwillig entschließe, nur noch maximal zwei Kinder zu haben, da sie die Notwendigkeit der Begrenzung der Population erkennen, würde die Bevölkerungszahl sogar sinken, da nicht jedes Paar zwei Kinder hätte. Manche würden sich auf ein Kind oder gar kein Kind beschränken.
Sollte die Menschheit irgendwann zu dem Schluss kommen, dass es zu wenige Menschen auf der Erde gibt – was gibt es denn vergnüglicheres, als Nachkommen zu zeugen?
Ist es wahrscheinlich, dass sich die Menschen freiwillig auf die Beschränkung der Nachkommen begrenzen? Davon ist zurzeit nicht auszugehen. Solange die Kirche Verhütungsmittel verbietet – und es gibt noch genügend Orte, an denen sich die Menschen an diese Vorgaben halten – und solange Staaten finanzielle Anreize für Nachkommen schaffen und solange das Bewusstsein der Menschen das Bevölkerungsproblem nicht erkannt hat, wird es schwer sein, eine freiwillige Beschränkung zu erreichen.
Und es wird auch nicht zu einer allgemeinen Freiwilligkeit kommen. Manche Paare würden sich nicht freiwillig auf maximal zwei Kinder beschränken. Und da man nicht weniger als ein Kind haben kann, aber sehr leicht mehr als zwei Kinder haben kann, würden die kinderreichen Paare das Konzept des freiwilligen Verzichts konterkarieren.
Es ist auch leicht vorstellbar, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in einem Land nicht in Geburtenzahl der als Konkurrenz angesehenen Gruppe im Nachteil sein möchte. So könnte es sein, dass z.B. in den USA die weiße Bevölkerung nicht in Unterzahl zur schwarzen Bevölkerung geraten möchte und demnach für mehr Nachwuchs sorgt. Die schwarze Bevölkerung würde ebenfalls dagegen sein, in Unterzahl zu geraten. Sich in Konkurrenz wähnende Bevölkerungsgruppen innerhalb von Ländern gibt es weltweit zuhauf und so wäre der freiwillige Verzicht auf Nachwuchs – trotz einer möglichen Einsicht, dass das Ökosystem mit weniger Menschen besser dastehen würde als heute – nicht machbar.
3. „erzwungene Freiwilligkeit“
Diese widersprüchlich klingende Methode der Senkung der Geburtenrate soll im Folgenden erklärt werden: Diese, allgemein als „Nudging“ bezeichnete Art der Lenkung des Bevölkerungswillens kann auch zur Populationsregulation eingesetzt werden, und zwar durch erhöhte Abgaben mit jedem weiteren Kind.
Zurzeit fördern Staaten das Aufziehen von Kindern mit z.B. Zuschüssen oder geringeren Steuersätzen. Dieses Prinzip könnte umgekehrt werden und es würde mit jedem weiteren Kind für die Eltern teurer werden. Die ersten beiden Kinder könnten noch relativ geringe finanzielle Einbußen bedeuten, aber mit dem dritten Kind könnte der Steuersatz dann sprunghaft ansteigen. Reicht dies nicht aus, um die Geburtenrate bedeutsam zu senken, könnte eine Anpassung nach unten vorgenommen werden, bei der bereits ab dem zweiten Kind deutlich spürbare finanzielle Einbußen greifen würden.
Eine solche Vorgehensweise ist zwar erwartbar effektiv, aber sie würde auch die reichen Bevölkerungsschichten bevorzugen und ärmere benachteiligen.
Wir sehen also, dass das Thema Populationskontrolle ein heikles ist. Entweder bemüht man Methoden, die viel Leid erzeugen oder Methoden, die nur in der Theorie funktionieren und Ungerechtigkeiten verstärken bzw. erst hervorrufen.
Dadurch, dass die Empfängnisbereitschaft der Frauen und die Zeugungsfähigkeit der Männer sich nicht an die verbesserten Lebensumstände des Menschen angepasst – sprich: nach unten reguliert – haben, und dass Nachkommen zu zeugen Vergnügen bereitet, werden Zwangsmaßnahmen vermutlich unumgänglich sein, wenn die Menschheit eine Reduzierung der Populationsgröße anstrebt. Es sei noch anzumerken, dass es sich um Maßnahmen handeln muss, die über Generationen laufen.
Ich persönlich erlaube mir kein Urteil darüber, welche der humaneren – freiwilligen – Methoden zu bevorzugen wäre (die inhumanen unfreiwilligen kommen gar nicht in Betracht). Dennoch kann ich sicher sagen, dass Wohlstand, Bildung und die Verbesserung der Stellung der Frau in der jeweiligen Gesellschaft automatisch eine Senkung der Geburtenrate nach sich zieht. Der von den Industrienationen erbeutete Wohlstand muss gleichmäßiger verteilt werden und gleichzeitig sollte über Generationen hinweg eine Reduzierung der Geburtenrate angestrebt werden.
Quellen:
[1] Welthungerhilfe, „China hat die Armut ausgerottet. Wirklich?“ von Ulrich Post, April 2021. Zwar berechnet China, das die Zahlen zur Überwindung der absoluten Armut liefert, nach selbstdefinierten Maßstäben, was zu Kritik von der Weltbank führte. Dennoch gilt auch nach den höheren Maßstäben der Weltbank, dass hunderte Millionen Chinesen von der absoluten Armut seit den 1970er Jahren befreit sind. <https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda-2030/china-erklaert-das-ende-der-armut/>
[2] Tagesschau, „UNICEF-Bericht: Deutsche verbrauchen fast drei Erden“ vom 24.05.2022 <https://www.tagesschau.de/ausland/unicef-ressourcen-verbrauch-101.html>
[3] Wikipedia „Biomasse“ <https://de.wikipedia.org/wiki/Biomasse>
[4] Statista: „Anzahl zugelassener Pkw in Deutschland von 1960 bis 2022“ <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12131/umfrage/pkw-bestand-in-deutschland/>
[5] Wikipedia „Ein-Kind-Politik“. Im Hinblick auf die Reduktion der Bevölkerungsgröße war die Ein-Kind-Politik erfolgreich, die Kollateralschäden sind aber zahlreich und fragwürdig. Sie reichen von sozialer Inkompetenz der vielen Einzelkinder bis zur sozialen Ächtung von illegal gezeugten Zweit- und Drittkindern. Sogar geschlechtsspezifische Tötungen wurden durch diese Politik befördert, da die konfuzianische Lehre Mädchen als minderwertiger ansieht. Die Folge: ein starkes Ungleichgewicht der Geschlechter. Viele Männer werden um wenige Frauen konkurrieren müssen. <https://de.wikipedia.org/wiki/Ein-Kind-Politik>