POSITIONEN #1
KenFM: Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von Positionen – Politik verstehen. Ja, ich glaube, man kann sagen, das gesamte Team ist ein bisschen stolz auf die Gäste die wir heute hier versammeln konnten. Auf der rechten Seite, der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser auch Friedensforscher hat zu uns nach Berlin gefunden. Herr Ganser, ich grüße Sie.
Daniele Ganser: Guten Abend Herr Jebsen.
KenFM: Links von mir Mathias Bröckers, ein Mann der von sich selber sagt das er ganz gerne fuchtelt mit den Händen, deswegen haben wir nach vorne gesetzt. Autor eines Bestsellers Wir sind die Guten, das ist natürlich zynisch gemeint. Herr Bröckers, guten Abend.
Mathias Bröckers: Hallo.
KenFM: Ich freu mich ganz besonders Dirk Pohlmann hier zu haben. Ich glaube er hat seinen Urlaub abgebrochen. Ein Mann der fantastische Filme dreht mit denen er immer mehr Schwierigkeiten hat, auch wenn sie bei Arte laufen. Der letzte Film mit Top Quoten Täuschung – die Methode Reagan. Herr Pohlmann, ich grüße Sie. Guten Tag.
Dirk Pohlmann: Guten Abend.
KenFM: Und ein Mann den ich nicht wirklich vorstellen muss. Willy Wimmer, Urgestein der CDU. Vize der KSZE, ein Mann des Friedens kann man sagen. Er hat extra von seiner Heimat hier her gefunden und hatte Schwierigkeiten zuhause, ich glaube die Frau hat sich ausgeschlossen, aber das ist alles erledigt, ne Herr Wimmer? Wunderbar. Herr Wimmer, guten Tag das Sie hier sind. Schön.
Das Thema der heutigen Sendung heißt Krieg oder Frieden in Europa. Wer bestimmt auf dem Kontinent. Das man das überhaupt fragen muss, Herr Wimmer, fangen wir mal mit Ihnen an, ist ja schon eine absurde Situation. Man könnte davon ausgehen, das auf dem Kontinent über Krieg und Frieden natürlich die Europäer bestimmen aber es scheint nicht so zu sein. Warum ist das so?
Willy Wimmer: Wir haben ein interessantes Jahr, das diese Frage aus meiner Sicht beantwortet. Wir gedenken zunächst mal am 08./09 Mai, das war jetzt an diesem Wochenende, gedenken wir das Kriegsende vor 70 Jahren und auf der anderen Seite am 3. Oktober gedenken wir zum 25 mal natürlich erfreut an die deutsche Wiedervereinigung zurück und das ist der ganze Bogen der sich in Europa aufmacht, die Erinnerung an die Wiedervereinigung ist die Erinnerung an erfolgreiches Verhandeln mit einer anderen Seite. Das hat uns Erfolg gebracht hat, hat und auch den Frieden garantiert. Das was den Krieg anbetrifft mit dem 2. Weltkrieg, mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien hat der Westen die NATO wieder an den Krieg, den 2. Weltkrieg, angeknüpft und das man natürlich deutlich sieht in welchem Spannungsbogen wir uns hier in Europa bewegen. Und was diese Situation hier in Europa anbelangt, verhandeln können wir natürlich nicht ohne die Vereinigten Staaten, aber Krieg führen müssen wir möglicherweise wegen der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit der global strategischen Positionierung unseres wichtigsten Bündnispartners und das erleben wir derzeit in der Ukraine.
KenFM: Ich möchte mal auf ein Interview abheben was wir alle bei YouTube gesehen haben. Das ZDF hat das nicht gebracht, auch nicht in voller Länge, was Friedmann von Stratfor gesagt hat, wenn man sich das anschaut, sie können sich übrigens gerne einmischen, das ist das Prinzip dieser Sendung, das nämlich, das es immer das Prinzip der Amerikaner war, oder das es immer die Idee war, das Ziel war, das Europäer, also Deutsche und Russen sich nicht zu gut auf dem Kontinent verstehen. Wie muss man das einordnen, so eine Aussage?
Willy Wimmer: Ich glaube wir haben in den letzten Wochen zwei Signale aus Washington bekommen. Einmal das was Sie im Zusammenhang mit Stratfor angesprochen haben, die zweite Überlegung war der Hinweis, das wir Deutschen nicht vergessen sollen, wen sie benötigen um ihre Wirtschaftsgüter abzusetzen. Das waren zwei klare Botschaften die von Washington gekommen sind und die erste von Stratfor macht natürlich deutlich, wenn der Amerikaner seit der Reichsgründung 1871 nichts anderes vorhatten, als uns gegen die Russen in Stellung zu bringen, dann ist das natürlich ne langfristige Überlegung die vielleicht auch Veranlassung ist, sich Gedanken über den ersten und zweiten Weltkrieg und die Intialzündung für diese beiden Kriege zu machen. Das heißt, wir haben es mit einer Situation zu tun, wo offensichtlich global strategische Spiele gespielt werden, die auf unserem Rücken laufen sollen und das ist ein Grund, wirklicher Grund genug um sich Gedanken darüber zu machen, wer hat hier was zu sagen und geht das über unsere Köpfe weg.
KenFM: Sie haben zusammen mit einem Kollegen ein Buch geschrieben Wiederkehr der Hasadeure. Mit dem was wir von Stratfor gehört haben, muss ich ja schon die Frage stellen, ist der Titel noch richtig Wiederkehr? Waren die je weg?
Willy Wimmer: Die waren vermutlich nie weg wir haben sie nur nicht so realistisch wahr genommen wie es heute offenkundig wird, wir werden ja sowieso aus meiner Sicht erleben können wo sich beide jetzt, Washington und Moskau, so an der Kehle hängen werden um uns zu gewinnen die Archive in einer Weise geöffnet das wir noch Freude kriegen werden. Das heißt es kommen spannende Zeiten auf uns zu und was Stratfor natürlich deutlich gemacht hat, es geht auch darum nicht nur uns gegen die Russen wieder in Stellung zu bringen, sondern eine neuen Limes, einen neuen eisernen Vorhang quer über den Kontinent zu spannen. Das ist ja in aller Öffentlichkeit gesagt worden von Rieger bis Odessa und von Odessa bis ins türkische Diawakir, was es östlich davon ist interessiert uns nicht, es kann die russische Föderation sein, was westlich davon ist, das sind wir, das gehört den Vereinigten Staaten, also wir auch und das wird die Zukunft bestimmen und die große Frage ist die, ob es gelingt im Zusammenhang mit der Ukraine, den letzten großen Stein in diese Mauer zu bringen und uns abzuschließen.
KenFM: Herr Dr. Ganser, Sie sind Friedensforscher, Sie haben verschiedene Bücher geschrieben, sich mit Krieg und Frieden beschäftigt haben unter anderem NATO Geheimarmeen in Europa, inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung. Das können Sie vielleicht den Leuten auch mal erklären, es gibt staatlichen Terror, der mit Steuergeldern gegen die Bürger organisiert wird, das ist schwer zu schlucken, aber das sieht so aus und Europa im Erdölrausch. Beides hat miteinander zu tun. Eine einfache Frage an Sie, um was geht es eigentlich in der Ukraine? Geht es um Bodenschätze oder um Menschenrechte?
Daniele Ganser: Ich bin überzeugt, das es in der internationalen Politik nie um Menschenrechte geht, sondern um Schürfrechte, das heißt das man eigentlich versucht Militärstützpunkte aufzubauen, das man Öl und Gas kontrollieren möchte, das die NATO z.B. konkret in der Ukraine 2008 beschlossen, das ja eigentlich die Ukraine hineinziehen möchte. Wir wissen jetzt über WikiLeaks, da wurden ja die Dokumente veröffentlicht, das schon damals der amerikanische Botschafter in Moskau gesagt hat, wenn wir das tun, wenn wir die Ukraine in die NATO hineinziehen, dann wird das einen rohen Nerv, Zitat Raw Nerv, this will touch a raw nerv of the russians. Also es wird eigentlich wirklich ein rohen Nerv der Russen treffen und somit wussten die Amerikaner damals das dieses Ziel an der Ukraine Europa zerreißt und da schließ ich mich völlig Herrn Wimmer an, das er sagt, im Moment werden die Entscheidungen nicht von den europäischen Mächten getroffen, sondern über den Europäern steht das Imperium und das Imperium sind die USA und das Imperium hat natürlich Militärstützpunkte in Europa. Die haben Stützpunkte in Deutschland, haben keine Stützpunkte in der Schweiz, das heißt aber nicht, das die Schweiz da in einer völlig anderen Lage wären. Ich mein einfach, dieses Phänomen, wenn das ein Bürger beobachtet, das er sieht, die Amerikaner haben einen Stützpunkt in Deutschland, die Deutschen aber haben keinen Stützpunkt in den USA. Die Amerikaner haben einen Stützpunkt in Italien. Die Italiener haben aber keinen Stützpunkt in den USA etc, das können Sie so weiter durch rechnen, dann werden Sie zum Punkt kommen, dass die USA natürlich ihre eigenen Ziele in Europa verfolgen, die nicht immer zum Besten der Europäer sind wie man denkt.
KenFM: Ist die Frage naiv, wer bestimmt auf dem Kontinent? Bestimmt nicht immer das Imperium und was ist das? Ein Imperium?
Daniele Ganser: Also ich glaub nicht, das ein Imperium alle Länder zu jeder Zeit gängeln kann. Das geht ja nicht, aber das Imperium muss versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es gibt eigentlich zwei Supermächte. Die erste Supermacht im Moment ist die USA und die zweite Supermacht, da frag ich immer die Studenten, was sie denn denken, was die zweite Supermacht ist. Da strecken schon die ersten auf und sagen China, dann sage ich nein nicht China, dann sagen sie Russland und der dritte sagt nein,nein die EU, nein. Die zweite Supermacht ist die öffentliche Meinung und das ist völlig unterschätzt wie wichtig es ist die öffentliche Meinung zu steuern und diese zweite Supermacht ist jetzt im Rahmen der digitalen Revolution, man muss es so sagen und wir haben diese Rede von Friedmann, die wurde gefilmt und dann über YouTube ist sie sofort bei uns, also wir müssen nicht warten bis das von ZDF oder Spiegel aufgenommen wird oder wir haben natürlich die Dinge sehr, sehr viel schneller und diese zweite Supermacht ist jetzt im aufwachen begriffen und sind im Moment bißchen verwirrt, sie wissen jetzt gar nicht mehr, wer sind denn jetzt die Bösen und das war der Vorteil von früher, wenn sie Süddeutsche Zeitung gelesen haben wussten sie wer die Bösen sind und der Volker Pispers hat mal gesagt, wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur und diese Analyse wird jetzt durcheinander gebracht, weil plötzlich weiß man nicht, sind die NATO die Bösen im Ukrainekonflikt oder ist Putin der Böse. Und das geht von einem Thema zum nächsten, also auch Afghanistankrieg Feindbild, wo stehen wir? Wie wär es jetzt wenn die Taliban durch Berlin patrouillieren oder ist es richtig, das deutsche Soldaten durch Kabul patrouillieren. Die ganze Sache ist im Umbruch, das ist spannend.
KenFM: Angela Merkel war ja gerade in Moskau. 70 Jahre befreites Deutschland, hat es dann da gewagt, vor Putin zu sagen, das die Annektion, hat sie sich ausgedrückt, Krim ein Verbrechen war. Das kann man jetzt unterschiedlich beleuchten. War das ein Bruch des Völkerrechts? Gerade im Rahmen was Deutschland oder was deutsche Soldaten der Wehrmacht in Russland getan hat, davon zu sprechen find ich ein bisschen taktlos, aber von den Bösen sprechen find ich….Herr Bröckers hat uns ja Orientierungshilfe gegeben mit seinem Buch Wir sind die Guten. Wie definiert man denn eigentlich die Guten?
Mathias Bröckers: Das ist ganz einfach. Wir sind immer die Guten. Also, der Westen, es ist egal was wir tun, eben schon kurz angesprochen, ja auch staatlich organisierter Terror, der dann nicht so klar an die Öffentlichkeit kommt, auch wenn wir das machen ist es in Ordnung. Wir haben das Buch zur Ukraine gemacht, weil ich mich so etwa vor einem Jahr ziemlich genau, einfach nicht mehr ausgehalten hab, dass permanent uns gezeigt wird, wir sind die Guten und Putin ist jetzt irgendwie der neue Satan. Deshalb hab ich da im Untertitel auch gewählt Ansichten eines Putinverstehers.
KenFM: Sind Sie das?
Mathias Bröckers: Ich sag immer ja, aber ich bin ein Versteher, aber ein Versteher heißt doch, ich bin auch ein Ken Jebsen Versteher, das heißt aber nicht automatisch das ich ein Ken Jebsen Verehrer bin, kann sein, bei dir würde ich sagen, ach den find ich ganz in Ordnung, aber bei Putin sag ich erstmal nur, ich versuche den zu verstehen, wie er sich verhält und wenn das verstehen diskriminiert wird, wenn schon gesagt wird, du darfst den nicht verstehen, ja was darf ich dann? Dann muss ich glauben, dann sind wir wirklich wieder im Mittelalter gelandet wo nicht die Ratio nicht die Vernunft, nicht der Verstand entscheidet, sondern der Glaube und das was der Papst, der Bischof oder sonst eine Autorität mir sagt, das soll ich glauben und deshalb haben wir provokant diesen Untertitel gewählt um klar zu machen, Leute wenn man Putin versteht, heißt das nicht das man ihn gut findet, aber wir müssen doch schauen das die NATO, was der Westen macht in der Ukraine, das dieser Vertrag, dieser Assozitationsvertrag, der ja dann von Janukowitsch gecancelt wurde und dann hat das zu der sogenannten Maidan Revolution geführt, die übrigens keine Revolution war, aber da kommen wir vielleicht noch zu, das dieser Vertrag unlauter war, weil er hat versucht, die Ukraine sozusagen ganz dem Westen zuzuschlagen, Zollunion, Wirtschaftsunion und hat dann in Paragraph 8 noch die Nato ins Spiel gebracht. Es war nicht ein Wirtschaftsvertrag….
KenFM: militärische Zusammenarbeit…
Mathias Bröckers: militärische Zusammenarbeit, das heißt die NATO kann ihre Raketen direkt vor der russischen Haustür aufstellen, das wäre die Folge gewesen und dann hat Janukowitsch im letzten Moment gesagt, der hat ja den Vertrag ja gar nicht kündigen wollen, der hat ja gesagt, das müssen wir nochmal überlegen ob es nicht Sinn macht auch eine Zollunion mit den Russen zu haben, weil Ukraine und Russland hängen seit 100 Jahren zusammen und deshalb war dieser Vertrag schon nicht richtig okay, den die EU da angeboten hat und das ist auch die Verantwortung, die der Westen jetzt hat an dem Bürgerkrieg der da blutig tobt bis heute und wir immer hier so erzählt bekommen, ja, das ist alles nur Putin, das macht nur der böse Putin, da stürzt ein Flugzeug ab, dieses malaysische, da steht am nächsten Tag in der ganzen westlichen Welt in der Zeitung, Putins Raketen, die Russen waren es und so, der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Wir alle wissen, also auch der Spiegel schreibt dann so. Klar, Spiegel, FAZ, also die sogenannten Qualitätsmedien, haben einfach keine Qualität mehr und bemühen sich nicht um eine objektive Darstellung, sondern sind ganz klar auf einer bestimmten Linie.
Daniele Ganser: Also ich kann das konkret bestätigen. Also ich finde das wichtig was Herr Bröckers sagt. Weil, als dieser NATO Gipfel war, in Wales, haben die angerufen und gedacht wir fragen Schweizer Historiker der zur NATO gearbeitet hat. Der soll mal erklären was das Problem in der Ukraine ist, die haben gehofft das ich dann im Fernsehen sage, das Problem ist Putin, das hab ich gelesen, darauf haben wir uns geeinigt und die Arbeit ist jetzt, das jeden Tag zu wiederholen, also es geht überhaupt nicht um verstehen. Die haben gesagt das wird dann auf Pro7 gezeigt, morgen in den Nachrichten und das ist ganz wichtig und ich hab ja eigentlich einen vollen Tag, es hat eigentlich überhaupt nicht rein gepasst, wir schicken ein Videoteam, unbedingt Herr Ganser, wir wollen sie. Dann haben die das aufgezeichnet, ich hab mir extra eine halbe Stunde Zeit genommen in einem vollen Tag und dann hab ich gesagt, das Problem in der Ukraine ist die Ausdehnung der NATO. Die NATO dehnt sich aus und das wird die Ukraine zerreißen, es wäre besser die Ukraine wäre neutral, so. Vielen Dank Herr Ganser, wunderbar. Am nächsten Tag, genau das was sie sagen. Am nächsten Tag bekomm ich eine Mail von der Redaktion, ja Herr Ganser wegen den sich überstürzten Ereignissen konnten wir Ihren Beitrag leider nicht senden und das ist eben der Punkt, das Verstehen das hier schildern, das Verstehen wird gar nicht gesucht, es wäre eben für die Zuschauer viel interessanter beide Gesichtspunkte zu haben, einmal Putin ist der böse und einmal die NATO ist böse und dann hat man wenigstens eine Auswahl und dann kann man sich überlegen auf welcher Basis wird denn argumentiert, was ist die Entwicklung der letzten 25 Jahre?
KenFM: Die NATO Osterweiterung.
Daniele Ganser: Die NATO Osterweiterung, ich hab auch gesagt wir müssen unbedingt eine Karte zeigen, weil das haben die Leute nicht auf dem Radar, aber sie haben gesagt, ja zeigen wir, aber da haben sie gar nichts gezeigt. Aber wenn ich Putin kritisiert hätte, dann wär‘s eine halbe Stunde länger….
Mathias Bröckers: …wär‘s dreimal wiederholt worden.
KenFM: Herr Ganser können Sie ganz kurz mal, weil NATO Osterweiterung das hat man vielleicht schon mal gehört, mal kurz die Länder aufzählen, um die die NATO erweitert wurde nach dem Deutschland wiedervereinigt wurde?
Daniele Ganser: Natürlich bekannt die DDR, da war die Frage wie bringt man Deutschland zusammen und es ging eben nicht mit russischen Truppen in der DDR und amerikanischen Truppen in der BRD, also irgendwie jemand musste einen Schritt machen, Gorbatschow hat den Schritt gemacht, hat gesagt, ich zieh meine Truppen aus der DDR ab und dann könnt ihr ganz Deutschland in die NATO rein nehmen. Ich hätte besser gefunden, man hätte Deutschland neutral gestaltet. Damals gab es ja diese Diskussion, wir werden uns nicht weiter ausdehnen und jetzt kam Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechei, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Kroatien, eine ganze Liste.
Willy Wimmer: Nur die Ausgangsposition damals im Zusammenhang mit ehemaligen DDR war aus unserer Sicht eine andere. Ich hab für den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl die Denkschrift geschrieben, die dann zur NATO Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands geführt hat und zur Truppenstationierung, deutsche Truppen auf dem Territorium der neuen Länder also vor diesem Hintergrund weiß ich worüber ich hier rede, weil es der Anfang dieser Entwicklung gewesen ist. Wir waren uns darüber im Klaren und das war nur mit dem BND Chef damals abgestimmt worden. Wir waren uns darüber im Klaren das nur deutsche Verbände auf dem Territorium der ehemaligen DDR stehen sollten, weil wir natürlich die europäische Geschichten kannten und uns dessen bewusst waren das man mit aller Vorsicht in Europa agieren müsste und vielleicht, wenn man diese Truppen da stationiert hat, also deutsche Verbände auf diesem Territorium, man über die Instrumente der damaligen europäischen Gemeinschaft, würde langsam vorgehen können, diese Staaten einbeziehen, sie hatten ja auch ökonomische Probleme, weil das Haus Europa um das es hier ging, ja nur eine bestimmte Signatur hatte und deswegen war Vorsicht angebracht, das ist alles über den Haufen geschmissen worden, auch mit deutscher Ministerhilfe, ab dem Jahr 1992, als dann plötzlich von diesen Dingen der Befriedung und auch des gemeinsamen Hauses Europa keine Rede mehr war, sondern die NATO nach Osten erweitert werden musste…
Daniele Ganser: Darf ich da kurz nachfragen? Weil ich bekomm dann diese Fragen. Ist es wahr, das man damals Gorbatschow versprochen hat, das sich die NATO nicht weiter ausdehnt. Ist das wahr oder ist das falsch?
Willy Wimmer: Na selbstverständlich ist das wahr. Die Geschäftsgrundlage für diese Entwicklung sah das vor was ich grade geschrieben haben. Diese Denkschrift ist deutsche Regierungspolitik geworden und sie ist bei dem Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Bush in Amerika so beschlossen worden, das und ist in die Wiedervereinigungsverträge eingegangen. Also vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen, selbstverständlich das war die Geschäftsgrundlage, wir waren uns dessen bewusst das wir eine schwierige Situation in Europa hatten, es sollte keine Unsicherheit über die deutsche Politik mehr geben, das war ausdrücklich unser Wunsch, keine Unsicherheit, deswegen die NATO Mitgliedschaft für das wiedervereinigende Deutschland, aber die Anerkennung der Situation im Zusammenhang mit unseren Ost- und Zentraleuropäischen Nachbarn und deswegen nur deutsche Truppen auf dem Territorium der DDR und ich sag das mal mit einem Nachdruck wir wollten auch keine amerikanischen Besatzungstruppen in Leipzig haben.
KenFM: Ich darf Sie direkt fragen, Herr Wimmer. Haben die Russen sich täuschen lassen? Wurden sie getäuscht in dieser Frage?
Willy Wimmer: Es hat dann in den 90er Jahren eine andere amerikanische Politik gegeben. Die Amerikaner waren in meinem Verständnis und wir hätten die Situation in Europa gar nicht anders hinbekommen. Das war eine Großmacht des Völkerrechts, auch der Verhandlungen und sie haben das alles betrieben und zu unserem Nutzen haben sie es betrieben, wir haben die Wiedervereinigung Deutschlands bekommen und das Ende des Ost-West Konfliktes und damit der Trennung Europas. Aber in den 90er Jahren hat es eine Neubewertung, das kann man auch begründen, eine Neubewertung der amerikanischen Politik gegeben und die haben nicht mehr auf Verhandlung gesetzt, sondern auf das Nutzen ihrer militärischen Möglichkeiten.
KenFM: Sie suchen den Konflikt?
Willy Wimmer: Sie können ohne Konflikt nicht leben. Eine Welt die befriedet ist, ist heutzutage nicht im amerikanischen Interesse, sie können es gar nicht.
Dirk Pohlmann: Das ist doch der entscheidene Punkt, das man sehen muss, das sind zwei große, ganz verschiedene Linien. Das eine ist, was sie beschrieben haben, eine vorsichtiges agieren aus der deutschen Geschichte, also eigentlich immer, wenn man irgendwo auftaucht mit der weißen Fahne und sagen wir möchten mit euch verhandeln, wir sind eure Freunde, wir möchten keine Aggressionen. Das andere ist, ab 1992, eine Hinwendung auf eine Politik der Stärke, auf eine unilaterale Welt, weil die Möglichkeit bestand, nach dem Ende des Kalten Krieges, ich möchte es immer wiederholen, es gab zwei Möglichkeiten wie man das ganze ansieht, führt man jetzt eine internationale Völkerrechtsorganisation ein oder hat man das Hoppsche Modell von einem Leviathan der die Welt beherrscht wie das alte Rom, der Frieden erzwingt, in dem niemand sich gegen ihn erheben kann.
KenFM: Der gute Diktator?
Dirk Pohlmann: Ja, das ist Hobbs. Hobbs muss man wissen ist der Lieblingsphilosoph von Stalin gewesen aus dem bürgerlichen Lager, das ist der gegen den die Amerikaner ausgesucht haben um ihre Weltsicht durchzusetzen. Es gibt eine Sache die ich gerne erzählen würde, weil mir das mal jemand intern gesagt hat, das war ja….erstmal 1998 Gorbatschow da und es gab die Sowjetunion noch und dann kam Jelzin an die Macht als russischer Präsident, das sollte man auch, Jelzin hat ein Brief bekommen von Popolous, der sagte wir kriegen das nicht mehr hin, wir müssen die zentralasiatischen Republiken abstoßen, wir müssen Ukraine und Weißrussland abstoßen und dann, in eigentlich in einem Staatsstreich, also ein Putsch den der amerikanische Botschafter als Putsch bezeichnet hat, auch Gorbatschow hat Jelzin sich selber zum Präsidenten Russlands, also die anderen abgestoßen und dann gab es ein absurden Anruf von Jelzin bei Manfred Wörner, der Generalsekretär der NATO war und er war auch Generalsekretär und dachte jetzt, jetzt reden wir von Chef zu Chef und sagte ich möchte in die NATO, wie machen wir das jetzt? Also Jelzin ruft bei Wörner an und sagt ich möchte Mitglied der NATO werden. Das sind die Verhältnisse gewesen 1992, also so fluid war das da, war ne ganze Menge, stellen sie sich das vor, was hätte man alles aus diesem Zustand machen können und wo sind wir jetzt? Vor einem weiteren kriegerischen Zustand.
Willy Wimmer: Also die Situation ist präzise so beschrieben. Ich kann das aus Gesprächen wiedergegeben die ich selber 1988 im Weißen Haus mit dem, dann später amerikanischen Botschafter in Moskau Jack Medlock geführt habe, der in der TAZ vor wenigen Monaten ein bemerkenswertes Interview gegeben hat und der hat mir damals gesagt, das es ja auch alles festgehalten, das die Tagesordnung des Zentralkomitees der KPDSU im Weißen Haus mit den Russen gemeinsam erstellt worden ist und man saß damals im Weißen Haus zusammen um eine neue Sowjetische Verfassung zu schreiben, also die Kooperation, die Zusammenarbeit war so vertrauensvoll, so eng, das die Dinge die Sie gefragt haben im Zusammenhang mit NATO Osterweiterung oder wie das damals in Deutschland ausgesehen hat, eine logische Begründung findet die Zusammenarbeit war enger als wir das heute wahrhaben wollten und das entsetzliche ist, das wir so weiter zurückgefallen sind, was die Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit Verbrecher bei der Pressekonferenz in Moskau gesagt hat, ich kann nur sagen als ich das gehört habe, hab ich gedacht gaga. Total Gaga, also nicht nur das, sondern mir wäre es lieber gewesen, die Dame hätte in Zusammenhang mit den völkerrechtswidrigen Kriegen wie sie 1999 geführt haben, hätte die mal gesagt Völkerrecht, denn die Dinge in Zusammenhang mit unseren heutigen Schwierigkeiten, die finden ihre Begründung darin, das wir einen verbrecherischen nach dem anderen geführt haben.
KenFM: Wen meinen Sie mit wir?
Willy Wimmer: Die NATO, wir der Westen, was auch immer.
Mathias Bröckers: Die Guten.
Daniele Ganser: Ich beobachte das immer ja aus der Schweiz, wir sind aus den Bergen. Ich schau da rüber, ich denke, okay.
Willy Wimmer: Sie haben Übersicht.
Daniele Ganser: Nein, überhaupt nicht, wir sind so klein, das wir hoffen das das Völkerrecht sich durchsetzt und nicht der super…..Wir sind ja durch das Recht, unsere Armee könnte das nicht regeln. Und ich sag mal, wenn wir das beobachten von uns her, dann sehen wir die Russen helfen den Deutschen für eine friedliche Wiedervereinigung mit den 10 Punkten von Moskau hat man das Gefühl, man freut sich und wenn man dann nur 25 Jahre nach vorne zoomt und die deutsche Presse liest, dann heißt es Russland ist ganz klar Feindbild Nr. 1.
Willy Wimmer: Da haben sie was vergessen was dazwischen kommt, wenn ich das so sagen darf. Dazwischen ist Gauck, mit dieser Waffen- und Einsatzrede vom vergangen Jahr, hat man deutlich gemacht, das die Zeit an einer vernünftigen Zusammenarbeit mit der russischen Föderation vorbei sein sollte und vor diesem Hintergrund hat sich für uns die Welt geändert, keiner in Deutschland versteht das, wenn sie ins deutsche Volk hineinhört, die Fragen sich da alle was dieser Präsident labert.
KenFM: Herr Wimmer, vielen Dank für diese Steilvorlage. Ich erinner mich daran, als ich sie kennen gelernt habe, ist ein paar Jahre her, da haben sie immer noch von Frau Dr. Merkel gesprochen, jetzt sprechen Sie nur noch von Merkel, da hab ich auch was rausgelesen, aber okay.
Willy Wimmer: Nach Minsk II sollten wir mit aller Sorgfalt auf die Politik unsere Kanzlerin achten, weil sie uns möglicherweise vor dem Schießkrieg bewahrt hat, das muss man nüchtern sehen…
KenFM: …durch Zeit kaufen in Minsk.
Willy Wimmer: durch Zeit kaufen und in der Hoffnung, das es nicht zum schlimmsten kommt und wenn sie in großen deutschen Zeitungen inzwischen nachlesen wie die Amerikaner aktive Pressepolitik betreiben im Zusammenhang mit dem Abhörskandal NSA/BND, dann hat man ja den Eindruck, die wollen alles tun um die Dame…
Mathias Bröckers: zu desaportieren
Willy Wimmer: zu beseitigen, weil sie natürlich das große spiel gestört hat, das ist in einer deutschen Öffentlichkeit weit verbreitet, das man das so sieht.
KenFM: Wollen Sie damit andeuten Angela Merkel versucht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für deutsche einzusetzen? Also deutsche nicht in diesen Krieg zu bringen? Sind wir auch gleich mal beim Parlamentsvorbehalt, können wir gleich drüber reden und deswegen muss sie weg? Sie leistet mit dem was sie jetzt macht zuviel Widerstand?
Willy Wimmer: Wir haben doch im Zusammenhang, Sie haben das eben gesagt, wir haben im Zusammenhang mit der NATO Entwicklung, sie haben die Jahreszahl genannt, wir haben doch gesehen, das wir diese Fragestellungen schon beim NATO Gipfel in Riga und wo auch immer hatten, in den Jahren zwischen 2000 und 2010 und die damalige deutsche Position war die heutige. Das wir vorsichtig sein müssen im Zusammenhang mit der Osterweiterung und der Aufnahme Georgiens und der Ukraine, weil das endgültig die Dinge in Europa zementiert. Das war eine durchgehende deutsche Politik und die Amerikaner wissen das natürlich und eine Kanzlerin, die das auch in Minsk II nochmal wiederholt, wie die deutschen Interessenlage ist, ist natürlich im Augenblick ein Störenfried für amerikanische Politik. Sie brauchen da nur den Namen McCain in die Öffentlichkeit zu schleudern, da wissen Sie alle was gemeint ist, Krieg soll her.
KenFM: Sind Sie für ein Einreiseverbot für McCain nach Europa?
Willy Wimmer: Ist überfällig und man muss ein Zusammenhang mit diesem Formulierungen wie bei der Pressekonferenz vorsichtig sein. Was sollen denn die Leute denken wenn demnächst in Bayern, in Elmau, G 7 Treffen stattfindet, die Dame hat in Moskau sowas gesagt, verbrecherisch, soll sie denn den Obama in Bayern verhaften lassen, weil er jede Woche von einer Hitliste Leute umbringen lässt? Das sind doch die Dinge mit denen man sich auseinandersetzen muss. Wie vorsichtig muss diplomatische Sprache sein. Wir können hier darüber reden, wie das Empfinden ist, aber in einer verantwortungsvollen Position muss man sich so äußern, das der Gast einen auch noch ernst nimmt.
Dirk Pohlmann: Es gibt auch noch eine Sache die wir als deutsche noch in Erinnerung haben sollten. Wir haben ja eine deutsche Wiedervereinigung mit der Unterstützung von Gorbatschow damals. Und Deutschland war eine nicht sehr lange Zeit in BRD und DDR gespalten und die Ukraine gibt es viel kürzer in dieser Form, das heißt real ab 92 vorher ist das ja noch assoziiert mit der Sowjetunion oder dann mit GUS und wenn man das jetzt mal anguckt im Zeitverlauf da müsste wir ja eigentlich gewissen Grad Verständnis haben wenn die Ostukraine sich wiedervereinigen möchte mit Russland, weil der Kiewer Russe ist der Ursprung von Russland. Das sind so Sachen, wenn man die Perspektive wechselt und sagt, die wollen zurück, die wollen zusammen, man sagt aber das das völkerrechtlich nicht möglich, wäre bei uns auch ein Problem gewesen. Es gibt noch mehr solche Zahlen. Z.B. Texas, gucken sie sich die ganz Städte an, Los Anderes, Neu Mexiko, Sierra Nevada, San Fransisco, da hören sie das ist spanisch, das war 1835 oder 1845, war das noch Mexikanisch, haben die Amerikaner sich geholt, stellen Sie sich vor Texas würde seine Unabhängigkeit erklären und die Chinesen helfen mit dabei, was würden denn die Amerikaner machen? Wie würde das aussehen? Das sind die Situation, wir rücken ran an dieses Land und sagen, bedrohen das mit einer, mit einem Sicherheitsgürtel und erwarten das die Beifall klatschen. Stellen sie sich es umgekehrt vor.
KenFM: Ich darf mal kurz den Ball rüber geben an Sie Herr Ganser. Sie als Friedensforscher haben es auch in Ihren Vorträgen immer wieder gesagt, Sie waren ja vor paar Tagen in Berlin, haben das Babylon ausverkauft. Man muss Sie als Friedensforscher auch in die andere Seite hineinversetzen. Können Sie das mal erklären, da wird es absurd.
Daniele Ganser: Das ist nicht so schwer zu verstehen. Stellen Sie sich vor 2011 bombardiert Lybien Frankreich, 30.000 Tote, Sarkozy ist tot. Dann haben wir das Gefühl, völlig abgefahren. Ich erzähl das Gegenteil Frankreich bombardiert Lybien, Gaddafi tot, 30.000 Tote, da hat man das Gefühl als guter Spiegel, wie nennen Sie denn Spiegel?
Mathias Bröckers: ehemaliges Nachrichtenmagazin:
Daniele Ganser: ehemaliges Nachrichtenmagazin. Dann sag ich als guter Spiegelleser hat man das Gefühl viele Freunde sind Lehrer, oder die haben alle Geschichte studiert, die sagen, weißt du ich bin schon gegen den Krieg, aber Gaddafi war so ziemlich unsymphatische Figur, der musste weg und dann haben wir immer dieses Gefühl ich find ja den Titel genial. Wir sind die Guten oder unsere Medien stellen es immer so dar, das wir am Schluß eigentlich uns freuen, das die NATO eine Friedensorganisation ist, und so erklären wir es noch den Kindern und das ist natürlich völliger Brainwash, da stecken wir mittendrin, wir haben größte Schwierigkeiten das durch die Medien durchzubekommen, weil die meisten Medien in diesem Konsenz aufsitzen, also ich habe versuch zu erklären, in der Schweiz, das eigentlich die Frage mit der Krim nach dem Sturz kam, also wir haben zu erst den Sturz
KenFM: den Putsch.
Daniele Ganser: Ja. Ich sag mal Sturz, weil Sturz ist sicher. Putsch heißt so….nein, gut, sagen wir Putsch. Ist eigentlich okay.
KenFM: Sniper auf den Dächern haben am 20. entschieden was passiert.
Daniele Ganser: In der Ukraine hat das Volk friedlich demonstriert und hat einen korrupten Diktator von der Macht entfernt, das ist nicht die Ursache. Die friedlichen Demonstrationen haben Janukowitsch nicht gestört, sondern erst die militanten Demonstrationen, die haben es zugespitzt, aber das hat den Präsident, demokratisch gewählt, immer noch nicht gestürzt, sondern erst diese Scharfschützen, also der Regierungssturz am 20. Februar 2014, ich hab das sehr genau untersucht, wurde dadurch ausgelöst, dass sie in Kiew Demonstranten und Polizisten haben rundherum haben Sie Häuser und auf den Häuser haben sie Leute von denen wir nicht wissen wer sie sind und die schießen runter und töten sowohl Demonstranten wie auch Polizisten, die Leute die im Krankenhaus gearbeitet haben, haben gesagt, diese Wunden und auch diese Geschosse sind aus den selben Gewehren und da hab ich mich damals gefragt, saß ich in der Schweiz, das kam zu mir auf den Tisch und ich hab mich gefragt, ja meine Güte jetzt hat der Präsident also seine Polizisten erschossen und die Demonstranten, also das ist ein typischer Schuss in den Fuß und dann hab ich gedacht, das kann nicht sein, da stimmt was nicht.
Mathias Bröckers: Das klassische Muster für einen Regimechange.
Daniele Ganser: Ja es wird in den Medien, Klitschko schreibt dann die KO Kolumne in der BILD Zeitung…
Mathias Bröckers: Klitschko hat den Konrad Adenauer Preis gekriegt, nix gegen Klitschko.
Daniele Ganser: Nein, aber nichts gegen Adenauer. Ja, aber es sind doch so billige Maschen. Klitschko kenn ich in der Boxhose, da denk ich, der ist ehrlich und mutig und wenn der was sagt, der Janukowitsch hat seine Leute verschossen, das in der ganzen Bild Zeitung dann glaubens alle.
Dirk Pohlmann: Wir kennen das doch alle, also wir haben uns damit beschäftigt haben, wir wissen ein klassisches Mittel, eine klassische Methode,
Ich hab das jetzt von einem Kollegen gehört, der war in Lybien in einem Hotel und da tauchten nachts um 3 Uhr auf einmal 300 Leute aus Katar auf, zwischen 18 und 21, muskulös mit Reisetaschen, fällt auf, also sozusagen, das waren die Leute die dann entsprechend das gleiche dort gemacht haben, das heißt auf beiden Seiten auf Leute schießen und das ist das Prinzip, man heizt damit den Konflikt an, eskaliert und dann muss man gucken wer hat ein Interesse dran das es eskaliert.
Daniele Ganser: Herr Pohlmann, darf ich da rein? Während Sie jetzt sagen, die NATO hat die Leute, oder ich weiß nicht, Sie haben nicht gesagt die NATO, aber wenn es diese Arbeit, es gibt Ray McGovern, CIA Journalist, und der hat gesagt, es war ein vom Westen gesponserter Putsch in der Ukraine, aber wenn, und da kommen wir in eine andere Native, wenn wir zu erst einen Putsch haben, durch Scharfschützen die von der NTAO unterstützt wird oder toleriert wird und danach kommt die Krimabstimmung wo die Krim sozusagen dann ist es eben eine völlig andere Native.
Mathias Bröckers: diese Reihenfolge ist eben entscheidend.
KenFM: von A nach Mathias Bröckers:
Daniele Ganser: Ich nehm Ihnen einen Turm und Sie nehmen mir ein Pferd und dann wird eben erst eingeblendet, Jebsen hat Ganser sein Pferd genommen. Der arme Ganser saß nur da und hat sein, das ist ja völlig, ich sag nur so, bei der Champions League, die schau ich ja gerne, da haben wir immer einen Fokus ob das jetzt ein Handspiel war, es gibt 500 Kameras, es gibt dann auch in 10 Zeitungen eine Diskussion, ob er den Fuß noch berührt, ich find das eine ganz wichtige Diskussion, aber ich sag jetzt mal, dann haben wir einen Regierungssturz den Europa in einne gefährlichen Krieg treiben kann und tut und wir haben so, wir sind mehr im Blindflug.
KenFM: Herr Ganser, da sind wir bei der politischen Großaufnahme die durch die Medien geleistet werden könnte aber nicht wird. Und das ist die Frage an Sie Herr Pohlmann, es gibt schon Kollegen die das tun, aber immer off the record. Was passiert denn als Journalist, ich möchte das mal genauer untersuchen, ich möchte ein mögliche Alternative zum vorgegeben Feindbild liefern.
Dirk Pohlmann: Man macht ganz rasant Karriere mit Chefredakteur. Also, das müsste sich, ich hab mich dazu entschlossen, einfach zu sagen, direkt darüber zu reden, weil ich es Dicke habe wie das läuft, es ist so, es ist nicht so das man gesagt bekommt, du machst das nicht, sondern man merkt gegenüber hat man einen leitenden Redakteur, der weiß, er wird Schwierigkeiten bekommen, wenn er sich in diese Richtung bewegt. Der hat, ich vergleiche es immer wenn sie Jagdhunde kennen, die gucken immer so zu ihrem Herrchen hoch, was wohl jetzt als nächstes kommt, voraus ahnen, was jetzt kommen soll. In dieser Position sind die, und das ist ein Gespür dafür was möglich ist, die werden also nicht dazu gebracht, bestimmte Dinge als Befehl , also nicht wie im Dritten Reich das dann so blauen, weiße, rosa Papiere, wo die offizielle Sprache gelungen ist, man weiß einfach jemand z.B. der mich beschäftigt hat und ich hab diesen Film gemacht Israel-die Bombe, der hat hinterher gibt’s Schwierigkeiten und sie möchten ja, wenn sie Karriere machen wollen möchten sie keine Schwierigkeiten das können sie sich nicht erlauben, dann gibt es Leute, denen ist das noch relativ egal, die wollen das trotzdem machen. Also ich mach keine Karriere mehr beim ZDF, ich möchte meine Filme machen:
KenFM: Ist das schlimm? Keine Karriere zu machen beim ZDF?
Dirk Pohlmann: Nein, das ist nicht schlimm. Das hab ich mir vor längerer Zeit, das ist ja mehr, das man versuchen will, Sachen rauszukriegen, man möchte eigentlich arbeiten können und seine Recherche machen, aber dann gibt es natürlich einen Schritt weiter, wenn man jetzt in Reihe ist solche Sachen anbringt dann wird man früher oder später Schwierigkeiten bekommen und diese Schwierigkeiten werden immer dicker und ich kann ihnen das konkret bei mir sagen, ich habs ja gesagt mein vorletzter Film wurde umgeschnitten, umgetextet ohne das ich auch nur informiert wurde darüber das das getan wurde. Ich hab dann im Fernsehen dann meinen eigenen Film gesehen in der ZDF Version, das ist ja gar nicht mehr mein Film, das glaubt man nicht das sowas passiert, wie gesagt die Leute in Russland haben dann gelacht, weil sie das kennen, aber wir lachen nicht, weil wir denken wir wären nicht Russland, wir sind aber mittlerweile in dieser Hinsicht, das ist Namistat Literatur hier, also das läuft ja sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das ist zwar ein Spiegel Bestseller aber er taucht in keiner Besprechung auf und wenn es eine Besprechung gibt, müssen sie aufpassen was hinterher aus ihnen gemacht worden ist. Dann nimmt man aus langen Diskussionen einen kurzen Satz raus um ihn zu diskreditieren oder den Hanfjournalisten Bröckers oder sowas, also selbst, meine sehr guten Quoten oder diese Bestseller führt nicht mehr dazu das man dann als Gesprächspartner ernst genommen wird, sondern man ist in einer Situation wo man merkt es wird immer, immer enger dann wurden mir die Budgets gekürzt, also das heißt ich hab normalerweise zwischen 120.000 150.000 Euro für so einen Film, auf einmal waren es 90.000. Dann bin ich unterwegs, übernachte in einem Hotel wo es keine Elektrizität gibt, in einem Drogenviertel von San Fransisco wo ich morgens raus komm, können sie sich vorstellen, der eine Interviewpartner sagte, können sie mich bitte abschminken, der war in einem Hotel eine Stufe weiter ich hab so nicht gewohnt seit ich Student war. Können sie mich bitte abschminken, ich hab angst was mir hier passiert, im Schwulenviertel von San Fransisco, wenn ich jetzt so mit rüberlaufe, das heißt sie werden oder ich komme an, wissen ja konkrete Dinge, ich komme an, fliege von Berlin nach Frankfurt, nach New York, nach San Fransisco nach Burbank, bin 26 Stdunden unterwegs dann soll ich noch zwei Stunden Auto fahren, wollt ihr mich gleich umbringen, könnt ihr das nicht geschickter machen?
Willy Wimmer: Wenn man Herrn Pohlmann so hört, kann man bestimmt mit Fug und Recht sagen, Josef Göbbels hat mit der deutschen Presse, größere Schwierigkeiten gehabt als die NATO mit dem was wir jeden Morgen lesen können.
Dirk Pohlmann: Was passiert ist, das sie, stehen davor das sie sagen mach ich das nochmal mit, weil ich noch einen Film machen will, mach ich das nochmal mit, Schluck ich das ganze, bin ich jetzt Weltmeister im Kröten schlucken? Ich hab ein Haus, ich hab Kinder, ich hab ein Auto, das ist die Situation von den ganzen Leuten, mach ich das weiter mit? Oder, wenn ich auch sozusagen dagegen verstoße gegen diese Sache dann muss ich eben, muss ich sagen, ich hör auf, aber vor diesen Schrecken viele Leute zurück und die anderen die Karriere machen wollen dürfen nicht mal in die Nähe dessen kommen und deswegen werden wir alle am Tisch sitzen hier, haben sozusagen in einer gewissen weise öffentlich aussortiert worden, als Professor, sie als Radiomoderator, er als TAZ Journalist, sie haben alle ein gewisses standing gezeigt dabei, aber das kostet sozusagen, das kostet die Existenz, die berufliche Existenz.
Daniele Ganser: Ich möchte das sehr gerne unterstreichen. Ich bekomme immer wieder anfragen: ‚In der Schweiz ist das doch sicherlich anders, oder?‘ Und da kann ich einfach sagen: Es geht nicht nur um den Brand ZDF, wo die Leute dann das Vertrauen verlieren, wenn sie hören, dass eigentlich gute Journalisten dort nicht frei arbeiten können. Es geht bei uns in der Schweiz um die ETH Zürich. Das ist bei uns in der Schweiz eine der führenden wissenschaftlichen Institutionen und ich möchte auch sagen, die macht viel gute Arbeit. Aber ich war dort am ‚Centre for Security Studies‘ tätig und dann im Jahre 2006 bekam ich Daten zum 11. September. Und da ist dann bei uns das Haus explodiert, also sprichwörtlich. Der 11. September 2001 ist ein so umstrittenes historisches Phänomen, dass ich gesagt habe, wir müssen das neu untersuchen, weil da ist ein drittes Gebäude zusammengestürzt – World Trade Center 7. Und da ist kein Flieger rein. Flieger – Flieger; Turm – Turm. So ist das für die meisten Menschen: 11. September- so habe ich das im Fernsehen gesehen. Das wurde so geschnitten. Aber im Hintergrund ein drittes Gebäude, wo kein Flieger reingeht.
Ken Jebsen: War das ein großes Gebäude?
Daniele Ganser: Ja, 170 Meter. Das heißt also, wir haben zwei Flieger und drei Türme. Und das ist jetzt für uns Historiker die Kniffelaufgabe.
Dirk Pohlmann: Und es hat noch nie ein Gebäude gegeben, ein Stahlbetongebäude, was durch Feuer eingestürzt ist.
Daniele Ganser: Ich geh‘ dann zu den Baustatikern, Sie haben das ja auch erlebt. Aber ich möchte erklären, wie das funktioniert im internen wissenschaftlichen Betrieb. Dann kommt dann der Direktor des Instituts und sagt: ‚Herr Ganser,‘ oder man ist natürlich per Du. Das heißt dann: ‚Daniele, vergiss es einfach.‘ Und dann sage ich: ‚Ich vergesse es nicht, weil auf 9/11 baut ja der Afghanistankrieg, der Einsatz der Bundeswehr, der NSA- Überwachungsstaat, Guantanamo, der Irakkrieg- im Irakkrieg haben wir eine Million Tote. Das vergesse ich jetzt lieber nicht.‘ Und dann sagt der Vorsitzende des Instituts: ‚Wenn du das jetzt weitermachst,‘ (deutet mit dem Zeigefinger) So dieser Zeigefinger. ‚Wenn du da jetzt weitermachst, dann hat die Schweiz Probleme.‘ Und dann sag ich: ‚Die Schweiz? Also das wüsste ich jetzt nicht.‘ ‚Na dann hast du Probleme.‘ Und das ist eben so: Die Leute haben das Gefühl, das Journalisten, Wissenschaftlicher und Politiker einfach nach Interesse nach besten Wissen und Gewissen ihre Arbeit leisten und das stimmt bis zu einem gewissen Grad, aber dann kommt die rote Zone. Und das war jetzt in der Schweiz 9/11. Und dann habe ich das aber trotzdem weitergemacht, obwohl – ich hatte da 10.000€ pro Monat meinen Lohn – es dann hieß: Das wird dann gekündigt. Und das brauch dann schon eben viel Überzeugung, dass man WTC7 gegen den Lohn eintauscht. Das ist der Druck.
Ken Jebsen: Da hat das Außenministerium dann an der Uni angerufen?
Daniele Ganser: Nein. Die amerikanische Botschaft hat dann einen Artikel geschrieben und es hieß sofort: Der Ganser ist ein Verschwörungstheoretiker. Weil ich habe zuvor einen Artikel geschrieben und gesagt: ‚Es gibt einen Streit um den Einsturz von WTC7.‘ Ich habe gar nicht gesagt: ‚Die haben das gesprengt.‘ Ich habe einfach nur gesagt: ‚Das ging entweder wegen Feuer oder Sprengung herunter.‘ Das Gebäude hat 81 Stahlsäulen. Es ist kein Flieger ‚rein und die Amerikaner sagen: ‚Säule 79 wurde wegen Feuer destabilisiert.‘ Darum ist das ganze Gebäude heruntergefallen. Als ich das Baustatikern zeigte, habe die nur gelacht. Die haben gefragt: ‚Machst Du Scherze?‘ Da habe ich gesagt: ‚Nein, das ist die offizielle Geschichtsschreibung. So soll ich das schreiben.‘ Und das will ich ja auch nicht. Ich will mich ja auch nicht lächerlich machen. Ich hätte gern eine saubere Geschichtsschreibung.
Ken Jebsen: Haben wir nicht seit dem 11. September ‚Des Kaisers neue Kleider‘ in der Presse? So, dass jeder Journalist weiß…
Daniele Ganser: Ja, genau. Es ist so. Genau wie Herr Pohlmann es beschrieben hat. Es ist nicht so, dass es einen Zettel gibt in der Neuen Züricher Zeitung auf der Redaktion, wo darauf steht: ‚9/11 darf nicht hinterfragt werden; NATO- Osterweiterung darf man nicht ansprechen.‘ Das ist nicht so., sonder die Redaktion und auch in der Wissenschaft die Dozenten haben ein sehr feines Gespür dafür, was geht und was nicht geht. Und das füht zu ganz absurden Situationen. Ich bekomme Mails von Studenten, die sind dann 20 oder 22 Jahre jung. Die machen sich übers Internet schlau und halten dann einen Vortrag an einer Uni in der Schweiz oder in Deutschland. Der Dozent sieht das völlig anders. Die werden abgewischt, also sie bekommen eine ganz schlechte Note, obwohl sie eine sehr gute Arbeit machen, die aber nicht mehr Mainstream ist. Und das ist der Kampf um die Supermacht Nummer zwei, das öffentliche Bewusstsein.
Dirk Pohlmann: Das Entscheidende, wenn wir jetzt einmal 9/11 nehmen. Aber das gleiche ist ja mit dem Thema meines Films – diese Operation Täuschung gegen Palme. Dieser schwedische Friedensforscher wurde auch zu seinem Chef gerufen. Und dann wird er darauf hingewiesen, dass die Qualität seiner Arbeiten nicht mehr richtig ausreichend ist. Das heißt, es setzt sich ja fort. Sie dürfen jetzt nicht nur denken 9/11. Sie merken, wenn Sie anfangen, das Imperium anzufassen – also ‚Kaisers neue Kleider‘- wenn man darüber redet, dass dort Dinge passieren in einem historischen Kontext, der zwangsläufig einem bewusst wird, wenn man sich mehr damit beschäftigt. So wie wir sofort denken, wenn wir hören ‚Scharfschützen haben…‘, das kennen wir doch, das haben wir doch schon einmal gehört. Da gibt es ein Muster. Man erkennt ja nach einer Weile, wenn man sich damkt beschäftigt, ständig wiederkehrende Muster.
Ken Jebsen: Und das ist nicht besonders originell.
Daniele Ganser und Dirk Pohlmann: Nein, nein… (beide lachen)
Mathias Bröckers: Aber das tolle daran ist, dass sie damit durchkommen. Und das hat damit zu tun, – wie ihr sagt – dass die öffentliche Meinung sozusagen ganz stark reglementiert ist. Was nicht so läuft, – das wurde auch schon gesagt – dass da jetzt vielleicht wie im 3. Reich irgendein Zensor auf dem Flur auf und ab marschierte.
Willy Wimmer: Die brauchen das gar nicht.
Mathias Bröckers: Die brauchen das gar nicht. Die Schere ist im Kopf bei den Kollegen. Und du weißt, wenn du als junger Redakteur oder Autor; sei es beim Fernsehen, Radio oder bei einer Zeitung; wenn du da sitzt und du schlägst es vielleicht einmal vor das Thema: ‚Wir sollten doch einmal etwas machen zu World Trade Center 7 oder die Scharfschützen auf dem Maidan. Warum wird das denn einfach nicht untersucht?‘
Dirk Pohlmann: Sehr gute Idee! (spricht in seine Jacke) Könnten Sie bitte mal den Herrn Bröckers notieren?
Mathias Bröckers: Und ich bin jetzt ein alter Mann…
Ken Jebsen: Nein, nein.
Mathias Bröckers: Naja, aber wenn ich jetzt so ein junger Redakteur bin mit 32, der das sitzt und den Vorschlag macht. Und dann sagt mir der Chef- und der Vizechefredakteur: ‚Ach nee, das nicht.‘ Wenn ich dann dabei bleibe, brauche ich…
Daniele Ganser: Es gibt dann Haue.
Mathias Bröckers: Aber ich habe doch gerade jetzt zwei kleine Kinder zu Hause und muss sehen, dass die Miete reinkommt. Also was mache ich? Dann lasse ich das und schreibe über…
Dirk Pohlmann: Bundbarsche- nicht so gefährlich.
Mathias Bröckers: Ja, und das passiert. So ist das.
Willy Wimmer: Aber wir haben das jetzt nicht nur auf der individuellen Ebene, was wir hier gerade diskutieren. Da kann ja jeder seine Beispiele bringen und die sind alle begründet. Wir haben das ja staatlicherseits institutionalisiert. Wir haben das, was in diesem Land die Freiheit ausgemacht hat und auch die Verantwortung im außenpolitischen Bereich, haben wir ja auf Null gefahren.
Ken Jebsen: Der Zweifel?
Willy Wimmer: Nicht nur der Zweifel, sonder die Institutionen, die wir hatten, die vorgesehen waren um unsere Positionen in Zusammenhang mit internationalen Verhandlungen auch zu kräftigen und zu stärken. Die Völkerrechtsabteilung des Auswärtigen Amtes hatte immer einen Ruf wie Donnerhall. Diejenigen, die da an der Spitze waren, haben bei den Vereinten Nationen immer Karriere gemacht. Das war ‚was. Das machte natürlich deutlich, welche Bedeutung Völkerrecht für die deutsche Politik generell hatte; übrigens in Übereinstimmung mit der Schweiz und mit berühmten österreichischen Völkerrechtlern. Wir hätten den Kalten Krieg so nicht überstanden, wenn es dieses Triumvirat Deutschland, Schweiz, Österreich nicht gegeben hätte. Und die Entwicklung die wir dann nach 1990 genommen haben, hat ja deutlich gemacht, dass wir diese Institutionen abgebaut haben. Die Schweiz hat ihre Rolle dadurch verändert, dass sie Carla Del Ponte nach Den Haag geschickt hat. Damit war die Unabhängigkeit der Schweiz ein ‚enfant perdu‘.
Daniele Ganser: Immerhin sind wir nicht mit in der NATO.
Willy Wimmer: Aber die Schweiz hatte eine andere Funktion in der europäischen Völkerrechtsstruktur. Das deutsche Auswärtige Amt, wenn Sie die heute anrufen und fragen:‘ Gibt es da eine Völkerrechtsabteilung?‘ Ich weiß gar nicht, wie die da antworten. Niemand kennt sie mehr. Und das macht natürlich deutlich, dass sich in der Qualität unseres Landes etwas verändert hat. Wir sind ja auch keine Staatsbürger mehr, sondern Konsumenten und Steuerzahler.
Ken Jebsen: Da möchte ich eine Frage an Sie alle richten: Febinden wir uns in einer postdemokratischen Phase? Was ist hier los?
Willy Wimmer: Wir kämpfen noch um die Restbestände der Demokratie. Und zwar vor allen Dingen diejenigen, die in der Zeit von Willy Brandt groß geworden sind. -‘Mehr Demokratie wagen.‘- Das ist uns ja noch in den Köpfen. Aber diejenigen, die 40 Jahre jünger sind, die haben das noch nie gehört und machen das natürlich mit. Und landen dann; jetzt sage ich es einmal politisch; in der Altersarmut, weil sie nicht rechtzeitig zugehört haben.
Daniele Ganser: Also, ich würde noch einen anderen Punkt einbringen: Ich finde schon, dass wir jetzt auch Vorteile haben. Weil wir haben ja jetzt diese ‚digitale Revolution‘. Ich kann mich noch erinnern: 1997 war ich in Amsterdam Student und dann hieß es: ‚Kommst Du auch mal? Wir gehen auf‘s Internet.‘ Da gibt es einen Raum, da stehen ein paar Computer und das Modem machte noch ‚piep piep‘ bis man überhaupt online war. Ich kann mich gut daran erinnern. Das war unglaublich aufregend, oder? Und diese Veränderung, dass wir jetzt über die Internetkanäle alternative Medien konsumieren können, bedeutet einfach, dass wir eine viel schnellere Kommunikation haben, die nicht mehr angewiesen ist auf die etablierten Kanäle.
Willy Wimmer: Bis zu dem Zeitpunkt, wo es abgeschaltet wird.
Daniele Ganser: Genau. Und das muss man noch nutzen. Wir wissen ja nicht, ob das abgeschaltet wird und wie das abgeschaltet werden kann. Ich weiß das nicht. Ich bin da technisch zu wenig versiert.
Mathias Bröckers: Was sehr schön ist und was man an dem Ukraine-Rußland- Konflikt wunderschön beobachten kann: Die Zeitungen, die großen Medien fingen so vor zwei, drei Jahren an. Da las man dann überall: Jetzt das Internet- da können wir ja eine ganz neue Leser-Blatt-Bindung herstellen, interaktiv. Die Leute können kommentieren.
Ken Jebsen: Das tun sie dann auch.
Mathias Bröckers: Und jetzt mit dem Ukrainekonflikt kommen dann Kommentare und die sind dann zu 95% gegen, also kritisch mit der großen Zeitung. Und die werden dann abgestellt. Bei der ‚Süddeutschen‘ haben sie die abgeschaltet und da kann man jetzt noch kommentieren: Ist Scotch Wiskey besser als Bourbon? Also solche Diskussionen dürfen noch geführt werden. Da lässt man auch die Leser schreiben, aber wenn irgendein Mensch da seinen Kommentar schreibt über Putin, dann ist keine Kommentarmöglichkeit da. Dann wurde gesagt im ersten Zuge: ‚Ja diese ganzen kritischen Kommentare, das sind alles Putintrolle und die werden von Moskau bezahlt. Dann haben sie es aber ganz schnell selber gemerkt. Also so ein Schwachsinn. Das sind ja hunderttausende von Leuten und man kann ja dem Putin viel zuschreiben, aber dass er hier hunderttausende von Bürgern mobilisiert oder am Ende gar bezahlt damit die Leserbriefe schreiben, das ist Schwachsinn. Als das dann nicht mehr funktioniert hat, ist man dazu übergegangen, die Kommentare abzuschalten. Soviel zur Interaktivität. Und das Internet läuft noch. Es gibt ja gerade die Re:publica. Da wird ja auch viel über Netzneutralität diskutiert. Man muss die Datenautobahn heute genauso sehen wie früher die Autobahnen und die Schifffahrtswege und wer die kontrolliert, der kontrolliert den Verkehr. Und wir können im Moment noch senden, also Du kannst Deinen Kanal noch machen im Netz; ich meinen Blog. Eine Menge Dinge können da noch passieren, aber man muss schon dafür jetzt noch kämpfen. Die Demokratie ist eh schon heruntergefahren auf so ein Minimallevel und da ist auch, glaube ich, nicht mehr viel zu retten. Aber für das freie Internet da muss man dann wirklich auf die Barrikaden gehen, weil das ist ja der letzte Hort sozusagen, auch dessen, was wir mal Aufklärung genannt haben, Rationalität, Vernunft, dass man diskutiert, dass man Argumente austauscht. Und nicht einem, der einem nicht passt, einfach niedermacht oder abschaltet.
Ken Jebsen: Wie lange dauert es noch, dass wir, die wir hier am Tisch sitzen, unter Terrorverdacht gestellt werden.
Willy Wimmer: Sind wir schon längst.
Mathias Bröckers: Sind wir schon längst. Würde ich auch sagen.
Dirk Pohlmann: Ich kriege nur noch ein Einjahresvisum in die USA. Das kann ich auch sagen, wenn ich losgehe und will drehen in den USA. Das letzte Mal war ich im Konsulat und dann werde ich befragt zu meinen Filmen. Und dann fragen die, was ich in dem neuen Film mache. Was ist denn das? Das ist dann sozusagen ‚land of the free and home of the brave‘. Wenn ich nach Rußland will, muss ich eine Einladung vorweisen. Die habe ich gekriegt. Da fragt mich aber keiner auf dem Konsulat, was ich da machen will. Also die Sachen sind ja komplett verschoben. Deswegen, das was wir hier heute machen ist ja eine Art Unabhängigkeitserklärung.
Ken Jebsen: Dafür einen Applaus. Das ist fantastisch. (Applaus)
Dirk Pohlmann: Dass man nicht mehr darauf angewiesen ist. Aber auch das muss man genau betrachten: Man hat diese Medien, in die man ja hineinkommen muss um zur internen Kaste zu gehören, also zu denen, die untereinander verhandelt werden. Ich will zwei Beispiele sagen: Ich habe im Vorfeld meines Films – ich mache gerne Experimente; das sind noch die Restbestände von der Uni – alle Zeitungen hier in Berlin angerufen und die vorher informiert, dass der Film kommt Und habe gesagt: ‚Ich finde ihn wichtig, damit man sieht – jetzt nicht weil es mein Film ist; ich habe so etwas vorher noch nicht gemacht – sondern in diesem Bezug, wie ein Geheimdienst gegen einen Regierungschef in Stellung gebracht wird. Also wie die USA die Regierung in Schweden gestürzt haben, erfolgreich. So und dann können Sie sehen, wer reagiert darauf. Da reagiert Ken Jebsen und da reagiert die Junge Welt, das ist eine ehemalige DDR- Zeitung. Zum Beispiel Der Freitag von Herrn Augstein, mit denen habe ich zweimal gesprochen und die haben gesagt: ‚Ja, mh…‘ Also man war dann schon in der Kategorie ‚Verschwörungstheoretiker‘. Die anderen haben gar nicht zurückgerufen. Also ich hatte noch jemanden vom Tagesspiegel, der hat dann noch mit mir gesprochen, aber es kommt dann nicht. Und das nächste, was Sie gucken können, dass diese Zeitungen ja abgeschottet sind. Versuchen Sie doch einmal auf einer Webseite von einer Zeitung ein Telefon zu finden, wo Sie anrufen können, wenn Sie eine Geschichte haben. Das ist nicht erwünscht. Das ist eine intern um sich kreisende Gruppe, die sich auf sich selbst referenziell betrachtet und die dann sagen: ‚Nur wer in dieser Gruppe ist, ist ein relevanter Gesprächspartner.‘
Ken Jebsen: Weil der die richtigen Sachen sagt?
Dirk Pohlmann: Ja, das ist das Gegenteil von dem, was wir alle im Sozialkundeunterricht gelernt haben, wie so etwas funktionieren soll.
Daniele Ganser: Was mich wirklich ärgert – das muss ich jetzt loswerden – ist dieser Begriff ‚Verschwörungstheoretiker‘. Der ist soetwas von bescheuert. (Klatschen) Meine Aufgabe ist es ja, ich halte viele Vorträge, aber einige Zeit bin ich mit den Studenten. Den Studenten sage ich immer: ‚Der Satz von Nietzsche gilt: Alles Sehen ist perspektivisches sehen. Deine Aufgabe ist, du musst immer wieder die Perspektive wechseln. Versuche herauszufinden, wie sehen das die anderen, was gibt es noch für andere Meinungen?‘ Zum Beispiel die Bombardierung von Serbien 1999. Da gibt es die offizielle NATO-Linie, dann gibt es aber auch die Meinungen vor Ort oder von Serben. Und in Deutschland gibt es eine Debatte.
Ken Jebsen: Also gibt es keine absolute Wahrheit?
Daniele Ganser: Es gibt immer verschiedene Positionen. Wir sind sieben Milliarden Menschen in 200 Ländern. Ist ja völliger Irrsinn, dass wir da einer Meinung sind. Also ich bin nicht mit meiner Frau dauernd einer Meinung. Das Prinzip ist aber, dass wir uns dann nicht andauernd umbringen. Das ist der kulturelle Fortschritt.
Ken Jebsen: Sie versuchen dann die Kinder auf Ihre Seite zu bringen? (Lachen)
Daniele Ganser: Aber das was passiert, das ist ja ‚information warfare‘ – so nennen das die Amerikaner. Was im ‚information warfare‘ passiert, dass sie ‚no go areas‘ definieren. Das heißt also zum Beispiel, Herr Bröckers darf nicht untersuchen, was ist am 20. Februar 2014 auf dem Maidan passiert mit den Snipern.
Mathias Bröckers: Das darf man schon untersuchen, aber er darf es nicht senden.
Daniele Ganser: Genau. Und man darf auch nicht zeigen, wie die Amerikaner mit ihren U-Booten – oder wer es auch immer war – vor den Küsten vor Schweden auf und ab getaucht sind; gleichzeitig gesagt haben: ‚Das waren die Sowjets.‘ Ich sage immer: ‚Mein Sohn fände das super.‘ Einfach diese Story; mit U-Booten rauf und runter. Das sind ja spannende Geschichten.
Willy Wimmer: Aber nur das, was Sie gezeigt haben (deutet auf Dirk Pohlmann) ist ja ein Schlag ins Gesicht der heutigen Politik. Wir lesen in den deutschen und internationalen Zeitungen, dass die Schweden sich Sorgen machen, die Finnen machen Probleme. Die schreiben 900.000 Reservisten an. Uns Sie kommen dann mit Ihrem Film und sagen wie das eben in einigen Vorzeit passiert ist. Das heißt, der heutigen Politik glaubt doch keiner mehr.
Dirk Pohlmann: Das war genau die Diskussion. Der Film war ja fertig im Sommer, Spätsommer 2014.
Willy Wimmer: Ja, das sind Inszenierungen.
Dirk Pohlmann: Also da war das noch nicht. Und dann war der Film gerade fertig, da tauchte das erste U-Boot vor der schwedischen Küste auf.
Ken Jebsen: Ich darf das kurz mal erklären, weil Viele haben das nicht verstanden: Der Film ‚Täuschung-Die Methode Reagan‘ da werden verschiedene Stränge der Täuschung der Amerikaner in Schweden gezeigt, wo ja auch das Parlament hintergangen wurde, wo auch Verrat stattgefunden hat durch Militärs in Schweden. Und da war es unter anderem so, dass da ganz plump U-Boote vor Schweden auftauchten und völlig verblödete Kapitäne die Boote auf den Strand gesetzt haben. Da gab es ‚Wiskey on the rocks‘, die Wiskeyklasse. Nachdem dieser Film gelaufen war, zwei, drei Tage später konnte man im ‚Spiegel‘ lesen: ‚Schon wieder U-Boote vor Norwegen und Schweden- wahrscheinlich die Russen.‘ Wo ich dachte: Das hättet ihr vorher machen müssen. Danach…Das ist aber nicht so. Was ich mich jetzt frage…
Dirk Pohlmann: Doch das ist so, weil das Spartenrealitäten sind. Sehen Sie…
Daniele Ganser: Ja, weil es sind immer die gleichen Leute, die das schauen.
Dirk Pohlmann: Arte hat eine Quote von, also mein Film hatte 1.49% und das ist Rekord.
Ken Jebsen: Was bedeuten diese Zahlen?
Dirk Pohlmann: Das ist Marktanteil. Das heißt, 1,49% die das geguckt haben. Das ist für Arte ein Hit. Die sind mit über 1% normalerweise begeistert. Bei mir sind sie jetzt nicht mehr so richtig begeistert. Aber genau diese Diskussion war zum Beispiel zu dem Zeitpunkt- Der Film war fertig und die ersten U-Boote tauchen vor Schweden auf. Da meinte ich: ‚Den müsst ihr jetzt sofort zeigen.‘ Das ist doch der Moment, an dem man sagen muss: Damals war Palme zwei Tage an der Regierung, sozialdemokratische Regierung, zwei Tage und zack (schnellt mit dem Finger in die Luft) tauchen die U-Boote auf. Jetzt wieder Schweden, sozialdemokratische Regierung und zack tauchen die wieder auf. Und es geht wieder um Außenpolitik. Damals ging es um das teuerste Rüstungsprojekt Schwedens, den Gripen; heute geht es um Schweden in die NATO, Finnland in die NATO. Das sind diese Sachen. Und da wird ein Bedrohungsszenario hergestellt, das immer gleich abläuft: Irgendjemand sieht ein U-Boot. Darüber wird berichtet und dann fragt man das Militär. Und das Militär sagt: ‚Ja, da war doch was. Wir können nicht genau sagen was.‘ Dann gibt es Experten, die gefragt werden; nicht der Herr Ganser, nicht der Herr Bröckers, sondern irgendwelche Leute von STRATFOR vielleicht. Und die sagen dann: ‚Ganz klar, russische U-Boote.‘ Und daraus wird im Kopf in einer Kette – so wie der Irak für 9/11 verantwortlich gemacht wurde – in einer Kette, wo jeder sagen kann: ‚Ich habe das nie behauptet!‘ Da wird daraus ‚russische U-Boote‘ und daraus wird: ‚Oh ganz gefährlich! Putin mach eine aggressive Politik. Wir müssen uns dagegen wehren.‘
Ken Jebsen: ‚In dubio pro reo‘ gilt in diesem Fall gar nicht?
Dirk Pohlmann: Nein, das ist das Absurde in dem Moment. Mein Film hätte dann einen Effekt gehabt, der eben diese Situation hinterfragt. Und das sollte bereits nicht stattfinden. Der Ausstrahlungstermin; da gab es dann Diskussionen. Die eine Gruppe wollte 20:15Uhr, die andere wollte lieber irgendwann nach Mitternacht. Letztendlich wurde es dann irgendwann nach 23:00Uhr ausgestrahlt. Es wurde immer später. Heute kann man es über das Internet schauen.
Daniele Ganser: Genau, ich habe es 6Uhr über Youtube geschaut.
Dirk Pohlmann: Heute guckt man es dann über Youtube oder man guckt es über Arte+7. Das heißt, wenn es einmal draußen ist, dann ist es draußen. Dann ist es nicht mehr zu stoppen.
Daniele Ganser: Ich finde, man muss das unbedingt betonen: Es ist nicht mehr zu stoppen, diese Dinge, die wir aufdecken. (Applaus) In dem Film ist ja auch sehr gut dargelegt, dass Olof Palme in Schweden oder wir, die Schweiz, und Schweden sind darum immer ein bisschen vernetzt – immer wenn ich in den USA bin, sagen die Leute: ‚Ah, from Switzerland! I know. That‘s with the beautiful, good looking blond ladies.‘ Das sage ich immer: ‚Nein, das ist Schweden.‘ Das wird immer verwechselt. (Lachen) Das mit Schweden beobachten wir sehr genau, weil Schweden hat ja damals unter Olof Palme auch die Idee, dass man den ganzen Norden sozusagen aus der NATO herausholt.
Mathias Bröckers: Die wollten einen Friedensvertrag mit den Russen machen, so wie Brandt auch.
Daniele Ganser: Genau. Das war eine große Vision, eine wunderbare Vision von Palme. Und dann sagte er: ‚ Wir suchen den Frieden mit Gorbatschow. Ich fliege nach irgendwie nach Moskau und wir suchen danach. Und jetzt muss ich den Studenten heute erklären, dass dann einfach so eine bescheuerte Taktik funktioniert, dass einfach einige U-Boote auftauchen. Und das sind Amerikaner oder es sind andere NATO-Verbände. Und man sagt aber: ‚Es sind die Russen.‘
Dirk Pohlmann: Italiener hauptsächlich.
Daniele Ganser: Italienische U-Boote. Das ist wichtig! Es sind italienische U-Boote…
Mathias Bröckers: Die Amerikaner hatten es sich ausgedacht.
Daniele Ganser: Exakt. Die Forscher, die da dran sind, sagen: ‚ Die Amerikaner haben extra italienische U-Boote genommen, weil wenn es aufgedeckt wird, dann können sie sagen: ‚Wir waren es nicht, sondern die Italiener. Und die Italiener sind bekannt dafür, immer…
Dirk Pohlmann: Mit dem U-Boot durch die Gegend zu fahren.
Daniele Ganser: Das ist doch für einen jungen Menschen extrem enttäuschend. So dass er sagt: ‚Was? So billig werden wir über den Tisch gezogen?‘ Und Palme wurde am Schluss erschossen. Also wir sprechen ja nicht über Kleinigkeiten. Es ist ja nicht so, dass man sagen kann: ‚Die Vier verbeißen sich ja jetzt in jedes Detail. Es ist doch egal, wer in der Ukraine geschossen hat. Und 9/11 soll doch machen, wer will. Das war ein harter Tag uns so…‘ Das ist unsere Geschichte! Wir werden daraufhin ja überwacht. Aufgrund genau diesen Geschichten.
Ken Jebsen: Ich möchte da mal kurz hineinkrätschen: Was ich wirklich schon verwunderlich finde, was ich ab und zu in den Teppich beiße, obwohl wir zu Hause gar keinen haben. Herr Pohlmann, Sie haben ja mit hohen Militärs gesprochen in den USA. Das sind jetzt nicht kleine Fische und Whistleblower, sondern die haben sich da gerühmt. Sie können ruhig einmal nennen, mit wem Sie da gesprochen haben. Und obwohl die, das war ein Eingeständnis. Eigentlich müsste man…
Mathias Bröckers: Vielleicht aus Eitelkeit.
Ken Jebsen: Ja, vielleicht aus Eitelkeit; damit sie auch einmal genannt werden. Vielleicht können Sie mir einmal erklären, wie man an solche Leute herankommt? Es waren wirklich hohe Tiere. Und dann geht man zur Tagesordnung über. Wie geht das denn?
Dirk Pohlmann: Das ist das, was mich dann doch erstaunt hat. Wenn ich jetzt gucke, in der Reaktion ist es eben so: Es wird in Blogs darüber geschrieben und es gab diese Interviews zwischen Ihnen und mir, die auch angeklickt werden, aber es taucht nicht auf. Ich möchte noch einmal – es ist ein Detail nur – ich habe vor zwei, bis vor 1,5 Jahren habe ich regelmäßig bei ‚Spiegel-online‘ als Leser Kommentare abgegeben und zwar zu Themen bei denen ich mich auskenne. Und ich kenne mich mit Geheimdienstsachen wirklich gut aus. Und ich bin mittlerweile komplett geblockt. Auch das ist ja interessant. Also wenn ich etwas schreibe, das kommt nicht mehr im ‚Spiegel‘.
Ken Jebsen: Also, Kompetenz wird geblockt?
Dirk Pohlmann: Es kann ja nicht sein. Ich mache keine beleidigenden Texte. Ich gebe ziemlich viel Hintergrund und das wird dann herausgenommen.
Daniele Ganser: Das wird übrigens auch bei Wikipedia geblockt. Mein WikipediaeintraDaniele Ganser: Es heißt dort: ‚Ganser greift Verschwörungstheorien zum 11. September auf.‘ Und da habe ich gesagt: ‚Wir müssen den ändern in: Ganser untersucht die Terroranschläge vom 11. September kritisch. Wir versuchen das dann zu ändern. Man muss ja dort einen Useraccount haben. Es heißt, das ist die freie Enzyklopädie. Jeder hier im Raum kann einen Account haben und dann dort reinschreiben. Aber Achtung! Oberhalb vom Useraccount sind die sogenannten Sichter und Administratoren. Und die schauen sehr genau darauf, dass es dann am Schluss heißt: ‚Das ist ein Spinner.‘ Und wenn dann die Leute das korrigieren wollen, dann ist eben der ganze Account geblockt. Und das ist genau das, was wir erwarten im Zeitalter der ‚digital warfare‘. Wir stecken mittendrin. Das ist nicht etwas, das erst in fünf Jahren kommt, sondern das läuft schon.
Willy Wimmer: Aber das, was Sie beschreiben, ist ja das Beschreiben von Widersinn. Es versteht ja keiner. Das ist im politischen Bereich natürlich nicht anders. Und ich will das einmal ansprechen unter dem Gesichtspunkt: Das ist die Wirklichkeit und damit müssen wir Europäer uns beschäftigen. Ich war für die letzte große NATO-Übung im Kalten Krieg der Übungsminister der Verteidigung. Ich habe also acht Tage konventionell Krieg geführt und einige Tage – bis dann auf meine Bitte hin der Bundeskanzler Helmut Kohl ausgestiegen ist – auch nuklear.
Ken Jebsen: WINTEX?
Willy Wimmer: WINTEX, SIMEX. Wir haben also hier Krieg geführt. Und deswegen kann ich nur sagen, wer sich also im Zusammenhang mit der Ukraineentwicklung Gedanken macht, was auf uns zukommt oder machen will, was auf uns zukommt. Dem kann ich nur sagen: ‚Er soll jede Hoffnung fahren lassen! Denn wir überstehen noch nicht einmal einen konventionellen Krieg.‘ Das muss man ja in aller Deutlichkeit sagen. Nur, ich habe dann anschließend mit dem amerikanischen Generalstabschef über diese Dinge gesprochen. Ich kriegte einen Sondertermin. Normalerweise – Sie haben ja eben auf Amerikabesuche abgestellt (zeigt auf Dirk Pohlmann) – kann man 30 Minuten mit einem Gesprächspartner in Washington reden. Ich kriegte 2,5 Stunden eingeräumt, weil ich mich quer gelegt hatte mit der NATO-Übung. Was hat der amerikanische Generalstabschef Admiral Crowe gesagt? In der Zeit, wo wir hier Krieg geführt haben, uns konventionell und nuklear ausgelöscht haben, ist er mit seinem russischen Konterpart und den Familien zwei Wochen durch die Sowjetunion getourt. Die haben Ferien gemacht. Die haben Ferien gemacht! Wir haben also uns ausgelöscht und die haben Ferien gemacht. Und dann kann ich natürlich nur sagen: ‚Ich respektiere diesen Mann, dass er mir das gesagt hat.‘ Nur wenn das so ist, dann will ich nicht nur Hampelmann sein, nicht nur JoJo. Und deswegen müssen wir politische Konsequenzen daraus ziehen, dass wir uns selbst artikulieren; auch natürlich in freundschaftlicher Beziehung mit anderen und deutlich machen, dass das nicht unser Schicksal sein soll. Und das, was Sie gesagt haben (deutet auf Dirk Pohlmann). Also ich habe den Film bewundert, weil er hätte ja auch die Situation heute beschreiben können. Sie sind in die Vergangenheit gegangen und waren aktueller als man aktuell sein kann.
Dirk Pohlmann: Ja, die Muster über die wir gesprochen haben.
Willy Wimmer: Und das habe ich im politischen Kontext ja auch. Da machen es die Schweden und die Finnen. Und die Norweger machen es vermutlich, weil sie uns in Gefolgschaftbringen wollen für ihre arktischen Auseinandersetzungen mit der Russischen Föderation. Da geht es ja um Cash und nicht um Werte. Das muss man ja einmal sagen. Wir haben dieses Problem natürlich auch mit unseren baltischen Nachbarn. Die Balten haben natürlich eine wechselvolle Geschichte im Zusammenhang mit den Russen. Das muss man respektieren. Das ist so. Nur wenn die sich heute noch über Hitler-Stalin-Pakt aufregen, dann kann ich nur sagen: ‚Das machen sie zu Recht.‘ Dann sollten sie aber heute ihre Klappe halten und uns nicht in einen neuen Krieg mit den Russen treiben. Das ist genau dieses Spiel, das wir überall haben. Und deswegen: Wir haben überall diese Politik, über die wir jetzt reden, seit 1999. Mit Belgrad hat es angefangen. Wir sind in einen verbrecherischen Krieg nach den anderen getrieben worden.
Ken Jebsen: Rot-Grün hat damit angefangen- das muss man dazu sagen.
Willy Wimmer: Ja, Rot-Grün hat damit angefangen. Ja, und vor allem dieser unsägliche Herr Fischer mit seinem Auschwitzvergleich. Das heißt, die schrecklichen Dinge der Vergangenheit werden auch heute noch benutzt um uns zu instrumentalisieren, um uns in Stimmung zu bringen. Und deswegen kann ich nur sagen, wenn ich mir seit 1999 so ansehe: ‚Wir haben eine Blutspur als Westen hinterlassen!‘ Warum ziehen wir keine Konsequenz und jagen die alle zum Teufel? (Klatschen)
Mathias Bröckers: Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus, der Sowjetunion ist ja den USA so ein Stück der Feind abhandengekommen. In den 90ern – Sie haben es eben beschrieben (deutet auf Willy Wimmer) – 1992 da war ja das, was Putin und auch schon seine Vorgänger gesagt haben: ‚Ja, wir brauchen eine Pakt von Wladiwostok bis nach Lissabon.‘ Das war da im Prinzip auf der Tagesordnung. Die Stimmung war so, dass man sozusagen eine Sicherheitsarchitektur in Europa unter Einbeziehung Russlands; Wirtschaftsbeziehungen usw.; hätte machen können.
Ken Jebsen: Was Egon Bahr schon gesagt hat: ‚In Zeiten von Atomwaffen kann man nur eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur haben.‘
Mathias Bröckers: Genau so. Jetzt nist das ja – wie wir hier feststellen in dieser Runde – ganz anders gekommen. Und da muss man sich die Schritte dahin angucken. Da entsteht dann in Amerika auf einmal – das ist dieses berühmte Buch von Huntington ‚Clash of Civilisations –
Ken Jebsen: Auftragsarbeit?
Mathias Bröckers: Auftragsarbeit. (nickt) Da wird ein neues Feindbild konstruiert. Das ist jetzt der militante Islam. Der spielte in den 90er Jahren so gut wie überhaupt keine Rolle; ein paar Terroristen hier und da…
Dirk Pohlmann: Ich muss jetzt kurz mal hinein, weil ich kann mich gut daran erinnern und die Leute, die alt genug sind: Lowenthal. Da haben wir die Mudschahedin, haben wir gesehen in Afghanistan, die gegen die Sowjets kämpfen. Und das waren unsere Freunde, weil sie Muslime waren und an Gott geglaubt haben; so wie wir im Westen und in den USA. Die Gottgläubigkeit, die tiefe Religiosität war das – in der Argumentation – was uns verband gegen die atheistische Sowjetunion. Das ist völlig umgedreht.
Ken Jebsen: Die radikalen Moslems, weil sie radikal an ihren Gott glauben, waren unsere Freunde, weil wir radikal an unseren Gott glauben?
Willy Wimmer: Man muss es doch einmal ganz nüchtern sagen: ‚Die Taliban sind doch eine Erfindung der Amerikaner, der Saudis und der Golfstaaten.‘ (Applaus) Wir schaffen uns doch die Bedrohungen.
Mathias Bröckers: Wir schaffen uns unsere Feinde selbst. Wir brauchen sie. Gucken Sie sich doch einmal den militärisch-industriellen Komplex in den USA an.
Ken Jebsen: Ja, Sicherheitsindustrie.
Mathias Bröckers: Es gibt diese wunderbare Rede von Eisenhower, seine ‚Farewell-Ansprache‘, wo er diesen Begriff auch zum ersten Mal benutzt – militärisch-industrieller Komplex. Also die Industrie, die mit Krieg und Waffen Geld verdient. Und Eisenhower warnt damals davor ‚62: ‚Wir müssen verhindern, dass dieser Komplex in die Politik eingreift usw.‘
Dirk Pohlmann: ‚Die größte Gefahr für die Demokratie.‘sagt er.
Mathias Bröckers: Dann kommt Kennedy – darüber habe ich ja auch ein Buch geschrieben vor ein paar Jahren –
Ken Jebsen: ‚Staatsstreich in Amerika‘ darüber haben sie damals das Buch geschrieben über JFK.
Mathias Böckers: Ja, genau. Das war damals meine These, die habe ich – glaube ich – auch ganz gut belegen können dort.
Ken Jebsen: Also, was feststeht: JFK ist nicht eines natürlichen Todes gestorben.
Mathias Bröckers: Nein, das war ein Staatsstreich, weil Kennedy wollte; er hatte ein paar Wochen vor seinem Tod noch seinen engsten Leuten gesagt: ‚Also wenn ich wiedergewählt werde‘ – er war ja gerade auf Wahlkampftour damals – ‚dann fahre ich nach Moskau und mache mit den Russen Peace.‘ Das war seine, also die ersten zwei Jahre seiner Regentschaft…
Dirk Pohlmann: Das ist ja geradezu ‚Palme-artig‘.
Mathias Bröckers: Ja. Dann kommt im übrigen noch nach dem Kennedy-Mord zum ersten Mal – was Sie eben angesprochen haben (deutet auf Daniele Ganser) – der Begriff Verschwörungstheorie. Ich habe das recherchiert, wie kommt denn der überhaupt in die Welt. Der Begriff, der jetzt verwendet wird für alles, was irgendwie nicht in den Mainstream passt. Die CIA hat damals als der erste Prozess anfing, überhaupt die erste juristische Untersuchung des Kennedy-Mords in New Orleans, da gibt die CIA an alle ihre Dienststellen ein langes Memo heraus – das kann man nachlesen im Internet – und da steht so drin: ‚Es gibt viele kritische Stimmen, dass der Oswald nicht – also kein Einzeltäter – den Kennedy ermordet hat, sondern andere. Das sind Verschwörungstheorien.‘ Da wird der Begriff verwendet.
Dirk Pohlmann: Wobei ‚Conspiracy‘ ein juristischer Begriff ist.
Mathias Bröckers: Genau, das ist eigentlich ein juristischer Begriff im amerikanischen Recht. Bei uns haben wir das nicht so. Und dann wird dieser Begriff ‚Conspiracy theory‘; also es wird dargelegt: ‚Also diese Leute, die nicht an die offizielle Geschichte glauben, das sind Verschwörungstheoretiker. Die sind entweder Staatsfeinde oder nur auf Geld aus mit ihrer schrägen Theorie; wollen Bücher verkaufen.‘
Ken Jebsen: Kommunisten sogar?
Mathias Bröckers: Ja, Kommunisten auch noch. Also da wird es im Rahmen der psychologischen Kriegsführung dieser Begriff lanciert.
Daniele Ganser: Genau, es ist psychologische Kriegsführung.
Mathias Bröckers: Ja, das ist psychologische Kriegsführung. Und wer heute wie Herr Ganser, ich, er wahrscheinlich auch (deutet auf Dirk Pohlmann), Herr Wimmer arbeitet noch daran; er war ja zu lange in der CDU. (lacht)
Willy Wimmer: Aber ich kann Sie beruhigen: Ich bin in diesem Kontext erst gestern Abend befragt worden. Ich habe gesagt: ‚Solange man als ehemalige FDJ-Sekretärin Bundeskanzlerin werden kann, darf ich in der CDU bleiben. (Lachen)
Mathias Bröckers: Also, es wurde in den 60er Jahren dieser Begriff lanciert.
Daniele Ganser: Und es ist ein Kampfbegriff. Das arbeiten Sie ganz gut heraus. Die meisten Leute verstehen nicht, dass ‚Verschwörungstheoretiker‘ genauso ein Kampfbegriff ist wie ‚Ketzer‘ bei Martin Luther. Die Leute verstehen nicht, dass Kriegsführung nicht nur Bomben und Panzer und Flugzeugträger sind, sondern auch Worte, Begriffe und Bilder.
Ken Jebsen: Da ist dann aber Isolation als der Sinn des Ganzen? Man will die Menschen sozial isolieren.
Daniele Ganser: Der Trick ist sozusagen, dass sich Hugo Müller nicht getraut, das zu sagen, was er eigentlich sagen möchte. Weil er hat Angst, dass sein Chef das Gefühl hat, er ist ein Verschwörungstheoretiker. Und das wäre dann soviel wie die Kündigung und die Kündigung möchte er nicht. Also frisst er alles in sich herein. Er ist irgendwie um 11Uhr nachts noch auf dem Internet, schaut sich irgendwelche abgefahrenen Diskussionen an und hat das Gefühl: ‚Das kann doch nicht sein! Mir explodiert der Kopf.‘ Und da sage ich: ‚Das Wesentliche ist: Sprechen Sie mit den anderen Menschen.‘ Das sage ich allen Zwanzigjährigen. ‚Sprechen Sie mit den anderen Menschen. Halten Sie verschiedene Positionen aus.‘ Das ist ja auch das, was man lernen muss. Das müssen wir allen erklären. Es geht ja nicht um Konsens. Es geht darum, widerstreitende Perspektiven überhaupt zuzulassen und dann einen Diskurs zu haben, der sich sozusagen erlaubt außerhalb der von der NATO vorgegebenen Fahrrinne auch mal ein bisschen…
Mathias Bröckers: Ja überhaupt erst einmal nur zu denken.
Daniele Ganser: Ja. (Applaus)
Willy Wimmer: Absolut richtig. Wir sehen doch die praktische Konsequenz in den Parlamenten und in den Parteien. Ich bin ja noch in einer Zeit sozialisiert worden, wo es innerparteiliche Diskussionen gegeben hat. Da wurde über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie über alle anderen politischen Themen, natürlich intern, gerungen. Da wurde debattiert. Da fanden Fachkongresse statt, die waren auch geschlossen, damit sie nicht gegen eine Führung instrumentalisiert werden konnten; das heißt, Äußerungen da werden sofort ausgelegt als Äußerungen gegen den Parteivorsitzenden oder gegen die Kanzlerin. Man konnte offen reden. Und wenn man das nicht macht, wenn das abgeschnitten wird – und das gibt es ja heute gar nicht mehr – dann weiß doch die Parteiführung – und sie will es gar nicht mehr wissen – die wissen doch gar nicht mehr, wie die Mitglieder denken. Deswegen sind die Parteien doch auch weggestorben. Das muss man doch wirklich sagen: Die findet man doch in der Fläche gar nicht mehr wieder. Und das, was Sie beschrieben haben (deutet auf Daniele Ganser) ist doch die praktische Konsequenz. Die Leute gehen in das private Gespräch. Sie äußern sich öffentlich nicht mehr. Sie wollen auch nicht gehört werden, auch nicht im größeren Freundeskreis mehr und wir verändern auf diese Art und Weise schleichend den Charakter unseres Landes. Und in den Parlamenten ist es doch genauso. Sie wissen doch gar nicht, wer die Vorlagen Ihnen auf den Tisch legt über die debattiert werden sollen.
Ken Jebsen: Die wissen gar nicht, woher das kommt?
Willy Wimmer: Ja, Sie wissen gar nicht mehr, woher das kommt. Und wenn Sie darüber reden, dann ist diese ganze Diskussion ohne Konsequenz. Das heißt, Sie reden ins Leere. Die machen sowieso was sie wollen.
Ken Jebsen: Herr Wimmer, ich möchte hier einmal eingreifen. Was mir aufgefallen ist als ich angefangen habe, meinen Fernseher abzustellen. Ich habe das auch einmal getestet als Reporter auf der Straße: Wenn man in einer klassischen Talkshow – und das ist hier keine Talkshow; es ist eine Gesprächsrunde. Das ist ein großer Unterschied. – Aber wenn man eine klassischen Talkshow aufgezeichnet hat, dann hat man da verschiedene Parteienvertreter und man hat Sätze, die dort gefallen sind genommen und hat gesagt: ‚Das ist ein Satz, das ist ein Satz und das ist ein Satz.‘ Und man hat gesagt, wer da war. Und man hat gefragt: ‚ Wer hat den diesen Satz gesagt?‘ Dann hätte jeder Satz von jedem stammen können. Die Leute können das nicht mehr zuordnen. Das ist alles Wischiwaschi. Aber weil Sie ja auch von den praktischen Konsequenzen sprechen. Das hat natürlich praktische Konsequenzen, wenn man sich al Politiker nicht mehr offen äußern kann. Denn das ist ja der Job des Politikers, nämlich offen zu sprechen. Und eine dieser Konsequenzen – darüber möchte ich jetzt mit Ihnen reden, weil es betrifft viele junge Menschen, die das hier sehen – ist der Parlamentsvorbehalt. Was bedeutet das , wenn der Parlamentsvorbehalt – erklären Sie bitte kurz, was das ist – abgeschafft wird? Weil daran wird gearbeitet.
Willy Wimmer: Ja, weil das stört natürlich die NATO-Überlegungen, dass der Deutsche Bundestag was Militäreinsätze anbetrifft eine öffentliche Debatte haben muss. Das heißt, die Deutschen wollen wissen, was mit ihrer Bundeswehr los ist. Und sie machen das ja mit einer gewissen Vorbildfunktion sogar in der westlichen Allianz. Weil es das in Deutschland gibt, war ja vor zwei, drei Jahren weder das britische Unterhaus bereit in Syrien einzumarschieren noch der amerikanische Kongress. Man muss das ja ganz nüchtern sehen. Das heißt in einer Zeit, wo wir den Parlamentsvorbehalt NATO-konform abschaffen wollen, gibt es andere Parlamente, die eigentlich begierig auf dem Pfad sind, so etwas zu bekommen. Dass man öffentlich darüber reden muss und dass das nicht eine administrative Entscheidung ist, was mit den eigenen Töchtern und Söhnen – die sind ja in der Bundeswehr, die sind ja in der Armee – passiert. Und diese öffentliche Diskussion, die es bei uns gibt, die soll so zurückgenommen werden, dass der NATO-Oberbefehlshaber und damit der amerikanische Präsident alleine darüber entscheidet, was mit der deutschen Bundeswehr passiert. Denn wenn es keine öffentliche Diskussion im Deutschen Bundestag mehr gibt, hat die Regierung eine bequeme Ausrede nicht mehr zur Verfügung. Und die rettet uns. In dem Maße, wie es eine Parlamentsdebatte darüber und eine öffentliche Debatte gibt, kann die Regierung natürlich in der NATO sagen: ‚Das tut uns leid. Das kriegen wir im deutschen Bundestag nicht durch.‘ Das ist ein bequemes Argument. Das nutzt jede Regierung; die schweizerische wie die amerikanische. Das heißt, reputierliche Nachbarn tun es genauso wie wir.
Ken Jebsen: Die kriegen es nicht durch den Kongress dann, die Amerikaner?
Willy Wimmer: Ja, die kriegen es dann nicht durch den Kongress oder wie Cameron gesehen hat. Er hat es nicht durchs Unterhaus bekommen. Wenn ich das nicht mehr habe, dann hat die Regierung diese Ausrede nicht mehr. Und dann ist es faktisch so, dass der NATO-Oberbefehlshaber – und das ist ja der Präsident – darüber entscheidet, was mit der Bundeswehr passiert.
Mathias Bröckers: Wer betreibt es denn hier bei uns das abzuschaffen?
Willy Wimmer: Das ist die Große Koalition. Das steht im Koalitionsvertrag. Das haben die sich vorgenommen. Dazu ist eine Kommission einberufen worden unter Vorsitz eines ehemaligen, auf diesem Gebiet notorischen Verteidigungsministers. Und damit ist die strategische Absicht verbunden, das, was wir haben, so NATO-konform zu machen, dass sich im Deutschen Bundestag gegen Militäreinsätze kein Widerstand mehr regen kann. Und dann ist das weg und dann haben wir unsere Bundeswehr – und das haben die Amerikaner im Jahre 2000 sehr klar gemacht – dann haben wir unsere Bundeswehr im globalen Einsatz für amerikanische Interessen. Das ist der strategische Hintergrund. Und ich sage es einmal bezogen auf die Überlegungen im Zusammenhang mit der Ukraine und mit der Russischen Föderation; Der NATO passen zwei Dinge ins Konzept: Nazibataillone in der Ukraine und an der russischen Grenze. Also, die mit dem Schlimmsten kommen, was ein Russe sich vorstellen kann: Mit den Vernichtungssymbolen der Vergangenheit.
Ken Jebsen: Das kann man sogar im ZDF sehen.
Willy Wimmer: Das kann man sogar da sehen. Und dass die deutsche Bundeswehr, ohne dass das deutsche Parlament offen darüber debattiert, im Namen der NATO- Interessen eingesetzt werden kann. Man kann ja immer wieder sagen: Wir benötigen Indikationen, in welche Richtung unser Land gehen soll. Und ich kann aus meiner Sicht der Dinge nur sagen: – gerade vor dem Hintergrund einschlägigster Erfahrungen auf diesem Feld – Das sind zwei Indikationen, also wenn die eintreten, dann weiß ich nicht wie lange es noch dauert, bis wir den Konflikt in Europa haben.
Daniele Ganser: Und da muss man – ich finde das gerade ein ganz, ganz wichtiges Statement, das Sie da gerade gemacht haben – man muss sich ja daran erinnern an diese Rede von Georg Friedman, der eben sagt: ‚ Eurasien‘, das heißt Europa und Asien zusammengenommen – also sagen wir einmal die Flughöhe, die so hoch ist, dass Deutschland und die Schweiz nicht mehr von einander zu unterscheiden sind. Dann ist also Eurasien da.
Ken Jebsen: Dieser riesige Kontinent; das Herzland.
Daniele Ganser: Genau. Er sagt ganz klar: ‚Das Imperium, das heißt die USA, können Eurasien mit Truppen nicht kontrollieren, weil man zahlenmäßig unterlegen ist.‘ Aber was man machen kann, man kann Eurasien schwächen indem man zum Beispiel die Iraner und die Iraker beide mit Waffen beliefert. Dann erschießen sie sich gegenseitig, haben 400.000 Tote. Und er sagt explizit: ‚Das war zwar zynisch, aber es hat funktioniert. Deswegen finde ich das eine super Idee. Man sollte das jetzt mit den Russen und den Deutschen machen.‘ Das heißt die Idee – und das wird ja den Leuten überhaupt nicht erklärt – die Idee ist wirklich, dass Deutsche Russen erschießen und Russen Deutsche erschießen. Und das soll in der Ukraine passieren. Und die Medien…Nichts darüber. Sondern die Leute werden eigentlich in den Krieg geführt. Und wenn wir jetzt einmal die NATO-Bilanz der letzten Jahre anschauen: Die USA und Großbritannien haben den Irak bombardiert 2003 – die Geschichte mit den ABC-Waffen – nur Lüge. Was ist mit dem Land jetzt? Nur Chaos; Tote: 1 Million. Ok, nicht ein super Leistungsausweis. Dann Libyen; 2011 wurde bombardiert; hatte ein UNO- Mandat, aber nur für eine ‚No-fly-zone‘. Diese ‚No-fly-zone‘ wurde gedreht in einen ‚Regime-Chance‘. Das ist so, wie wenn ich Ihnen Herr Pohlmann sagen würde: ‚Sie dürfen gerne vor meinem Haus parken, wenn Sie jemanden in der Gegend besuchen.‘ Und Sie bedienen sich und essen den Kühlschrank leer. (Lachen) Dann sage ich immer: ‚Das ist das Gleiche. Ich habe nur gesagt: Sie können parken.‘
Ken Jebsen: Und er zieht dann bei Ihnen ein und wohnt gleich dort.
Daniele Ganser: Na dann hört es auf. Dann rufe ich die NATO. (Lachen) Also auch bei Libyen wurde gelogen. Da, finde ich, ist Deutschland ehrenwert, dass man da nicht mitgemacht hat. Dann der Afghanistankrieg. Der Afghanistankrieg baut auf 9/11 auf. 9/11 – das wissen wir – dürfen wir nicht untersuchen. Afghanistan, seit 14 Jahren bombardiert, auch noch ein Chaos. Und jetzt sagt man: ‚Libyen, Irak, Afghanistan – das zeigt doch, dass wenn wir das mit der Ukraine machen, dann kommt da eine blühende Demokratie heraus, wo Sie am liebsten Ihre Kinder 2020 in die Schule schicken würden.‘ Da merkt jeder: Da stimmt doch etwas nicht! Ihr lügt wie gedruckt.
Willy Wimmer: Ich kann das nur querschreiben. Ich habe da eine Erfahrung im Jahr 2007 gemacht, wo ich mit einem hochrangigen pakistanischen Gesprächspartner beim afghanischen Präsidenten Karzai gewesen bin. Ich war vorher schon intensiv in diesem Land seit 1995 unterwegs, kenne also das ein oder andere. Und dann sagt dieser afghanische Präsident: ‚Im Jahr 2004 hätten die Amerikaner in Afghanistan schon den Frieden haben können.‘
Ken Jebsen: Noch einmal, bitte.
Willy Wimmer: Sie hätten Frieden haben können. Die Amerikaner hätten 2004 in Afghanistan Frieden mit allen Gruppen haben können. Sie hätten keinen Krieg mehr führen müssen. Sie haben es abgelehnt. Das sagt der mit Gnaden der Amerikaner ins Amt gekommene afghanische Präsident Karzai. Und dann kann ich natürlich nur sagen: Wenn das der Hintergrund dafür ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten da sterben sollen, dann kann man das doch nicht mitmachen. In welchem Verein leben wir eigentlich? Und in welchem Land tun wir es auch? Das heißt, da muss man ja jeden Widerwillen, den man artikulieren kann, den muss man doch da artikulieren. Es war ja nicht irgendjemand, der das gesagt hat. Es war ja der afghanische Präsident, der mit Sicherheit die Situation da beurteilen konnte.
Mathias Bröckers: Aber man muss sich ja da fragen, wenn man sich die imperiale Politik anguckt, schon bei den Römern vor 2000 Jahren und jetzt heute des Imperiums in Washington; und ich frage mich oft – ich habe keine Antwort – aber ich frage mich oft: Was ist da die Absicht dahinter? Also es gibt diese Strategie der Amerikaner ‚full global dominance‘ offiziell. Also das haben wir hier auch zitiert (hebt sein Buch in die Luft). Kann man per PDF auch nachlesen. Globale Dominanz ist sozusagen die Pentagon-Strategie. Sie haben es ja eben kurz aufgezählt (deutet auf Daniele Ganser), was für ein blutiges Chaos die Kriege seit ‚99 auch im Kosovo. Dort ist jetzt Bondstell und Drogenhandel, sonst ist da nichts im Kosovo.
Willy Wimmer: Na das wollte man ja von Anfang an haben.
Mathias Bröckers: Genau. Die Römer haben ja damals eine Politik gehabt, also in der Antike, dass sie gesagt haben: ‚Am Rande des Imperiums muss immer Chaos herrschen, damit wir Innen Stabilität haben. Und manchmal habe ich den Verdacht, Amerika macht das genauso.
Ken Jebsen: Aber Rom ist untergegangen.
Mathias Bröckers: Ja, Rom ist dann nach 300 Jahren untergegangen oder noch ein paar länger. Das frage ich mich wirklich: Ist das Absicht, was da passiert? Dass sie überall an den Rändern sozusagen Chaos anrichten um auch den militärisch-industriellen Komplex; damit man immer wieder Rüstung hat usw. Der ganze ‚war on terror‘, den führen wir ja seit 9/11, und wir haben soeben schon einmal kurz angesprochen: Der ‚war on terror‘ ist doch die größte Terrorzüchtungsanstalt, die man sich vorstellen kann. (Applaus)
Willy Wimmer: Inklusive des IS.
Mathias Bröckers: Genau. Das Kalifat da ist auch ein Ergebnis. Das kommt von uns.
Ken Jebsen: Da will ich mal kurz reingrätschen. Weil man sich die Frage stellt, warum sind die strategisch so gut, die vom IS, egal was wir machen; das ist jetzt nicht symphatisch. Vor allem die Führer sind arbeitslos gewordene Führer aus dem Irak, die wir damals dort mit aufgebaut haben. Das sind gute Soldaten, sage ich jetzt mal. Das wird ja auch nicht diskutiert.
Daniele Ganser: Ehemalige Saddam-Soldaten. Aber ich möchte auf das hinaus: Es wird uns ja dann immer erzählt, es gibt „das Böse“ und wir müssen jetzt mal richtig Bombardieren, dann ist „das Böse“ weg.
Also diese Story lesen sie jeden Tag in Spiegel Online und ProSieben und ich möchte einfach das erklären: Wenn das funktionieren würde, dann hätten wir das längst geschafft. Wir haben so oft herunter gebombt, dass eigentlich heute der Friede da sein müsste. Oder wir drehen noch eine letzte Runde mit richtig großen Bomben und dann haben wir es morgen geschafft. Diese Täuschung der Leute, dass man wirklich sagt: Wir arbeiten im Auftrag von Kindern und Enkeln, nämlich ihren, dass es besser kommt. Das ist die große Lüge. Man nimmt in Kauf, dass ganze Länder, wie jetzt Libyen, so genannte failed state sind ich habe einen Freund, der war mit mir in der Schule. Zwölf Jahre hat er mit mir die Schulbank gedrückt. Der ging danach zum Roten Kreuz und hat dann in Libyen versucht die ganze Genfer Konvention zu überwachen. Genfer Konvention heißt einfach: Die Leute mit ‚ner Knarre, die sich erschießen, dürfen keine Frauen vergewaltigen und keine Kinder erschießen. Auch im Krieg gibt es Regeln. Also er ging dorthin. Das ist ein gewisses Risiko. Ging ins Kriegsgebiet, hat dies beobachtet und immer wenn wir uns getroffen haben, hat er gesagt: „Sehr schlimm, seid die NATO das bombardiert hat ist das Land im Chaos.“ Interessierte ja niemanden mehr bei uns in der Presse. Vorher waren die Libyer unglaublich wichtig, man musste intervenieren weil es ging den Leuten schlecht, jetzt musste man helfen. Danach riesen Chaos, okay, gut, neues Thema. Was läuft im Fussball. Und dann habe ich einfach beobachtet, was er dort erlebt hat. Er wurde erschossen. Er wurde einfach erschossen. Das heißt, die Leute, die einfach vor Ort sind und versuchen, dass zu beobachten, die kommen weg und wir bekommen in unseren Medien einen so NATO-frisierten Propagandabrei, dass wer den wirklich widerstandslos so aufnimmt, kann ich mir nicht erklären.
Willy Wimmer: Deswegen, wenn ich das vielleicht da einhackend sagen darf: Deswegen sollten man in Europa mal dazu übergehen, das Rote Kreuz international…
Ken Jebsen: …zu entamerikanisieren…
Willy Wimmer: …von den europäischen Staaten zu finanzieren.
Daniele Ganser: Genau.
Willy Wimmer: Wenn wir ein Prozent des Budgets beitragen von dem so wichtigen Roten Kreuz auf internationaler Ebene, dann reicht das nicht. Und wenn 65 Prozent von den Amerikanern bezahlt werden, dann wissen wir doch genau, was dort herauskommt. Also d.h. wir müssen selber Konsequenzen ziehen im Zusammenhang mit diesen Dingen und sie haben eben auf die Doktrin des Pentagon aufmerksam gemacht, weil sie auch darüber geschrieben haben. Wenn sie sich die Direktiven zum internationalen militärischen Einsatz des amerikanischen Präsidenten durchlesen, und ich sage das jetzt, weil wir uns ja auch gerade mit dem 8. und 9. Mai 1945 beschäftigt haben, da frage ich mich immer, was unterscheiden diese Direktiven von dem, was Adolf gemacht hat.
Mathias Bröckers: Full global dominance.
Ken Jebsen: Amerikanische Weltherrschaft.
Daniele Ganser: Der amerikanische Professor Noam Chomsky sagt, alle Präsidenten der USA seit 1945 sind Kriegsverbrecher. Und zuerst habe ich gesagt, das ist jetzt ‚ne abgefahrene Aussage. Und dann habe ich geschaut: Okay, nehmen wir Bush junior, weil den haben wir erlebt. Da merkt man: Die ABC-Waffen im Irak waren gelogen. 2003 der Angriffskrieg ohne UNO-Mandat 1 Millionen Tote, ja Bush, Cheney und Blair sind Kriegsverbrecher. Das ist eine Tatsache. Dann denkt man: Ja gut, aber Clinton doch nicht, der war irgendwie charmant, sunny boy, hat an einen Tennisspieler erinnert, aber dann haben wir Belgrad ‚99 ohne UNO-Mandat. Das war ein Verbrechen. Gehen wir zu Obama. Dann sagt man: Ja, aber Obama doch nicht, endlich “Yes, we can”, jetzt kommt was Gutes und dann sieht man den Drohnenkrieg mit Friedensnobelpreis.
Ken Jebsen: Wie passt das zusammen? Ich sage ja immer Friedhofsnobelpreis.
Daniele Ganser: Ich sage jetzt, wenn die al-Qaida Drohnen hätte, wenn die technisch besser drauf wären, und diese Drohnen würden über der Schweiz, über Deutschland, über Österreich kreisen und über den USA und hätten in den letzten 10 Jahren 3000 Leute erschossen. Das fänden wir völlig, völlig…also, das wäre der ultimative Terror.
Ken Jebsen: Die kämen gar nicht bis 3000. Ich glaube, wenn drei Leute in Fürstenfeldbruck umkämen, dann…
Daniele Ganser: Nein, man muss sich so in das andere Bild hineinversetzten im Kopf, dass man wirklich das so verstehen muss, dass sie das könnten, und wir könnten nichts machen, und würden uns noch fragen, was wohnen denn eigentlich für Leute in den NATO-Ländern, dass denen das völlig egal ist.
Ken Jebsen: Das ist eine ganz wichtige Frage, Herr Ganser, die sie ansprechen, dass würde ich mir, als jemand der außerhalb der NATO lebt und der von der NATO trotzdem besucht wird, fragen. Was tun eigentlich diese zivilisierten Staaten mit ihren westlichen Werten, dass den Bürgern das egal ist.
Daniele Ganser: Das ist das, was Herr Bröckers sagt: “Wir sind die Guten”. Das ist Manufacturing Consent. Das ist nur im Kopf.
Willy Wimmer: Aber das muss eins nicht zur Folge haben: Ich bin weit davon entfernt zu sagen, die gehören alle nach Den Haag.
Daniele Ganser: Wer ‚die‘ jetzt? Die al-Quaida?
Willy Wimmer: Die Leute, die sie genannt haben: Bush, Tony Blair, was auch immer. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ist ja manchmal salopp. Der hat in allem Freimut vor gut einem Jahr gesagt: Das war natürlich ein Völkerrechtsbruch, im Zusammenhang mit Jugoslawien, ich habe das Völkerrecht gebrochen. Hat er öffentlich gesagt.
Mathias Bröckers: Bei der Diskussion um die Krim.
Willy Wimmer: Ja. Und das ehrt ihn. Deswegen will ich ihm auch nicht an den Kragen. Nur was bedeutet das für jeden deutschen Soldaten? Im Soldatengesetzt, ich glaube es ist der Paragraph 10 steht drin, dass jeder deutsche Soldat eine Abwägung vornehmen muss im Zusammenhang mit Befehlen und dem Völkerrecht. Das sind ja Konsequenzen aus schrecklicher deutscher Zeit. Dann hat er, da sein oberster Befehlshaber sagt: “Ich habe das Völkerrecht gebrochen”…
Mathias Bröckers: Er sagt es aber erst zehn Jahre später.
Willy Wimmer: Er sagt es aber. Aber das Schlimme an der ganzen Sache ist, gerade bei den Beispielen die sie [Herr Ganser] genannt haben, Tony Blair, ich will den ja nicht klassifizieren, aber dann wird er auch noch europöischer Beauftragter im Zusammenhang mit Mittel- und Nahost und verdient deswegen ein Schweinegeld. Welchen Eindruck müssen eigentlich andere Staaten von uns haben, die das sehen. Dann macht der einen Krieg nach dem anderen, bringt Leute zur Masse um, und wird dann auch noch europäischer Beauftragter für eine schwierige Region. Da kann ich doch nur sagen: Uns nimmt doch keiner mehr voll.
Mathias Bröckers: Wir gehen ja insgesamt in eine Richtung, dass diese ganzen rechtlichen Hindernisse…, also als ich bei der Bundeswehr war, wurde man darauf gedrillt, auf diese völkerrechtlichen Grundlagen (Haager Landkriegsordnung). Man sollte sozusagen Soldat sein mit großen Rechtskenntnissen.
Mathias Bröckers: Bürger in Uniform.
Mathias Bröckers: All das ist weggeräumt worden. Dies wird auch deutlich im NSA Skandal. Das sind ja alles Bewegungen, die in dieselbe Richtung gehen. D. h. eine operative Möglichkeit Kriegspolitik durchzuführen, läuft über die NSA Überwachung, läuft übers Völkerrecht. Und dagegen sollten wir uns vehementer wehren, als nur festzustellen, dass es schlecht ist. Man muss eigentlich darüber im Klaren sein, wenn man eine Demokratie erhalten will, die den Namen verdient, müssen wir kräftig gegenrudern. Also mit hier sitzen und nichts mehr machen wird es nicht getan sein.
Willy Wimmer: Das machen wir ja auch nicht. Wir weisen ja auch darauf hin. Und man muss ja auch darauf hinweisen, dass diese Entrechtlichung, die sie gerade angesprochen haben, von jemandem propagiert worden ist, der hohes Ansehen in Deutschland hat. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre herum gelaufen und hat in großen deutschen Zeitungen publiziert, dass es mit dem Völkerrecht zu Ende sein muss, und dass das was seit dem 30-jährigen Krieg in Europa entwickelt worden ist, in die Motten Kiste gehört und dass stattdessen ein neues Völkerrecht geschaffen werden muss, dass amerikanischen Belangen dient. Dann weiß man doch, wohin die Reise geht.
Mathias Bröckers: Dann muss man dagegen arbeiten.
Willy Wimmer: Es hat niemanden interessiert. Es hat die Leute ja noch nicht einmal interessiert, im Zusammenhang mit den hunderttausenden um nicht zu sagen millionen Toten. Und was ja noch viel schöner ist, dass was wir um uns herum angerichtet haben, trägt jetzt dazu bei, dass wir die Früchte dieser Kriege auch noch ins eigene Land bekommen. Die Flüchtlingsbewegungen mit denen wir es zu tun haben, sind doch von uns selber geschaffen.
Mathias Bröckers: Gadaffi hat 2007 oder 2008 gesagt, als das dort anfing mit dem Konflikt: “Hallo Europa, Hallo Amerika, macht mal langsam. Was glaubt ihr was passiert, wenn hier Libyen entstaatlicht wird.” Genau das haben wir gemacht und jetzt kommen jeden Tag die Schiffe. Wir haben jetzt ein direktes Ergebnis unserer Kriege.
Ken Jebsen: Man muss aber dazu sagen, dass finde ich innenpolitisch sehr interessant, wenn jetzt die Flüchtlinge alle kommen (in Wirklichkeit kommen die ja alle gar nicht nach Deutschland, wegen der Drittstaatenregelung bleiben sie irgendwo anders oder saufen vorher im Mittelmeer ab), kann man damit innenpolitisch ganz stark nationale Politik machen. Wir sehen es ja in Europa, das Nationalismus gefeatured wird.
Mathias Bröckers: Pegida, gegen den Islam, usw.
Ken Jebsen: Ist das auch eine Technik, die man erkennen muss, dass es einfach darum geht, da sind wir wieder bei Eurasien, dass nicht nur Russland und Deutschland sich nicht verstehen sollen, sondern dass Europa nur dann Sinn für die Amerikaner macht, wenn die sich möglichst zerstritten haben? Ist das auch eine Taktik?
Mathias Bröckers: Hier zitiere ich den britischen Geo-Strategen Mackinder von 1901 oder 1902, der genau das, was der Stratfor Mann heute erzählt, schon geschrieben hat.
Ken Jebsen: Zwischendurch gab es noch Brzezinski.
Mathias Bröckers: Brzezinski kam dann auch noch dazwischen. Also das britische Impire, oder jetzt das Amerikanische muss dafür sorgen, dass in Eurasien Russland und Deutschland als die beiden stärksten Blöcke nicht zusammenwachsen und muss immer kleine Pfeiler hinein schneiden, damit hier Unfrieden herrscht. Weil wenn die sich vertragen, haben wir (als Briten damals und jetzt die Amerikaner) keine Chance.
Daniele Ganser: Das war ein ganz wichtiger Punkt. Die Angelsachsen, d. h. die englischsprachigen Länder Großbritannien, USA, Kanada (Australien ist ein bisschen weit weg) haben immer das Ziel gehabt über das ganze 20. Jahrhundert und jetzt auch im 21. Jahrhundert eine deutsch-slawische Freundschaft zu verhindern. Das deutsche Wissen, das deutsche Kapital und der russische Rohstoff oder mit dem iranischen Rohstoff (über die Bagdad-Bahn) wäre strategisch eine zu starke Allianz. Es ist ganz wichtig den Leuten auch zu sagen, das nur ein oder zwei Prozent der Weltbevölkerung diese abgefahrenen geostrategischen Spiele machen.
Ken Jebsen: Wir sind die 99% aber wir wissen es noch nicht.
Daniele Ganser: Weil sonst gehen die Leute nach hause und sagen: “Spannende Sendung, vielleicht sprengt jetzt mein Nachbar den Briefkasten in die Luft und sagt ich wäre es und dann erobert er meinen Balkon.” Man hat dann ein schlechtes Gefühl. Und da möchte ich immer, dass man auch darauf hinweist, ich denke, dass ist auch unsere Erfahrung, dass es sehr sehr viele gute Menschen gibt. Die meisten Menschen wollen sich verlieben, wollen mit dem Hund laufen gehen, mal Ski fahren gehen, dann hätten sie gerne früher Feierabend, möchten bisschen was verdienen, vielleicht ein schöneres Auto und sie möchten nicht den Anderen täuschen und enthaupten und dann noch jemanden vergewaltigen. Das muss man aber betonen. Die Mehrheit möchte ein friedliches Leben. Sie möchte nicht in Kriege gehetzt werden und sie möchte auch nicht dauernd angelogen werden. D. h. das sind alles Mehrheitspositionen, die wir hier vertreten.
Willy Wimmer: Absolut. Und wir müssen uns ja immer fragen: Gibt es für das, was sie dankenswerterweise gesagt haben, eine politische Nutzanwendung? Ich glaube wir könnten sie ziehen. Wenn wir jetzt die ganze Diskussion mal Revue passieren lassen, dann gibt es ja zwei Faktoren die für uns extrem wichtig sind: Einmal eine historische Erfahrung im Zusammenhang mit zwei Weltkriegen, wo wir sagen können, dass die Amerikaner jeden weiteren Krieg führen, wenn die Gefahr besteht, dass sie ihre Gegenküste verlieren. Das ist der Grund warum sie zweimal in den Krieg gegen Deutschland eingestiegen sind. Die Gefahr, dass man hier nicht mehr Schalten und Walten konnte, wie man wollte. Man will die Gegenküste haben. Das kann ich sogar nachvollziehen. Die wollen nicht zur Insel werden. Der zweite Faktor mit dem wir operieren müssen und über den wir nachdenken müssen: Wir wollen nicht in den Krieg mit den Russen gehetzt werden. Ich finde, dass wir in einer Zeit Leben, in der wir nicht zwangsläufig auf den Krieg starren müssen (bzw. müssen wir, um ihn zu verhindern). Wo wir sagen müssen, da kann man operativ was daraus machen, wenn die Beteiligten guten Willen zeigen und der kann auch im politischen Bereich gezeigt werden. Das gemeinsame Haus Europa hat immer zum Hintergrund gehabt, dass man die Amerikaner und die Kanadier dabei haben wollte. Aber das gemeinsame Haus Europa kann nicht bedeuten, dass man die Russen rausschmeißt. Die Diskussionen, die wir derzeit führen, tragen auch dazu bei sich wieder einmal darüber im Klaren zu sein, was uns eigentlich überlebensfähig macht in ihrem Sinne. Und überlebensfähig macht uns Verhandeln und die Erkenntnis aus der Historie. Das ist ganz klar. Im Zusammenhang mit dem Ende des kalten Krieges haben wir gedacht, wir müssen uns jetzt mit den Folgen des zweiten Weltkrieges beschäftigen, haben wir ja auch getan, aber wir sind sehr schnell darauf gestoßen, dass Europa auch von den Konsequenzen des ersten Weltkrieges noch bestimmt ist. Nicht nur auf dem Balkan oder Mittel-/Zentraleuropa, es ist einfach so. Und die OSZE, aber auch andere Einrichtungen dieser Art wären gar nicht geeignet gewesen, mit diesen Problemen fertig zu werden. Ich habe hervorragende rumänische Gesprächspartner kennengelernt, die wirklich alles getan haben um in diesem Verhandlungsgeist mit den Ungarn zusammenzukommen. Jetzt wissen wir, was das auf dem Balkan für Konsequenzen hat. Diesen Leuten haben wir das Wasser abgegraben, wir haben sie in den Konflikt getrieben, als wir (diese internationalen Organisationen) gesagt haben, das kommt nicht mehr vor, das findet nicht mehr statt, denen wird das Rückrat heraus genommen, wir gehen jetzt nur noch auf den Konflikt. Das ist doch die message, die der Westen verbreitet hat, und das machen wir heute im Zusammenhang mit jedem, den es auch nochmal betrifft. Es sind heute die Russen, es sind morgen die Chinesen und wenn die Inder dran sind, dann können wir da auch noch drüber reden.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, ich möchte sie mal etwas fragen. Das was Herr Wimmer hier beschreibt ist ja die DNA des Kapitalismus, so wie wir ihn momentan betreiben. Ich weiß nicht ob es einen anderen gibt. Wir nennen dann andere Namen, Turbokapitalismus oder Neoglobalisten, wie immer man das nennen möchte, aber das ist Konfrontation und dieses Wirtschaftssystem, weil es auf Wachstum beruht, gehört zusammen. Müssen wir uns davon trennen, um mehr zu kooperieren oder kann man den Kapitalismus so eingrenzen, dass man sagt, es ist eine Art von Wirtschaftskrebs, den man kontrollieren kann?
Mathias Bröckers: Das ist eine sehr große Frage. Ich würde gerne eine Nummer tiefer anfangen. Wir haben eigentlich die Werkzeuge aus den 1980er Jahren entwickelt. Bevor wir dazu kommen, was die Ursache ist, würde ich sagen ist das Erste, was wir tun sollten, eine neue Entspannungspolitik zu fordern. Wenn die Politik es nicht selber tut, müssen wir es tun. Es muss eine Friedensbewegung geben. Ich kann mir sehr gut eine Veranstaltung vorstellen, wo jemand aus der schwedischen Regierung, Egon Bahr und z. B. Gorbatschow zusammenkommen und jeder ca. ein 20 Minuten Referat hält in Berlin auf der Leinwand. Die bräuchten gar nicht kommen, die könnte man zuschalten. Also wo die alten Männer der Friedensbewegung sagen würden: “Ihr lauft auf etwas zu, was gefährlich ist. Das müsstet ihr wegnehmen. Ihr müsstet wieder zu den Werkzeugen kommen, wie man gemeinsam miteinander arbeitet.” Dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir es mit einem echten Feind zu tun haben. Das sollte man nicht mehr deklarieren als Bündnispartner oder Freund, sondern hier sind massive gegenseitige Interessen vorhanden, die wir in unserem Sinne auch deklarieren müssen. Wo man sagen muss, wenn die Amerikaner Interesse an einem Krieg in Europa haben, unseres ist es nicht. Dann muss man Abschied nehmen. Zu dem Kapitalismus: Ich bin jetzt kein Marxist. Ich bin jetzt nicht der Meinung, dass es inhärent da drin ist, aber es gibt gewisse klare Linien, also Herr Ganser hat sehr gute Informationen gebracht über das Öl. Ich kann z. B. die Doku 7 Sisters empfehlen, wo man sehen kann, dass man die ganze Weltgeschichte an dem Streit um das Öl aufhängen kann.
Daniele Ganser: Wir brauchen jeden Tag 90 Millionen Fass. Das sind 45 Supertanker pro Tag.
Ken Jebsen: Abhängig, wie von Heroin.
Daniele Ganser: Ja, die Party ist wie auf Koks.
Mathias Bröckers: Und dann sollten wir versuchen – das wäre meine politische Forderung – für all diese Probleme Lösungen zu finden, die kooperativ sind. Es gibt ein Feld – wenn ich ausschweifen darf –
Ken Jebsen: Bitte.
Mathias Bröckers: Also anthropologisch finde ich es hochinteressant, darüber habe ich mich einmal mit verschiedenen Neurologen drüber unterhalten. Der Kapitalismus beruht auf dem Konkurrenzprinzip. Dass wir gegeneinander arbeiten, dass wir aggressiv sind, dass wir die Möglichkeit haben, in der eigenen Art zu töten, dass wir alpha males haben, all diese Sachen.
Ken Jebsen: Kommen wir so auf die Welt?
Mathias Bröckers: Das ist das was uns verbindet mit Wölfen, Bären, Rauptieren, Fröschen usw. Was uns aber als Mensch spezifisch macht und die größte Ausschüttung an Glückshormonen verursacht ist, wenn er sich verstanden fühlt. Das heißt wir sind auf Kooperation angelegt. Das ist etwas einzigartiges Menschliches, weil wir nach Aristoteles als zoon politicon, als Gemeinwesen existieren können, müssen wir logischerweise von der Biologie ausgestattet worden sein zu kooperieren. Ich kenne keine wirtschaftliche Philosophie die auf diesem Anteil der Kooperation beruht. Man kann zeigen, dass die Kooperation im Menschen angelegt ist und uns glücklich macht, wenn wir uns von anderen Menschen verstanden fühlen. Wo ist die Wirklichkeit, die das einbindet?
Willy Wimmer: Ich kann das im politischen Kontext nur unterstreichen, was sie sagen. Ich will auch mit einem Beispiel kommen. Deswegen ist es auch so kriminell, wenn man nach Elmau den Putin nicht kommen lässt. Weil man dadurch natürlich von vornerein die Gegnerschaft deutlich macht. Man will ihn kriminalisieren, man will ihn nicht dabei haben. Man verhält sich ihm gegenüber, wie man sich schon gegenüber Wilhelm II. verhalten hat. Man macht ihn zur Unperson, wie ein Christbaum, beim Bombenangriff angeleuchtet wird, damit er vernichtet werden kann. Das ist die Methode.
Mathias Bröckers: Das ist Machiavelli. Diese Methoden sind so alt und so schlecht.
Ken Jebsen: Man muss zu Machiavelli dazusagen: Das was Machiavelli geschrieben hat, war kein Ratschlag, sondern eine Warnung.
Willy Wimmer: Aber die Wirklichkeit bei uns in Europa sieht genau so aus. Wenn die Staatschefs miteinander reden würden, käme etwas vernünftiges bei heraus. Weil das sind ja auch nur Menschen, die so bestimmt sind, wie sie [Herr Pohlmann] es gerade beschrieben haben. Was findet in Konfliktfällen immer statt – und zwar regelmäßig? Die Staatschefs kommen nicht zusammen, sondern man lässt die politischen Direktoren der außwärtigen Ämter über diese Dinge reden. Diese Leute haben Null Bewegungsspielraum. Die sind überhaupt nicht in der Lage einen Kompromiss auch nur zu definieren. Sie dürfen es nicht. Sie haben ihren Rücken festgenagelt. Wenn die politischen Direktoren der auswärtigen Ämter miteinander Reden, ist das der Weg zum Krieg. Das hat die jüngere europäische Geschichte seid Belgrad deutlich gemacht. Wenn sie die Staatschefs miteinander reden lassen, und deswegen ist das mit Elmau auch so ein Verhängnis, die finden für jedes Problem eine Lösung, es sei denn sie haben Angst, wie Kennedy, erschossen zu werden. Das muss man heute leider sagen. Aber wenn sie in den Nachrichten hören: “Die politischen Direktoren…” ist das der Weg zum Krieg. Immer.
Ken Jebsen: Aber Herr Wimmer, was würden sie denn tun, wenn sie noch im Amt wären. Sie haben es mit einem Imperium zu tun, das ein Feindbild braucht.
Daniele Ganser: Das wechselt sehr schnell. Von Noriega [früherer Machthaber in Panama, Anm. d. Red.] zu Milošević [früherer serbischer Politiker, Anm. d. Red.] zu Gaddafi zu Saddam Hussein zu Bin Laden zu Putin. Das geht so schnell, dass man immer sofort denkt: Wenn der weg ist, ist gut. Und dann kommt schon der Neue.
Mathias Bröckers: Sie brauchen halt immer Einen.
Ken Jebsen: Das Vorübergehende ist eigentlich Standard.
Daniele Ganser: Es spielt auch keine Rolle aus welcher Religionsgruppe der kommt…
Mathias Bröckers: Das sollte uns klar sein. Wen wir heraus wollen aus diesem kriegerischen Konflikten müssen wir gucken, dass wir vernünftige Lösungsansätze finden.
Ken Jebsen: Aber wie sollen wir denn vernünftige Lösungsansätze finden, wenn sich Staatschefs treffen wollen, die sich einigen wollen, wie wollen die das machen, wenn sie komplett abgehört werden?
Das wird doch hintertrieben.
Mathias Bröckers: Es wird auf vielen Ebenen hintertrieben. Aber wir haben ja immerhin die Möglichkeit, uns darüber zu unterhalten und wir haben die Möglichkeit diese Ideen weiterzutragen und wir sollten es auch von den Leuten fordern. Was wirklich gefährlich ist, ist zu glauben, dass wenn man nichts tut irgendetwas besser wird. Wenn wir die Freiheit, die im Grundgesetz steht, und die wir einmal als Kinder im Sozialkunde-Unterricht erzählt bekommen haben – die Erwachsenen-Realität sieht anders aus – erhalten wollen, müssen wir kämpfen. Das ist nichts was erhalten bleibt, dadurch dass man denkt, es ist gut organisiert, das wird bleiben. Es wird uns Stück für Stück weggenommen im Moment, wenn wir es wieder haben wollen, müssen wir es uns zurückholen. Ich denke sie [Herr Ganser] sind aus der Schweiz, das ist für mich immer entscheidend. Ich denke wir sitzen jetzt hier und reden und dann gehen wir schön nach hause und Ende. Was hat das jetzt bitte bewegt? Das ist immer die Frage die kommt. Wenn man z. B. die Möglichkeit hätte, Volksabstimmungen zu machen, also eine direkte Demokratie, in der Vorgaben gegeben werden aus der Bevölkerung, dann hat so eine Diskussionsrunde einen ganz anderen Wert, weil sie könnte zu einer Abstimmung führen. Wenn ich eine direkte Demokratie einführe, dann hat all das was gefordert wird einen hohen Wert, z.B. der Diskurs zwischen den Staatsbürgern, der ja nicht mehr stattfindet, genauso wie solche Diskussionsrunden nicht im Fernsehen stattfinden. Das wäre ein Faktum, das wir sagen müssen, wir müssen uns die Macht, die delegiert worden ist, wenigstens stückweise zurückholen. Damit wir kontrollieren, was die Politiker machen und wenn sie das falsch machen und uns belügen, muss etwas passieren. Was passiert ist: Real gehen die Leute einfach nicht mehr wählen. Sie sagen nicht mehr: „Ich wähle jetzt eine andere Partei“, sondern verzweifeln an dieser Gesamtsituation.
Ken Jebsen: Und das ist nicht die Lösung.
Mathias Bröckers: Das ist auf keinen Fall die Lösung.
Willy Wimmer: Wir müssen vor diesem Hintergrund mindestens zwei Dinge tun. Die Schweiz erhalten, damit sie für dieses demokratische Phänomen der Leuchtturm bleibt. Wir haben keinen anderen. Das zweite ist: TTIP verhindern.
Mathias Bröckers: Das ist ein Desaster.
Willy Wimmer: Wenn TTIP kommt ist die parlamentarische Demokratie in Europa am Ende. Dann haben wir TTIP mit der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie, damit der Rest auch noch kommt, werden wir alle abgehört und die Bundeswehr wird weltweit verschickt im amerikanischen Interesse. Das ist das ein anderes Land. Und wenn wir keine Referenzen mehr hätten, wir das in den schweizer Volksabstimmungen der Fall ist, dann wüssten wir ja gar nicht mehr, wie die Welt aussehen kann. Also wir müssen uns das nicht nehmen lassen. Und wir müssen das, was uns genommen wurde, zurücknehmen. Der Staat muss wieder in unsere Hände kommen.
Mathias Bröckers: Sie haben die Schweiz gerade angesprochen, man muss auch positive Visionen haben. Warum kann die Ukraine nicht ein blockfreier, neutraler Staat sein, wie Österreich auch. Österreich ist auch nicht in der NATO. Und warum kann die Ukraine nicht eine Föderation sein, wie die Schweiz, mit vier verschiedenen Sprachen. Und der Appenzeller hat mit den Menschen am Genfer See kulturell auch nicht soviel mehr zu tun, so ähnlich wie der Ostukrainer mit den Leuten in Lemberg.
Willy Wimmer: Oder der Rheinländer mit dem Westfalen.
Mathias Bröckers: Oder der Rheinländer mit den Bayern…Warum kann so ein Land, das historisch auch so zerrissen ist, wie es nun mal ist, warum kann man daraus keine Föderation machen und sagen ihr bleibt jetzt erstmal von mir aus für die nächsten 50 Jahre neutral. Ihr seid eine Achse zwischen Russland und Europa, hier könnte das alles zusammenwachsen. Das wäre ja eine ‚positive‘ Vision. Daraufhin muss man arbeiten. Die Amerikaner machen das Gegenteil: Sie wollen einen Konflikt schüren.
Mathias Bröckers: Also Frau Merkel, wir können von ihr halten was wir wollen, aber sie würde keine Scharfschützen auf dem Maidan positionieren.
Mathias Bröckers: Nein.
Mathias Bröckers: Diese Art von Denkweise ist nicht vorhanden. Ich möchte noch ein Zitat sagen, was ich sehr wichtig fand und aus der Zeit von Carter stammt. Carter war beim s. g. CIA CIA, also die harten Jungs in der CIA, und diese hatten Carter definiert als Weichei. Sie haben beschlossen, dass Carter nicht tragbar ist für den amerikanischen Staat, den sie nach ihrer Vorstellung in der innigsten Form präsentieren. Weiterhin haben sie festgestellt, dass das Schlimme an Carter sei, dass er nicht dumm sondern ein kluger Mann ist, aber er habe Prinzipien und er glaube wirklich an diese amerikanischen Prinzipien. All das was sie den Leuten erzählen, glaube er wirklich. Dass sei sein Fehler. Deswegen müsse er weg. Das muss man verstehen. Das was wir als Wertegemeinschaft bezeichnen und die Werte die nach außen propagiert werden, gar nicht die sind. Dahinter steht Machiavelli [Staatsphilosoph aus dem 15./16. Jahrhundert, Anm. d. Red.].
Daniele Ganser: Das interessante ist, wenn ich das anhängen darf…
Mathias Bröckers: Ich bin ja eigentlich ein Konservativer.
Daniele Ganser: Der Carter wurde ja dann nicht gewählt, weil die Geiseln aus Teheran zuerst freigelassen wurden als Reagon im Amt war.
Mathias Bröckers: October surprise.
Daniele Ganser: Genau. Aber das sind ja wieder all diese Games. Wie läuft es denn? Es läuft immer wenn wir sagen wir brauchen diesen nächsten Schritt in Richtung Frieden bzw. in Richtung mehr Frieden, dann wird es darum gehen , dass wir unsere Ängste überwinden müssen. Was ist 9/11 ? Was sind ABC-Waffen? Was sind Scharfschützen auf dem Maidan? Es schürt immer Spannung und Angst. Die Strategie der Spannung habe ich im NATO-Buch genau erklärt. Man inszeniert einen Terror-Anschlag und hängt ihm den Gegner an. Ich nehm z. B. das Glas, schlag es hier an der Tischkante kaputt, dann hat es eine scharfe Kante und hack ihnen [Herr Wimmer] in den Arm und sage, er [Herr Pohlmann] wäre es. Ist einfach nicht okay.
Mathias Bröckers: Ich schaue z. B. auf der ARTE-Webseite zu meinem Film. Da gibt es jemanden der schreibt: „Das ist alles quatsch. Der Pohlmann ist ein Salonlinker.“
Daniele Ganser: Ist das so schlimm wie Verschwörungstheoretiker?
Mathias Bröckers: Fast, fast.
Mathias Bröckers: Er wollte eigentlich „Salonkommunist“ schreiben, aber das hat nicht richtig funktioniert, glaube ich. Der Punkt ist, dass ich den Beitrag von ihm sehr wertvoll fand, denn weil er dekuvriert. Er zeigt zum Einen, weil er gesagt hat „es hätten ja die Russen sein können“ (die Schweden waren von der Verteidigungsleistung nicht genug), dass jede Lüge erlaubt ist. Die USA sind die Pest geworden, als dessen Heilung sie sich ausgegeben haben. Sie sind das, was wir erzählt bekommen habe, ein Regime mit totalitären Tendenzen. Totalitär in dem Sinne, dass sie alle Lebensemulationen kontrollieren wollen, dass sie unsere gesamte Kommunikation abhören wollen, dass sie festlegen wollen, wie wir leben wollen usw. Das eigentliche Element in dem dies gemacht wird, ist Lüge und Täuschung. Sie kriegen nicht wirklich erzählt, was passiert, sondern sie kriegen etwas vorgemacht, was sie glauben sollen. Wenn es aufgedeckt wird, wird es diskreditiert.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Gott für die Amerikaner?
Mathias Bröckers: Die Amerikaner haben Gods own country und das durchzieht ihre Geschichte. Es ist ja so absurd, dass z. B. die Ausbreitung nach Westen mit dem Völkermord an den Indianern, nicht als was Gutes wahrgenommen wird, aber auch nicht wirklich etwas ist, was ihnen auf der Seele brennt. Es wird nämlich gesehen als ein göttlicher Auftrag nach Westen sich auszubreiten, übrigens nicht nur USA, sondern das geht letztlich in den Interpretationen bis in den Weltraum.
Ken Jebsen: Sie finden auch in Washington eher ein Denkmal für den Holocaust, also einem Mord auf einem anderen Kontinent, als für einen Mord auf dem eigenen Kontinent. Ist das so, dass man das wegschiebt?
Mathias Bröckers: Das ist eben Wir sind die Guten. In der christlichen Philosophie würde man sagen: Man ist dadurch gut, weil man etwas Gutes tut. Während sie sagen, dass was wir tun ist gut. Also die Definition ist, alles was ich tue ist gut und nicht, ich bin gut, weil ich etwas Gutes tue.
Ken Jebsen: Kann man auch sagen: In dem Moment in dem ich etwas Gutes tue ist es weg und alles was du tust kann nur böse sein, weil ich das Gute praktisch schon abgearbeitet habe?
Mathias Bröckers: Sie sehen ja die Täuschung. Deswegen sagte ich ja, dieser Artikel zu meinem Film ist so dekuvrierend, weil er sagt: „Wir müssen ja auch täuschen, damit wir gewinnen“. Im Grunde reduziert sich das auf eine Freund-Feind-Mentalität.
Ken Jebsen: Das ist doch militärisches Denken. Aus militärischer Sicht ist das richtig.
Mathias Bröckers: Es ist sogar mehr als das. Das finden sie wieder bei Carl Schmitt [dt. Staatsrechtler und politischer Philosoph, Anm. d. Red.]. Ich kann nur aufrufen ihn zu lesen, damit man weiß womit man es zu tun hat.
Daniele Ganser: Ich habe da eine konkrete Erfahrung gemacht. Eine reiche Bank aus Portugal hat mich eingeladen. Ich habe dort die Kriegslügen erklärt, inklusive ABC-Waffen und Irakkrieg und nach dem Vortrag sind wir mit dem Bus ein Schloss anschauen gefahren. Da saß ich neben einem Amerikaner. Der fand meinen Vortrag nicht so toll. Wir waren in einer blöden Situation, denn wir saßen beide nebeneinander und wir konnten nicht weg. Und dann hat er gesagt: You know a doctor answer? Im living the american dream. Im a millionaire, i have a company… „Also ich lebe den amerikanischen Traum, ich bin Millionär und jetzt erzählen sie mir diese Dinge mit den ABC-Waffen, sie gehen mit eigentlich auf den Geist.“ Und dann habe ich gesagt: „Nagut, aber die ABC-Waffen waren ja gelogen.“ Dann hat er gesagt: „Ja das stimmt schon, aber muss eben auch die Soldaten motivieren, weil sonst gehen sie ja nicht in den Krieg.“ Und das interessante ist, wenn wir jetzt die Helme der amerikanischen Soldaten untersuchen, das ist für uns Historiker eine gute Quelle, dann zeichnen sie auf den Helmen die Twin Towers und wenn man sie befragt, dann haben 60-70 % in einigen Befragungen in ‚06 das Gefühl gehabt, sie sind im Irak um sich zu rächen für die Rolle von Saddam Hussein bei 9/11. Das zeigt diesen ganzen Brainwash. Da sind wir schon in einer Ebene, wo wir sagen, da vernetzten sich Lügen mit noch mehr Lügen und noch mehr Lügen.
Ken Jebsen: Ist das die Matrix?
Daniele Ganser: Aus der man ausbrechen sollte.
Ken Jebsen: Wie macht man das?
Daniele Ganser: Indem man zuerst seine eigene Angst überwindet. Ich meine das ist ganz zentral. Als ich diese Forschung gemacht habe, kam ich an diesen Punkt und das haben sie alle erlebt, wo sie am Schluss selber Angst haben. Angst um ihren Ruf und um ihre Einnahmen. Und das ist eine Situation, in die müssen sie kommen, ansonsten sind sie noch in der conferred zone. Sprechen sie mal die Dinge an, dann kommen sie in die schwierigere Zone. Dann gibt es den Haupttrick. Zuerst muss man die Angst real erkennen, dass sie überhaupt da ist. Und dann muss man sich mit den engsten Freunden besprechen, d. h. mit Familienangehörigen, mit Frau und Mann, mit Kindern, mit einfach jemandem der Einem halt gibt. Alleine kommt man da nicht durch. Und wenn man nur jemanden hat, der an einen glaubt, dann kommt man durch. Dann kann man sagen: „Okay, ich mache mich jetzt frei, ich spreche Dinge an, die ich mich vorher nicht getraut habe anzusprechen.“ Bei mir war es meine Frau. Ich habe sie gefragt: „Du, ich forsche an 9/11.“ Sie hat gesagt: „Das ist nicht so eine gute Idee.“ – „Meinst du ich soll da weitermachen oder nicht?“ – „Das musst doch du sagen, du hast doch die Daten.“
Willy Wimmer: Sie beschreiben etwas, dass wir von unsern Eltern und Großeltern als das Phänomen des dritten Reiches bezeichnet haben.
Mathias Bröckers: Oder reden sie mit Leuten aus der DDR. Die können ihnen das genau so erzählen. Bei Grillabend musste man aufpassen mit wem man redet und die offizielle Variante hatte man im Kopf. Und genau da sind wir. Wir sind in der DDR Realität mit zwei Realitäten.
Daniele Ganser: Herr Pohlmann, darf ich hinzufügen: Es wird so gemacht im deutschen Fernsehen, dass sie immer der dritte Reich haben, ‚33-‘45, jeden Tag schon fast. Das heißt einfach: Ihr seid die Bösen. Man könnte auch immer wieder die amerikanischen Verbrechen zeigen, die wären dann aber von ‚45 bis 2015, also in einer anderen Zeitspanne und einem anderen geographischen Raum.Ich möchte das jetzt nicht relativieren, aber so werdet ihr herunter gehalten. Und das funktioniert.
Willy Wimmer: Nenene, ich glaube noch nicht einmal herunter gehalten. Dahinter verstecken sich die Anderen.
Daniele Ganser: Sie sagen einfach: „Ihr habt gar nichts zu sagen, warum kritisiert ihr denn den Golf-von-Tongking-Zwischenfall, war zwar gelogen, drei Millionen tote Vietnamesen, aber ihr habt ja das dritte Reich.“
Mathias Bröckers: Es ist eine Chance für uns. Eine von den Sachen die mich immer erstaunt hat ist, dass man in Deutschland Probleme bekommen kann, wenn man nicht kritisch genug mit der eigenen Geschichte umgeht. Das ist eine Sondersituation. In den USA, wenn sie Noam Chomsky heißen (darf auch in Israel nicht einreisen) haben sie ein Problem. In Deutschland müssen sie sehr genau aufpassen mit der eigenen Geschichte. Wir haben diese Lektion als demokratische Musterschüler gelernt. Daher haben wir auch ein feines Sensorium. Das ist das Gleiche, was ich jetzt beschreibe von mir. Ich hatte an der Uni amerikanische Professoren gehabt, die haben mir beigebracht, was Propaganda ist und jetzt sehe ich, dass es genau das Gleiche ist. Aber das erzeugt die Empörung. Auf der einen Seite kann es operativ genutzt werden um uns niedrig zu halten, aber, weil wir die Erforschung unserer eigenen Verbrechen in einer Weise begangen haben, dass wir nun sehr klare Begriffe dafür haben, die, wenn wir sie anwenden auf die Politik der Amerikaner, ein eindeutiges Ergebnis im Denken hat. Wir müssen nur fertig kriegen, darüber zu reden.
Willy Wimmer: Ich stimme ihnen zu, aber dass was sie beschreiben, hat in Berlin ganz merkwürdige Konsequenzen. Sie haben das Phänomen gut beschrieben. Nur es gibt eine Horde von wildgewordenen Professoren aus Berlin, die fordern vor diesem Hintergrund wieder eine deutsche Hegemonie in Europa mit welchen Begründungen auch immer. Das heißt…
Ken Jebsen: Verantwortung.
Willy Wimmer: …eine normale Auseinandersetzung über diese Dinge hat nicht stattgefunden und wenn man das beschreibt, was sie gerade beschrieben haben, werden sie bestenfalls eingeladen im deutschen Bundestag eine Festrede zu halten.
Mathias Bröckers: Wir müssen es selber machen. Wenn diese Diskussion nicht stattfindet, müssen wir sie selber machen. Reden sie zuhause mit den Leuten. Die Möglichkeiten sind schwierig, deswegen finde ich so gut, was hier jetzt stattfindet. Weil es eine Art von Gegenöffentlichkeit ist, die möglich ist. Das Internet wird den Journalisten abschaffen, der Informationen sammelt. Informationen kann jeder von ihnen überall sich ziehen.
Ken Jebsen: Und bewerten.
Mathias Bröckers: Und zusammenfassen. Was mache ich aus diesen Informationen. Wie ordne ich sie für mich ein? Wenn ich das kann, dann ist jede Information, die dazu kommt, und nicht in einem Wust untergeht, eine Bereicherung. Das muss man aktiv betreiben, nicht passiv.
Ken Jebsen: Ich bezeichne das Internet auch als digitales Aufwachzimmer. Das kann man selbst gestalten, wie man das möchte. Weil sie gerade von dieser Doppelsituation gesprochen haben: Ich habe Herrn Wimmer die letzten Wochen begleitet, und wir waren auch in einer Eliteuniversität, sie können sie ruhig nennen, wenn sie wollen.
Willy Wimmer: Salem.
Ken Jebsen: Dort kamen Leute aus Zürich an, das ist dort relativ weit weg. Viele aus der ehemaligen DDR, die jetzt in Zürich als Ärzte operieren. Mit denen haben wir auch hinterher gesprochen. Und viele von diesen Leuten aus der ehemaligen DDR haben zu mir gesagt, dass was sie momentan in Deutschland erleben (sie sprachen schon als Schweizer von sich), kennen sie alles schon als DDR Bürger. Das ist alles so ein bisschen aktuelle Kamera 2.0. Wir als Journalisten kennen das schon lange. Ich habe mich auch an diese journalistischen Leitplanken nicht gehalten, die aber nie benannt wurden, die imaginär sind, und dann hat man mir einfach gesagt, es gibt da gewisse Absprachen, die ich aber nicht kannte. Es kam mir vor wie der Prozess von Kafka. Da können wir meiner Meinung nach sehr viel vom alten DDR Bürger lernen. Wie wir aus der Sache friedlich heraus kommen, weil das müssen wir. Ich möchte an dieser Stelle einmal fragen, was wir praktisch tun können. Ich war gerade bei Jean Ziegler, der hat ein interessantes Buch geschrieben, was auch Lösungsansätze bietet, es heißt „Ändere die Welt“. Er schreibt in seinem Buch: Was bringt ein Intellektueller? Ein Intellektueller nützt gar nichts wenn er nur die Dinge benennt und sagt, wie übel alles ist, sondern ein Intellektueller soll bewaffnen. Er soll die Bevölkerung mit Argumenten bewaffnen, die die Bevölkerung mit Mut versorgen, damit die Bevölkerung aufsteht. Es geht um Haltung im Sinne von Aufrechtstehen. Er sagt, das finde ich sehr interessant, da er Marx in- und auswengig kennt, auch wenn die sich nicht mehr persönlich kennengelernt haben, Marx hatte in einem Punkt Unrecht. Marx hat damals gesagt, es wird immer einen Klassenkampf geben, weil die Waren, die hergestellt werden, reichen nicht für alle. Wir leben heute in einer total perversen Situation. Wir könnten locker 12 Mrd. Menschen versorgen tun es aber nur bei einem Sechstel. Das heißt, jedes Kind das stirbt, z. B. alle fünf Sekunden verhungert, ist Vorsatz in diesem System. Vorsatz. Dann müssen wir uns vorstellen: Okay, ich kann nicht jedes Kind in der dritten Welt mit Essen versorgen, aber ich könnte die Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten. Das könnte ich sofort verbieten. Das wäre das Erste, was ich tun würde.
Mathias Bröckers: Wir haben über Gott geredet und die Rolle der Religion. Die Rolle der Herrschaft hat die Wirtschaftsideologie übernommen. Was ich sagte vorhin zum Konkurrenzverhalten, dies wird nicht mehr in Frage gestellt. Wenn man zuhause mit Jugendlichen redet, kommt irgendwann: „Junge, das sind alles schöne Ideen und Träume, aber die Realität ist der Konkurrenzkampf, du musst dich in der Wirtschaft bewähren.“ Und dort ist dieser Darwinismus zutiefst eingegraben. Davon würde ich gerne wegkommen.
Ken Jebsen: Die Neoliberalen behaupten, das wären Naturgesetze.
Mathias Bröckers: Wenn sie den jungen Marx lesen, merken sie, dass er brennt vor Gerechtigkeitsgefühl und das furchtbar findet, was er dort sieht.
Willy Wimmer: Wir können es ja mit Namen benennen. Derjenige, der so gedacht hat, wie sie [Herr Jebsen] es gerade formuliert haben, hieß Alfred Herrhausen. Er ist erschossen bzw. ermordet worden. Deswegen wissen wir auch ganz genau, wo Limits aufgebaut werden, um dieses Denken nicht zu ermöglichen. Jetzt haben sie gerade eben auch den Glauben als Herrschaftsinstrument angesprochen. Ich habe mich dieser Tage wirklich massiv gewundert. Die deutsche Bischofskonferenz macht in Mönchengladbach – Herr Brökers, unsere gemeinsame Heimat – ein Seminar über die Situation in der Ukraine und in Zentral- und Mitteleuropa. Ich habe die Einladung zugeschickt bekommen und habe mit den Leuten auch gesprochen, weil ich es empörend finde, dass man natürlich den ukrainischen Botschafter einlädt und nicht den Russischen. Man lädt Vertreter der Ukraine ein, aber niemanden, der aus dem Donbass etwas sagen kann. Wie will ich mich friedensstiftend mit dieser Gegend beschäftigen, wenn ich nur ein einseitiges Vorgehen habe. Ich trimme die Leute doch förmlich auf den Konflikt. Und das mache ich als Kirche.
Mathias Bröckers: Das ist tief enttäuschend und ist auch gegen die eigenen Regeln, die sie aufgestellt haben.
Willy Wimmer: Ja, deswegen sage ich es ja.
Ken Jebsen: Ich habe einmal mit Rüdiger Lenz, einem Gewalttäter-Therapeuten eine Analyse gemacht, wie die NATO sich darstellt: Wie ein klassischer Schläger auf der Straße, der alles weg prügelt, und wird auch noch dafür belohnt. Man müsste das auch so angehen, dass man diejenigen, die in der NATO das sagen haben, therapiert. Indem man sie erst einmal herausnimmt aus dem Spiel und wegsperrt. Ich möchte aber auf praktische Dinge kommen: Herr Ganser, sie haben ein Buch geschrieben „Europa im Erdöl Rausch.“ Wenn man erst einmal süchtig ist, wir alle waren irgendwann mehr oder weniger süchtig, ich habe früher sehr sehr viel, extrem laute Musik gehört und kam nur sehr schwer davon los…
Daniele Ganser: Und jetzt sind sie bei den Motorrädern.
Ken Jebsen: Absolut, im Moment. Aber da sind wir beim Thema: Es sind Fahrzeuge, die mit Erdöl betrieben werden. Sie sind mit dem Flugzeug gekommen, fahren nachher mit dem Zug nach hause. Wir sind von Erdöl abhängig – wie Junkies. Sie schreiben es in ihren Büchern und sagen es auch in ihren Vorträgen: Friedenspolitik ist auch Energiepolitik, das muss man zusammen sehen. Wir sind nicht wegen den Menschenrechten vor Ort, sondern um Bodenschätze klar zu machen. Wie kommen wir denn aus der Erdölabhängigkeit heraus? Sehen sie Möglichkeiten? Haben wir Möglichkeiten? Das wir im deutschsprachigen Raum etwas tun können, damit wir auch praktisch etwas davon haben. Das Ziel dieser Sendung ist eben nicht nur lamentieren und sagen „die bösen Buben dort oben“, sondern der Titel heißt „Krieg oder Frieden in Europa – Wer bestimmt auf dem Kontinent?“. Ich glaube wir bestimmen auch an der Zapfsäule über Krieg und Frieden. Wie kommen wir heraus aus der Nummer?
Daniele Ganser: Das ist schon eine schwierige Nummer, weil es eben 90 Mio. Fass Erdöl sind, die wir jeden Tag brauchen zu den 9 Mrd. m³ Erdgas. Das ist schon eine große Sache. Wir stecken da ziemlich drin. Man muss auch sagen die letzten 200 Jahre ist die Bevölkerung von 1 Mrd. auf 7 Mrd. angestiegen, also ein Wachstum von 6 Mrd. in 200 Jahren.
Ken Jebsen: Hat mit Erdöl zu tun – Dünger?
Daniele Ganser: Es hat mit Erdöl zu tun, mit Erdgas, mit Kohle und mit Atom. Das hat uns reich gemacht, das ist Energieversorgung im Überfluss. Meine Meinung ist, dass es im 21. Jahrhundert geht von der Atomenergie wegzukommen (sind noch 440 Atomkraftwerke, also das wird noch eine Zeit dauern), von Kohle wegzukommen, vom Öl und Gas wegzukommen und eine erneuerbare Struktur aufzubauen. Da ist natürlich eine große Sache und es gibt viele Gegner, aber grundsätzlich glaube ich, dass das die Vision wäre. Zweitens glaube ich, dass wir eine zweite Medienlandschaft brauchen, wo die Leute nicht warten bis die Nachrichten kommen ausgelesen von irgendjemandem, sondern aktiv die Dinge, die sie spannend finden, recherchieren, z.B. auf Youtube. Sie könnten nach „Sniper auf dem Maidan“ suchen, und investieren darin eine Stunde. Also ein anderes Informationsmanagement. Und dann, das ist vielleicht überraschend, kann ich mir ein sehr schönes 21. Jahrhundert vorstellen. Wir sollten in Richtung erneuerbarer Energien und friedlicher Konfliktlösung gehen. Konflikte sind etwas Gutes. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch immer Konflikte haben wird. Man sieht in der Familie, dass ein Konflikt einen fordert und dadurch verändert man sich, aber die goldene Regel, und das ist schön, dass wir diesen Konsens haben, ist, dass wir uns nicht töten. Also wenn Mann und Frau sich uneinig sind und es ist ausweglos und der Mann nimmt die Axt und schlägt der Frau den Kopf ab, dann ist die Möglichkeit an einem Konflikt zu wachsen vertan. Oder umgekehrt, wenn die Frau den Mann vergiftet. Was aber möglich ist, ist dass man den Konflikt zivil austrägt, und man kann es einfach wiederholen, dann spricht man miteinander. So schwierig es auch ist. Es ist doch die Idee, wenn wir miteinander sprechen, dann ist es besser als wenn wir uns töten, foltern oder terrorisieren. Aus dieser Vision heraus, Energiewende einerseits, Medienrevolution, die am laufen ist, und drittens der zivilen Konfliktlösung, sehe ich eine positive Vision für das 21. Jahrhundert. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen wunderbare Wesen sind. Weil gewisse Menschen kommen dann zu mir und sagen: „Ja ich habe ihr NATO Buch gelesen, aber ich habe es auch nicht vor dem Einschlafen gelesen, aber haben sie eigentlich ihre Kinder gezeugt, als sie das schon wussten?“ Und dann habe ich gesagt: „Ja klar!“
Ken Jebsen: Gegenoffensive.
Daniele Ganser: Nein, ich habe das einfach erklärt. Ich untersuche und wir haben etwas besprochen, dass die verdeckte Seite der internationalen Politik darstellt. Das sind die dunklen Seiten, sich umzubringen und sich zu täuschen. Das ist nicht die edle Seite des Menschen. Aber ich bin trotzdem fest davon überzeugt, dass es wunderbar ist auf der Welt zu leben, dass wir Möglichkeiten haben, ein tolles 21. Jahrhundert zu haben und das der Mensch ein wunderbares Wesen ist. D. h. wir müssen uns anstrengen, das ist völlig klar, aber dafür brauchen wir auch Begeisterung. Begeisterung fürs Leben. Ich bin manchmal bei Schulklassen, die sagen mir: „Ja, ganz klar, 9/11 war gelogen. Mich nervt ‚s, was da immer in den Abendnachrichten kommt, mein Vater schaut das noch, der glaubt das noch, aber für mich ist das alles vorbei. Da wird ja nur gelogen und gemordet.“ Und so verlieren wir eine ganze Generation. Wir verlieren ihre Achtung, weil die denken, es gäbe nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind die so bescheuert, und sie haben die Kriegspropaganda nicht erkannt, oder sie sind so feige, dass sie nicht darüber sprechen. Und beide Positionen sind nicht gerade schmackhaft.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, ich möchte sie an dieser Stelle etwas fragen, weil wir streifen hier die Soziologie. Als Friedensforscher streifen wir die Soziologie, oder?
Daniele Ganser: Wir gehen über die ganze Welt, alle Themen.
Ken Jebsen: Der Weg führt nach Innen, meiner Meinung nach. Ich habe mit einem Mönch gesprochen, den ich auf einem Vortrag getroffen habe, den sie gehalten haben, und er hat zu mir gesagt: „Der Krieg wird von Profis solange vorbereitet, wir müssen auch den Frieden solange vorbereiten.“ Das fand ich ein super Argument, weil das stimmt. Die Strategen im NATO-Hauptquartier machen das über sehr viele Dekaden, wir sollten uns auch eine Art Hauptquartier zurecht schustern, vielleicht ein digitales Hauptquartier, und den Frieden vorbereiten. Ich möchte auf Arne Grün, den großen Soziologen, der in Zürich wohnt, noch einmal zusprechen kommen. Wie wichtig ist, dass wir den falschen Gehorsam ablegen? Dass wir einfach das tun, was man uns sagt.
Mathias Bröckers: Ist in der Ethik der große Punkt. Hat man eigene Regeln, die man an die Wirklichkeit anlegt, oder gehorcht man. Das ist ein entscheidender Faktor. Das beste Beispiel: Sophie Scholl. Lesen sie das, was Sophie Scholl mit 17, bevor sie hingerichtet wurde, gesagt hat. Wo sie gesagt hat: „Es sind alles große Frage und ich kann es selber gar nicht genau beantworten, aber ich weiß doch eigentlich im Inneren, was richtig ist.“ Wenn sie das Vergleichen, was dieses junge Mädchen an tiefer Wahrheit dort kundtut, weil sie diesen Mut zur Wahrheit hat. Meine Kinder sind in der Schule und bekommen beigebracht, dass die DDR ganz schlimm war, dass es dort die Mauer und eine Diktatur gab und dass das Dritte Reich am allerschlimmsten war. Aber kriegen sie beigebracht, dass sie jetzt an der Stelle stehen, wo sie geradeaus sind?
Ken Jebsen: Sie kriegen immer beigebracht, dass man damals früher aufstehen hätte müssen, aber jetzt ist nicht der Moment dafür.
Mathias Bröckers: Alles in Ordnung und du sollst gehorchen. Das Gehorchen ist nicht richtig. Du hast in dir dieses verdammte Gewissen, was dir etwas sagen will. Ich kann es auch anders ausdrücken: Wir würden so jemanden, der sich verhält wie die Amerikaner in der Außenpolitik in der Familie nicht akzeptieren.
Ken Jebsen: Auch nicht in der Bundesliga.Der würde vom Platz gestellt.
Daniele Ganser: Rote Karte.
Mathias Bröckers: Das würden wir definieren als eine Person mit der wir nichts zu tun haben wollen. Wir haben jetzt aber einen 400 Tonnen King Kong da sitzen, der die ganze Welt beherrschen kann, aber dann sollen sich bitte alle anderen, Biber, Schafe, Ziegen und sonst was zusammen tun und sagen, dass wir auch den gemeinsam weg bekommen. Ich will ihn nicht umbringen.
Mathias Bröckers: Wir geht man mit Verrückten um? Politik der Umarmung!
Ken Jebsen: Ist das, was wir momentan machen, wenn wir lamentieren, ist das nicht eine Form der unterlassenen Hilfeleistung? Dass wir den Präsidenten machen lassen?
Mathias Bröckers: Erstmal die Wahrheit sagen, damit man überhaupt darüber reden kann, was man machen kann.
Mathias Bröckers: Ich bin selbsternannter „Putinversteher“, aber ich bin deswegen kein „Obamahasser“.
Daniele Ganser: Er hat ja auch den Friedensnobelpreis.
Mathias Bröckers: Deswegen Politik der UmarmunDaniele Ganser: Wir müssen beide verstehen.
Ken Jebsen: Würden sie Hillary Clinton umarmen?
Mathias Bröckers: Bei Hillary bin ich immer noch zweifelhaft, ob ich sie nicht Hitlery oder Killery nenne. Aber dennoch muss man dann wiederum für Frau Clinton bei der Wahl die Daumen drücken, weil was da ansonsten noch kommt, ist noch viel schlimmer. Es ist alles schlimm.
Mathias Bröckers: Sehen sie, Obama war der Schwarze, der gewählt wurde als Fortschrittssymbol. Und er hat in seiner Biographie auch ganz tolle Sachen gemacht. Sobald er aber in diesen Apparat herein kommt, wird er vom Deep State regiert. Hillary Clinton wird uns jetzt wahrscheinlich verkauft werden als die neue weibliche Großmutter, die als erste amerikanische Frau Präsidentin wird und die das weibliche, mütterliche Element dort einführen wird. Das ist sozusagen der nächste PR-Coup in dieser Kette des scheinbaren Fortschritts.
Ken Jebsen: Könnte die Mutter von Norman Bates sein.
Mathias Bröckers: Weg von dieser ganzen Werbe-PR-Schiene!
Ken Jebsen: Ich möchte noch einmal auf Regeln kommen. Eine Organisation wie das Rote Kreuz oder auch der IWF, die Weltbank, die UNO wurden alle gegründet kurz vor dem Schluss des zweiten Weltkrieges, weil man gesagt hat, man käme so nicht weiter und man müsse die Welt befrieden. Vielleicht war noch mehr dahinter, aber das war die grobe Idee. Amerika damals als letzte Supermacht oder als einziges Land, das noch stand, kümmert sich darum wenn jemand wieder ausbüchst und denkt, es müsse wieder so wie früher. Da fällt mir ein Spruch von Rousseau ein: „Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“ Es ist erst einmal pervers, wenn man das denkt, aber es heißt, höre zu: „Die Freiheit“ heißt die Freiheit des Stärkeren, des Investors über alle hinwegzugehen und das Gesetz, das für alle gilt und niemand steht über dem Gesetz, das ist Freiheit. „Wir“ sind doch die Meisten und die Amerikaner sind eben nicht die Meisten. Und auch die meisten Amerikaner sind nicht die Amerikaner, von denen wir die ganze Zeit reden, das muss man dazu sagen. Wie schaffen wir es, dass wir wieder ein Gesetz haben, an das man sich einfach hält, weil alles andere unanständig ist. Ich spiele z. B. gerne Backgammon. Wenn meine Freundin draußen ist und ich dürfte noch würfeln und bin in einer brenzligen Situation, dann schummle ich nicht, weil ich es nicht nötig habe. Ich denke: „Okay, vielleicht bekomme ich jetzt nicht den richtigen Zug, die 6 und die 2. Aber in der nächsten oder übernächsten Partie bekomme ich ihn, weil ich bin der bessere Spieler.“ Das stimmt zwar nicht, aber ich glaube es in dem Moment. So, aber ich würde nicht schummeln, weil ich es nicht nötig habe. Wie schaffen wir zu erkennen, dass wir es nicht nötig haben wegzugucken. Dass wir uns Regeln geben, und die, die gegen die Regeln verstoßen, ermahnen und sagen, dass es so nicht läuft.
Mathias Bröckers: Als Erstes doch, dass wir nicht die Leute belohnen, die so etwas machen. Die Leute die verantwortlich sind für diese Aktionen, dürfen nicht straffrei davon kommen, sondern müssen in irgendeiner Art und Weise zur Verantwortung gezogen werden.
Der Rousseau-Satz fragt: „Freiheit zu was?“ Wenn sie eben King Kong haben und sie sind drum herum auf einer Insel, sobald dann jemand seine Freiheit definiert und sagt, was er aus Freiheit tun kann, ist es nicht mehr ihre Freiheit. Wir sind eben ein gemeinschaftliches Wesen und das Gegenmodell ist Palaver von den Indianern. Palaver ist in schweren Verruf geraten ist aber eine gute Sache. Es bedeutet, man setzt sich solange zusammen und redet, bis alle zustimmen. Bis eine Lösung da ist und alle sagen, dass sie damit Leben können. Das ist Zivilisation.
Daniele Ganser: Ich denke der erste Punkt, für den wir alle brennen und forschen ist, Transparenz schaffen, wie diese Lügen und Spiele überhaupt laufen, wie die Kombination von Lüge und Gewalt funktioniert. Das machen wir jetzt, ich glaube da haben wir Fortschritte, das muss man wirklich sagen. Das gab es vor 20 Jahren in dieser Art nicht. Ich war schon in vielen Talkshows und ich kann mich erinnern an eine Talkshow in der Schweiz in der es um die Wiederwahl von Obama ging. Die Frage in der Sendung war: „USA – geliebt und gehasst“. Da war der amerikanische Botschafter aus der Schweiz mit in der Sendung und das war etwas anderes, weil ich habe dann erklärt, wie viele Länder die USA bombardiert haben und er hat mir erklärt, dass dies natürlich immer nur für die Menschenrechte war. Diese Diskussionsrunde die wir hier haben ist ohne jemanden, der immer diese Kriege verteidigt. Ich habe schon viele Diskussionsrunden gemacht, z.B. bei Servus TV, da haben wir auch über den Syrien Krieg diskutiert und ich habe eben gesagt, dass es eben keine gute Idee ist, wenn man jetzt auch noch Syrien bombardiert, überhaupt können wir das Böse nicht wegbomben und der andere amerikanische Journalist hat dann ganz hart darauf beharrt und behauptet, dass wir bombardieren müssen, weil hier ganz große böse Männer sind, die wir wegbomben müssen, wie wir es schon erfolgreich in Libyen gemacht haben. Wir haben eigentlich in allen Fernsehsendungen bis heute, in allen Talkshows, einen Vertreter, der Gewalt predigt. Das haben wir immer. Oft sind sie sogar die Mehrheit. Hier haben wir einmal eine Gruppe, wo niemand bombardieren oder foltern will. Das finde ich eine wunderbare Runde, weil hier kann man eben noch ein Schritt weitergehen und man ist sich einiDaniele Ganser: nicht foltern, nicht bombardieren, nicht terrorisieren. Dann kann man sagen: Nicht lügen, Transparenz schaffen. Und wenn wir schon so gut unterwegs sind, möchte ich noch auf diesen nächsten Schritt hinweisen. Wenn man soweit als Individuum gegangen ist, kommt man leider in die Phase der Resignation. Ich habe viele Freunde, die kommen dann zu mir und sagen: „Okay, ich habe es begriffen, ABC-Waffen gelogen, 9/11 ungeklärt, Ukraine Schützen auf der Seite…“ Und dann kommt die Resignation. Dann kommt dieses: „Der Mensch der ekelt mich. Ich mag mich nicht mehr und dich mag ich eigentlich auch nicht mehr. Mir reicht es!“ Da wäre es dann wichtig, dass man da durch kommt. Da muss jeder seine Techniken finden, weil in der Resignation sind sie völlig gelähmt. Da läuft gar nichts. Man braucht die Freude.
Willy Wimmer: Weil leben bedeutet Auseinandersetzung. Wir scheuen sie auch nicht und man muss Flagge zeigen. Wie jüngst eine bekannte, österreichische Journalistin gesagt hat: „Wir leben in einer Zeit, wo es wohlfeil ist Anstand zu zeigen bei Ereignissen, die in der Geschichte liegen.
Mathias Bröckers: Nachträglich das dritte Reich zu verhindern, zum Beispiel.
Willy Wimmer: Und das Problem besteht darin, dass heute zu wenig Rückgrat gezeigt wird. Wir brauchen uns nicht zu beklagen, wir haben unser Leben in diesem Land gelebt unter dem Gesichtspunkt, dass wir auch eine Menge Gutes erfahren haben. Es ist auch wert, das auf zukünftige Generationen zu übertragen. Warum nicht so machen – es ist jeder Grund da es zu tun. Ich kann natürlich nicht sagen, dass es empirisch erforscht ist und ich bin auch nicht Noelle-Neumann und Allensbach schon mal gar nicht, aber ich bin relativ sicher, dass Minsk 2 und auch das Bemühen von Hollande und Merkel darauf zurückzuführen ist, dass es Andere in diesem Land auch gibt. Die Leute, die für den Krieg so trommeln, wie es auch der Herr Bundespräsident und die Verteidigungsministerin und damals auch der Bundesaußenminister gemacht haben, sind eben nicht alle, das sind drei. Aber dagegen steht das deutsche Volk und es ist relativ sicher, wie die Deutschen darüber denken. Die ganzen Umfragen, die wir kennen, machen deutlich, dass 80 % und mehr gegen das sind, was derzeit stattfindet.
Mathias Bröckers: Zweidrittel trauen ihren Medien nicht. Auch eine interessante Anzahl.
Willy Wimmer: Ich lebe im Verbreitungsgebiet des Westdeutschen Rundfunks. Das ist unser Heimatsender. Aber es ist manchmal wohltuend, Russia Today zu sehen. Wie lebhaft Nachrichten aufgearbeitet werden können unter dem Gesichtspunkt, was in anderen Teilen der Welt stattfindet. Was ich möglicherweise bei France 24, BBC und bei wem auch immer auch noch bekomme. Aber dieses pastorale im deutschen Fernsehen geht den Leuten auf den Geist. Und was wird gepredigt? Der Krieg. Das kann doch nicht sein. Und ich finde im Zusammenhang der öffentlichen Meinung, die auch die Bundeskanzlerin veranlasst haben muss, anders kann ich mir das nicht denken, Minsk 2 zu machen, ist es für mich penetrant, dass im deutschen Fernsehen, in den öffentlich-rechtlichen Medien, eigentlich nur darauf spekuliert wird, dass sie damit scheitert.
Mathias Bröckers: Der Grund, warum das so ist, liegt auf der Hand. Das war auch jetzt in vielen Zeitungen und Büchern, dass eben die Chefredakteure und die Ressortchefs in den großen Sendern und Zeitungen zu 70 % oder 80 % Mitglieder der Atlantikbrücke sind.
Willy Wimmer: Aber dafür finanzieren wir sie nicht. Wir finanzieren diese Leute, damit sie ordentlichen Journalismus machen, damit sie uns die Nachrichten liefern, die für uns die Grundlage für Meinungen sind. Ich will die doch nicht als verlängertes Organ von irgendwem haben.
Mathias Bröckers: Aber das sind sie leider.
Willy Wimmer: Das gilt auch für den deutschen Bundestag. Das sieht manchmal so aus, als wäre das die parlamentarische Fraktion irgend einer Brücke. Das kann doch nicht sein.
Ken Jebsen: Darf ich mal kurz rein grätschen, weil ich es interessant finde. Ich meine, dass die Grünen inzwischen ein NATO Think Tank sind und olivgrün heißen, hat sich durchgesetzt. Aber ich fand auch interessant, was der Kollege Gysi neulich über den Kollegen Liebich gesagt hat, der auch Mitglied der Atlantikbrücke ist. Da hat Gysi das folgendermaßen verteidigt: Er ist bei der Atlantikbrücke, damit linke Positionen sich bei der Atlantikbrücke auch durchsetzen. Das ist wirklich so gesagt worden. Wie argumentiert man da, Herr Bröckers?
Mathias Bröckers: Naja, das ist schon ein ganz entscheidender Punkt…
Mathias Bröckers: Man kann doch auch mal andere Sachen denken. Ich meine was mich z.B. stört…
Mathias Bröckers: Aber nicht als Ressortchef oder Chefredakteur.
Mathias Bröckers: Nein, sozusagen von außen. Ich weiß nicht ob sie das Modell „Bürgerhaushalt“ kennen. Das ist in Brasilien erfunden worden. Die Arbeiterpartei hatte die Wahl gewonnen und hat gesagt, wir bringen die Bevölkerung an die Regierung. Und dann standen sie vor ihrem Versprechen und haben geguckt, ob sie irgendwie eine Idee finden und haben nichts gefunden dazu. Sie haben sich aber überlegt, dass die Leute jetzt wirklich entscheiden. In Porto Alegre haben sie in den Stadtteilen jeweils ein Zirkuszelt aufgestellt und jeder hatte fünf Stimmen: 5, 4, 3, 2, 1. Dann wurde vorgestellt, was in der Stadt investiert werden soll. Jeder konnte sagen: „Ich möchte hier eine Straße haben“, „ich möchte, dass dort ein Supermarkt hingeht“ oder „ich möchte hier einen Kindergarten haben.“ Dann musste er argumentieren, warum das nicht nur für ihn wichtig ist oder warum er oder seine Gruppe endlich dran kommen sollte, und danach wurde abgestimmt. Dann haben sie gesagt, dass sie es in den Stadtteilen machen mit Regionen, die ähnliche Interessen haben. Der Willen vor Ort hat ein eigenes Interesse, das Arbeiterviertel hat ein eigenes Interesse und dann stimmten sie ab und die Politiker müssen diese Entscheidung irgendwie in Politik umsetzen. Die Entscheidung treffen aber die Leute. Das hat im ersten Jahr überhaupt nicht funktioniert. Weil die Leute gewohnt waren, dass es z. B. einen Betonunternehmer gibt, der sich für den Bau einer Straße einsetzt, 6-spurig mit Beleuchtung, damit er einen großen Auftrag hat. Dann waren aber z. B. nur zwei Schulen da und haben gesagt, dass sie es für die Schule wollen und dann haben sie das Geld bekommen und dann haben die Andere gesehen: „Ach Gott, die haben das wirklich gekriegt, dann müssen wir da beim nächsten Mal auch hin.“ Seitdem funktioniert das. Sie haben damit die Korruption abgeschafft.
Ken Jebsen: Also Demokratie wieder erlernen. Sich verantwortlich machen, lokal handeln.
Mathias Bröckers: Warum könnte man nicht in Berlin sagen: Das ist unser Investivhaushalt und wir sagen, wofür wir das ausgeben, stellen wir vor. Die einzelnen Gruppen können jeweils 5 Minuten vorstellen, warum sie meinen, dass ihre Sache die beste ist, und die Bevölkerung stimmt hinterher sozusagen ab. Gibt ein Votum ab. Warum können wir nicht dazu kommen, dass das, was wir an Informationsverarbeitung haben, wieder einen Wert und einen Sinn hat. Es ist nicht nur ein Diskutieren und Austauschen denkbar, sondern es ist auch eine Entscheidungsfindung denkbar. Zumindest im lokalen Bereich. Bisschen mehr Fantasie!
Willy Wimmer: Wir müssen zum Staatsbürger wieder zurückkehren, und nicht zum Konsumenten und Steuerzahler. Wenn wir uns heute unser Land ansehen wie es ist, dann sind wir als Staatsbürger gar nicht mehr gefragt. Man will uns gar nicht mehr und wir verhalten uns auch so, dass wir weggeschoben werden können. Wir müssen zu den im Kern tradierten Überlegungen, die modern angereichert werden können, wieder zurückkommen und wir müssen sie neu gewinnen.
Mathias Bröckers: Statt TTIP, was genau die entgegengesetzte Richtung ist, wo uns alles diktiert wird.
Willy Wimmer: TTIP ist Entmündigung.
Ken Jebsen: Herr Wimmer, wie wichtig ist es als Bürger, wenn wir wissen, dass von deutschem Boden aus Drohnenkriege geführt werden (ohne Rammstein ginge es nicht), dass wir uns kollektiv dorthin bewegen und ein Zeichen setzen in großen Massen. Wir haben doch auch die Loveparade hinbekommen, dann sollten wir es doch nach Rammstein schaffen.
Willy Wimmer: Man kann mit Sicherheit an alles denken und ich will das auch gar nicht limitieren, nur der Adressat für diese Dinge, heißt Bundeskanzlerin, Bundespräsident, Präsident des Verfassungsgerichts und der Präsident des deutschen Bundestages. Die sollen keine Festreden reden und uns in die Ohnmacht führen, die sollen was machen. Sie haben eine Verpflichtung der Verfassung gegenüber.
Ken Jebsen: Aber reagieren sie nicht erst auf die Straße?
Mathias Bröckers: Haben sie jemals auf die Straße reagiert, ich bin mir nicht sicher. Wir [Herr Bröckers und ich] sind ungefähr gleich alt. Da gab es die Friedensbewegung in den 1980er Jahren. 500.000 Leute haben im Bonner Herrengarten demonstriert…
Willy Wimmer: Da hat die Politik schwer drauf reagiert.
Mathias Bröckers: Ja, das glaube ich auch. So eine Friedensbewegung würde ich mir heute wieder wünschen.
Mathias Bröckers: Sie hatten Widerstand, das würde ich sagen.
Willy Wimmer: Ich war diesem Geschehen sehr nahe, um wirklich sagen zu können, dass es alles Menschen sind, denen so etwas schwer nachgeht und nahe geht. Vor diesem Hintergrund sehe ich überhaupt keine Möglichkeit das beiseite zu wischen. Das hat eine unheimliche Wirkung.
Mathias Bröckers: Sie haben vorhin TTIP schon angesprochen. Ich habe gerade mit jemandem gesprochen, der dagegen am mobilisieren ist. Ich glaube das wird eine riesige Bewegung und Demonstration werden. Die Leute denken sich: „Ihr nennt es Frei-handel…“
Mathias Bröckers: Da ist wieder Rousseaus Freiheit. Da passt dieser Satz.
Mathias Bröckers: Die Engländer haben das 1850 schon gemacht, als sie Opium nach China bringen wollten. Der chinesische Kaiser sagte „Nein“. Die Engländer haben aber gesagt, dass sie Freihandel wollen und jetzt liefern wollen. Und so ist es jetzt mit dem TTIP ganz genau so. Es ist ja nicht so, als hätten wir mit Amerika keinen Handel. Der ist sowieso schon frei.
Willy Wimmer: Aber warum sollen amerikanische Anwälte über unser Schicksal entscheiden.
Mathias Bröckers: Das ist der Knackpunkt, dass die internationalen Schiedsgerichte eingesetzt werden sollen und dann kann irgendein Unternehmer bei so einem Schiedsgericht klagen und wir machen hier sozusagen Politik an der langen Leine. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass das eine große Bewegung jetzt wird und das geht wirklich quer durch alle politischen Lager.
Ken Jebsen: Herr Bröckers, ich möchte hier rein grätschen, weil uns die Zeit davon läuft. Und der Zug dieses Mannes [Herrn Ganser] nicht warten wird.
Daniele Ganser: Also wir sprechen jetzt nicht über TTIP, wegen dem Zug in die Schweiz? Ich finde es schon wichtig, aber schaffen wir das?
Ken Jebsen: Ist nicht mein Zug.
Mathias Bröckers: Wir haben schon noch 10 Minuten.
Ken Jebsen: Gut. Ich glaube, bei TTIP haben die Menschen verstanden, dass dort die Freiheit genutzt wird um die Masse zu unterdrücken. Dass es möglich ist, dass es in Europa immer wieder Länder gibt, die anderer Meinung sind, hat damit zu tun, dass man von außen dirigiert und Europa auseinander dividiert. Wie die Solidarität zerstört wird, können wir doch sehen an Griechenland. Da wurde die Demokratie erfunden, wir sind unsolidarisch und lassen uns erklären, dass ein Land, das 2% des BIP in Europa hat, wäre für die große Krise verantwortlich. In Wirklichkeit geht es darum, den Euro-Raum zu schwächen, um die Gelder in den Dollar-Raum abfließen zu lassen, was mir neulich ein Whistleblower der Weltbank bestätigte.
Aber zurück zum Titel dieser Sendung „Positionen“, also Plural. Wir haben gesehen, dass es viele Positionen gibt, wir haben auch nicht alle beleuchtet. „Krieg oder Frieden in Europa – wer bestimmt auf dem Kontinent?“ Müsste man sagen: Die, die wir bestimmen lassen, wenn wir uns selbst zu Bestimmern machen, bestimmen wir mehr auf dem Kontinent? Ist das so einfach?
Mathias Bröckers: Habe ich nicht verstanden den Satz. Nochmal.
Daniele Ganser: Ne, also ich kann schon etwas sagen. Ich glaube im Moment haben wirklich die Amerikaner als Imperium das Sagen. Sie bestimmen eigentlich den Diskurs in den Medien, im Fernsehen. Sie haben auch ihre Berichterstattung über die Ukraine durch die gesetzten Chefredakteure in den entsprechenden deutschen oder schweizerischen Zeitungen. Im Moment ist klar, wer dominiert. Die Europäer sind in einer reduzierten Souveränität. Das ist so. Aber ich denke auch gleichzeitig.
Willy Wimmer: Also Breschnew.
Daniele Ganser: Ja, genau. Sie werden einfach umgekehrt. Jetzt ist aber die positive Nachricht, dass dieser Zustand erkannt wird. Das ist wie mit einem gebrochenen Bein: Man geht lange, merkt es nicht und plötzlich fällt einem das auf. Man hat das Gefühl, dass man so etwas nicht verpassen kann, dass wir eine limitierte Souveränität haben, aber es ist tatsächlich so. Man hat das lange einfach übersehen, weil die Mediensteuerung so funktioniert: Wenn sie es in allen Sendungen sehen, also von Bild bis zu Spiegel, von ProSieben bis zu ZDF, immer das gleiche, dann hat der Mensch am Schluss das Gefühl, dass es stimmen muss. Und das ist eigentlich eine so billige Nummer. Von Goebels schon richtig dargelegt.
Mathias Bröckers: Das haben wir schon in der Philosophie beigebracht bekommen, dass deswegen das dritte Reich funktioniert hat, weil es keine abweichenden Stellungnahmen gab. Das haben wir jetzt auch wieder nicht.
Daniele Ganser: Da hat man gedacht: „Ja, die waren bescheuert!“ Und eigentlich jetzt haben wir auf allen Kanälen die gleiche Story und die Leute merken das. Also ich glaube die gute Nachricht ist, dass die Leute unterschätzt wurden. Man hat gedacht: „Die Wissenschaftler werden kuschen und sagen ‚Ja, WTC 7 untersuchen wir nicht. Maidan-Schießerei untersuchen wir nicht.‘ Die Journalisten werden still sein und werden keine Filme machen, wo die U-Boote auftauchen oder schreiben Bücher darüber.“
Ken Jebsen: Und Herr Wimmer geht in den Ruhestand.
Daniele Ganser: „Die erfahrenen Politiker werden schweigen und sagen: ‚Ja, zu diesem Thema darf ich mich nicht mehr äußern.‘…“ Und es ist das Gegenteil, was wir hier sehen. Und was ich in vielen Gesprächen mit den Menschen sehe ist, dass der Druck, die Gefahr eines realen Krieges in der Ukraine der eskalieren kann, TTIP, etc. zunimmt. Weil der Druck zunimmt, nimmt auch die Wahrheit zu. Ich finde es spannend.
Mathias Bröckers: Und wir haben ein Medien noch mit dem Netz, wo sich jeder informieren kann und wo sich jeder artikulieren kann. Ich habe vor der Sendung Herrn Wimmer das erzählt: Ich habe das Buch unter anderem geschrieben im letzten Jahr, weil ich einen Verwandten von mir in Mönchengladbach besucht habe, einen alten Herren von fast 90, der mir sagte: „Matthias, ich glaube nicht mehr der Tagesschau, ich gehe jetzt ins Internet.“ Die 90-Jährigen, die ein Leben lang die Tagesschau wie das Wort Gottes wahrgenommen haben, machen nicht mehr mit.
Daniele Ganser: Das ist die Medienrevolution. Die läuft.
Mathias Bröckers: Und das ist was positives. Da kann man nur appellieren, dass du mit KenFM Erfolg hast. Das wäre vor zehn Jahren auch nicht denkbar gewesen.
Mathias Bröckers: Aussortiert und Ende. Man muss sich nur diese Runde anschauen, wie wir reden und wie Ken Jebsen dargestellt wurde in den Medien. Also als Kryptofaschist…
Mathias Bröckers: Ja, gut, aber ich genauso, er auch, also …
Mathias Bröckers: Wir haben alle sozusagen die Etiketten bekommen und jetzt besteht die Möglichkeit Zuzuhören und festzustellen, dass es gar nicht so ist.
Ken Jebsen: Produktfälschung.
Mathias Bröckers: Der ist ja ganz anders.
Mathias Bröckers: Der ist ja gar kein Idiot.
Ken Jebsen: Ich habe in dieser Runde am wenigsten gesprochen.
Mathias Bröckers: Das ist aber eine Seltenheit.
Ken Jebsen: Ja eben. Herr Pohlmann, wir müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. Sie haben einen Film gemacht, der auch im Netz zu sehen ist, „Täuschung – die Methode Reagan“. Wie wichtig ist es, dass man sich selbst ent-täuscht, wie ent-täuscht man sich? Dass man die Täuschung von sich abzieht und damit aufhört sich zu täuschen.
Mathias Bröckers: Ich habe eine kurze Ansprache: Da waren ziemlich viele russische U-Boot Leute, als ich den Preis für den besten ausländischen Film in St. Petersburg für den Film bekommen habe, und die waren sehr interessiert und denen habe ich dass gesagt, was ich für alle sagen möchte: Bitte nicht zynisch werden. Guckt euch das genau an, wie ihr hinters Licht geführt werdet, erkennt es und nehmt daraus nicht die Konsequenz mit, dass ihr angeekelt seid, alles schlecht ist und ihr nichts tun könnt. Das ist der erste Schritt, dass man weiß, dass man das nicht will. Wenn man weiß, dass man das nicht will, muss man sich Gedanken machen, was man will. Dafür muss man sich mit anderen Menschen unterhalten. So eine Runde hier ist gut, aber es ist nicht zuhören, sondern selber reden. Und das ist der entscheidende Faktor, der möglich ist. Wir haben Möglichkeiten. Wir müssen aufpassen, dass das Internet frei bleibt. Und wir sind in der Lage eine Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Das ist hier eine Unabhängigkeitserklärung auf diesem Gebiet. Wir brauchen sozusagen die Schleusenwärter von ZDF und ARD nicht, die uns in wohlgesetzten Worten erklären, wie die Weltlage ist, aber nur ausschnittsweise und nur auf einem sehr engen Pfad. „57 Channels and nothing on“ heißt es bei Bruce Springsteen. Aber die brauchen wir nicht mehr, wir machen etwas anderes!
Ken Jebsen: Eine letzte Frage an sie, weil wir bei KenFM über Erika Licht nachgedacht haben, eine fiktive Figur hinter der normale Journalisten, die noch irgendwo arbeiten und sich selbst verbiegen, schreiben dürfen: Brauchen wir eine Exit-Strategie für embeddete Journalisten?
Mathias Bröckers: Ja. Das Gespräch habe ich mitgekriegt bei Spiegel TV. Ich kenne das Verfahren. Zwei Stunden Interview nur um einen Satz zu finden über den man dann nachweisen kann, dass KenFM in Wirklichkeit ein ganz Rechter ist. Da haben sie gesagt: „Jungs, dass hat mir gut gefallen, für euch ist es schlimm, ihr müsst in diesem Laden arbeiten, aber…nächstes Jahr stelle ich Leute ein. Dann könnt ihr endlich wieder sagen, was ihr denkt.“
Ken Jebsen: Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Herr Wimmer, sie haben das Schlusswort, sie werden nicht eingestellt, sie sind zu teuer.
Willy Wimmer: Ich kann nur an eins appellieren: Lassen wir uns die Erinnerung an die Wiedervereinigung nicht kaputt machen lassen, dadurch dass wir auf die Russen schießen.
Ken Jebsen: Vielen Dank. Das war die ersten Ausgabe von Positionen, Plural. Ich sehe, dass es über zweieinhalb Stunden lang gewesen sein sollte. Es ist relativ warm geworden, aber das Publikum hat es ausgehalten, ist nicht heraus gegangen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei unseren fantastischen Gästen: Dr. Daniele Ganser, Friedensforscher, der aus der Schweiz hierher gefunden hat und mit dem Zug zurückfährt.
Mathias Bröckers und sein Buch „Wir sind die Guten“, was er zusammen mit dem Paul Schreyer geschrieben hat. Sie sind auch „taz“-Gründer. Sie haben mir damals gesagt: „Wenn wir gewusst hätten, was daraus wird, hätten wir sie nicht gegründet.“ Würden sie es noch einmal so sagen?
Mathias Bröckers: Ach, naja. Es ist immer noch in Ordnung. Wir sollen ja nicht depressiv werden, hat Daniele eben gesagt und deswegen sehe ich das auch eher positiv und denke, dass man daraus noch was machen kann.
Ken Jebsen: Dirk Pohlmann, vielen Dank. Ich fand ihren letzten Film fantastisch. Den kann man auch bei Netflix sich anschauen, genauso wie ihr Film „Dienstbereit – Nazis und Faschisten im Auftrag der CIA“. Sie sind jemand, der an solchen Themen dran bleibt, vielleicht wird ihr nächstes Projekt Crowdfunding finanziert. Viele große amerikanische Produktionen sind inzwischen crowdfunding finanziert. Ich glaube, dass es dafür einen Markt gibt. Die Menschen haben ein Gehirn und sie wollen dieses Gehirn auch benutzen. Vielen Dank, dass sie gekommen sind.
Ken Jebsen: Und auch an sie, Herr Wimmer, vielen Dank für ihre Zeit. Sie sind extra hierher gefahren. Ich möchte auf ihr Buch hinweisen „Wiederkehr der Hasardeure“. Ich möchte sie explizit dahingehend loben, dass sie auf Tour sind, obwohl sie es nicht müssten. Ich nenne das die „Politik der zweiten Reihe“. Sie waren gerade in Österreich, in der Schweiz und im Bodensee-Raum unterwegs und haben dort einladen lassen von Otto Normalbürgern, von Buchhändlern, Obsthändlern, usw. Die dann einfach gesagt haben: „Wir haben den Herrn Wimmer, der kennt sich aus mit Politik.“ Die Säle waren immer voll. Und wir gehen jetzt auf die zweite Tour durch den bayrischen Raum. Vielleicht sogar bis nach Wien. Wir werden sie wieder begleiten. Für uns war es vor allem das Wichtige, wo das Publikum herkommt und wo das Publikum da ist, und das Publikum in Deutschland ist nicht blöd. Das hat man gesehen an ihren Besuchern. Vielen Dank, dass sie hergekommen sind.
Mathias Bröckers: Man könnte hier wieder Vertrauen in die Politiker finden.
Ken Jebsen: Ja. Das war die erste Ausgabe von „Positionen – Politik verstehen“. Ich glaube wir haben dafür gesorgt, dass es verstanden wird und wie Geopolitik funktioniert und dass man bei sich selber anfangen muss. Man darf sich als Bürger nicht die Dinge bieten lassen, indem man in sich hineinschweigt oder betrinkt. Das kann man ruhig auch mal machen, aber dann kann man sich ruhig auch mal zum Kanzleramz aufmachen. Man kann auch nach Rammstein gehen, ich werde das demnächst tun, oder an seinen Redakteur schreiben, ins Internet gehen, man kann auch nicht-embeddeten, freien Journalismus unterstützen. Ich bedanke mich bei allen, die das getan haben, ohne die, wäre diese Sendung gar nicht möglich gewesen. Danke an das Publikum, dass hierher gefunden hat. Mein Name ist Ken Jebsen und meine Zielgruppe bleibt der Mensch.
POSITIONEN #1
KenFM: Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von Positionen – Politik verstehen. Ja, ich glaube, man kann sagen, das gesamte Team ist ein bisschen stolz auf die Gäste die wir heute hier versammeln konnten. Auf der rechten Seite, der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser auch Friedensforscher hat zu uns nach Berlin gefunden. Herr Ganser, ich grüße Sie.
Daniele Ganser: Guten Abend Herr Jebsen.
KenFM: Links von mir Mathias Bröckers, ein Mann der von sich selber sagt das er ganz gerne fuchtelt mit den Händen, deswegen haben wir nach vorne gesetzt. Autor eines Bestsellers Wir sind die Guten, das ist natürlich zynisch gemeint. Herr Bröckers, guten Abend.
Mathias Bröckers: Hallo.
KenFM: Ich freu mich ganz besonders Dirk Pohlmann hier zu haben. Ich glaube er hat seinen Urlaub abgebrochen. Ein Mann der fantastische Filme dreht mit denen er immer mehr Schwierigkeiten hat, auch wenn sie bei Arte laufen. Der letzte Film mit Top Quoten Täuschung – die Methode Reagan. Herr Pohlmann, ich grüße Sie. Guten Tag.
Dirk Pohlmann: Guten Abend.
KenFM: Und ein Mann den ich nicht wirklich vorstellen muss. Willy Wimmer, Urgestein der CDU. Vize der KSZE, ein Mann des Friedens kann man sagen. Er hat extra von seiner Heimat hier her gefunden und hatte Schwierigkeiten zuhause, ich glaube die Frau hat sich ausgeschlossen, aber das ist alles erledigt, ne Herr Wimmer? Wunderbar. Herr Wimmer, guten Tag das Sie hier sind. Schön.
Das Thema der heutigen Sendung heißt Krieg oder Frieden in Europa. Wer bestimmt auf dem Kontinent. Das man das überhaupt fragen muss, Herr Wimmer, fangen wir mal mit Ihnen an, ist ja schon eine absurde Situation. Man könnte davon ausgehen, das auf dem Kontinent über Krieg und Frieden natürlich die Europäer bestimmen aber es scheint nicht so zu sein. Warum ist das so?
Willy Wimmer: Wir haben ein interessantes Jahr, das diese Frage aus meiner Sicht beantwortet. Wir gedenken zunächst mal am 08./09 Mai, das war jetzt an diesem Wochenende, gedenken wir das Kriegsende vor 70 Jahren und auf der anderen Seite am 3. Oktober gedenken wir zum 25 mal natürlich erfreut an die deutsche Wiedervereinigung zurück und das ist der ganze Bogen der sich in Europa aufmacht, die Erinnerung an die Wiedervereinigung ist die Erinnerung an erfolgreiches Verhandeln mit einer anderen Seite. Das hat uns Erfolg gebracht hat, hat und auch den Frieden garantiert. Das was den Krieg anbetrifft mit dem 2. Weltkrieg, mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien hat der Westen die NATO wieder an den Krieg, den 2. Weltkrieg, angeknüpft und das man natürlich deutlich sieht in welchem Spannungsbogen wir uns hier in Europa bewegen. Und was diese Situation hier in Europa anbelangt, verhandeln können wir natürlich nicht ohne die Vereinigten Staaten, aber Krieg führen müssen wir möglicherweise wegen der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit der global strategischen Positionierung unseres wichtigsten Bündnispartners und das erleben wir derzeit in der Ukraine.
KenFM: Ich möchte mal auf ein Interview abheben was wir alle bei YouTube gesehen haben. Das ZDF hat das nicht gebracht, auch nicht in voller Länge, was Friedmann von Stratfor gesagt hat, wenn man sich das anschaut, sie können sich übrigens gerne einmischen, das ist das Prinzip dieser Sendung, das nämlich, das es immer das Prinzip der Amerikaner war, oder das es immer die Idee war, das Ziel war, das Europäer, also Deutsche und Russen sich nicht zu gut auf dem Kontinent verstehen. Wie muss man das einordnen, so eine Aussage?
Willy Wimmer: Ich glaube wir haben in den letzten Wochen zwei Signale aus Washington bekommen. Einmal das was Sie im Zusammenhang mit Stratfor angesprochen haben, die zweite Überlegung war der Hinweis, das wir Deutschen nicht vergessen sollen, wen sie benötigen um ihre Wirtschaftsgüter abzusetzen. Das waren zwei klare Botschaften die von Washington gekommen sind und die erste von Stratfor macht natürlich deutlich, wenn der Amerikaner seit der Reichsgründung 1871 nichts anderes vorhatten, als uns gegen die Russen in Stellung zu bringen, dann ist das natürlich ne langfristige Überlegung die vielleicht auch Veranlassung ist, sich Gedanken über den ersten und zweiten Weltkrieg und die Intialzündung für diese beiden Kriege zu machen. Das heißt, wir haben es mit einer Situation zu tun, wo offensichtlich global strategische Spiele gespielt werden, die auf unserem Rücken laufen sollen und das ist ein Grund, wirklicher Grund genug um sich Gedanken darüber zu machen, wer hat hier was zu sagen und geht das über unsere Köpfe weg.
KenFM: Sie haben zusammen mit einem Kollegen ein Buch geschrieben Wiederkehr der Hasadeure. Mit dem was wir von Stratfor gehört haben, muss ich ja schon die Frage stellen, ist der Titel noch richtig Wiederkehr? Waren die je weg?
Willy Wimmer: Die waren vermutlich nie weg wir haben sie nur nicht so realistisch wahr genommen wie es heute offenkundig wird, wir werden ja sowieso aus meiner Sicht erleben können wo sich beide jetzt, Washington und Moskau, so an der Kehle hängen werden um uns zu gewinnen die Archive in einer Weise geöffnet das wir noch Freude kriegen werden. Das heißt es kommen spannende Zeiten auf uns zu und was Stratfor natürlich deutlich gemacht hat, es geht auch darum nicht nur uns gegen die Russen wieder in Stellung zu bringen, sondern eine neuen Limes, einen neuen eisernen Vorhang quer über den Kontinent zu spannen. Das ist ja in aller Öffentlichkeit gesagt worden von Rieger bis Odessa und von Odessa bis ins türkische Diawakir, was es östlich davon ist interessiert uns nicht, es kann die russische Föderation sein, was westlich davon ist, das sind wir, das gehört den Vereinigten Staaten, also wir auch und das wird die Zukunft bestimmen und die große Frage ist die, ob es gelingt im Zusammenhang mit der Ukraine, den letzten großen Stein in diese Mauer zu bringen und uns abzuschließen.
KenFM: Herr Dr. Ganser, Sie sind Friedensforscher, Sie haben verschiedene Bücher geschrieben, sich mit Krieg und Frieden beschäftigt haben unter anderem NATO Geheimarmeen in Europa, inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung. Das können Sie vielleicht den Leuten auch mal erklären, es gibt staatlichen Terror, der mit Steuergeldern gegen die Bürger organisiert wird, das ist schwer zu schlucken, aber das sieht so aus und Europa im Erdölrausch. Beides hat miteinander zu tun. Eine einfache Frage an Sie, um was geht es eigentlich in der Ukraine? Geht es um Bodenschätze oder um Menschenrechte?
Daniele Ganser: Ich bin überzeugt, das es in der internationalen Politik nie um Menschenrechte geht, sondern um Schürfrechte, das heißt das man eigentlich versucht Militärstützpunkte aufzubauen, das man Öl und Gas kontrollieren möchte, das die NATO z.B. konkret in der Ukraine 2008 beschlossen, das ja eigentlich die Ukraine hineinziehen möchte. Wir wissen jetzt über WikiLeaks, da wurden ja die Dokumente veröffentlicht, das schon damals der amerikanische Botschafter in Moskau gesagt hat, wenn wir das tun, wenn wir die Ukraine in die NATO hineinziehen, dann wird das einen rohen Nerv, Zitat Raw Nerv, this will touch a raw nerv of the russians. Also es wird eigentlich wirklich ein rohen Nerv der Russen treffen und somit wussten die Amerikaner damals das dieses Ziel an der Ukraine Europa zerreißt und da schließ ich mich völlig Herrn Wimmer an, das er sagt, im Moment werden die Entscheidungen nicht von den europäischen Mächten getroffen, sondern über den Europäern steht das Imperium und das Imperium sind die USA und das Imperium hat natürlich Militärstützpunkte in Europa. Die haben Stützpunkte in Deutschland, haben keine Stützpunkte in der Schweiz, das heißt aber nicht, das die Schweiz da in einer völlig anderen Lage wären. Ich mein einfach, dieses Phänomen, wenn das ein Bürger beobachtet, das er sieht, die Amerikaner haben einen Stützpunkt in Deutschland, die Deutschen aber haben keinen Stützpunkt in den USA. Die Amerikaner haben einen Stützpunkt in Italien. Die Italiener haben aber keinen Stützpunkt in den USA etc, das können Sie so weiter durch rechnen, dann werden Sie zum Punkt kommen, dass die USA natürlich ihre eigenen Ziele in Europa verfolgen, die nicht immer zum Besten der Europäer sind wie man denkt.
KenFM: Ist die Frage naiv, wer bestimmt auf dem Kontinent? Bestimmt nicht immer das Imperium und was ist das? Ein Imperium?
Daniele Ganser: Also ich glaub nicht, das ein Imperium alle Länder zu jeder Zeit gängeln kann. Das geht ja nicht, aber das Imperium muss versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es gibt eigentlich zwei Supermächte. Die erste Supermacht im Moment ist die USA und die zweite Supermacht, da frag ich immer die Studenten, was sie denn denken, was die zweite Supermacht ist. Da strecken schon die ersten auf und sagen China, dann sage ich nein nicht China, dann sagen sie Russland und der dritte sagt nein,nein die EU, nein. Die zweite Supermacht ist die öffentliche Meinung und das ist völlig unterschätzt wie wichtig es ist die öffentliche Meinung zu steuern und diese zweite Supermacht ist jetzt im Rahmen der digitalen Revolution, man muss es so sagen und wir haben diese Rede von Friedmann, die wurde gefilmt und dann über YouTube ist sie sofort bei uns, also wir müssen nicht warten bis das von ZDF oder Spiegel aufgenommen wird oder wir haben natürlich die Dinge sehr, sehr viel schneller und diese zweite Supermacht ist jetzt im aufwachen begriffen und sind im Moment bißchen verwirrt, sie wissen jetzt gar nicht mehr, wer sind denn jetzt die Bösen und das war der Vorteil von früher, wenn sie Süddeutsche Zeitung gelesen haben wussten sie wer die Bösen sind und der Volker Pispers hat mal gesagt, wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur und diese Analyse wird jetzt durcheinander gebracht, weil plötzlich weiß man nicht, sind die NATO die Bösen im Ukrainekonflikt oder ist Putin der Böse. Und das geht von einem Thema zum nächsten, also auch Afghanistankrieg Feindbild, wo stehen wir? Wie wär es jetzt wenn die Taliban durch Berlin patrouillieren oder ist es richtig, das deutsche Soldaten durch Kabul patrouillieren. Die ganze Sache ist im Umbruch, das ist spannend.
KenFM: Angela Merkel war ja gerade in Moskau. 70 Jahre befreites Deutschland, hat es dann da gewagt, vor Putin zu sagen, das die Annektion, hat sie sich ausgedrückt, Krim ein Verbrechen war. Das kann man jetzt unterschiedlich beleuchten. War das ein Bruch des Völkerrechts? Gerade im Rahmen was Deutschland oder was deutsche Soldaten der Wehrmacht in Russland getan hat, davon zu sprechen find ich ein bisschen taktlos, aber von den Bösen sprechen find ich….Herr Bröckers hat uns ja Orientierungshilfe gegeben mit seinem Buch Wir sind die Guten. Wie definiert man denn eigentlich die Guten?
Mathias Bröckers: Das ist ganz einfach. Wir sind immer die Guten. Also, der Westen, es ist egal was wir tun, eben schon kurz angesprochen, ja auch staatlich organisierter Terror, der dann nicht so klar an die Öffentlichkeit kommt, auch wenn wir das machen ist es in Ordnung. Wir haben das Buch zur Ukraine gemacht, weil ich mich so etwa vor einem Jahr ziemlich genau, einfach nicht mehr ausgehalten hab, dass permanent uns gezeigt wird, wir sind die Guten und Putin ist jetzt irgendwie der neue Satan. Deshalb hab ich da im Untertitel auch gewählt Ansichten eines Putinverstehers.
KenFM: Sind Sie das?
Mathias Bröckers: Ich sag immer ja, aber ich bin ein Versteher, aber ein Versteher heißt doch, ich bin auch ein Ken Jebsen Versteher, das heißt aber nicht automatisch das ich ein Ken Jebsen Verehrer bin, kann sein, bei dir würde ich sagen, ach den find ich ganz in Ordnung, aber bei Putin sag ich erstmal nur, ich versuche den zu verstehen, wie er sich verhält und wenn das verstehen diskriminiert wird, wenn schon gesagt wird, du darfst den nicht verstehen, ja was darf ich dann? Dann muss ich glauben, dann sind wir wirklich wieder im Mittelalter gelandet wo nicht die Ratio nicht die Vernunft, nicht der Verstand entscheidet, sondern der Glaube und das was der Papst, der Bischof oder sonst eine Autorität mir sagt, das soll ich glauben und deshalb haben wir provokant diesen Untertitel gewählt um klar zu machen, Leute wenn man Putin versteht, heißt das nicht das man ihn gut findet, aber wir müssen doch schauen das die NATO, was der Westen macht in der Ukraine, das dieser Vertrag, dieser Assozitationsvertrag, der ja dann von Janukowitsch gecancelt wurde und dann hat das zu der sogenannten Maidan Revolution geführt, die übrigens keine Revolution war, aber da kommen wir vielleicht noch zu, das dieser Vertrag unlauter war, weil er hat versucht, die Ukraine sozusagen ganz dem Westen zuzuschlagen, Zollunion, Wirtschaftsunion und hat dann in Paragraph 8 noch die Nato ins Spiel gebracht. Es war nicht ein Wirtschaftsvertrag….
KenFM: militärische Zusammenarbeit…
Mathias Bröckers: militärische Zusammenarbeit, das heißt die NATO kann ihre Raketen direkt vor der russischen Haustür aufstellen, das wäre die Folge gewesen und dann hat Janukowitsch im letzten Moment gesagt, der hat ja den Vertrag ja gar nicht kündigen wollen, der hat ja gesagt, das müssen wir nochmal überlegen ob es nicht Sinn macht auch eine Zollunion mit den Russen zu haben, weil Ukraine und Russland hängen seit 100 Jahren zusammen und deshalb war dieser Vertrag schon nicht richtig okay, den die EU da angeboten hat und das ist auch die Verantwortung, die der Westen jetzt hat an dem Bürgerkrieg der da blutig tobt bis heute und wir immer hier so erzählt bekommen, ja, das ist alles nur Putin, das macht nur der böse Putin, da stürzt ein Flugzeug ab, dieses malaysische, da steht am nächsten Tag in der ganzen westlichen Welt in der Zeitung, Putins Raketen, die Russen waren es und so, der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Wir alle wissen, also auch der Spiegel schreibt dann so. Klar, Spiegel, FAZ, also die sogenannten Qualitätsmedien, haben einfach keine Qualität mehr und bemühen sich nicht um eine objektive Darstellung, sondern sind ganz klar auf einer bestimmten Linie.
Daniele Ganser: Also ich kann das konkret bestätigen. Also ich finde das wichtig was Herr Bröckers sagt. Weil, als dieser NATO Gipfel war, in Wales, haben die angerufen und gedacht wir fragen Schweizer Historiker der zur NATO gearbeitet hat. Der soll mal erklären was das Problem in der Ukraine ist, die haben gehofft das ich dann im Fernsehen sage, das Problem ist Putin, das hab ich gelesen, darauf haben wir uns geeinigt und die Arbeit ist jetzt, das jeden Tag zu wiederholen, also es geht überhaupt nicht um verstehen. Die haben gesagt das wird dann auf Pro7 gezeigt, morgen in den Nachrichten und das ist ganz wichtig und ich hab ja eigentlich einen vollen Tag, es hat eigentlich überhaupt nicht rein gepasst, wir schicken ein Videoteam, unbedingt Herr Ganser, wir wollen sie. Dann haben die das aufgezeichnet, ich hab mir extra eine halbe Stunde Zeit genommen in einem vollen Tag und dann hab ich gesagt, das Problem in der Ukraine ist die Ausdehnung der NATO. Die NATO dehnt sich aus und das wird die Ukraine zerreißen, es wäre besser die Ukraine wäre neutral, so. Vielen Dank Herr Ganser, wunderbar. Am nächsten Tag, genau das was sie sagen. Am nächsten Tag bekomm ich eine Mail von der Redaktion, ja Herr Ganser wegen den sich überstürzten Ereignissen konnten wir Ihren Beitrag leider nicht senden und das ist eben der Punkt, das Verstehen das hier schildern, das Verstehen wird gar nicht gesucht, es wäre eben für die Zuschauer viel interessanter beide Gesichtspunkte zu haben, einmal Putin ist der böse und einmal die NATO ist böse und dann hat man wenigstens eine Auswahl und dann kann man sich überlegen auf welcher Basis wird denn argumentiert, was ist die Entwicklung der letzten 25 Jahre?
KenFM: Die NATO Osterweiterung.
Daniele Ganser: Die NATO Osterweiterung, ich hab auch gesagt wir müssen unbedingt eine Karte zeigen, weil das haben die Leute nicht auf dem Radar, aber sie haben gesagt, ja zeigen wir, aber da haben sie gar nichts gezeigt. Aber wenn ich Putin kritisiert hätte, dann wär‘s eine halbe Stunde länger….
Mathias Bröckers: …wär‘s dreimal wiederholt worden.
KenFM: Herr Ganser können Sie ganz kurz mal, weil NATO Osterweiterung das hat man vielleicht schon mal gehört, mal kurz die Länder aufzählen, um die die NATO erweitert wurde nach dem Deutschland wiedervereinigt wurde?
Daniele Ganser: Natürlich bekannt die DDR, da war die Frage wie bringt man Deutschland zusammen und es ging eben nicht mit russischen Truppen in der DDR und amerikanischen Truppen in der BRD, also irgendwie jemand musste einen Schritt machen, Gorbatschow hat den Schritt gemacht, hat gesagt, ich zieh meine Truppen aus der DDR ab und dann könnt ihr ganz Deutschland in die NATO rein nehmen. Ich hätte besser gefunden, man hätte Deutschland neutral gestaltet. Damals gab es ja diese Diskussion, wir werden uns nicht weiter ausdehnen und jetzt kam Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechei, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Kroatien, eine ganze Liste.
Willy Wimmer: Nur die Ausgangsposition damals im Zusammenhang mit ehemaligen DDR war aus unserer Sicht eine andere. Ich hab für den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl die Denkschrift geschrieben, die dann zur NATO Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands geführt hat und zur Truppenstationierung, deutsche Truppen auf dem Territorium der neuen Länder also vor diesem Hintergrund weiß ich worüber ich hier rede, weil es der Anfang dieser Entwicklung gewesen ist. Wir waren uns darüber im Klaren und das war nur mit dem BND Chef damals abgestimmt worden. Wir waren uns darüber im Klaren das nur deutsche Verbände auf dem Territorium der ehemaligen DDR stehen sollten, weil wir natürlich die europäische Geschichten kannten und uns dessen bewusst waren das man mit aller Vorsicht in Europa agieren müsste und vielleicht, wenn man diese Truppen da stationiert hat, also deutsche Verbände auf diesem Territorium, man über die Instrumente der damaligen europäischen Gemeinschaft, würde langsam vorgehen können, diese Staaten einbeziehen, sie hatten ja auch ökonomische Probleme, weil das Haus Europa um das es hier ging, ja nur eine bestimmte Signatur hatte und deswegen war Vorsicht angebracht, das ist alles über den Haufen geschmissen worden, auch mit deutscher Ministerhilfe, ab dem Jahr 1992, als dann plötzlich von diesen Dingen der Befriedung und auch des gemeinsamen Hauses Europa keine Rede mehr war, sondern die NATO nach Osten erweitert werden musste…
Daniele Ganser: Darf ich da kurz nachfragen? Weil ich bekomm dann diese Fragen. Ist es wahr, das man damals Gorbatschow versprochen hat, das sich die NATO nicht weiter ausdehnt. Ist das wahr oder ist das falsch?
Willy Wimmer: Na selbstverständlich ist das wahr. Die Geschäftsgrundlage für diese Entwicklung sah das vor was ich grade geschrieben haben. Diese Denkschrift ist deutsche Regierungspolitik geworden und sie ist bei dem Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Bush in Amerika so beschlossen worden, das und ist in die Wiedervereinigungsverträge eingegangen. Also vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen, selbstverständlich das war die Geschäftsgrundlage, wir waren uns dessen bewusst das wir eine schwierige Situation in Europa hatten, es sollte keine Unsicherheit über die deutsche Politik mehr geben, das war ausdrücklich unser Wunsch, keine Unsicherheit, deswegen die NATO Mitgliedschaft für das wiedervereinigende Deutschland, aber die Anerkennung der Situation im Zusammenhang mit unseren Ost- und Zentraleuropäischen Nachbarn und deswegen nur deutsche Truppen auf dem Territorium der DDR und ich sag das mal mit einem Nachdruck wir wollten auch keine amerikanischen Besatzungstruppen in Leipzig haben.
KenFM: Ich darf Sie direkt fragen, Herr Wimmer. Haben die Russen sich täuschen lassen? Wurden sie getäuscht in dieser Frage?
Willy Wimmer: Es hat dann in den 90er Jahren eine andere amerikanische Politik gegeben. Die Amerikaner waren in meinem Verständnis und wir hätten die Situation in Europa gar nicht anders hinbekommen. Das war eine Großmacht des Völkerrechts, auch der Verhandlungen und sie haben das alles betrieben und zu unserem Nutzen haben sie es betrieben, wir haben die Wiedervereinigung Deutschlands bekommen und das Ende des Ost-West Konfliktes und damit der Trennung Europas. Aber in den 90er Jahren hat es eine Neubewertung, das kann man auch begründen, eine Neubewertung der amerikanischen Politik gegeben und die haben nicht mehr auf Verhandlung gesetzt, sondern auf das Nutzen ihrer militärischen Möglichkeiten.
KenFM: Sie suchen den Konflikt?
Willy Wimmer: Sie können ohne Konflikt nicht leben. Eine Welt die befriedet ist, ist heutzutage nicht im amerikanischen Interesse, sie können es gar nicht.
Dirk Pohlmann: Das ist doch der entscheidene Punkt, das man sehen muss, das sind zwei große, ganz verschiedene Linien. Das eine ist, was sie beschrieben haben, eine vorsichtiges agieren aus der deutschen Geschichte, also eigentlich immer, wenn man irgendwo auftaucht mit der weißen Fahne und sagen wir möchten mit euch verhandeln, wir sind eure Freunde, wir möchten keine Aggressionen. Das andere ist, ab 1992, eine Hinwendung auf eine Politik der Stärke, auf eine unilaterale Welt, weil die Möglichkeit bestand, nach dem Ende des Kalten Krieges, ich möchte es immer wiederholen, es gab zwei Möglichkeiten wie man das ganze ansieht, führt man jetzt eine internationale Völkerrechtsorganisation ein oder hat man das Hoppsche Modell von einem Leviathan der die Welt beherrscht wie das alte Rom, der Frieden erzwingt, in dem niemand sich gegen ihn erheben kann.
KenFM: Der gute Diktator?
Dirk Pohlmann: Ja, das ist Hobbs. Hobbs muss man wissen ist der Lieblingsphilosoph von Stalin gewesen aus dem bürgerlichen Lager, das ist der gegen den die Amerikaner ausgesucht haben um ihre Weltsicht durchzusetzen. Es gibt eine Sache die ich gerne erzählen würde, weil mir das mal jemand intern gesagt hat, das war ja….erstmal 1998 Gorbatschow da und es gab die Sowjetunion noch und dann kam Jelzin an die Macht als russischer Präsident, das sollte man auch, Jelzin hat ein Brief bekommen von Popolous, der sagte wir kriegen das nicht mehr hin, wir müssen die zentralasiatischen Republiken abstoßen, wir müssen Ukraine und Weißrussland abstoßen und dann, in eigentlich in einem Staatsstreich, also ein Putsch den der amerikanische Botschafter als Putsch bezeichnet hat, auch Gorbatschow hat Jelzin sich selber zum Präsidenten Russlands, also die anderen abgestoßen und dann gab es ein absurden Anruf von Jelzin bei Manfred Wörner, der Generalsekretär der NATO war und er war auch Generalsekretär und dachte jetzt, jetzt reden wir von Chef zu Chef und sagte ich möchte in die NATO, wie machen wir das jetzt? Also Jelzin ruft bei Wörner an und sagt ich möchte Mitglied der NATO werden. Das sind die Verhältnisse gewesen 1992, also so fluid war das da, war ne ganze Menge, stellen sie sich das vor, was hätte man alles aus diesem Zustand machen können und wo sind wir jetzt? Vor einem weiteren kriegerischen Zustand.
Willy Wimmer: Also die Situation ist präzise so beschrieben. Ich kann das aus Gesprächen wiedergegeben die ich selber 1988 im Weißen Haus mit dem, dann später amerikanischen Botschafter in Moskau Jack Medlock geführt habe, der in der TAZ vor wenigen Monaten ein bemerkenswertes Interview gegeben hat und der hat mir damals gesagt, das es ja auch alles festgehalten, das die Tagesordnung des Zentralkomitees der KPDSU im Weißen Haus mit den Russen gemeinsam erstellt worden ist und man saß damals im Weißen Haus zusammen um eine neue Sowjetische Verfassung zu schreiben, also die Kooperation, die Zusammenarbeit war so vertrauensvoll, so eng, das die Dinge die Sie gefragt haben im Zusammenhang mit NATO Osterweiterung oder wie das damals in Deutschland ausgesehen hat, eine logische Begründung findet die Zusammenarbeit war enger als wir das heute wahrhaben wollten und das entsetzliche ist, das wir so weiter zurückgefallen sind, was die Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit Verbrecher bei der Pressekonferenz in Moskau gesagt hat, ich kann nur sagen als ich das gehört habe, hab ich gedacht gaga. Total Gaga, also nicht nur das, sondern mir wäre es lieber gewesen, die Dame hätte in Zusammenhang mit den völkerrechtswidrigen Kriegen wie sie 1999 geführt haben, hätte die mal gesagt Völkerrecht, denn die Dinge in Zusammenhang mit unseren heutigen Schwierigkeiten, die finden ihre Begründung darin, das wir einen verbrecherischen nach dem anderen geführt haben.
KenFM: Wen meinen Sie mit wir?
Willy Wimmer: Die NATO, wir der Westen, was auch immer.
Mathias Bröckers: Die Guten.
Daniele Ganser: Ich beobachte das immer ja aus der Schweiz, wir sind aus den Bergen. Ich schau da rüber, ich denke, okay.
Willy Wimmer: Sie haben Übersicht.
Daniele Ganser: Nein, überhaupt nicht, wir sind so klein, das wir hoffen das das Völkerrecht sich durchsetzt und nicht der super…..Wir sind ja durch das Recht, unsere Armee könnte das nicht regeln. Und ich sag mal, wenn wir das beobachten von uns her, dann sehen wir die Russen helfen den Deutschen für eine friedliche Wiedervereinigung mit den 10 Punkten von Moskau hat man das Gefühl, man freut sich und wenn man dann nur 25 Jahre nach vorne zoomt und die deutsche Presse liest, dann heißt es Russland ist ganz klar Feindbild Nr. 1.
Willy Wimmer: Da haben sie was vergessen was dazwischen kommt, wenn ich das so sagen darf. Dazwischen ist Gauck, mit dieser Waffen- und Einsatzrede vom vergangen Jahr, hat man deutlich gemacht, das die Zeit an einer vernünftigen Zusammenarbeit mit der russischen Föderation vorbei sein sollte und vor diesem Hintergrund hat sich für uns die Welt geändert, keiner in Deutschland versteht das, wenn sie ins deutsche Volk hineinhört, die Fragen sich da alle was dieser Präsident labert.
KenFM: Herr Wimmer, vielen Dank für diese Steilvorlage. Ich erinner mich daran, als ich sie kennen gelernt habe, ist ein paar Jahre her, da haben sie immer noch von Frau Dr. Merkel gesprochen, jetzt sprechen Sie nur noch von Merkel, da hab ich auch was rausgelesen, aber okay.
Willy Wimmer: Nach Minsk II sollten wir mit aller Sorgfalt auf die Politik unsere Kanzlerin achten, weil sie uns möglicherweise vor dem Schießkrieg bewahrt hat, das muss man nüchtern sehen…
KenFM: …durch Zeit kaufen in Minsk.
Willy Wimmer: durch Zeit kaufen und in der Hoffnung, das es nicht zum schlimmsten kommt und wenn sie in großen deutschen Zeitungen inzwischen nachlesen wie die Amerikaner aktive Pressepolitik betreiben im Zusammenhang mit dem Abhörskandal NSA/BND, dann hat man ja den Eindruck, die wollen alles tun um die Dame…
Mathias Bröckers: zu desaportieren
Willy Wimmer: zu beseitigen, weil sie natürlich das große spiel gestört hat, das ist in einer deutschen Öffentlichkeit weit verbreitet, das man das so sieht.
KenFM: Wollen Sie damit andeuten Angela Merkel versucht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für deutsche einzusetzen? Also deutsche nicht in diesen Krieg zu bringen? Sind wir auch gleich mal beim Parlamentsvorbehalt, können wir gleich drüber reden und deswegen muss sie weg? Sie leistet mit dem was sie jetzt macht zuviel Widerstand?
Willy Wimmer: Wir haben doch im Zusammenhang, Sie haben das eben gesagt, wir haben im Zusammenhang mit der NATO Entwicklung, sie haben die Jahreszahl genannt, wir haben doch gesehen, das wir diese Fragestellungen schon beim NATO Gipfel in Riga und wo auch immer hatten, in den Jahren zwischen 2000 und 2010 und die damalige deutsche Position war die heutige. Das wir vorsichtig sein müssen im Zusammenhang mit der Osterweiterung und der Aufnahme Georgiens und der Ukraine, weil das endgültig die Dinge in Europa zementiert. Das war eine durchgehende deutsche Politik und die Amerikaner wissen das natürlich und eine Kanzlerin, die das auch in Minsk II nochmal wiederholt, wie die deutschen Interessenlage ist, ist natürlich im Augenblick ein Störenfried für amerikanische Politik. Sie brauchen da nur den Namen McCain in die Öffentlichkeit zu schleudern, da wissen Sie alle was gemeint ist, Krieg soll her.
KenFM: Sind Sie für ein Einreiseverbot für McCain nach Europa?
Willy Wimmer: Ist überfällig und man muss ein Zusammenhang mit diesem Formulierungen wie bei der Pressekonferenz vorsichtig sein. Was sollen denn die Leute denken wenn demnächst in Bayern, in Elmau, G 7 Treffen stattfindet, die Dame hat in Moskau sowas gesagt, verbrecherisch, soll sie denn den Obama in Bayern verhaften lassen, weil er jede Woche von einer Hitliste Leute umbringen lässt? Das sind doch die Dinge mit denen man sich auseinandersetzen muss. Wie vorsichtig muss diplomatische Sprache sein. Wir können hier darüber reden, wie das Empfinden ist, aber in einer verantwortungsvollen Position muss man sich so äußern, das der Gast einen auch noch ernst nimmt.
Dirk Pohlmann: Es gibt auch noch eine Sache die wir als deutsche noch in Erinnerung haben sollten. Wir haben ja eine deutsche Wiedervereinigung mit der Unterstützung von Gorbatschow damals. Und Deutschland war eine nicht sehr lange Zeit in BRD und DDR gespalten und die Ukraine gibt es viel kürzer in dieser Form, das heißt real ab 92 vorher ist das ja noch assoziiert mit der Sowjetunion oder dann mit GUS und wenn man das jetzt mal anguckt im Zeitverlauf da müsste wir ja eigentlich gewissen Grad Verständnis haben wenn die Ostukraine sich wiedervereinigen möchte mit Russland, weil der Kiewer Russe ist der Ursprung von Russland. Das sind so Sachen, wenn man die Perspektive wechselt und sagt, die wollen zurück, die wollen zusammen, man sagt aber das das völkerrechtlich nicht möglich, wäre bei uns auch ein Problem gewesen. Es gibt noch mehr solche Zahlen. Z.B. Texas, gucken sie sich die ganz Städte an, Los Anderes, Neu Mexiko, Sierra Nevada, San Fransisco, da hören sie das ist spanisch, das war 1835 oder 1845, war das noch Mexikanisch, haben die Amerikaner sich geholt, stellen Sie sich vor Texas würde seine Unabhängigkeit erklären und die Chinesen helfen mit dabei, was würden denn die Amerikaner machen? Wie würde das aussehen? Das sind die Situation, wir rücken ran an dieses Land und sagen, bedrohen das mit einer, mit einem Sicherheitsgürtel und erwarten das die Beifall klatschen. Stellen sie sich es umgekehrt vor.
KenFM: Ich darf mal kurz den Ball rüber geben an Sie Herr Ganser. Sie als Friedensforscher haben es auch in Ihren Vorträgen immer wieder gesagt, Sie waren ja vor paar Tagen in Berlin, haben das Babylon ausverkauft. Man muss Sie als Friedensforscher auch in die andere Seite hineinversetzen. Können Sie das mal erklären, da wird es absurd.
Daniele Ganser: Das ist nicht so schwer zu verstehen. Stellen Sie sich vor 2011 bombardiert Lybien Frankreich, 30.000 Tote, Sarkozy ist tot. Dann haben wir das Gefühl, völlig abgefahren. Ich erzähl das Gegenteil Frankreich bombardiert Lybien, Gaddafi tot, 30.000 Tote, da hat man das Gefühl als guter Spiegel, wie nennen Sie denn Spiegel?
Mathias Bröckers: ehemaliges Nachrichtenmagazin:
Daniele Ganser: ehemaliges Nachrichtenmagazin. Dann sag ich als guter Spiegelleser hat man das Gefühl viele Freunde sind Lehrer, oder die haben alle Geschichte studiert, die sagen, weißt du ich bin schon gegen den Krieg, aber Gaddafi war so ziemlich unsymphatische Figur, der musste weg und dann haben wir immer dieses Gefühl ich find ja den Titel genial. Wir sind die Guten oder unsere Medien stellen es immer so dar, das wir am Schluß eigentlich uns freuen, das die NATO eine Friedensorganisation ist, und so erklären wir es noch den Kindern und das ist natürlich völliger Brainwash, da stecken wir mittendrin, wir haben größte Schwierigkeiten das durch die Medien durchzubekommen, weil die meisten Medien in diesem Konsenz aufsitzen, also ich habe versuch zu erklären, in der Schweiz, das eigentlich die Frage mit der Krim nach dem Sturz kam, also wir haben zu erst den Sturz
KenFM: den Putsch.
Daniele Ganser: Ja. Ich sag mal Sturz, weil Sturz ist sicher. Putsch heißt so….nein, gut, sagen wir Putsch. Ist eigentlich okay.
KenFM: Sniper auf den Dächern haben am 20. entschieden was passiert.
Daniele Ganser: In der Ukraine hat das Volk friedlich demonstriert und hat einen korrupten Diktator von der Macht entfernt, das ist nicht die Ursache. Die friedlichen Demonstrationen haben Janukowitsch nicht gestört, sondern erst die militanten Demonstrationen, die haben es zugespitzt, aber das hat den Präsident, demokratisch gewählt, immer noch nicht gestürzt, sondern erst diese Scharfschützen, also der Regierungssturz am 20. Februar 2014, ich hab das sehr genau untersucht, wurde dadurch ausgelöst, dass sie in Kiew Demonstranten und Polizisten haben rundherum haben Sie Häuser und auf den Häuser haben sie Leute von denen wir nicht wissen wer sie sind und die schießen runter und töten sowohl Demonstranten wie auch Polizisten, die Leute die im Krankenhaus gearbeitet haben, haben gesagt, diese Wunden und auch diese Geschosse sind aus den selben Gewehren und da hab ich mich damals gefragt, saß ich in der Schweiz, das kam zu mir auf den Tisch und ich hab mich gefragt, ja meine Güte jetzt hat der Präsident also seine Polizisten erschossen und die Demonstranten, also das ist ein typischer Schuss in den Fuß und dann hab ich gedacht, das kann nicht sein, da stimmt was nicht.
Mathias Bröckers: Das klassische Muster für einen Regimechange.
Daniele Ganser: Ja es wird in den Medien, Klitschko schreibt dann die KO Kolumne in der BILD Zeitung…
Mathias Bröckers: Klitschko hat den Konrad Adenauer Preis gekriegt, nix gegen Klitschko.
Daniele Ganser: Nein, aber nichts gegen Adenauer. Ja, aber es sind doch so billige Maschen. Klitschko kenn ich in der Boxhose, da denk ich, der ist ehrlich und mutig und wenn der was sagt, der Janukowitsch hat seine Leute verschossen, das in der ganzen Bild Zeitung dann glaubens alle.
Dirk Pohlmann: Wir kennen das doch alle, also wir haben uns damit beschäftigt haben, wir wissen ein klassisches Mittel, eine klassische Methode,
Ich hab das jetzt von einem Kollegen gehört, der war in Lybien in einem Hotel und da tauchten nachts um 3 Uhr auf einmal 300 Leute aus Katar auf, zwischen 18 und 21, muskulös mit Reisetaschen, fällt auf, also sozusagen, das waren die Leute die dann entsprechend das gleiche dort gemacht haben, das heißt auf beiden Seiten auf Leute schießen und das ist das Prinzip, man heizt damit den Konflikt an, eskaliert und dann muss man gucken wer hat ein Interesse dran das es eskaliert.
Daniele Ganser: Herr Pohlmann, darf ich da rein? Während Sie jetzt sagen, die NATO hat die Leute, oder ich weiß nicht, Sie haben nicht gesagt die NATO, aber wenn es diese Arbeit, es gibt Ray McGovern, CIA Journalist, und der hat gesagt, es war ein vom Westen gesponserter Putsch in der Ukraine, aber wenn, und da kommen wir in eine andere Native, wenn wir zu erst einen Putsch haben, durch Scharfschützen die von der NTAO unterstützt wird oder toleriert wird und danach kommt die Krimabstimmung wo die Krim sozusagen dann ist es eben eine völlig andere Native.
Mathias Bröckers: diese Reihenfolge ist eben entscheidend.
KenFM: von A nach Mathias Bröckers:
Daniele Ganser: Ich nehm Ihnen einen Turm und Sie nehmen mir ein Pferd und dann wird eben erst eingeblendet, Jebsen hat Ganser sein Pferd genommen. Der arme Ganser saß nur da und hat sein, das ist ja völlig, ich sag nur so, bei der Champions League, die schau ich ja gerne, da haben wir immer einen Fokus ob das jetzt ein Handspiel war, es gibt 500 Kameras, es gibt dann auch in 10 Zeitungen eine Diskussion, ob er den Fuß noch berührt, ich find das eine ganz wichtige Diskussion, aber ich sag jetzt mal, dann haben wir einen Regierungssturz den Europa in einne gefährlichen Krieg treiben kann und tut und wir haben so, wir sind mehr im Blindflug.
KenFM: Herr Ganser, da sind wir bei der politischen Großaufnahme die durch die Medien geleistet werden könnte aber nicht wird. Und das ist die Frage an Sie Herr Pohlmann, es gibt schon Kollegen die das tun, aber immer off the record. Was passiert denn als Journalist, ich möchte das mal genauer untersuchen, ich möchte ein mögliche Alternative zum vorgegeben Feindbild liefern.
Dirk Pohlmann: Man macht ganz rasant Karriere mit Chefredakteur. Also, das müsste sich, ich hab mich dazu entschlossen, einfach zu sagen, direkt darüber zu reden, weil ich es Dicke habe wie das läuft, es ist so, es ist nicht so das man gesagt bekommt, du machst das nicht, sondern man merkt gegenüber hat man einen leitenden Redakteur, der weiß, er wird Schwierigkeiten bekommen, wenn er sich in diese Richtung bewegt. Der hat, ich vergleiche es immer wenn sie Jagdhunde kennen, die gucken immer so zu ihrem Herrchen hoch, was wohl jetzt als nächstes kommt, voraus ahnen, was jetzt kommen soll. In dieser Position sind die, und das ist ein Gespür dafür was möglich ist, die werden also nicht dazu gebracht, bestimmte Dinge als Befehl , also nicht wie im Dritten Reich das dann so blauen, weiße, rosa Papiere, wo die offizielle Sprache gelungen ist, man weiß einfach jemand z.B. der mich beschäftigt hat und ich hab diesen Film gemacht Israel-die Bombe, der hat hinterher gibt’s Schwierigkeiten und sie möchten ja, wenn sie Karriere machen wollen möchten sie keine Schwierigkeiten das können sie sich nicht erlauben, dann gibt es Leute, denen ist das noch relativ egal, die wollen das trotzdem machen. Also ich mach keine Karriere mehr beim ZDF, ich möchte meine Filme machen:
KenFM: Ist das schlimm? Keine Karriere zu machen beim ZDF?
Dirk Pohlmann: Nein, das ist nicht schlimm. Das hab ich mir vor längerer Zeit, das ist ja mehr, das man versuchen will, Sachen rauszukriegen, man möchte eigentlich arbeiten können und seine Recherche machen, aber dann gibt es natürlich einen Schritt weiter, wenn man jetzt in Reihe ist solche Sachen anbringt dann wird man früher oder später Schwierigkeiten bekommen und diese Schwierigkeiten werden immer dicker und ich kann ihnen das konkret bei mir sagen, ich habs ja gesagt mein vorletzter Film wurde umgeschnitten, umgetextet ohne das ich auch nur informiert wurde darüber das das getan wurde. Ich hab dann im Fernsehen dann meinen eigenen Film gesehen in der ZDF Version, das ist ja gar nicht mehr mein Film, das glaubt man nicht das sowas passiert, wie gesagt die Leute in Russland haben dann gelacht, weil sie das kennen, aber wir lachen nicht, weil wir denken wir wären nicht Russland, wir sind aber mittlerweile in dieser Hinsicht, das ist Namistat Literatur hier, also das läuft ja sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das ist zwar ein Spiegel Bestseller aber er taucht in keiner Besprechung auf und wenn es eine Besprechung gibt, müssen sie aufpassen was hinterher aus ihnen gemacht worden ist. Dann nimmt man aus langen Diskussionen einen kurzen Satz raus um ihn zu diskreditieren oder den Hanfjournalisten Bröckers oder sowas, also selbst, meine sehr guten Quoten oder diese Bestseller führt nicht mehr dazu das man dann als Gesprächspartner ernst genommen wird, sondern man ist in einer Situation wo man merkt es wird immer, immer enger dann wurden mir die Budgets gekürzt, also das heißt ich hab normalerweise zwischen 120.000 150.000 Euro für so einen Film, auf einmal waren es 90.000. Dann bin ich unterwegs, übernachte in einem Hotel wo es keine Elektrizität gibt, in einem Drogenviertel von San Fransisco wo ich morgens raus komm, können sie sich vorstellen, der eine Interviewpartner sagte, können sie mich bitte abschminken, der war in einem Hotel eine Stufe weiter ich hab so nicht gewohnt seit ich Student war. Können sie mich bitte abschminken, ich hab angst was mir hier passiert, im Schwulenviertel von San Fransisco, wenn ich jetzt so mit rüberlaufe, das heißt sie werden oder ich komme an, wissen ja konkrete Dinge, ich komme an, fliege von Berlin nach Frankfurt, nach New York, nach San Fransisco nach Burbank, bin 26 Stdunden unterwegs dann soll ich noch zwei Stunden Auto fahren, wollt ihr mich gleich umbringen, könnt ihr das nicht geschickter machen?
Willy Wimmer: Wenn man Herrn Pohlmann so hört, kann man bestimmt mit Fug und Recht sagen, Josef Göbbels hat mit der deutschen Presse, größere Schwierigkeiten gehabt als die NATO mit dem was wir jeden Morgen lesen können.
Dirk Pohlmann: Was passiert ist, das sie, stehen davor das sie sagen mach ich das nochmal mit, weil ich noch einen Film machen will, mach ich das nochmal mit, Schluck ich das ganze, bin ich jetzt Weltmeister im Kröten schlucken? Ich hab ein Haus, ich hab Kinder, ich hab ein Auto, das ist die Situation von den ganzen Leuten, mach ich das weiter mit? Oder, wenn ich auch sozusagen dagegen verstoße gegen diese Sache dann muss ich eben, muss ich sagen, ich hör auf, aber vor diesen Schrecken viele Leute zurück und die anderen die Karriere machen wollen dürfen nicht mal in die Nähe dessen kommen und deswegen werden wir alle am Tisch sitzen hier, haben sozusagen in einer gewissen weise öffentlich aussortiert worden, als Professor, sie als Radiomoderator, er als TAZ Journalist, sie haben alle ein gewisses standing gezeigt dabei, aber das kostet sozusagen, das kostet die Existenz, die berufliche Existenz.
Daniele Ganser: Ich möchte das sehr gerne unterstreichen. Ich bekomme immer wieder anfragen: ‚In der Schweiz ist das doch sicherlich anders, oder?‘ Und da kann ich einfach sagen: Es geht nicht nur um den Brand ZDF, wo die Leute dann das Vertrauen verlieren, wenn sie hören, dass eigentlich gute Journalisten dort nicht frei arbeiten können. Es geht bei uns in der Schweiz um die ETH Zürich. Das ist bei uns in der Schweiz eine der führenden wissenschaftlichen Institutionen und ich möchte auch sagen, die macht viel gute Arbeit. Aber ich war dort am ‚Centre for Security Studies‘ tätig und dann im Jahre 2006 bekam ich Daten zum 11. September. Und da ist dann bei uns das Haus explodiert, also sprichwörtlich. Der 11. September 2001 ist ein so umstrittenes historisches Phänomen, dass ich gesagt habe, wir müssen das neu untersuchen, weil da ist ein drittes Gebäude zusammengestürzt – World Trade Center 7. Und da ist kein Flieger rein. Flieger – Flieger; Turm – Turm. So ist das für die meisten Menschen: 11. September- so habe ich das im Fernsehen gesehen. Das wurde so geschnitten. Aber im Hintergrund ein drittes Gebäude, wo kein Flieger reingeht.
Ken Jebsen: War das ein großes Gebäude?
Daniele Ganser: Ja, 170 Meter. Das heißt also, wir haben zwei Flieger und drei Türme. Und das ist jetzt für uns Historiker die Kniffelaufgabe.
Dirk Pohlmann: Und es hat noch nie ein Gebäude gegeben, ein Stahlbetongebäude, was durch Feuer eingestürzt ist.
Daniele Ganser: Ich geh‘ dann zu den Baustatikern, Sie haben das ja auch erlebt. Aber ich möchte erklären, wie das funktioniert im internen wissenschaftlichen Betrieb. Dann kommt dann der Direktor des Instituts und sagt: ‚Herr Ganser,‘ oder man ist natürlich per Du. Das heißt dann: ‚Daniele, vergiss es einfach.‘ Und dann sage ich: ‚Ich vergesse es nicht, weil auf 9/11 baut ja der Afghanistankrieg, der Einsatz der Bundeswehr, der NSA- Überwachungsstaat, Guantanamo, der Irakkrieg- im Irakkrieg haben wir eine Million Tote. Das vergesse ich jetzt lieber nicht.‘ Und dann sagt der Vorsitzende des Instituts: ‚Wenn du das jetzt weitermachst,‘ (deutet mit dem Zeigefinger) So dieser Zeigefinger. ‚Wenn du da jetzt weitermachst, dann hat die Schweiz Probleme.‘ Und dann sag ich: ‚Die Schweiz? Also das wüsste ich jetzt nicht.‘ ‚Na dann hast du Probleme.‘ Und das ist eben so: Die Leute haben das Gefühl, das Journalisten, Wissenschaftlicher und Politiker einfach nach Interesse nach besten Wissen und Gewissen ihre Arbeit leisten und das stimmt bis zu einem gewissen Grad, aber dann kommt die rote Zone. Und das war jetzt in der Schweiz 9/11. Und dann habe ich das aber trotzdem weitergemacht, obwohl – ich hatte da 10.000€ pro Monat meinen Lohn – es dann hieß: Das wird dann gekündigt. Und das brauch dann schon eben viel Überzeugung, dass man WTC7 gegen den Lohn eintauscht. Das ist der Druck.
Ken Jebsen: Da hat das Außenministerium dann an der Uni angerufen?
Daniele Ganser: Nein. Die amerikanische Botschaft hat dann einen Artikel geschrieben und es hieß sofort: Der Ganser ist ein Verschwörungstheoretiker. Weil ich habe zuvor einen Artikel geschrieben und gesagt: ‚Es gibt einen Streit um den Einsturz von WTC7.‘ Ich habe gar nicht gesagt: ‚Die haben das gesprengt.‘ Ich habe einfach nur gesagt: ‚Das ging entweder wegen Feuer oder Sprengung herunter.‘ Das Gebäude hat 81 Stahlsäulen. Es ist kein Flieger ‚rein und die Amerikaner sagen: ‚Säule 79 wurde wegen Feuer destabilisiert.‘ Darum ist das ganze Gebäude heruntergefallen. Als ich das Baustatikern zeigte, habe die nur gelacht. Die haben gefragt: ‚Machst Du Scherze?‘ Da habe ich gesagt: ‚Nein, das ist die offizielle Geschichtsschreibung. So soll ich das schreiben.‘ Und das will ich ja auch nicht. Ich will mich ja auch nicht lächerlich machen. Ich hätte gern eine saubere Geschichtsschreibung.
Ken Jebsen: Haben wir nicht seit dem 11. September ‚Des Kaisers neue Kleider‘ in der Presse? So, dass jeder Journalist weiß…
Daniele Ganser: Ja, genau. Es ist so. Genau wie Herr Pohlmann es beschrieben hat. Es ist nicht so, dass es einen Zettel gibt in der Neuen Züricher Zeitung auf der Redaktion, wo darauf steht: ‚9/11 darf nicht hinterfragt werden; NATO- Osterweiterung darf man nicht ansprechen.‘ Das ist nicht so., sonder die Redaktion und auch in der Wissenschaft die Dozenten haben ein sehr feines Gespür dafür, was geht und was nicht geht. Und das füht zu ganz absurden Situationen. Ich bekomme Mails von Studenten, die sind dann 20 oder 22 Jahre jung. Die machen sich übers Internet schlau und halten dann einen Vortrag an einer Uni in der Schweiz oder in Deutschland. Der Dozent sieht das völlig anders. Die werden abgewischt, also sie bekommen eine ganz schlechte Note, obwohl sie eine sehr gute Arbeit machen, die aber nicht mehr Mainstream ist. Und das ist der Kampf um die Supermacht Nummer zwei, das öffentliche Bewusstsein.
Dirk Pohlmann: Das Entscheidende, wenn wir jetzt einmal 9/11 nehmen. Aber das gleiche ist ja mit dem Thema meines Films – diese Operation Täuschung gegen Palme. Dieser schwedische Friedensforscher wurde auch zu seinem Chef gerufen. Und dann wird er darauf hingewiesen, dass die Qualität seiner Arbeiten nicht mehr richtig ausreichend ist. Das heißt, es setzt sich ja fort. Sie dürfen jetzt nicht nur denken 9/11. Sie merken, wenn Sie anfangen, das Imperium anzufassen – also ‚Kaisers neue Kleider‘- wenn man darüber redet, dass dort Dinge passieren in einem historischen Kontext, der zwangsläufig einem bewusst wird, wenn man sich mehr damit beschäftigt. So wie wir sofort denken, wenn wir hören ‚Scharfschützen haben…‘, das kennen wir doch, das haben wir doch schon einmal gehört. Da gibt es ein Muster. Man erkennt ja nach einer Weile, wenn man sich damkt beschäftigt, ständig wiederkehrende Muster.
Ken Jebsen: Und das ist nicht besonders originell.
Daniele Ganser und Dirk Pohlmann: Nein, nein… (beide lachen)
Mathias Bröckers: Aber das tolle daran ist, dass sie damit durchkommen. Und das hat damit zu tun, – wie ihr sagt – dass die öffentliche Meinung sozusagen ganz stark reglementiert ist. Was nicht so läuft, – das wurde auch schon gesagt – dass da jetzt vielleicht wie im 3. Reich irgendein Zensor auf dem Flur auf und ab marschierte.
Willy Wimmer: Die brauchen das gar nicht.
Mathias Bröckers: Die brauchen das gar nicht. Die Schere ist im Kopf bei den Kollegen. Und du weißt, wenn du als junger Redakteur oder Autor; sei es beim Fernsehen, Radio oder bei einer Zeitung; wenn du da sitzt und du schlägst es vielleicht einmal vor das Thema: ‚Wir sollten doch einmal etwas machen zu World Trade Center 7 oder die Scharfschützen auf dem Maidan. Warum wird das denn einfach nicht untersucht?‘
Dirk Pohlmann: Sehr gute Idee! (spricht in seine Jacke) Könnten Sie bitte mal den Herrn Bröckers notieren?
Mathias Bröckers: Und ich bin jetzt ein alter Mann…
Ken Jebsen: Nein, nein.
Mathias Bröckers: Naja, aber wenn ich jetzt so ein junger Redakteur bin mit 32, der das sitzt und den Vorschlag macht. Und dann sagt mir der Chef- und der Vizechefredakteur: ‚Ach nee, das nicht.‘ Wenn ich dann dabei bleibe, brauche ich…
Daniele Ganser: Es gibt dann Haue.
Mathias Bröckers: Aber ich habe doch gerade jetzt zwei kleine Kinder zu Hause und muss sehen, dass die Miete reinkommt. Also was mache ich? Dann lasse ich das und schreibe über…
Dirk Pohlmann: Bundbarsche- nicht so gefährlich.
Mathias Bröckers: Ja, und das passiert. So ist das.
Willy Wimmer: Aber wir haben das jetzt nicht nur auf der individuellen Ebene, was wir hier gerade diskutieren. Da kann ja jeder seine Beispiele bringen und die sind alle begründet. Wir haben das ja staatlicherseits institutionalisiert. Wir haben das, was in diesem Land die Freiheit ausgemacht hat und auch die Verantwortung im außenpolitischen Bereich, haben wir ja auf Null gefahren.
Ken Jebsen: Der Zweifel?
Willy Wimmer: Nicht nur der Zweifel, sonder die Institutionen, die wir hatten, die vorgesehen waren um unsere Positionen in Zusammenhang mit internationalen Verhandlungen auch zu kräftigen und zu stärken. Die Völkerrechtsabteilung des Auswärtigen Amtes hatte immer einen Ruf wie Donnerhall. Diejenigen, die da an der Spitze waren, haben bei den Vereinten Nationen immer Karriere gemacht. Das war ‚was. Das machte natürlich deutlich, welche Bedeutung Völkerrecht für die deutsche Politik generell hatte; übrigens in Übereinstimmung mit der Schweiz und mit berühmten österreichischen Völkerrechtlern. Wir hätten den Kalten Krieg so nicht überstanden, wenn es dieses Triumvirat Deutschland, Schweiz, Österreich nicht gegeben hätte. Und die Entwicklung die wir dann nach 1990 genommen haben, hat ja deutlich gemacht, dass wir diese Institutionen abgebaut haben. Die Schweiz hat ihre Rolle dadurch verändert, dass sie Carla Del Ponte nach Den Haag geschickt hat. Damit war die Unabhängigkeit der Schweiz ein ‚enfant perdu‘.
Daniele Ganser: Immerhin sind wir nicht mit in der NATO.
Willy Wimmer: Aber die Schweiz hatte eine andere Funktion in der europäischen Völkerrechtsstruktur. Das deutsche Auswärtige Amt, wenn Sie die heute anrufen und fragen:‘ Gibt es da eine Völkerrechtsabteilung?‘ Ich weiß gar nicht, wie die da antworten. Niemand kennt sie mehr. Und das macht natürlich deutlich, dass sich in der Qualität unseres Landes etwas verändert hat. Wir sind ja auch keine Staatsbürger mehr, sondern Konsumenten und Steuerzahler.
Ken Jebsen: Da möchte ich eine Frage an Sie alle richten: Febinden wir uns in einer postdemokratischen Phase? Was ist hier los?
Willy Wimmer: Wir kämpfen noch um die Restbestände der Demokratie. Und zwar vor allen Dingen diejenigen, die in der Zeit von Willy Brandt groß geworden sind. -‘Mehr Demokratie wagen.‘- Das ist uns ja noch in den Köpfen. Aber diejenigen, die 40 Jahre jünger sind, die haben das noch nie gehört und machen das natürlich mit. Und landen dann; jetzt sage ich es einmal politisch; in der Altersarmut, weil sie nicht rechtzeitig zugehört haben.
Daniele Ganser: Also, ich würde noch einen anderen Punkt einbringen: Ich finde schon, dass wir jetzt auch Vorteile haben. Weil wir haben ja jetzt diese ‚digitale Revolution‘. Ich kann mich noch erinnern: 1997 war ich in Amsterdam Student und dann hieß es: ‚Kommst Du auch mal? Wir gehen auf‘s Internet.‘ Da gibt es einen Raum, da stehen ein paar Computer und das Modem machte noch ‚piep piep‘ bis man überhaupt online war. Ich kann mich gut daran erinnern. Das war unglaublich aufregend, oder? Und diese Veränderung, dass wir jetzt über die Internetkanäle alternative Medien konsumieren können, bedeutet einfach, dass wir eine viel schnellere Kommunikation haben, die nicht mehr angewiesen ist auf die etablierten Kanäle.
Willy Wimmer: Bis zu dem Zeitpunkt, wo es abgeschaltet wird.
Daniele Ganser: Genau. Und das muss man noch nutzen. Wir wissen ja nicht, ob das abgeschaltet wird und wie das abgeschaltet werden kann. Ich weiß das nicht. Ich bin da technisch zu wenig versiert.
Mathias Bröckers: Was sehr schön ist und was man an dem Ukraine-Rußland- Konflikt wunderschön beobachten kann: Die Zeitungen, die großen Medien fingen so vor zwei, drei Jahren an. Da las man dann überall: Jetzt das Internet- da können wir ja eine ganz neue Leser-Blatt-Bindung herstellen, interaktiv. Die Leute können kommentieren.
Ken Jebsen: Das tun sie dann auch.
Mathias Bröckers: Und jetzt mit dem Ukrainekonflikt kommen dann Kommentare und die sind dann zu 95% gegen, also kritisch mit der großen Zeitung. Und die werden dann abgestellt. Bei der ‚Süddeutschen‘ haben sie die abgeschaltet und da kann man jetzt noch kommentieren: Ist Scotch Wiskey besser als Bourbon? Also solche Diskussionen dürfen noch geführt werden. Da lässt man auch die Leser schreiben, aber wenn irgendein Mensch da seinen Kommentar schreibt über Putin, dann ist keine Kommentarmöglichkeit da. Dann wurde gesagt im ersten Zuge: ‚Ja diese ganzen kritischen Kommentare, das sind alles Putintrolle und die werden von Moskau bezahlt. Dann haben sie es aber ganz schnell selber gemerkt. Also so ein Schwachsinn. Das sind ja hunderttausende von Leuten und man kann ja dem Putin viel zuschreiben, aber dass er hier hunderttausende von Bürgern mobilisiert oder am Ende gar bezahlt damit die Leserbriefe schreiben, das ist Schwachsinn. Als das dann nicht mehr funktioniert hat, ist man dazu übergegangen, die Kommentare abzuschalten. Soviel zur Interaktivität. Und das Internet läuft noch. Es gibt ja gerade die Re:publica. Da wird ja auch viel über Netzneutralität diskutiert. Man muss die Datenautobahn heute genauso sehen wie früher die Autobahnen und die Schifffahrtswege und wer die kontrolliert, der kontrolliert den Verkehr. Und wir können im Moment noch senden, also Du kannst Deinen Kanal noch machen im Netz; ich meinen Blog. Eine Menge Dinge können da noch passieren, aber man muss schon dafür jetzt noch kämpfen. Die Demokratie ist eh schon heruntergefahren auf so ein Minimallevel und da ist auch, glaube ich, nicht mehr viel zu retten. Aber für das freie Internet da muss man dann wirklich auf die Barrikaden gehen, weil das ist ja der letzte Hort sozusagen, auch dessen, was wir mal Aufklärung genannt haben, Rationalität, Vernunft, dass man diskutiert, dass man Argumente austauscht. Und nicht einem, der einem nicht passt, einfach niedermacht oder abschaltet.
Ken Jebsen: Wie lange dauert es noch, dass wir, die wir hier am Tisch sitzen, unter Terrorverdacht gestellt werden.
Willy Wimmer: Sind wir schon längst.
Mathias Bröckers: Sind wir schon längst. Würde ich auch sagen.
Dirk Pohlmann: Ich kriege nur noch ein Einjahresvisum in die USA. Das kann ich auch sagen, wenn ich losgehe und will drehen in den USA. Das letzte Mal war ich im Konsulat und dann werde ich befragt zu meinen Filmen. Und dann fragen die, was ich in dem neuen Film mache. Was ist denn das? Das ist dann sozusagen ‚land of the free and home of the brave‘. Wenn ich nach Rußland will, muss ich eine Einladung vorweisen. Die habe ich gekriegt. Da fragt mich aber keiner auf dem Konsulat, was ich da machen will. Also die Sachen sind ja komplett verschoben. Deswegen, das was wir hier heute machen ist ja eine Art Unabhängigkeitserklärung.
Ken Jebsen: Dafür einen Applaus. Das ist fantastisch. (Applaus)
Dirk Pohlmann: Dass man nicht mehr darauf angewiesen ist. Aber auch das muss man genau betrachten: Man hat diese Medien, in die man ja hineinkommen muss um zur internen Kaste zu gehören, also zu denen, die untereinander verhandelt werden. Ich will zwei Beispiele sagen: Ich habe im Vorfeld meines Films – ich mache gerne Experimente; das sind noch die Restbestände von der Uni – alle Zeitungen hier in Berlin angerufen und die vorher informiert, dass der Film kommt Und habe gesagt: ‚Ich finde ihn wichtig, damit man sieht – jetzt nicht weil es mein Film ist; ich habe so etwas vorher noch nicht gemacht – sondern in diesem Bezug, wie ein Geheimdienst gegen einen Regierungschef in Stellung gebracht wird. Also wie die USA die Regierung in Schweden gestürzt haben, erfolgreich. So und dann können Sie sehen, wer reagiert darauf. Da reagiert Ken Jebsen und da reagiert die Junge Welt, das ist eine ehemalige DDR- Zeitung. Zum Beispiel Der Freitag von Herrn Augstein, mit denen habe ich zweimal gesprochen und die haben gesagt: ‚Ja, mh…‘ Also man war dann schon in der Kategorie ‚Verschwörungstheoretiker‘. Die anderen haben gar nicht zurückgerufen. Also ich hatte noch jemanden vom Tagesspiegel, der hat dann noch mit mir gesprochen, aber es kommt dann nicht. Und das nächste, was Sie gucken können, dass diese Zeitungen ja abgeschottet sind. Versuchen Sie doch einmal auf einer Webseite von einer Zeitung ein Telefon zu finden, wo Sie anrufen können, wenn Sie eine Geschichte haben. Das ist nicht erwünscht. Das ist eine intern um sich kreisende Gruppe, die sich auf sich selbst referenziell betrachtet und die dann sagen: ‚Nur wer in dieser Gruppe ist, ist ein relevanter Gesprächspartner.‘
Ken Jebsen: Weil der die richtigen Sachen sagt?
Dirk Pohlmann: Ja, das ist das Gegenteil von dem, was wir alle im Sozialkundeunterricht gelernt haben, wie so etwas funktionieren soll.
Daniele Ganser: Was mich wirklich ärgert – das muss ich jetzt loswerden – ist dieser Begriff ‚Verschwörungstheoretiker‘. Der ist soetwas von bescheuert. (Klatschen) Meine Aufgabe ist es ja, ich halte viele Vorträge, aber einige Zeit bin ich mit den Studenten. Den Studenten sage ich immer: ‚Der Satz von Nietzsche gilt: Alles Sehen ist perspektivisches sehen. Deine Aufgabe ist, du musst immer wieder die Perspektive wechseln. Versuche herauszufinden, wie sehen das die anderen, was gibt es noch für andere Meinungen?‘ Zum Beispiel die Bombardierung von Serbien 1999. Da gibt es die offizielle NATO-Linie, dann gibt es aber auch die Meinungen vor Ort oder von Serben. Und in Deutschland gibt es eine Debatte.
Ken Jebsen: Also gibt es keine absolute Wahrheit?
Daniele Ganser: Es gibt immer verschiedene Positionen. Wir sind sieben Milliarden Menschen in 200 Ländern. Ist ja völliger Irrsinn, dass wir da einer Meinung sind. Also ich bin nicht mit meiner Frau dauernd einer Meinung. Das Prinzip ist aber, dass wir uns dann nicht andauernd umbringen. Das ist der kulturelle Fortschritt.
Ken Jebsen: Sie versuchen dann die Kinder auf Ihre Seite zu bringen? (Lachen)
Daniele Ganser: Aber das was passiert, das ist ja ‚information warfare‘ – so nennen das die Amerikaner. Was im ‚information warfare‘ passiert, dass sie ‚no go areas‘ definieren. Das heißt also zum Beispiel, Herr Bröckers darf nicht untersuchen, was ist am 20. Februar 2014 auf dem Maidan passiert mit den Snipern.
Mathias Bröckers: Das darf man schon untersuchen, aber er darf es nicht senden.
Daniele Ganser: Genau. Und man darf auch nicht zeigen, wie die Amerikaner mit ihren U-Booten – oder wer es auch immer war – vor den Küsten vor Schweden auf und ab getaucht sind; gleichzeitig gesagt haben: ‚Das waren die Sowjets.‘ Ich sage immer: ‚Mein Sohn fände das super.‘ Einfach diese Story; mit U-Booten rauf und runter. Das sind ja spannende Geschichten.
Willy Wimmer: Aber nur das, was Sie gezeigt haben (deutet auf Dirk Pohlmann) ist ja ein Schlag ins Gesicht der heutigen Politik. Wir lesen in den deutschen und internationalen Zeitungen, dass die Schweden sich Sorgen machen, die Finnen machen Probleme. Die schreiben 900.000 Reservisten an. Uns Sie kommen dann mit Ihrem Film und sagen wie das eben in einigen Vorzeit passiert ist. Das heißt, der heutigen Politik glaubt doch keiner mehr.
Dirk Pohlmann: Das war genau die Diskussion. Der Film war ja fertig im Sommer, Spätsommer 2014.
Willy Wimmer: Ja, das sind Inszenierungen.
Dirk Pohlmann: Also da war das noch nicht. Und dann war der Film gerade fertig, da tauchte das erste U-Boot vor der schwedischen Küste auf.
Ken Jebsen: Ich darf das kurz mal erklären, weil Viele haben das nicht verstanden: Der Film ‚Täuschung-Die Methode Reagan‘ da werden verschiedene Stränge der Täuschung der Amerikaner in Schweden gezeigt, wo ja auch das Parlament hintergangen wurde, wo auch Verrat stattgefunden hat durch Militärs in Schweden. Und da war es unter anderem so, dass da ganz plump U-Boote vor Schweden auftauchten und völlig verblödete Kapitäne die Boote auf den Strand gesetzt haben. Da gab es ‚Wiskey on the rocks‘, die Wiskeyklasse. Nachdem dieser Film gelaufen war, zwei, drei Tage später konnte man im ‚Spiegel‘ lesen: ‚Schon wieder U-Boote vor Norwegen und Schweden- wahrscheinlich die Russen.‘ Wo ich dachte: Das hättet ihr vorher machen müssen. Danach…Das ist aber nicht so. Was ich mich jetzt frage…
Dirk Pohlmann: Doch das ist so, weil das Spartenrealitäten sind. Sehen Sie…
Daniele Ganser: Ja, weil es sind immer die gleichen Leute, die das schauen.
Dirk Pohlmann: Arte hat eine Quote von, also mein Film hatte 1.49% und das ist Rekord.
Ken Jebsen: Was bedeuten diese Zahlen?
Dirk Pohlmann: Das ist Marktanteil. Das heißt, 1,49% die das geguckt haben. Das ist für Arte ein Hit. Die sind mit über 1% normalerweise begeistert. Bei mir sind sie jetzt nicht mehr so richtig begeistert. Aber genau diese Diskussion war zum Beispiel zu dem Zeitpunkt- Der Film war fertig und die ersten U-Boote tauchen vor Schweden auf. Da meinte ich: ‚Den müsst ihr jetzt sofort zeigen.‘ Das ist doch der Moment, an dem man sagen muss: Damals war Palme zwei Tage an der Regierung, sozialdemokratische Regierung, zwei Tage und zack (schnellt mit dem Finger in die Luft) tauchen die U-Boote auf. Jetzt wieder Schweden, sozialdemokratische Regierung und zack tauchen die wieder auf. Und es geht wieder um Außenpolitik. Damals ging es um das teuerste Rüstungsprojekt Schwedens, den Gripen; heute geht es um Schweden in die NATO, Finnland in die NATO. Das sind diese Sachen. Und da wird ein Bedrohungsszenario hergestellt, das immer gleich abläuft: Irgendjemand sieht ein U-Boot. Darüber wird berichtet und dann fragt man das Militär. Und das Militär sagt: ‚Ja, da war doch was. Wir können nicht genau sagen was.‘ Dann gibt es Experten, die gefragt werden; nicht der Herr Ganser, nicht der Herr Bröckers, sondern irgendwelche Leute von STRATFOR vielleicht. Und die sagen dann: ‚Ganz klar, russische U-Boote.‘ Und daraus wird im Kopf in einer Kette – so wie der Irak für 9/11 verantwortlich gemacht wurde – in einer Kette, wo jeder sagen kann: ‚Ich habe das nie behauptet!‘ Da wird daraus ‚russische U-Boote‘ und daraus wird: ‚Oh ganz gefährlich! Putin mach eine aggressive Politik. Wir müssen uns dagegen wehren.‘
Ken Jebsen: ‚In dubio pro reo‘ gilt in diesem Fall gar nicht?
Dirk Pohlmann: Nein, das ist das Absurde in dem Moment. Mein Film hätte dann einen Effekt gehabt, der eben diese Situation hinterfragt. Und das sollte bereits nicht stattfinden. Der Ausstrahlungstermin; da gab es dann Diskussionen. Die eine Gruppe wollte 20:15Uhr, die andere wollte lieber irgendwann nach Mitternacht. Letztendlich wurde es dann irgendwann nach 23:00Uhr ausgestrahlt. Es wurde immer später. Heute kann man es über das Internet schauen.
Daniele Ganser: Genau, ich habe es 6Uhr über Youtube geschaut.
Dirk Pohlmann: Heute guckt man es dann über Youtube oder man guckt es über Arte+7. Das heißt, wenn es einmal draußen ist, dann ist es draußen. Dann ist es nicht mehr zu stoppen.
Daniele Ganser: Ich finde, man muss das unbedingt betonen: Es ist nicht mehr zu stoppen, diese Dinge, die wir aufdecken. (Applaus) In dem Film ist ja auch sehr gut dargelegt, dass Olof Palme in Schweden oder wir, die Schweiz, und Schweden sind darum immer ein bisschen vernetzt – immer wenn ich in den USA bin, sagen die Leute: ‚Ah, from Switzerland! I know. That‘s with the beautiful, good looking blond ladies.‘ Das sage ich immer: ‚Nein, das ist Schweden.‘ Das wird immer verwechselt. (Lachen) Das mit Schweden beobachten wir sehr genau, weil Schweden hat ja damals unter Olof Palme auch die Idee, dass man den ganzen Norden sozusagen aus der NATO herausholt.
Mathias Bröckers: Die wollten einen Friedensvertrag mit den Russen machen, so wie Brandt auch.
Daniele Ganser: Genau. Das war eine große Vision, eine wunderbare Vision von Palme. Und dann sagte er: ‚ Wir suchen den Frieden mit Gorbatschow. Ich fliege nach irgendwie nach Moskau und wir suchen danach. Und jetzt muss ich den Studenten heute erklären, dass dann einfach so eine bescheuerte Taktik funktioniert, dass einfach einige U-Boote auftauchen. Und das sind Amerikaner oder es sind andere NATO-Verbände. Und man sagt aber: ‚Es sind die Russen.‘
Dirk Pohlmann: Italiener hauptsächlich.
Daniele Ganser: Italienische U-Boote. Das ist wichtig! Es sind italienische U-Boote…
Mathias Bröckers: Die Amerikaner hatten es sich ausgedacht.
Daniele Ganser: Exakt. Die Forscher, die da dran sind, sagen: ‚ Die Amerikaner haben extra italienische U-Boote genommen, weil wenn es aufgedeckt wird, dann können sie sagen: ‚Wir waren es nicht, sondern die Italiener. Und die Italiener sind bekannt dafür, immer…
Dirk Pohlmann: Mit dem U-Boot durch die Gegend zu fahren.
Daniele Ganser: Das ist doch für einen jungen Menschen extrem enttäuschend. So dass er sagt: ‚Was? So billig werden wir über den Tisch gezogen?‘ Und Palme wurde am Schluss erschossen. Also wir sprechen ja nicht über Kleinigkeiten. Es ist ja nicht so, dass man sagen kann: ‚Die Vier verbeißen sich ja jetzt in jedes Detail. Es ist doch egal, wer in der Ukraine geschossen hat. Und 9/11 soll doch machen, wer will. Das war ein harter Tag uns so…‘ Das ist unsere Geschichte! Wir werden daraufhin ja überwacht. Aufgrund genau diesen Geschichten.
Ken Jebsen: Ich möchte da mal kurz hineinkrätschen: Was ich wirklich schon verwunderlich finde, was ich ab und zu in den Teppich beiße, obwohl wir zu Hause gar keinen haben. Herr Pohlmann, Sie haben ja mit hohen Militärs gesprochen in den USA. Das sind jetzt nicht kleine Fische und Whistleblower, sondern die haben sich da gerühmt. Sie können ruhig einmal nennen, mit wem Sie da gesprochen haben. Und obwohl die, das war ein Eingeständnis. Eigentlich müsste man…
Mathias Bröckers: Vielleicht aus Eitelkeit.
Ken Jebsen: Ja, vielleicht aus Eitelkeit; damit sie auch einmal genannt werden. Vielleicht können Sie mir einmal erklären, wie man an solche Leute herankommt? Es waren wirklich hohe Tiere. Und dann geht man zur Tagesordnung über. Wie geht das denn?
Dirk Pohlmann: Das ist das, was mich dann doch erstaunt hat. Wenn ich jetzt gucke, in der Reaktion ist es eben so: Es wird in Blogs darüber geschrieben und es gab diese Interviews zwischen Ihnen und mir, die auch angeklickt werden, aber es taucht nicht auf. Ich möchte noch einmal – es ist ein Detail nur – ich habe vor zwei, bis vor 1,5 Jahren habe ich regelmäßig bei ‚Spiegel-online‘ als Leser Kommentare abgegeben und zwar zu Themen bei denen ich mich auskenne. Und ich kenne mich mit Geheimdienstsachen wirklich gut aus. Und ich bin mittlerweile komplett geblockt. Auch das ist ja interessant. Also wenn ich etwas schreibe, das kommt nicht mehr im ‚Spiegel‘.
Ken Jebsen: Also, Kompetenz wird geblockt?
Dirk Pohlmann: Es kann ja nicht sein. Ich mache keine beleidigenden Texte. Ich gebe ziemlich viel Hintergrund und das wird dann herausgenommen.
Daniele Ganser: Das wird übrigens auch bei Wikipedia geblockt. Mein WikipediaeintraDaniele Ganser: Es heißt dort: ‚Ganser greift Verschwörungstheorien zum 11. September auf.‘ Und da habe ich gesagt: ‚Wir müssen den ändern in: Ganser untersucht die Terroranschläge vom 11. September kritisch. Wir versuchen das dann zu ändern. Man muss ja dort einen Useraccount haben. Es heißt, das ist die freie Enzyklopädie. Jeder hier im Raum kann einen Account haben und dann dort reinschreiben. Aber Achtung! Oberhalb vom Useraccount sind die sogenannten Sichter und Administratoren. Und die schauen sehr genau darauf, dass es dann am Schluss heißt: ‚Das ist ein Spinner.‘ Und wenn dann die Leute das korrigieren wollen, dann ist eben der ganze Account geblockt. Und das ist genau das, was wir erwarten im Zeitalter der ‚digital warfare‘. Wir stecken mittendrin. Das ist nicht etwas, das erst in fünf Jahren kommt, sondern das läuft schon.
Willy Wimmer: Aber das, was Sie beschreiben, ist ja das Beschreiben von Widersinn. Es versteht ja keiner. Das ist im politischen Bereich natürlich nicht anders. Und ich will das einmal ansprechen unter dem Gesichtspunkt: Das ist die Wirklichkeit und damit müssen wir Europäer uns beschäftigen. Ich war für die letzte große NATO-Übung im Kalten Krieg der Übungsminister der Verteidigung. Ich habe also acht Tage konventionell Krieg geführt und einige Tage – bis dann auf meine Bitte hin der Bundeskanzler Helmut Kohl ausgestiegen ist – auch nuklear.
Ken Jebsen: WINTEX?
Willy Wimmer: WINTEX, SIMEX. Wir haben also hier Krieg geführt. Und deswegen kann ich nur sagen, wer sich also im Zusammenhang mit der Ukraineentwicklung Gedanken macht, was auf uns zukommt oder machen will, was auf uns zukommt. Dem kann ich nur sagen: ‚Er soll jede Hoffnung fahren lassen! Denn wir überstehen noch nicht einmal einen konventionellen Krieg.‘ Das muss man ja in aller Deutlichkeit sagen. Nur, ich habe dann anschließend mit dem amerikanischen Generalstabschef über diese Dinge gesprochen. Ich kriegte einen Sondertermin. Normalerweise – Sie haben ja eben auf Amerikabesuche abgestellt (zeigt auf Dirk Pohlmann) – kann man 30 Minuten mit einem Gesprächspartner in Washington reden. Ich kriegte 2,5 Stunden eingeräumt, weil ich mich quer gelegt hatte mit der NATO-Übung. Was hat der amerikanische Generalstabschef Admiral Crowe gesagt? In der Zeit, wo wir hier Krieg geführt haben, uns konventionell und nuklear ausgelöscht haben, ist er mit seinem russischen Konterpart und den Familien zwei Wochen durch die Sowjetunion getourt. Die haben Ferien gemacht. Die haben Ferien gemacht! Wir haben also uns ausgelöscht und die haben Ferien gemacht. Und dann kann ich natürlich nur sagen: ‚Ich respektiere diesen Mann, dass er mir das gesagt hat.‘ Nur wenn das so ist, dann will ich nicht nur Hampelmann sein, nicht nur JoJo. Und deswegen müssen wir politische Konsequenzen daraus ziehen, dass wir uns selbst artikulieren; auch natürlich in freundschaftlicher Beziehung mit anderen und deutlich machen, dass das nicht unser Schicksal sein soll. Und das, was Sie gesagt haben (deutet auf Dirk Pohlmann). Also ich habe den Film bewundert, weil er hätte ja auch die Situation heute beschreiben können. Sie sind in die Vergangenheit gegangen und waren aktueller als man aktuell sein kann.
Dirk Pohlmann: Ja, die Muster über die wir gesprochen haben.
Willy Wimmer: Und das habe ich im politischen Kontext ja auch. Da machen es die Schweden und die Finnen. Und die Norweger machen es vermutlich, weil sie uns in Gefolgschaftbringen wollen für ihre arktischen Auseinandersetzungen mit der Russischen Föderation. Da geht es ja um Cash und nicht um Werte. Das muss man ja einmal sagen. Wir haben dieses Problem natürlich auch mit unseren baltischen Nachbarn. Die Balten haben natürlich eine wechselvolle Geschichte im Zusammenhang mit den Russen. Das muss man respektieren. Das ist so. Nur wenn die sich heute noch über Hitler-Stalin-Pakt aufregen, dann kann ich nur sagen: ‚Das machen sie zu Recht.‘ Dann sollten sie aber heute ihre Klappe halten und uns nicht in einen neuen Krieg mit den Russen treiben. Das ist genau dieses Spiel, das wir überall haben. Und deswegen: Wir haben überall diese Politik, über die wir jetzt reden, seit 1999. Mit Belgrad hat es angefangen. Wir sind in einen verbrecherischen Krieg nach den anderen getrieben worden.
Ken Jebsen: Rot-Grün hat damit angefangen- das muss man dazu sagen.
Willy Wimmer: Ja, Rot-Grün hat damit angefangen. Ja, und vor allem dieser unsägliche Herr Fischer mit seinem Auschwitzvergleich. Das heißt, die schrecklichen Dinge der Vergangenheit werden auch heute noch benutzt um uns zu instrumentalisieren, um uns in Stimmung zu bringen. Und deswegen kann ich nur sagen, wenn ich mir seit 1999 so ansehe: ‚Wir haben eine Blutspur als Westen hinterlassen!‘ Warum ziehen wir keine Konsequenz und jagen die alle zum Teufel? (Klatschen)
Mathias Bröckers: Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus, der Sowjetunion ist ja den USA so ein Stück der Feind abhandengekommen. In den 90ern – Sie haben es eben beschrieben (deutet auf Willy Wimmer) – 1992 da war ja das, was Putin und auch schon seine Vorgänger gesagt haben: ‚Ja, wir brauchen eine Pakt von Wladiwostok bis nach Lissabon.‘ Das war da im Prinzip auf der Tagesordnung. Die Stimmung war so, dass man sozusagen eine Sicherheitsarchitektur in Europa unter Einbeziehung Russlands; Wirtschaftsbeziehungen usw.; hätte machen können.
Ken Jebsen: Was Egon Bahr schon gesagt hat: ‚In Zeiten von Atomwaffen kann man nur eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur haben.‘
Mathias Bröckers: Genau so. Jetzt nist das ja – wie wir hier feststellen in dieser Runde – ganz anders gekommen. Und da muss man sich die Schritte dahin angucken. Da entsteht dann in Amerika auf einmal – das ist dieses berühmte Buch von Huntington ‚Clash of Civilisations –
Ken Jebsen: Auftragsarbeit?
Mathias Bröckers: Auftragsarbeit. (nickt) Da wird ein neues Feindbild konstruiert. Das ist jetzt der militante Islam. Der spielte in den 90er Jahren so gut wie überhaupt keine Rolle; ein paar Terroristen hier und da…
Dirk Pohlmann: Ich muss jetzt kurz mal hinein, weil ich kann mich gut daran erinnern und die Leute, die alt genug sind: Lowenthal. Da haben wir die Mudschahedin, haben wir gesehen in Afghanistan, die gegen die Sowjets kämpfen. Und das waren unsere Freunde, weil sie Muslime waren und an Gott geglaubt haben; so wie wir im Westen und in den USA. Die Gottgläubigkeit, die tiefe Religiosität war das – in der Argumentation – was uns verband gegen die atheistische Sowjetunion. Das ist völlig umgedreht.
Ken Jebsen: Die radikalen Moslems, weil sie radikal an ihren Gott glauben, waren unsere Freunde, weil wir radikal an unseren Gott glauben?
Willy Wimmer: Man muss es doch einmal ganz nüchtern sagen: ‚Die Taliban sind doch eine Erfindung der Amerikaner, der Saudis und der Golfstaaten.‘ (Applaus) Wir schaffen uns doch die Bedrohungen.
Mathias Bröckers: Wir schaffen uns unsere Feinde selbst. Wir brauchen sie. Gucken Sie sich doch einmal den militärisch-industriellen Komplex in den USA an.
Ken Jebsen: Ja, Sicherheitsindustrie.
Mathias Bröckers: Es gibt diese wunderbare Rede von Eisenhower, seine ‚Farewell-Ansprache‘, wo er diesen Begriff auch zum ersten Mal benutzt – militärisch-industrieller Komplex. Also die Industrie, die mit Krieg und Waffen Geld verdient. Und Eisenhower warnt damals davor ‚62: ‚Wir müssen verhindern, dass dieser Komplex in die Politik eingreift usw.‘
Dirk Pohlmann: ‚Die größte Gefahr für die Demokratie.‘sagt er.
Mathias Bröckers: Dann kommt Kennedy – darüber habe ich ja auch ein Buch geschrieben vor ein paar Jahren –
Ken Jebsen: ‚Staatsstreich in Amerika‘ darüber haben sie damals das Buch geschrieben über JFK.
Mathias Böckers: Ja, genau. Das war damals meine These, die habe ich – glaube ich – auch ganz gut belegen können dort.
Ken Jebsen: Also, was feststeht: JFK ist nicht eines natürlichen Todes gestorben.
Mathias Bröckers: Nein, das war ein Staatsstreich, weil Kennedy wollte; er hatte ein paar Wochen vor seinem Tod noch seinen engsten Leuten gesagt: ‚Also wenn ich wiedergewählt werde‘ – er war ja gerade auf Wahlkampftour damals – ‚dann fahre ich nach Moskau und mache mit den Russen Peace.‘ Das war seine, also die ersten zwei Jahre seiner Regentschaft…
Dirk Pohlmann: Das ist ja geradezu ‚Palme-artig‘.
Mathias Bröckers: Ja. Dann kommt im übrigen noch nach dem Kennedy-Mord zum ersten Mal – was Sie eben angesprochen haben (deutet auf Daniele Ganser) – der Begriff Verschwörungstheorie. Ich habe das recherchiert, wie kommt denn der überhaupt in die Welt. Der Begriff, der jetzt verwendet wird für alles, was irgendwie nicht in den Mainstream passt. Die CIA hat damals als der erste Prozess anfing, überhaupt die erste juristische Untersuchung des Kennedy-Mords in New Orleans, da gibt die CIA an alle ihre Dienststellen ein langes Memo heraus – das kann man nachlesen im Internet – und da steht so drin: ‚Es gibt viele kritische Stimmen, dass der Oswald nicht – also kein Einzeltäter – den Kennedy ermordet hat, sondern andere. Das sind Verschwörungstheorien.‘ Da wird der Begriff verwendet.
Dirk Pohlmann: Wobei ‚Conspiracy‘ ein juristischer Begriff ist.
Mathias Bröckers: Genau, das ist eigentlich ein juristischer Begriff im amerikanischen Recht. Bei uns haben wir das nicht so. Und dann wird dieser Begriff ‚Conspiracy theory‘; also es wird dargelegt: ‚Also diese Leute, die nicht an die offizielle Geschichte glauben, das sind Verschwörungstheoretiker. Die sind entweder Staatsfeinde oder nur auf Geld aus mit ihrer schrägen Theorie; wollen Bücher verkaufen.‘
Ken Jebsen: Kommunisten sogar?
Mathias Bröckers: Ja, Kommunisten auch noch. Also da wird es im Rahmen der psychologischen Kriegsführung dieser Begriff lanciert.
Daniele Ganser: Genau, es ist psychologische Kriegsführung.
Mathias Bröckers: Ja, das ist psychologische Kriegsführung. Und wer heute wie Herr Ganser, ich, er wahrscheinlich auch (deutet auf Dirk Pohlmann), Herr Wimmer arbeitet noch daran; er war ja zu lange in der CDU. (lacht)
Willy Wimmer: Aber ich kann Sie beruhigen: Ich bin in diesem Kontext erst gestern Abend befragt worden. Ich habe gesagt: ‚Solange man als ehemalige FDJ-Sekretärin Bundeskanzlerin werden kann, darf ich in der CDU bleiben. (Lachen)
Mathias Bröckers: Also, es wurde in den 60er Jahren dieser Begriff lanciert.
Daniele Ganser: Und es ist ein Kampfbegriff. Das arbeiten Sie ganz gut heraus. Die meisten Leute verstehen nicht, dass ‚Verschwörungstheoretiker‘ genauso ein Kampfbegriff ist wie ‚Ketzer‘ bei Martin Luther. Die Leute verstehen nicht, dass Kriegsführung nicht nur Bomben und Panzer und Flugzeugträger sind, sondern auch Worte, Begriffe und Bilder.
Ken Jebsen: Da ist dann aber Isolation als der Sinn des Ganzen? Man will die Menschen sozial isolieren.
Daniele Ganser: Der Trick ist sozusagen, dass sich Hugo Müller nicht getraut, das zu sagen, was er eigentlich sagen möchte. Weil er hat Angst, dass sein Chef das Gefühl hat, er ist ein Verschwörungstheoretiker. Und das wäre dann soviel wie die Kündigung und die Kündigung möchte er nicht. Also frisst er alles in sich herein. Er ist irgendwie um 11Uhr nachts noch auf dem Internet, schaut sich irgendwelche abgefahrenen Diskussionen an und hat das Gefühl: ‚Das kann doch nicht sein! Mir explodiert der Kopf.‘ Und da sage ich: ‚Das Wesentliche ist: Sprechen Sie mit den anderen Menschen.‘ Das sage ich allen Zwanzigjährigen. ‚Sprechen Sie mit den anderen Menschen. Halten Sie verschiedene Positionen aus.‘ Das ist ja auch das, was man lernen muss. Das müssen wir allen erklären. Es geht ja nicht um Konsens. Es geht darum, widerstreitende Perspektiven überhaupt zuzulassen und dann einen Diskurs zu haben, der sich sozusagen erlaubt außerhalb der von der NATO vorgegebenen Fahrrinne auch mal ein bisschen…
Mathias Bröckers: Ja überhaupt erst einmal nur zu denken.
Daniele Ganser: Ja. (Applaus)
Willy Wimmer: Absolut richtig. Wir sehen doch die praktische Konsequenz in den Parlamenten und in den Parteien. Ich bin ja noch in einer Zeit sozialisiert worden, wo es innerparteiliche Diskussionen gegeben hat. Da wurde über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie über alle anderen politischen Themen, natürlich intern, gerungen. Da wurde debattiert. Da fanden Fachkongresse statt, die waren auch geschlossen, damit sie nicht gegen eine Führung instrumentalisiert werden konnten; das heißt, Äußerungen da werden sofort ausgelegt als Äußerungen gegen den Parteivorsitzenden oder gegen die Kanzlerin. Man konnte offen reden. Und wenn man das nicht macht, wenn das abgeschnitten wird – und das gibt es ja heute gar nicht mehr – dann weiß doch die Parteiführung – und sie will es gar nicht mehr wissen – die wissen doch gar nicht mehr, wie die Mitglieder denken. Deswegen sind die Parteien doch auch weggestorben. Das muss man doch wirklich sagen: Die findet man doch in der Fläche gar nicht mehr wieder. Und das, was Sie beschrieben haben (deutet auf Daniele Ganser) ist doch die praktische Konsequenz. Die Leute gehen in das private Gespräch. Sie äußern sich öffentlich nicht mehr. Sie wollen auch nicht gehört werden, auch nicht im größeren Freundeskreis mehr und wir verändern auf diese Art und Weise schleichend den Charakter unseres Landes. Und in den Parlamenten ist es doch genauso. Sie wissen doch gar nicht, wer die Vorlagen Ihnen auf den Tisch legt über die debattiert werden sollen.
Ken Jebsen: Die wissen gar nicht, woher das kommt?
Willy Wimmer: Ja, Sie wissen gar nicht mehr, woher das kommt. Und wenn Sie darüber reden, dann ist diese ganze Diskussion ohne Konsequenz. Das heißt, Sie reden ins Leere. Die machen sowieso was sie wollen.
Ken Jebsen: Herr Wimmer, ich möchte hier einmal eingreifen. Was mir aufgefallen ist als ich angefangen habe, meinen Fernseher abzustellen. Ich habe das auch einmal getestet als Reporter auf der Straße: Wenn man in einer klassischen Talkshow – und das ist hier keine Talkshow; es ist eine Gesprächsrunde. Das ist ein großer Unterschied. – Aber wenn man eine klassischen Talkshow aufgezeichnet hat, dann hat man da verschiedene Parteienvertreter und man hat Sätze, die dort gefallen sind genommen und hat gesagt: ‚Das ist ein Satz, das ist ein Satz und das ist ein Satz.‘ Und man hat gesagt, wer da war. Und man hat gefragt: ‚ Wer hat den diesen Satz gesagt?‘ Dann hätte jeder Satz von jedem stammen können. Die Leute können das nicht mehr zuordnen. Das ist alles Wischiwaschi. Aber weil Sie ja auch von den praktischen Konsequenzen sprechen. Das hat natürlich praktische Konsequenzen, wenn man sich al Politiker nicht mehr offen äußern kann. Denn das ist ja der Job des Politikers, nämlich offen zu sprechen. Und eine dieser Konsequenzen – darüber möchte ich jetzt mit Ihnen reden, weil es betrifft viele junge Menschen, die das hier sehen – ist der Parlamentsvorbehalt. Was bedeutet das , wenn der Parlamentsvorbehalt – erklären Sie bitte kurz, was das ist – abgeschafft wird? Weil daran wird gearbeitet.
Willy Wimmer: Ja, weil das stört natürlich die NATO-Überlegungen, dass der Deutsche Bundestag was Militäreinsätze anbetrifft eine öffentliche Debatte haben muss. Das heißt, die Deutschen wollen wissen, was mit ihrer Bundeswehr los ist. Und sie machen das ja mit einer gewissen Vorbildfunktion sogar in der westlichen Allianz. Weil es das in Deutschland gibt, war ja vor zwei, drei Jahren weder das britische Unterhaus bereit in Syrien einzumarschieren noch der amerikanische Kongress. Man muss das ja ganz nüchtern sehen. Das heißt in einer Zeit, wo wir den Parlamentsvorbehalt NATO-konform abschaffen wollen, gibt es andere Parlamente, die eigentlich begierig auf dem Pfad sind, so etwas zu bekommen. Dass man öffentlich darüber reden muss und dass das nicht eine administrative Entscheidung ist, was mit den eigenen Töchtern und Söhnen – die sind ja in der Bundeswehr, die sind ja in der Armee – passiert. Und diese öffentliche Diskussion, die es bei uns gibt, die soll so zurückgenommen werden, dass der NATO-Oberbefehlshaber und damit der amerikanische Präsident alleine darüber entscheidet, was mit der deutschen Bundeswehr passiert. Denn wenn es keine öffentliche Diskussion im Deutschen Bundestag mehr gibt, hat die Regierung eine bequeme Ausrede nicht mehr zur Verfügung. Und die rettet uns. In dem Maße, wie es eine Parlamentsdebatte darüber und eine öffentliche Debatte gibt, kann die Regierung natürlich in der NATO sagen: ‚Das tut uns leid. Das kriegen wir im deutschen Bundestag nicht durch.‘ Das ist ein bequemes Argument. Das nutzt jede Regierung; die schweizerische wie die amerikanische. Das heißt, reputierliche Nachbarn tun es genauso wie wir.
Ken Jebsen: Die kriegen es nicht durch den Kongress dann, die Amerikaner?
Willy Wimmer: Ja, die kriegen es dann nicht durch den Kongress oder wie Cameron gesehen hat. Er hat es nicht durchs Unterhaus bekommen. Wenn ich das nicht mehr habe, dann hat die Regierung diese Ausrede nicht mehr. Und dann ist es faktisch so, dass der NATO-Oberbefehlshaber – und das ist ja der Präsident – darüber entscheidet, was mit der Bundeswehr passiert.
Mathias Bröckers: Wer betreibt es denn hier bei uns das abzuschaffen?
Willy Wimmer: Das ist die Große Koalition. Das steht im Koalitionsvertrag. Das haben die sich vorgenommen. Dazu ist eine Kommission einberufen worden unter Vorsitz eines ehemaligen, auf diesem Gebiet notorischen Verteidigungsministers. Und damit ist die strategische Absicht verbunden, das, was wir haben, so NATO-konform zu machen, dass sich im Deutschen Bundestag gegen Militäreinsätze kein Widerstand mehr regen kann. Und dann ist das weg und dann haben wir unsere Bundeswehr – und das haben die Amerikaner im Jahre 2000 sehr klar gemacht – dann haben wir unsere Bundeswehr im globalen Einsatz für amerikanische Interessen. Das ist der strategische Hintergrund. Und ich sage es einmal bezogen auf die Überlegungen im Zusammenhang mit der Ukraine und mit der Russischen Föderation; Der NATO passen zwei Dinge ins Konzept: Nazibataillone in der Ukraine und an der russischen Grenze. Also, die mit dem Schlimmsten kommen, was ein Russe sich vorstellen kann: Mit den Vernichtungssymbolen der Vergangenheit.
Ken Jebsen: Das kann man sogar im ZDF sehen.
Willy Wimmer: Das kann man sogar da sehen. Und dass die deutsche Bundeswehr, ohne dass das deutsche Parlament offen darüber debattiert, im Namen der NATO- Interessen eingesetzt werden kann. Man kann ja immer wieder sagen: Wir benötigen Indikationen, in welche Richtung unser Land gehen soll. Und ich kann aus meiner Sicht der Dinge nur sagen: – gerade vor dem Hintergrund einschlägigster Erfahrungen auf diesem Feld – Das sind zwei Indikationen, also wenn die eintreten, dann weiß ich nicht wie lange es noch dauert, bis wir den Konflikt in Europa haben.
Daniele Ganser: Und da muss man – ich finde das gerade ein ganz, ganz wichtiges Statement, das Sie da gerade gemacht haben – man muss sich ja daran erinnern an diese Rede von Georg Friedman, der eben sagt: ‚ Eurasien‘, das heißt Europa und Asien zusammengenommen – also sagen wir einmal die Flughöhe, die so hoch ist, dass Deutschland und die Schweiz nicht mehr von einander zu unterscheiden sind. Dann ist also Eurasien da.
Ken Jebsen: Dieser riesige Kontinent; das Herzland.
Daniele Ganser: Genau. Er sagt ganz klar: ‚Das Imperium, das heißt die USA, können Eurasien mit Truppen nicht kontrollieren, weil man zahlenmäßig unterlegen ist.‘ Aber was man machen kann, man kann Eurasien schwächen indem man zum Beispiel die Iraner und die Iraker beide mit Waffen beliefert. Dann erschießen sie sich gegenseitig, haben 400.000 Tote. Und er sagt explizit: ‚Das war zwar zynisch, aber es hat funktioniert. Deswegen finde ich das eine super Idee. Man sollte das jetzt mit den Russen und den Deutschen machen.‘ Das heißt die Idee – und das wird ja den Leuten überhaupt nicht erklärt – die Idee ist wirklich, dass Deutsche Russen erschießen und Russen Deutsche erschießen. Und das soll in der Ukraine passieren. Und die Medien…Nichts darüber. Sondern die Leute werden eigentlich in den Krieg geführt. Und wenn wir jetzt einmal die NATO-Bilanz der letzten Jahre anschauen: Die USA und Großbritannien haben den Irak bombardiert 2003 – die Geschichte mit den ABC-Waffen – nur Lüge. Was ist mit dem Land jetzt? Nur Chaos; Tote: 1 Million. Ok, nicht ein super Leistungsausweis. Dann Libyen; 2011 wurde bombardiert; hatte ein UNO- Mandat, aber nur für eine ‚No-fly-zone‘. Diese ‚No-fly-zone‘ wurde gedreht in einen ‚Regime-Chance‘. Das ist so, wie wenn ich Ihnen Herr Pohlmann sagen würde: ‚Sie dürfen gerne vor meinem Haus parken, wenn Sie jemanden in der Gegend besuchen.‘ Und Sie bedienen sich und essen den Kühlschrank leer. (Lachen) Dann sage ich immer: ‚Das ist das Gleiche. Ich habe nur gesagt: Sie können parken.‘
Ken Jebsen: Und er zieht dann bei Ihnen ein und wohnt gleich dort.
Daniele Ganser: Na dann hört es auf. Dann rufe ich die NATO. (Lachen) Also auch bei Libyen wurde gelogen. Da, finde ich, ist Deutschland ehrenwert, dass man da nicht mitgemacht hat. Dann der Afghanistankrieg. Der Afghanistankrieg baut auf 9/11 auf. 9/11 – das wissen wir – dürfen wir nicht untersuchen. Afghanistan, seit 14 Jahren bombardiert, auch noch ein Chaos. Und jetzt sagt man: ‚Libyen, Irak, Afghanistan – das zeigt doch, dass wenn wir das mit der Ukraine machen, dann kommt da eine blühende Demokratie heraus, wo Sie am liebsten Ihre Kinder 2020 in die Schule schicken würden.‘ Da merkt jeder: Da stimmt doch etwas nicht! Ihr lügt wie gedruckt.
Willy Wimmer: Ich kann das nur querschreiben. Ich habe da eine Erfahrung im Jahr 2007 gemacht, wo ich mit einem hochrangigen pakistanischen Gesprächspartner beim afghanischen Präsidenten Karzai gewesen bin. Ich war vorher schon intensiv in diesem Land seit 1995 unterwegs, kenne also das ein oder andere. Und dann sagt dieser afghanische Präsident: ‚Im Jahr 2004 hätten die Amerikaner in Afghanistan schon den Frieden haben können.‘
Ken Jebsen: Noch einmal, bitte.
Willy Wimmer: Sie hätten Frieden haben können. Die Amerikaner hätten 2004 in Afghanistan Frieden mit allen Gruppen haben können. Sie hätten keinen Krieg mehr führen müssen. Sie haben es abgelehnt. Das sagt der mit Gnaden der Amerikaner ins Amt gekommene afghanische Präsident Karzai. Und dann kann ich natürlich nur sagen: Wenn das der Hintergrund dafür ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten da sterben sollen, dann kann man das doch nicht mitmachen. In welchem Verein leben wir eigentlich? Und in welchem Land tun wir es auch? Das heißt, da muss man ja jeden Widerwillen, den man artikulieren kann, den muss man doch da artikulieren. Es war ja nicht irgendjemand, der das gesagt hat. Es war ja der afghanische Präsident, der mit Sicherheit die Situation da beurteilen konnte.
Mathias Bröckers: Aber man muss sich ja da fragen, wenn man sich die imperiale Politik anguckt, schon bei den Römern vor 2000 Jahren und jetzt heute des Imperiums in Washington; und ich frage mich oft – ich habe keine Antwort – aber ich frage mich oft: Was ist da die Absicht dahinter? Also es gibt diese Strategie der Amerikaner ‚full global dominance‘ offiziell. Also das haben wir hier auch zitiert (hebt sein Buch in die Luft). Kann man per PDF auch nachlesen. Globale Dominanz ist sozusagen die Pentagon-Strategie. Sie haben es ja eben kurz aufgezählt (deutet auf Daniele Ganser), was für ein blutiges Chaos die Kriege seit ‚99 auch im Kosovo. Dort ist jetzt Bondstell und Drogenhandel, sonst ist da nichts im Kosovo.
Willy Wimmer: Na das wollte man ja von Anfang an haben.
Mathias Bröckers: Genau. Die Römer haben ja damals eine Politik gehabt, also in der Antike, dass sie gesagt haben: ‚Am Rande des Imperiums muss immer Chaos herrschen, damit wir Innen Stabilität haben. Und manchmal habe ich den Verdacht, Amerika macht das genauso.
Ken Jebsen: Aber Rom ist untergegangen.
Mathias Bröckers: Ja, Rom ist dann nach 300 Jahren untergegangen oder noch ein paar länger. Das frage ich mich wirklich: Ist das Absicht, was da passiert? Dass sie überall an den Rändern sozusagen Chaos anrichten um auch den militärisch-industriellen Komplex; damit man immer wieder Rüstung hat usw. Der ganze ‚war on terror‘, den führen wir ja seit 9/11, und wir haben soeben schon einmal kurz angesprochen: Der ‚war on terror‘ ist doch die größte Terrorzüchtungsanstalt, die man sich vorstellen kann. (Applaus)
Willy Wimmer: Inklusive des IS.
Mathias Bröckers: Genau. Das Kalifat da ist auch ein Ergebnis. Das kommt von uns.
Ken Jebsen: Da will ich mal kurz reingrätschen. Weil man sich die Frage stellt, warum sind die strategisch so gut, die vom IS, egal was wir machen; das ist jetzt nicht symphatisch. Vor allem die Führer sind arbeitslos gewordene Führer aus dem Irak, die wir damals dort mit aufgebaut haben. Das sind gute Soldaten, sage ich jetzt mal. Das wird ja auch nicht diskutiert.
Daniele Ganser: Ehemalige Saddam-Soldaten. Aber ich möchte auf das hinaus: Es wird uns ja dann immer erzählt, es gibt „das Böse“ und wir müssen jetzt mal richtig Bombardieren, dann ist „das Böse“ weg.
Also diese Story lesen sie jeden Tag in Spiegel Online und ProSieben und ich möchte einfach das erklären: Wenn das funktionieren würde, dann hätten wir das längst geschafft. Wir haben so oft herunter gebombt, dass eigentlich heute der Friede da sein müsste. Oder wir drehen noch eine letzte Runde mit richtig großen Bomben und dann haben wir es morgen geschafft. Diese Täuschung der Leute, dass man wirklich sagt: Wir arbeiten im Auftrag von Kindern und Enkeln, nämlich ihren, dass es besser kommt. Das ist die große Lüge. Man nimmt in Kauf, dass ganze Länder, wie jetzt Libyen, so genannte failed state sind ich habe einen Freund, der war mit mir in der Schule. Zwölf Jahre hat er mit mir die Schulbank gedrückt. Der ging danach zum Roten Kreuz und hat dann in Libyen versucht die ganze Genfer Konvention zu überwachen. Genfer Konvention heißt einfach: Die Leute mit ‚ner Knarre, die sich erschießen, dürfen keine Frauen vergewaltigen und keine Kinder erschießen. Auch im Krieg gibt es Regeln. Also er ging dorthin. Das ist ein gewisses Risiko. Ging ins Kriegsgebiet, hat dies beobachtet und immer wenn wir uns getroffen haben, hat er gesagt: „Sehr schlimm, seid die NATO das bombardiert hat ist das Land im Chaos.“ Interessierte ja niemanden mehr bei uns in der Presse. Vorher waren die Libyer unglaublich wichtig, man musste intervenieren weil es ging den Leuten schlecht, jetzt musste man helfen. Danach riesen Chaos, okay, gut, neues Thema. Was läuft im Fussball. Und dann habe ich einfach beobachtet, was er dort erlebt hat. Er wurde erschossen. Er wurde einfach erschossen. Das heißt, die Leute, die einfach vor Ort sind und versuchen, dass zu beobachten, die kommen weg und wir bekommen in unseren Medien einen so NATO-frisierten Propagandabrei, dass wer den wirklich widerstandslos so aufnimmt, kann ich mir nicht erklären.
Willy Wimmer: Deswegen, wenn ich das vielleicht da einhackend sagen darf: Deswegen sollten man in Europa mal dazu übergehen, das Rote Kreuz international…
Ken Jebsen: …zu entamerikanisieren…
Willy Wimmer: …von den europäischen Staaten zu finanzieren.
Daniele Ganser: Genau.
Willy Wimmer: Wenn wir ein Prozent des Budgets beitragen von dem so wichtigen Roten Kreuz auf internationaler Ebene, dann reicht das nicht. Und wenn 65 Prozent von den Amerikanern bezahlt werden, dann wissen wir doch genau, was dort herauskommt. Also d.h. wir müssen selber Konsequenzen ziehen im Zusammenhang mit diesen Dingen und sie haben eben auf die Doktrin des Pentagon aufmerksam gemacht, weil sie auch darüber geschrieben haben. Wenn sie sich die Direktiven zum internationalen militärischen Einsatz des amerikanischen Präsidenten durchlesen, und ich sage das jetzt, weil wir uns ja auch gerade mit dem 8. und 9. Mai 1945 beschäftigt haben, da frage ich mich immer, was unterscheiden diese Direktiven von dem, was Adolf gemacht hat.
Mathias Bröckers: Full global dominance.
Ken Jebsen: Amerikanische Weltherrschaft.
Daniele Ganser: Der amerikanische Professor Noam Chomsky sagt, alle Präsidenten der USA seit 1945 sind Kriegsverbrecher. Und zuerst habe ich gesagt, das ist jetzt ‚ne abgefahrene Aussage. Und dann habe ich geschaut: Okay, nehmen wir Bush junior, weil den haben wir erlebt. Da merkt man: Die ABC-Waffen im Irak waren gelogen. 2003 der Angriffskrieg ohne UNO-Mandat 1 Millionen Tote, ja Bush, Cheney und Blair sind Kriegsverbrecher. Das ist eine Tatsache. Dann denkt man: Ja gut, aber Clinton doch nicht, der war irgendwie charmant, sunny boy, hat an einen Tennisspieler erinnert, aber dann haben wir Belgrad ‚99 ohne UNO-Mandat. Das war ein Verbrechen. Gehen wir zu Obama. Dann sagt man: Ja, aber Obama doch nicht, endlich “Yes, we can”, jetzt kommt was Gutes und dann sieht man den Drohnenkrieg mit Friedensnobelpreis.
Ken Jebsen: Wie passt das zusammen? Ich sage ja immer Friedhofsnobelpreis.
Daniele Ganser: Ich sage jetzt, wenn die al-Qaida Drohnen hätte, wenn die technisch besser drauf wären, und diese Drohnen würden über der Schweiz, über Deutschland, über Österreich kreisen und über den USA und hätten in den letzten 10 Jahren 3000 Leute erschossen. Das fänden wir völlig, völlig…also, das wäre der ultimative Terror.
Ken Jebsen: Die kämen gar nicht bis 3000. Ich glaube, wenn drei Leute in Fürstenfeldbruck umkämen, dann…
Daniele Ganser: Nein, man muss sich so in das andere Bild hineinversetzten im Kopf, dass man wirklich das so verstehen muss, dass sie das könnten, und wir könnten nichts machen, und würden uns noch fragen, was wohnen denn eigentlich für Leute in den NATO-Ländern, dass denen das völlig egal ist.
Ken Jebsen: Das ist eine ganz wichtige Frage, Herr Ganser, die sie ansprechen, dass würde ich mir, als jemand der außerhalb der NATO lebt und der von der NATO trotzdem besucht wird, fragen. Was tun eigentlich diese zivilisierten Staaten mit ihren westlichen Werten, dass den Bürgern das egal ist.
Daniele Ganser: Das ist das, was Herr Bröckers sagt: “Wir sind die Guten”. Das ist Manufacturing Consent. Das ist nur im Kopf.
Willy Wimmer: Aber das muss eins nicht zur Folge haben: Ich bin weit davon entfernt zu sagen, die gehören alle nach Den Haag.
Daniele Ganser: Wer ‚die‘ jetzt? Die al-Quaida?
Willy Wimmer: Die Leute, die sie genannt haben: Bush, Tony Blair, was auch immer. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ist ja manchmal salopp. Der hat in allem Freimut vor gut einem Jahr gesagt: Das war natürlich ein Völkerrechtsbruch, im Zusammenhang mit Jugoslawien, ich habe das Völkerrecht gebrochen. Hat er öffentlich gesagt.
Mathias Bröckers: Bei der Diskussion um die Krim.
Willy Wimmer: Ja. Und das ehrt ihn. Deswegen will ich ihm auch nicht an den Kragen. Nur was bedeutet das für jeden deutschen Soldaten? Im Soldatengesetzt, ich glaube es ist der Paragraph 10 steht drin, dass jeder deutsche Soldat eine Abwägung vornehmen muss im Zusammenhang mit Befehlen und dem Völkerrecht. Das sind ja Konsequenzen aus schrecklicher deutscher Zeit. Dann hat er, da sein oberster Befehlshaber sagt: “Ich habe das Völkerrecht gebrochen”…
Mathias Bröckers: Er sagt es aber erst zehn Jahre später.
Willy Wimmer: Er sagt es aber. Aber das Schlimme an der ganzen Sache ist, gerade bei den Beispielen die sie [Herr Ganser] genannt haben, Tony Blair, ich will den ja nicht klassifizieren, aber dann wird er auch noch europöischer Beauftragter im Zusammenhang mit Mittel- und Nahost und verdient deswegen ein Schweinegeld. Welchen Eindruck müssen eigentlich andere Staaten von uns haben, die das sehen. Dann macht der einen Krieg nach dem anderen, bringt Leute zur Masse um, und wird dann auch noch europäischer Beauftragter für eine schwierige Region. Da kann ich doch nur sagen: Uns nimmt doch keiner mehr voll.
Mathias Bröckers: Wir gehen ja insgesamt in eine Richtung, dass diese ganzen rechtlichen Hindernisse…, also als ich bei der Bundeswehr war, wurde man darauf gedrillt, auf diese völkerrechtlichen Grundlagen (Haager Landkriegsordnung). Man sollte sozusagen Soldat sein mit großen Rechtskenntnissen.
Mathias Bröckers: Bürger in Uniform.
Mathias Bröckers: All das ist weggeräumt worden. Dies wird auch deutlich im NSA Skandal. Das sind ja alles Bewegungen, die in dieselbe Richtung gehen. D. h. eine operative Möglichkeit Kriegspolitik durchzuführen, läuft über die NSA Überwachung, läuft übers Völkerrecht. Und dagegen sollten wir uns vehementer wehren, als nur festzustellen, dass es schlecht ist. Man muss eigentlich darüber im Klaren sein, wenn man eine Demokratie erhalten will, die den Namen verdient, müssen wir kräftig gegenrudern. Also mit hier sitzen und nichts mehr machen wird es nicht getan sein.
Willy Wimmer: Das machen wir ja auch nicht. Wir weisen ja auch darauf hin. Und man muss ja auch darauf hinweisen, dass diese Entrechtlichung, die sie gerade angesprochen haben, von jemandem propagiert worden ist, der hohes Ansehen in Deutschland hat. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre herum gelaufen und hat in großen deutschen Zeitungen publiziert, dass es mit dem Völkerrecht zu Ende sein muss, und dass das was seit dem 30-jährigen Krieg in Europa entwickelt worden ist, in die Motten Kiste gehört und dass stattdessen ein neues Völkerrecht geschaffen werden muss, dass amerikanischen Belangen dient. Dann weiß man doch, wohin die Reise geht.
Mathias Bröckers: Dann muss man dagegen arbeiten.
Willy Wimmer: Es hat niemanden interessiert. Es hat die Leute ja noch nicht einmal interessiert, im Zusammenhang mit den hunderttausenden um nicht zu sagen millionen Toten. Und was ja noch viel schöner ist, dass was wir um uns herum angerichtet haben, trägt jetzt dazu bei, dass wir die Früchte dieser Kriege auch noch ins eigene Land bekommen. Die Flüchtlingsbewegungen mit denen wir es zu tun haben, sind doch von uns selber geschaffen.
Mathias Bröckers: Gadaffi hat 2007 oder 2008 gesagt, als das dort anfing mit dem Konflikt: “Hallo Europa, Hallo Amerika, macht mal langsam. Was glaubt ihr was passiert, wenn hier Libyen entstaatlicht wird.” Genau das haben wir gemacht und jetzt kommen jeden Tag die Schiffe. Wir haben jetzt ein direktes Ergebnis unserer Kriege.
Ken Jebsen: Man muss aber dazu sagen, dass finde ich innenpolitisch sehr interessant, wenn jetzt die Flüchtlinge alle kommen (in Wirklichkeit kommen die ja alle gar nicht nach Deutschland, wegen der Drittstaatenregelung bleiben sie irgendwo anders oder saufen vorher im Mittelmeer ab), kann man damit innenpolitisch ganz stark nationale Politik machen. Wir sehen es ja in Europa, das Nationalismus gefeatured wird.
Mathias Bröckers: Pegida, gegen den Islam, usw.
Ken Jebsen: Ist das auch eine Technik, die man erkennen muss, dass es einfach darum geht, da sind wir wieder bei Eurasien, dass nicht nur Russland und Deutschland sich nicht verstehen sollen, sondern dass Europa nur dann Sinn für die Amerikaner macht, wenn die sich möglichst zerstritten haben? Ist das auch eine Taktik?
Mathias Bröckers: Hier zitiere ich den britischen Geo-Strategen Mackinder von 1901 oder 1902, der genau das, was der Stratfor Mann heute erzählt, schon geschrieben hat.
Ken Jebsen: Zwischendurch gab es noch Brzezinski.
Mathias Bröckers: Brzezinski kam dann auch noch dazwischen. Also das britische Impire, oder jetzt das Amerikanische muss dafür sorgen, dass in Eurasien Russland und Deutschland als die beiden stärksten Blöcke nicht zusammenwachsen und muss immer kleine Pfeiler hinein schneiden, damit hier Unfrieden herrscht. Weil wenn die sich vertragen, haben wir (als Briten damals und jetzt die Amerikaner) keine Chance.
Daniele Ganser: Das war ein ganz wichtiger Punkt. Die Angelsachsen, d. h. die englischsprachigen Länder Großbritannien, USA, Kanada (Australien ist ein bisschen weit weg) haben immer das Ziel gehabt über das ganze 20. Jahrhundert und jetzt auch im 21. Jahrhundert eine deutsch-slawische Freundschaft zu verhindern. Das deutsche Wissen, das deutsche Kapital und der russische Rohstoff oder mit dem iranischen Rohstoff (über die Bagdad-Bahn) wäre strategisch eine zu starke Allianz. Es ist ganz wichtig den Leuten auch zu sagen, das nur ein oder zwei Prozent der Weltbevölkerung diese abgefahrenen geostrategischen Spiele machen.
Ken Jebsen: Wir sind die 99% aber wir wissen es noch nicht.
Daniele Ganser: Weil sonst gehen die Leute nach hause und sagen: “Spannende Sendung, vielleicht sprengt jetzt mein Nachbar den Briefkasten in die Luft und sagt ich wäre es und dann erobert er meinen Balkon.” Man hat dann ein schlechtes Gefühl. Und da möchte ich immer, dass man auch darauf hinweist, ich denke, dass ist auch unsere Erfahrung, dass es sehr sehr viele gute Menschen gibt. Die meisten Menschen wollen sich verlieben, wollen mit dem Hund laufen gehen, mal Ski fahren gehen, dann hätten sie gerne früher Feierabend, möchten bisschen was verdienen, vielleicht ein schöneres Auto und sie möchten nicht den Anderen täuschen und enthaupten und dann noch jemanden vergewaltigen. Das muss man aber betonen. Die Mehrheit möchte ein friedliches Leben. Sie möchte nicht in Kriege gehetzt werden und sie möchte auch nicht dauernd angelogen werden. D. h. das sind alles Mehrheitspositionen, die wir hier vertreten.
Willy Wimmer: Absolut. Und wir müssen uns ja immer fragen: Gibt es für das, was sie dankenswerterweise gesagt haben, eine politische Nutzanwendung? Ich glaube wir könnten sie ziehen. Wenn wir jetzt die ganze Diskussion mal Revue passieren lassen, dann gibt es ja zwei Faktoren die für uns extrem wichtig sind: Einmal eine historische Erfahrung im Zusammenhang mit zwei Weltkriegen, wo wir sagen können, dass die Amerikaner jeden weiteren Krieg führen, wenn die Gefahr besteht, dass sie ihre Gegenküste verlieren. Das ist der Grund warum sie zweimal in den Krieg gegen Deutschland eingestiegen sind. Die Gefahr, dass man hier nicht mehr Schalten und Walten konnte, wie man wollte. Man will die Gegenküste haben. Das kann ich sogar nachvollziehen. Die wollen nicht zur Insel werden. Der zweite Faktor mit dem wir operieren müssen und über den wir nachdenken müssen: Wir wollen nicht in den Krieg mit den Russen gehetzt werden. Ich finde, dass wir in einer Zeit Leben, in der wir nicht zwangsläufig auf den Krieg starren müssen (bzw. müssen wir, um ihn zu verhindern). Wo wir sagen müssen, da kann man operativ was daraus machen, wenn die Beteiligten guten Willen zeigen und der kann auch im politischen Bereich gezeigt werden. Das gemeinsame Haus Europa hat immer zum Hintergrund gehabt, dass man die Amerikaner und die Kanadier dabei haben wollte. Aber das gemeinsame Haus Europa kann nicht bedeuten, dass man die Russen rausschmeißt. Die Diskussionen, die wir derzeit führen, tragen auch dazu bei sich wieder einmal darüber im Klaren zu sein, was uns eigentlich überlebensfähig macht in ihrem Sinne. Und überlebensfähig macht uns Verhandeln und die Erkenntnis aus der Historie. Das ist ganz klar. Im Zusammenhang mit dem Ende des kalten Krieges haben wir gedacht, wir müssen uns jetzt mit den Folgen des zweiten Weltkrieges beschäftigen, haben wir ja auch getan, aber wir sind sehr schnell darauf gestoßen, dass Europa auch von den Konsequenzen des ersten Weltkrieges noch bestimmt ist. Nicht nur auf dem Balkan oder Mittel-/Zentraleuropa, es ist einfach so. Und die OSZE, aber auch andere Einrichtungen dieser Art wären gar nicht geeignet gewesen, mit diesen Problemen fertig zu werden. Ich habe hervorragende rumänische Gesprächspartner kennengelernt, die wirklich alles getan haben um in diesem Verhandlungsgeist mit den Ungarn zusammenzukommen. Jetzt wissen wir, was das auf dem Balkan für Konsequenzen hat. Diesen Leuten haben wir das Wasser abgegraben, wir haben sie in den Konflikt getrieben, als wir (diese internationalen Organisationen) gesagt haben, das kommt nicht mehr vor, das findet nicht mehr statt, denen wird das Rückrat heraus genommen, wir gehen jetzt nur noch auf den Konflikt. Das ist doch die message, die der Westen verbreitet hat, und das machen wir heute im Zusammenhang mit jedem, den es auch nochmal betrifft. Es sind heute die Russen, es sind morgen die Chinesen und wenn die Inder dran sind, dann können wir da auch noch drüber reden.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, ich möchte sie mal etwas fragen. Das was Herr Wimmer hier beschreibt ist ja die DNA des Kapitalismus, so wie wir ihn momentan betreiben. Ich weiß nicht ob es einen anderen gibt. Wir nennen dann andere Namen, Turbokapitalismus oder Neoglobalisten, wie immer man das nennen möchte, aber das ist Konfrontation und dieses Wirtschaftssystem, weil es auf Wachstum beruht, gehört zusammen. Müssen wir uns davon trennen, um mehr zu kooperieren oder kann man den Kapitalismus so eingrenzen, dass man sagt, es ist eine Art von Wirtschaftskrebs, den man kontrollieren kann?
Mathias Bröckers: Das ist eine sehr große Frage. Ich würde gerne eine Nummer tiefer anfangen. Wir haben eigentlich die Werkzeuge aus den 1980er Jahren entwickelt. Bevor wir dazu kommen, was die Ursache ist, würde ich sagen ist das Erste, was wir tun sollten, eine neue Entspannungspolitik zu fordern. Wenn die Politik es nicht selber tut, müssen wir es tun. Es muss eine Friedensbewegung geben. Ich kann mir sehr gut eine Veranstaltung vorstellen, wo jemand aus der schwedischen Regierung, Egon Bahr und z. B. Gorbatschow zusammenkommen und jeder ca. ein 20 Minuten Referat hält in Berlin auf der Leinwand. Die bräuchten gar nicht kommen, die könnte man zuschalten. Also wo die alten Männer der Friedensbewegung sagen würden: “Ihr lauft auf etwas zu, was gefährlich ist. Das müsstet ihr wegnehmen. Ihr müsstet wieder zu den Werkzeugen kommen, wie man gemeinsam miteinander arbeitet.” Dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir es mit einem echten Feind zu tun haben. Das sollte man nicht mehr deklarieren als Bündnispartner oder Freund, sondern hier sind massive gegenseitige Interessen vorhanden, die wir in unserem Sinne auch deklarieren müssen. Wo man sagen muss, wenn die Amerikaner Interesse an einem Krieg in Europa haben, unseres ist es nicht. Dann muss man Abschied nehmen. Zu dem Kapitalismus: Ich bin jetzt kein Marxist. Ich bin jetzt nicht der Meinung, dass es inhärent da drin ist, aber es gibt gewisse klare Linien, also Herr Ganser hat sehr gute Informationen gebracht über das Öl. Ich kann z. B. die Doku 7 Sisters empfehlen, wo man sehen kann, dass man die ganze Weltgeschichte an dem Streit um das Öl aufhängen kann.
Daniele Ganser: Wir brauchen jeden Tag 90 Millionen Fass. Das sind 45 Supertanker pro Tag.
Ken Jebsen: Abhängig, wie von Heroin.
Daniele Ganser: Ja, die Party ist wie auf Koks.
Mathias Bröckers: Und dann sollten wir versuchen – das wäre meine politische Forderung – für all diese Probleme Lösungen zu finden, die kooperativ sind. Es gibt ein Feld – wenn ich ausschweifen darf –
Ken Jebsen: Bitte.
Mathias Bröckers: Also anthropologisch finde ich es hochinteressant, darüber habe ich mich einmal mit verschiedenen Neurologen drüber unterhalten. Der Kapitalismus beruht auf dem Konkurrenzprinzip. Dass wir gegeneinander arbeiten, dass wir aggressiv sind, dass wir die Möglichkeit haben, in der eigenen Art zu töten, dass wir alpha males haben, all diese Sachen.
Ken Jebsen: Kommen wir so auf die Welt?
Mathias Bröckers: Das ist das was uns verbindet mit Wölfen, Bären, Rauptieren, Fröschen usw. Was uns aber als Mensch spezifisch macht und die größte Ausschüttung an Glückshormonen verursacht ist, wenn er sich verstanden fühlt. Das heißt wir sind auf Kooperation angelegt. Das ist etwas einzigartiges Menschliches, weil wir nach Aristoteles als zoon politicon, als Gemeinwesen existieren können, müssen wir logischerweise von der Biologie ausgestattet worden sein zu kooperieren. Ich kenne keine wirtschaftliche Philosophie die auf diesem Anteil der Kooperation beruht. Man kann zeigen, dass die Kooperation im Menschen angelegt ist und uns glücklich macht, wenn wir uns von anderen Menschen verstanden fühlen. Wo ist die Wirklichkeit, die das einbindet?
Willy Wimmer: Ich kann das im politischen Kontext nur unterstreichen, was sie sagen. Ich will auch mit einem Beispiel kommen. Deswegen ist es auch so kriminell, wenn man nach Elmau den Putin nicht kommen lässt. Weil man dadurch natürlich von vornerein die Gegnerschaft deutlich macht. Man will ihn kriminalisieren, man will ihn nicht dabei haben. Man verhält sich ihm gegenüber, wie man sich schon gegenüber Wilhelm II. verhalten hat. Man macht ihn zur Unperson, wie ein Christbaum, beim Bombenangriff angeleuchtet wird, damit er vernichtet werden kann. Das ist die Methode.
Mathias Bröckers: Das ist Machiavelli. Diese Methoden sind so alt und so schlecht.
Ken Jebsen: Man muss zu Machiavelli dazusagen: Das was Machiavelli geschrieben hat, war kein Ratschlag, sondern eine Warnung.
Willy Wimmer: Aber die Wirklichkeit bei uns in Europa sieht genau so aus. Wenn die Staatschefs miteinander reden würden, käme etwas vernünftiges bei heraus. Weil das sind ja auch nur Menschen, die so bestimmt sind, wie sie [Herr Pohlmann] es gerade beschrieben haben. Was findet in Konfliktfällen immer statt – und zwar regelmäßig? Die Staatschefs kommen nicht zusammen, sondern man lässt die politischen Direktoren der außwärtigen Ämter über diese Dinge reden. Diese Leute haben Null Bewegungsspielraum. Die sind überhaupt nicht in der Lage einen Kompromiss auch nur zu definieren. Sie dürfen es nicht. Sie haben ihren Rücken festgenagelt. Wenn die politischen Direktoren der auswärtigen Ämter miteinander Reden, ist das der Weg zum Krieg. Das hat die jüngere europäische Geschichte seid Belgrad deutlich gemacht. Wenn sie die Staatschefs miteinander reden lassen, und deswegen ist das mit Elmau auch so ein Verhängnis, die finden für jedes Problem eine Lösung, es sei denn sie haben Angst, wie Kennedy, erschossen zu werden. Das muss man heute leider sagen. Aber wenn sie in den Nachrichten hören: “Die politischen Direktoren…” ist das der Weg zum Krieg. Immer.
Ken Jebsen: Aber Herr Wimmer, was würden sie denn tun, wenn sie noch im Amt wären. Sie haben es mit einem Imperium zu tun, das ein Feindbild braucht.
Daniele Ganser: Das wechselt sehr schnell. Von Noriega [früherer Machthaber in Panama, Anm. d. Red.] zu Milošević [früherer serbischer Politiker, Anm. d. Red.] zu Gaddafi zu Saddam Hussein zu Bin Laden zu Putin. Das geht so schnell, dass man immer sofort denkt: Wenn der weg ist, ist gut. Und dann kommt schon der Neue.
Mathias Bröckers: Sie brauchen halt immer Einen.
Ken Jebsen: Das Vorübergehende ist eigentlich Standard.
Daniele Ganser: Es spielt auch keine Rolle aus welcher Religionsgruppe der kommt…
Mathias Bröckers: Das sollte uns klar sein. Wen wir heraus wollen aus diesem kriegerischen Konflikten müssen wir gucken, dass wir vernünftige Lösungsansätze finden.
Ken Jebsen: Aber wie sollen wir denn vernünftige Lösungsansätze finden, wenn sich Staatschefs treffen wollen, die sich einigen wollen, wie wollen die das machen, wenn sie komplett abgehört werden?
Das wird doch hintertrieben.
Mathias Bröckers: Es wird auf vielen Ebenen hintertrieben. Aber wir haben ja immerhin die Möglichkeit, uns darüber zu unterhalten und wir haben die Möglichkeit diese Ideen weiterzutragen und wir sollten es auch von den Leuten fordern. Was wirklich gefährlich ist, ist zu glauben, dass wenn man nichts tut irgendetwas besser wird. Wenn wir die Freiheit, die im Grundgesetz steht, und die wir einmal als Kinder im Sozialkunde-Unterricht erzählt bekommen haben – die Erwachsenen-Realität sieht anders aus – erhalten wollen, müssen wir kämpfen. Das ist nichts was erhalten bleibt, dadurch dass man denkt, es ist gut organisiert, das wird bleiben. Es wird uns Stück für Stück weggenommen im Moment, wenn wir es wieder haben wollen, müssen wir es uns zurückholen. Ich denke sie [Herr Ganser] sind aus der Schweiz, das ist für mich immer entscheidend. Ich denke wir sitzen jetzt hier und reden und dann gehen wir schön nach hause und Ende. Was hat das jetzt bitte bewegt? Das ist immer die Frage die kommt. Wenn man z. B. die Möglichkeit hätte, Volksabstimmungen zu machen, also eine direkte Demokratie, in der Vorgaben gegeben werden aus der Bevölkerung, dann hat so eine Diskussionsrunde einen ganz anderen Wert, weil sie könnte zu einer Abstimmung führen. Wenn ich eine direkte Demokratie einführe, dann hat all das was gefordert wird einen hohen Wert, z.B. der Diskurs zwischen den Staatsbürgern, der ja nicht mehr stattfindet, genauso wie solche Diskussionsrunden nicht im Fernsehen stattfinden. Das wäre ein Faktum, das wir sagen müssen, wir müssen uns die Macht, die delegiert worden ist, wenigstens stückweise zurückholen. Damit wir kontrollieren, was die Politiker machen und wenn sie das falsch machen und uns belügen, muss etwas passieren. Was passiert ist: Real gehen die Leute einfach nicht mehr wählen. Sie sagen nicht mehr: „Ich wähle jetzt eine andere Partei“, sondern verzweifeln an dieser Gesamtsituation.
Ken Jebsen: Und das ist nicht die Lösung.
Mathias Bröckers: Das ist auf keinen Fall die Lösung.
Willy Wimmer: Wir müssen vor diesem Hintergrund mindestens zwei Dinge tun. Die Schweiz erhalten, damit sie für dieses demokratische Phänomen der Leuchtturm bleibt. Wir haben keinen anderen. Das zweite ist: TTIP verhindern.
Mathias Bröckers: Das ist ein Desaster.
Willy Wimmer: Wenn TTIP kommt ist die parlamentarische Demokratie in Europa am Ende. Dann haben wir TTIP mit der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie, damit der Rest auch noch kommt, werden wir alle abgehört und die Bundeswehr wird weltweit verschickt im amerikanischen Interesse. Das ist das ein anderes Land. Und wenn wir keine Referenzen mehr hätten, wir das in den schweizer Volksabstimmungen der Fall ist, dann wüssten wir ja gar nicht mehr, wie die Welt aussehen kann. Also wir müssen uns das nicht nehmen lassen. Und wir müssen das, was uns genommen wurde, zurücknehmen. Der Staat muss wieder in unsere Hände kommen.
Mathias Bröckers: Sie haben die Schweiz gerade angesprochen, man muss auch positive Visionen haben. Warum kann die Ukraine nicht ein blockfreier, neutraler Staat sein, wie Österreich auch. Österreich ist auch nicht in der NATO. Und warum kann die Ukraine nicht eine Föderation sein, wie die Schweiz, mit vier verschiedenen Sprachen. Und der Appenzeller hat mit den Menschen am Genfer See kulturell auch nicht soviel mehr zu tun, so ähnlich wie der Ostukrainer mit den Leuten in Lemberg.
Willy Wimmer: Oder der Rheinländer mit dem Westfalen.
Mathias Bröckers: Oder der Rheinländer mit den Bayern…Warum kann so ein Land, das historisch auch so zerrissen ist, wie es nun mal ist, warum kann man daraus keine Föderation machen und sagen ihr bleibt jetzt erstmal von mir aus für die nächsten 50 Jahre neutral. Ihr seid eine Achse zwischen Russland und Europa, hier könnte das alles zusammenwachsen. Das wäre ja eine ‚positive‘ Vision. Daraufhin muss man arbeiten. Die Amerikaner machen das Gegenteil: Sie wollen einen Konflikt schüren.
Mathias Bröckers: Also Frau Merkel, wir können von ihr halten was wir wollen, aber sie würde keine Scharfschützen auf dem Maidan positionieren.
Mathias Bröckers: Nein.
Mathias Bröckers: Diese Art von Denkweise ist nicht vorhanden. Ich möchte noch ein Zitat sagen, was ich sehr wichtig fand und aus der Zeit von Carter stammt. Carter war beim s. g. CIA CIA, also die harten Jungs in der CIA, und diese hatten Carter definiert als Weichei. Sie haben beschlossen, dass Carter nicht tragbar ist für den amerikanischen Staat, den sie nach ihrer Vorstellung in der innigsten Form präsentieren. Weiterhin haben sie festgestellt, dass das Schlimme an Carter sei, dass er nicht dumm sondern ein kluger Mann ist, aber er habe Prinzipien und er glaube wirklich an diese amerikanischen Prinzipien. All das was sie den Leuten erzählen, glaube er wirklich. Dass sei sein Fehler. Deswegen müsse er weg. Das muss man verstehen. Das was wir als Wertegemeinschaft bezeichnen und die Werte die nach außen propagiert werden, gar nicht die sind. Dahinter steht Machiavelli [Staatsphilosoph aus dem 15./16. Jahrhundert, Anm. d. Red.].
Daniele Ganser: Das interessante ist, wenn ich das anhängen darf…
Mathias Bröckers: Ich bin ja eigentlich ein Konservativer.
Daniele Ganser: Der Carter wurde ja dann nicht gewählt, weil die Geiseln aus Teheran zuerst freigelassen wurden als Reagon im Amt war.
Mathias Bröckers: October surprise.
Daniele Ganser: Genau. Aber das sind ja wieder all diese Games. Wie läuft es denn? Es läuft immer wenn wir sagen wir brauchen diesen nächsten Schritt in Richtung Frieden bzw. in Richtung mehr Frieden, dann wird es darum gehen , dass wir unsere Ängste überwinden müssen. Was ist 9/11 ? Was sind ABC-Waffen? Was sind Scharfschützen auf dem Maidan? Es schürt immer Spannung und Angst. Die Strategie der Spannung habe ich im NATO-Buch genau erklärt. Man inszeniert einen Terror-Anschlag und hängt ihm den Gegner an. Ich nehm z. B. das Glas, schlag es hier an der Tischkante kaputt, dann hat es eine scharfe Kante und hack ihnen [Herr Wimmer] in den Arm und sage, er [Herr Pohlmann] wäre es. Ist einfach nicht okay.
Mathias Bröckers: Ich schaue z. B. auf der ARTE-Webseite zu meinem Film. Da gibt es jemanden der schreibt: „Das ist alles quatsch. Der Pohlmann ist ein Salonlinker.“
Daniele Ganser: Ist das so schlimm wie Verschwörungstheoretiker?
Mathias Bröckers: Fast, fast.
Mathias Bröckers: Er wollte eigentlich „Salonkommunist“ schreiben, aber das hat nicht richtig funktioniert, glaube ich. Der Punkt ist, dass ich den Beitrag von ihm sehr wertvoll fand, denn weil er dekuvriert. Er zeigt zum Einen, weil er gesagt hat „es hätten ja die Russen sein können“ (die Schweden waren von der Verteidigungsleistung nicht genug), dass jede Lüge erlaubt ist. Die USA sind die Pest geworden, als dessen Heilung sie sich ausgegeben haben. Sie sind das, was wir erzählt bekommen habe, ein Regime mit totalitären Tendenzen. Totalitär in dem Sinne, dass sie alle Lebensemulationen kontrollieren wollen, dass sie unsere gesamte Kommunikation abhören wollen, dass sie festlegen wollen, wie wir leben wollen usw. Das eigentliche Element in dem dies gemacht wird, ist Lüge und Täuschung. Sie kriegen nicht wirklich erzählt, was passiert, sondern sie kriegen etwas vorgemacht, was sie glauben sollen. Wenn es aufgedeckt wird, wird es diskreditiert.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Gott für die Amerikaner?
Mathias Bröckers: Die Amerikaner haben Gods own country und das durchzieht ihre Geschichte. Es ist ja so absurd, dass z. B. die Ausbreitung nach Westen mit dem Völkermord an den Indianern, nicht als was Gutes wahrgenommen wird, aber auch nicht wirklich etwas ist, was ihnen auf der Seele brennt. Es wird nämlich gesehen als ein göttlicher Auftrag nach Westen sich auszubreiten, übrigens nicht nur USA, sondern das geht letztlich in den Interpretationen bis in den Weltraum.
Ken Jebsen: Sie finden auch in Washington eher ein Denkmal für den Holocaust, also einem Mord auf einem anderen Kontinent, als für einen Mord auf dem eigenen Kontinent. Ist das so, dass man das wegschiebt?
Mathias Bröckers: Das ist eben Wir sind die Guten. In der christlichen Philosophie würde man sagen: Man ist dadurch gut, weil man etwas Gutes tut. Während sie sagen, dass was wir tun ist gut. Also die Definition ist, alles was ich tue ist gut und nicht, ich bin gut, weil ich etwas Gutes tue.
Ken Jebsen: Kann man auch sagen: In dem Moment in dem ich etwas Gutes tue ist es weg und alles was du tust kann nur böse sein, weil ich das Gute praktisch schon abgearbeitet habe?
Mathias Bröckers: Sie sehen ja die Täuschung. Deswegen sagte ich ja, dieser Artikel zu meinem Film ist so dekuvrierend, weil er sagt: „Wir müssen ja auch täuschen, damit wir gewinnen“. Im Grunde reduziert sich das auf eine Freund-Feind-Mentalität.
Ken Jebsen: Das ist doch militärisches Denken. Aus militärischer Sicht ist das richtig.
Mathias Bröckers: Es ist sogar mehr als das. Das finden sie wieder bei Carl Schmitt [dt. Staatsrechtler und politischer Philosoph, Anm. d. Red.]. Ich kann nur aufrufen ihn zu lesen, damit man weiß womit man es zu tun hat.
Daniele Ganser: Ich habe da eine konkrete Erfahrung gemacht. Eine reiche Bank aus Portugal hat mich eingeladen. Ich habe dort die Kriegslügen erklärt, inklusive ABC-Waffen und Irakkrieg und nach dem Vortrag sind wir mit dem Bus ein Schloss anschauen gefahren. Da saß ich neben einem Amerikaner. Der fand meinen Vortrag nicht so toll. Wir waren in einer blöden Situation, denn wir saßen beide nebeneinander und wir konnten nicht weg. Und dann hat er gesagt: You know a doctor answer? Im living the american dream. Im a millionaire, i have a company… „Also ich lebe den amerikanischen Traum, ich bin Millionär und jetzt erzählen sie mir diese Dinge mit den ABC-Waffen, sie gehen mit eigentlich auf den Geist.“ Und dann habe ich gesagt: „Nagut, aber die ABC-Waffen waren ja gelogen.“ Dann hat er gesagt: „Ja das stimmt schon, aber muss eben auch die Soldaten motivieren, weil sonst gehen sie ja nicht in den Krieg.“ Und das interessante ist, wenn wir jetzt die Helme der amerikanischen Soldaten untersuchen, das ist für uns Historiker eine gute Quelle, dann zeichnen sie auf den Helmen die Twin Towers und wenn man sie befragt, dann haben 60-70 % in einigen Befragungen in ‚06 das Gefühl gehabt, sie sind im Irak um sich zu rächen für die Rolle von Saddam Hussein bei 9/11. Das zeigt diesen ganzen Brainwash. Da sind wir schon in einer Ebene, wo wir sagen, da vernetzten sich Lügen mit noch mehr Lügen und noch mehr Lügen.
Ken Jebsen: Ist das die Matrix?
Daniele Ganser: Aus der man ausbrechen sollte.
Ken Jebsen: Wie macht man das?
Daniele Ganser: Indem man zuerst seine eigene Angst überwindet. Ich meine das ist ganz zentral. Als ich diese Forschung gemacht habe, kam ich an diesen Punkt und das haben sie alle erlebt, wo sie am Schluss selber Angst haben. Angst um ihren Ruf und um ihre Einnahmen. Und das ist eine Situation, in die müssen sie kommen, ansonsten sind sie noch in der conferred zone. Sprechen sie mal die Dinge an, dann kommen sie in die schwierigere Zone. Dann gibt es den Haupttrick. Zuerst muss man die Angst real erkennen, dass sie überhaupt da ist. Und dann muss man sich mit den engsten Freunden besprechen, d. h. mit Familienangehörigen, mit Frau und Mann, mit Kindern, mit einfach jemandem der Einem halt gibt. Alleine kommt man da nicht durch. Und wenn man nur jemanden hat, der an einen glaubt, dann kommt man durch. Dann kann man sagen: „Okay, ich mache mich jetzt frei, ich spreche Dinge an, die ich mich vorher nicht getraut habe anzusprechen.“ Bei mir war es meine Frau. Ich habe sie gefragt: „Du, ich forsche an 9/11.“ Sie hat gesagt: „Das ist nicht so eine gute Idee.“ – „Meinst du ich soll da weitermachen oder nicht?“ – „Das musst doch du sagen, du hast doch die Daten.“
Willy Wimmer: Sie beschreiben etwas, dass wir von unsern Eltern und Großeltern als das Phänomen des dritten Reiches bezeichnet haben.
Mathias Bröckers: Oder reden sie mit Leuten aus der DDR. Die können ihnen das genau so erzählen. Bei Grillabend musste man aufpassen mit wem man redet und die offizielle Variante hatte man im Kopf. Und genau da sind wir. Wir sind in der DDR Realität mit zwei Realitäten.
Daniele Ganser: Herr Pohlmann, darf ich hinzufügen: Es wird so gemacht im deutschen Fernsehen, dass sie immer der dritte Reich haben, ‚33-‘45, jeden Tag schon fast. Das heißt einfach: Ihr seid die Bösen. Man könnte auch immer wieder die amerikanischen Verbrechen zeigen, die wären dann aber von ‚45 bis 2015, also in einer anderen Zeitspanne und einem anderen geographischen Raum.Ich möchte das jetzt nicht relativieren, aber so werdet ihr herunter gehalten. Und das funktioniert.
Willy Wimmer: Nenene, ich glaube noch nicht einmal herunter gehalten. Dahinter verstecken sich die Anderen.
Daniele Ganser: Sie sagen einfach: „Ihr habt gar nichts zu sagen, warum kritisiert ihr denn den Golf-von-Tongking-Zwischenfall, war zwar gelogen, drei Millionen tote Vietnamesen, aber ihr habt ja das dritte Reich.“
Mathias Bröckers: Es ist eine Chance für uns. Eine von den Sachen die mich immer erstaunt hat ist, dass man in Deutschland Probleme bekommen kann, wenn man nicht kritisch genug mit der eigenen Geschichte umgeht. Das ist eine Sondersituation. In den USA, wenn sie Noam Chomsky heißen (darf auch in Israel nicht einreisen) haben sie ein Problem. In Deutschland müssen sie sehr genau aufpassen mit der eigenen Geschichte. Wir haben diese Lektion als demokratische Musterschüler gelernt. Daher haben wir auch ein feines Sensorium. Das ist das Gleiche, was ich jetzt beschreibe von mir. Ich hatte an der Uni amerikanische Professoren gehabt, die haben mir beigebracht, was Propaganda ist und jetzt sehe ich, dass es genau das Gleiche ist. Aber das erzeugt die Empörung. Auf der einen Seite kann es operativ genutzt werden um uns niedrig zu halten, aber, weil wir die Erforschung unserer eigenen Verbrechen in einer Weise begangen haben, dass wir nun sehr klare Begriffe dafür haben, die, wenn wir sie anwenden auf die Politik der Amerikaner, ein eindeutiges Ergebnis im Denken hat. Wir müssen nur fertig kriegen, darüber zu reden.
Willy Wimmer: Ich stimme ihnen zu, aber dass was sie beschreiben, hat in Berlin ganz merkwürdige Konsequenzen. Sie haben das Phänomen gut beschrieben. Nur es gibt eine Horde von wildgewordenen Professoren aus Berlin, die fordern vor diesem Hintergrund wieder eine deutsche Hegemonie in Europa mit welchen Begründungen auch immer. Das heißt…
Ken Jebsen: Verantwortung.
Willy Wimmer: …eine normale Auseinandersetzung über diese Dinge hat nicht stattgefunden und wenn man das beschreibt, was sie gerade beschrieben haben, werden sie bestenfalls eingeladen im deutschen Bundestag eine Festrede zu halten.
Mathias Bröckers: Wir müssen es selber machen. Wenn diese Diskussion nicht stattfindet, müssen wir sie selber machen. Reden sie zuhause mit den Leuten. Die Möglichkeiten sind schwierig, deswegen finde ich so gut, was hier jetzt stattfindet. Weil es eine Art von Gegenöffentlichkeit ist, die möglich ist. Das Internet wird den Journalisten abschaffen, der Informationen sammelt. Informationen kann jeder von ihnen überall sich ziehen.
Ken Jebsen: Und bewerten.
Mathias Bröckers: Und zusammenfassen. Was mache ich aus diesen Informationen. Wie ordne ich sie für mich ein? Wenn ich das kann, dann ist jede Information, die dazu kommt, und nicht in einem Wust untergeht, eine Bereicherung. Das muss man aktiv betreiben, nicht passiv.
Ken Jebsen: Ich bezeichne das Internet auch als digitales Aufwachzimmer. Das kann man selbst gestalten, wie man das möchte. Weil sie gerade von dieser Doppelsituation gesprochen haben: Ich habe Herrn Wimmer die letzten Wochen begleitet, und wir waren auch in einer Eliteuniversität, sie können sie ruhig nennen, wenn sie wollen.
Willy Wimmer: Salem.
Ken Jebsen: Dort kamen Leute aus Zürich an, das ist dort relativ weit weg. Viele aus der ehemaligen DDR, die jetzt in Zürich als Ärzte operieren. Mit denen haben wir auch hinterher gesprochen. Und viele von diesen Leuten aus der ehemaligen DDR haben zu mir gesagt, dass was sie momentan in Deutschland erleben (sie sprachen schon als Schweizer von sich), kennen sie alles schon als DDR Bürger. Das ist alles so ein bisschen aktuelle Kamera 2.0. Wir als Journalisten kennen das schon lange. Ich habe mich auch an diese journalistischen Leitplanken nicht gehalten, die aber nie benannt wurden, die imaginär sind, und dann hat man mir einfach gesagt, es gibt da gewisse Absprachen, die ich aber nicht kannte. Es kam mir vor wie der Prozess von Kafka. Da können wir meiner Meinung nach sehr viel vom alten DDR Bürger lernen. Wie wir aus der Sache friedlich heraus kommen, weil das müssen wir. Ich möchte an dieser Stelle einmal fragen, was wir praktisch tun können. Ich war gerade bei Jean Ziegler, der hat ein interessantes Buch geschrieben, was auch Lösungsansätze bietet, es heißt „Ändere die Welt“. Er schreibt in seinem Buch: Was bringt ein Intellektueller? Ein Intellektueller nützt gar nichts wenn er nur die Dinge benennt und sagt, wie übel alles ist, sondern ein Intellektueller soll bewaffnen. Er soll die Bevölkerung mit Argumenten bewaffnen, die die Bevölkerung mit Mut versorgen, damit die Bevölkerung aufsteht. Es geht um Haltung im Sinne von Aufrechtstehen. Er sagt, das finde ich sehr interessant, da er Marx in- und auswengig kennt, auch wenn die sich nicht mehr persönlich kennengelernt haben, Marx hatte in einem Punkt Unrecht. Marx hat damals gesagt, es wird immer einen Klassenkampf geben, weil die Waren, die hergestellt werden, reichen nicht für alle. Wir leben heute in einer total perversen Situation. Wir könnten locker 12 Mrd. Menschen versorgen tun es aber nur bei einem Sechstel. Das heißt, jedes Kind das stirbt, z. B. alle fünf Sekunden verhungert, ist Vorsatz in diesem System. Vorsatz. Dann müssen wir uns vorstellen: Okay, ich kann nicht jedes Kind in der dritten Welt mit Essen versorgen, aber ich könnte die Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten. Das könnte ich sofort verbieten. Das wäre das Erste, was ich tun würde.
Mathias Bröckers: Wir haben über Gott geredet und die Rolle der Religion. Die Rolle der Herrschaft hat die Wirtschaftsideologie übernommen. Was ich sagte vorhin zum Konkurrenzverhalten, dies wird nicht mehr in Frage gestellt. Wenn man zuhause mit Jugendlichen redet, kommt irgendwann: „Junge, das sind alles schöne Ideen und Träume, aber die Realität ist der Konkurrenzkampf, du musst dich in der Wirtschaft bewähren.“ Und dort ist dieser Darwinismus zutiefst eingegraben. Davon würde ich gerne wegkommen.
Ken Jebsen: Die Neoliberalen behaupten, das wären Naturgesetze.
Mathias Bröckers: Wenn sie den jungen Marx lesen, merken sie, dass er brennt vor Gerechtigkeitsgefühl und das furchtbar findet, was er dort sieht.
Willy Wimmer: Wir können es ja mit Namen benennen. Derjenige, der so gedacht hat, wie sie [Herr Jebsen] es gerade formuliert haben, hieß Alfred Herrhausen. Er ist erschossen bzw. ermordet worden. Deswegen wissen wir auch ganz genau, wo Limits aufgebaut werden, um dieses Denken nicht zu ermöglichen. Jetzt haben sie gerade eben auch den Glauben als Herrschaftsinstrument angesprochen. Ich habe mich dieser Tage wirklich massiv gewundert. Die deutsche Bischofskonferenz macht in Mönchengladbach – Herr Brökers, unsere gemeinsame Heimat – ein Seminar über die Situation in der Ukraine und in Zentral- und Mitteleuropa. Ich habe die Einladung zugeschickt bekommen und habe mit den Leuten auch gesprochen, weil ich es empörend finde, dass man natürlich den ukrainischen Botschafter einlädt und nicht den Russischen. Man lädt Vertreter der Ukraine ein, aber niemanden, der aus dem Donbass etwas sagen kann. Wie will ich mich friedensstiftend mit dieser Gegend beschäftigen, wenn ich nur ein einseitiges Vorgehen habe. Ich trimme die Leute doch förmlich auf den Konflikt. Und das mache ich als Kirche.
Mathias Bröckers: Das ist tief enttäuschend und ist auch gegen die eigenen Regeln, die sie aufgestellt haben.
Willy Wimmer: Ja, deswegen sage ich es ja.
Ken Jebsen: Ich habe einmal mit Rüdiger Lenz, einem Gewalttäter-Therapeuten eine Analyse gemacht, wie die NATO sich darstellt: Wie ein klassischer Schläger auf der Straße, der alles weg prügelt, und wird auch noch dafür belohnt. Man müsste das auch so angehen, dass man diejenigen, die in der NATO das sagen haben, therapiert. Indem man sie erst einmal herausnimmt aus dem Spiel und wegsperrt. Ich möchte aber auf praktische Dinge kommen: Herr Ganser, sie haben ein Buch geschrieben „Europa im Erdöl Rausch.“ Wenn man erst einmal süchtig ist, wir alle waren irgendwann mehr oder weniger süchtig, ich habe früher sehr sehr viel, extrem laute Musik gehört und kam nur sehr schwer davon los…
Daniele Ganser: Und jetzt sind sie bei den Motorrädern.
Ken Jebsen: Absolut, im Moment. Aber da sind wir beim Thema: Es sind Fahrzeuge, die mit Erdöl betrieben werden. Sie sind mit dem Flugzeug gekommen, fahren nachher mit dem Zug nach hause. Wir sind von Erdöl abhängig – wie Junkies. Sie schreiben es in ihren Büchern und sagen es auch in ihren Vorträgen: Friedenspolitik ist auch Energiepolitik, das muss man zusammen sehen. Wir sind nicht wegen den Menschenrechten vor Ort, sondern um Bodenschätze klar zu machen. Wie kommen wir denn aus der Erdölabhängigkeit heraus? Sehen sie Möglichkeiten? Haben wir Möglichkeiten? Das wir im deutschsprachigen Raum etwas tun können, damit wir auch praktisch etwas davon haben. Das Ziel dieser Sendung ist eben nicht nur lamentieren und sagen „die bösen Buben dort oben“, sondern der Titel heißt „Krieg oder Frieden in Europa – Wer bestimmt auf dem Kontinent?“. Ich glaube wir bestimmen auch an der Zapfsäule über Krieg und Frieden. Wie kommen wir heraus aus der Nummer?
Daniele Ganser: Das ist schon eine schwierige Nummer, weil es eben 90 Mio. Fass Erdöl sind, die wir jeden Tag brauchen zu den 9 Mrd. m³ Erdgas. Das ist schon eine große Sache. Wir stecken da ziemlich drin. Man muss auch sagen die letzten 200 Jahre ist die Bevölkerung von 1 Mrd. auf 7 Mrd. angestiegen, also ein Wachstum von 6 Mrd. in 200 Jahren.
Ken Jebsen: Hat mit Erdöl zu tun – Dünger?
Daniele Ganser: Es hat mit Erdöl zu tun, mit Erdgas, mit Kohle und mit Atom. Das hat uns reich gemacht, das ist Energieversorgung im Überfluss. Meine Meinung ist, dass es im 21. Jahrhundert geht von der Atomenergie wegzukommen (sind noch 440 Atomkraftwerke, also das wird noch eine Zeit dauern), von Kohle wegzukommen, vom Öl und Gas wegzukommen und eine erneuerbare Struktur aufzubauen. Da ist natürlich eine große Sache und es gibt viele Gegner, aber grundsätzlich glaube ich, dass das die Vision wäre. Zweitens glaube ich, dass wir eine zweite Medienlandschaft brauchen, wo die Leute nicht warten bis die Nachrichten kommen ausgelesen von irgendjemandem, sondern aktiv die Dinge, die sie spannend finden, recherchieren, z.B. auf Youtube. Sie könnten nach „Sniper auf dem Maidan“ suchen, und investieren darin eine Stunde. Also ein anderes Informationsmanagement. Und dann, das ist vielleicht überraschend, kann ich mir ein sehr schönes 21. Jahrhundert vorstellen. Wir sollten in Richtung erneuerbarer Energien und friedlicher Konfliktlösung gehen. Konflikte sind etwas Gutes. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch immer Konflikte haben wird. Man sieht in der Familie, dass ein Konflikt einen fordert und dadurch verändert man sich, aber die goldene Regel, und das ist schön, dass wir diesen Konsens haben, ist, dass wir uns nicht töten. Also wenn Mann und Frau sich uneinig sind und es ist ausweglos und der Mann nimmt die Axt und schlägt der Frau den Kopf ab, dann ist die Möglichkeit an einem Konflikt zu wachsen vertan. Oder umgekehrt, wenn die Frau den Mann vergiftet. Was aber möglich ist, ist dass man den Konflikt zivil austrägt, und man kann es einfach wiederholen, dann spricht man miteinander. So schwierig es auch ist. Es ist doch die Idee, wenn wir miteinander sprechen, dann ist es besser als wenn wir uns töten, foltern oder terrorisieren. Aus dieser Vision heraus, Energiewende einerseits, Medienrevolution, die am laufen ist, und drittens der zivilen Konfliktlösung, sehe ich eine positive Vision für das 21. Jahrhundert. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen wunderbare Wesen sind. Weil gewisse Menschen kommen dann zu mir und sagen: „Ja ich habe ihr NATO Buch gelesen, aber ich habe es auch nicht vor dem Einschlafen gelesen, aber haben sie eigentlich ihre Kinder gezeugt, als sie das schon wussten?“ Und dann habe ich gesagt: „Ja klar!“
Ken Jebsen: Gegenoffensive.
Daniele Ganser: Nein, ich habe das einfach erklärt. Ich untersuche und wir haben etwas besprochen, dass die verdeckte Seite der internationalen Politik darstellt. Das sind die dunklen Seiten, sich umzubringen und sich zu täuschen. Das ist nicht die edle Seite des Menschen. Aber ich bin trotzdem fest davon überzeugt, dass es wunderbar ist auf der Welt zu leben, dass wir Möglichkeiten haben, ein tolles 21. Jahrhundert zu haben und das der Mensch ein wunderbares Wesen ist. D. h. wir müssen uns anstrengen, das ist völlig klar, aber dafür brauchen wir auch Begeisterung. Begeisterung fürs Leben. Ich bin manchmal bei Schulklassen, die sagen mir: „Ja, ganz klar, 9/11 war gelogen. Mich nervt ‚s, was da immer in den Abendnachrichten kommt, mein Vater schaut das noch, der glaubt das noch, aber für mich ist das alles vorbei. Da wird ja nur gelogen und gemordet.“ Und so verlieren wir eine ganze Generation. Wir verlieren ihre Achtung, weil die denken, es gäbe nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind die so bescheuert, und sie haben die Kriegspropaganda nicht erkannt, oder sie sind so feige, dass sie nicht darüber sprechen. Und beide Positionen sind nicht gerade schmackhaft.
Ken Jebsen: Herr Pohlmann, ich möchte sie an dieser Stelle etwas fragen, weil wir streifen hier die Soziologie. Als Friedensforscher streifen wir die Soziologie, oder?
Daniele Ganser: Wir gehen über die ganze Welt, alle Themen.
Ken Jebsen: Der Weg führt nach Innen, meiner Meinung nach. Ich habe mit einem Mönch gesprochen, den ich auf einem Vortrag getroffen habe, den sie gehalten haben, und er hat zu mir gesagt: „Der Krieg wird von Profis solange vorbereitet, wir müssen auch den Frieden solange vorbereiten.“ Das fand ich ein super Argument, weil das stimmt. Die Strategen im NATO-Hauptquartier machen das über sehr viele Dekaden, wir sollten uns auch eine Art Hauptquartier zurecht schustern, vielleicht ein digitales Hauptquartier, und den Frieden vorbereiten. Ich möchte auf Arne Grün, den großen Soziologen, der in Zürich wohnt, noch einmal zusprechen kommen. Wie wichtig ist, dass wir den falschen Gehorsam ablegen? Dass wir einfach das tun, was man uns sagt.
Mathias Bröckers: Ist in der Ethik der große Punkt. Hat man eigene Regeln, die man an die Wirklichkeit anlegt, oder gehorcht man. Das ist ein entscheidender Faktor. Das beste Beispiel: Sophie Scholl. Lesen sie das, was Sophie Scholl mit 17, bevor sie hingerichtet wurde, gesagt hat. Wo sie gesagt hat: „Es sind alles große Frage und ich kann es selber gar nicht genau beantworten, aber ich weiß doch eigentlich im Inneren, was richtig ist.“ Wenn sie das Vergleichen, was dieses junge Mädchen an tiefer Wahrheit dort kundtut, weil sie diesen Mut zur Wahrheit hat. Meine Kinder sind in der Schule und bekommen beigebracht, dass die DDR ganz schlimm war, dass es dort die Mauer und eine Diktatur gab und dass das Dritte Reich am allerschlimmsten war. Aber kriegen sie beigebracht, dass sie jetzt an der Stelle stehen, wo sie geradeaus sind?
Ken Jebsen: Sie kriegen immer beigebracht, dass man damals früher aufstehen hätte müssen, aber jetzt ist nicht der Moment dafür.
Mathias Bröckers: Alles in Ordnung und du sollst gehorchen. Das Gehorchen ist nicht richtig. Du hast in dir dieses verdammte Gewissen, was dir etwas sagen will. Ich kann es auch anders ausdrücken: Wir würden so jemanden, der sich verhält wie die Amerikaner in der Außenpolitik in der Familie nicht akzeptieren.
Ken Jebsen: Auch nicht in der Bundesliga.Der würde vom Platz gestellt.
Daniele Ganser: Rote Karte.
Mathias Bröckers: Das würden wir definieren als eine Person mit der wir nichts zu tun haben wollen. Wir haben jetzt aber einen 400 Tonnen King Kong da sitzen, der die ganze Welt beherrschen kann, aber dann sollen sich bitte alle anderen, Biber, Schafe, Ziegen und sonst was zusammen tun und sagen, dass wir auch den gemeinsam weg bekommen. Ich will ihn nicht umbringen.
Mathias Bröckers: Wir geht man mit Verrückten um? Politik der Umarmung!
Ken Jebsen: Ist das, was wir momentan machen, wenn wir lamentieren, ist das nicht eine Form der unterlassenen Hilfeleistung? Dass wir den Präsidenten machen lassen?
Mathias Bröckers: Erstmal die Wahrheit sagen, damit man überhaupt darüber reden kann, was man machen kann.
Mathias Bröckers: Ich bin selbsternannter „Putinversteher“, aber ich bin deswegen kein „Obamahasser“.
Daniele Ganser: Er hat ja auch den Friedensnobelpreis.
Mathias Bröckers: Deswegen Politik der UmarmunDaniele Ganser: Wir müssen beide verstehen.
Ken Jebsen: Würden sie Hillary Clinton umarmen?
Mathias Bröckers: Bei Hillary bin ich immer noch zweifelhaft, ob ich sie nicht Hitlery oder Killery nenne. Aber dennoch muss man dann wiederum für Frau Clinton bei der Wahl die Daumen drücken, weil was da ansonsten noch kommt, ist noch viel schlimmer. Es ist alles schlimm.
Mathias Bröckers: Sehen sie, Obama war der Schwarze, der gewählt wurde als Fortschrittssymbol. Und er hat in seiner Biographie auch ganz tolle Sachen gemacht. Sobald er aber in diesen Apparat herein kommt, wird er vom Deep State regiert. Hillary Clinton wird uns jetzt wahrscheinlich verkauft werden als die neue weibliche Großmutter, die als erste amerikanische Frau Präsidentin wird und die das weibliche, mütterliche Element dort einführen wird. Das ist sozusagen der nächste PR-Coup in dieser Kette des scheinbaren Fortschritts.
Ken Jebsen: Könnte die Mutter von Norman Bates sein.
Mathias Bröckers: Weg von dieser ganzen Werbe-PR-Schiene!
Ken Jebsen: Ich möchte noch einmal auf Regeln kommen. Eine Organisation wie das Rote Kreuz oder auch der IWF, die Weltbank, die UNO wurden alle gegründet kurz vor dem Schluss des zweiten Weltkrieges, weil man gesagt hat, man käme so nicht weiter und man müsse die Welt befrieden. Vielleicht war noch mehr dahinter, aber das war die grobe Idee. Amerika damals als letzte Supermacht oder als einziges Land, das noch stand, kümmert sich darum wenn jemand wieder ausbüchst und denkt, es müsse wieder so wie früher. Da fällt mir ein Spruch von Rousseau ein: „Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“ Es ist erst einmal pervers, wenn man das denkt, aber es heißt, höre zu: „Die Freiheit“ heißt die Freiheit des Stärkeren, des Investors über alle hinwegzugehen und das Gesetz, das für alle gilt und niemand steht über dem Gesetz, das ist Freiheit. „Wir“ sind doch die Meisten und die Amerikaner sind eben nicht die Meisten. Und auch die meisten Amerikaner sind nicht die Amerikaner, von denen wir die ganze Zeit reden, das muss man dazu sagen. Wie schaffen wir es, dass wir wieder ein Gesetz haben, an das man sich einfach hält, weil alles andere unanständig ist. Ich spiele z. B. gerne Backgammon. Wenn meine Freundin draußen ist und ich dürfte noch würfeln und bin in einer brenzligen Situation, dann schummle ich nicht, weil ich es nicht nötig habe. Ich denke: „Okay, vielleicht bekomme ich jetzt nicht den richtigen Zug, die 6 und die 2. Aber in der nächsten oder übernächsten Partie bekomme ich ihn, weil ich bin der bessere Spieler.“ Das stimmt zwar nicht, aber ich glaube es in dem Moment. So, aber ich würde nicht schummeln, weil ich es nicht nötig habe. Wie schaffen wir zu erkennen, dass wir es nicht nötig haben wegzugucken. Dass wir uns Regeln geben, und die, die gegen die Regeln verstoßen, ermahnen und sagen, dass es so nicht läuft.
Mathias Bröckers: Als Erstes doch, dass wir nicht die Leute belohnen, die so etwas machen. Die Leute die verantwortlich sind für diese Aktionen, dürfen nicht straffrei davon kommen, sondern müssen in irgendeiner Art und Weise zur Verantwortung gezogen werden.
Der Rousseau-Satz fragt: „Freiheit zu was?“ Wenn sie eben King Kong haben und sie sind drum herum auf einer Insel, sobald dann jemand seine Freiheit definiert und sagt, was er aus Freiheit tun kann, ist es nicht mehr ihre Freiheit. Wir sind eben ein gemeinschaftliches Wesen und das Gegenmodell ist Palaver von den Indianern. Palaver ist in schweren Verruf geraten ist aber eine gute Sache. Es bedeutet, man setzt sich solange zusammen und redet, bis alle zustimmen. Bis eine Lösung da ist und alle sagen, dass sie damit Leben können. Das ist Zivilisation.
Daniele Ganser: Ich denke der erste Punkt, für den wir alle brennen und forschen ist, Transparenz schaffen, wie diese Lügen und Spiele überhaupt laufen, wie die Kombination von Lüge und Gewalt funktioniert. Das machen wir jetzt, ich glaube da haben wir Fortschritte, das muss man wirklich sagen. Das gab es vor 20 Jahren in dieser Art nicht. Ich war schon in vielen Talkshows und ich kann mich erinnern an eine Talkshow in der Schweiz in der es um die Wiederwahl von Obama ging. Die Frage in der Sendung war: „USA – geliebt und gehasst“. Da war der amerikanische Botschafter aus der Schweiz mit in der Sendung und das war etwas anderes, weil ich habe dann erklärt, wie viele Länder die USA bombardiert haben und er hat mir erklärt, dass dies natürlich immer nur für die Menschenrechte war. Diese Diskussionsrunde die wir hier haben ist ohne jemanden, der immer diese Kriege verteidigt. Ich habe schon viele Diskussionsrunden gemacht, z.B. bei Servus TV, da haben wir auch über den Syrien Krieg diskutiert und ich habe eben gesagt, dass es eben keine gute Idee ist, wenn man jetzt auch noch Syrien bombardiert, überhaupt können wir das Böse nicht wegbomben und der andere amerikanische Journalist hat dann ganz hart darauf beharrt und behauptet, dass wir bombardieren müssen, weil hier ganz große böse Männer sind, die wir wegbomben müssen, wie wir es schon erfolgreich in Libyen gemacht haben. Wir haben eigentlich in allen Fernsehsendungen bis heute, in allen Talkshows, einen Vertreter, der Gewalt predigt. Das haben wir immer. Oft sind sie sogar die Mehrheit. Hier haben wir einmal eine Gruppe, wo niemand bombardieren oder foltern will. Das finde ich eine wunderbare Runde, weil hier kann man eben noch ein Schritt weitergehen und man ist sich einiDaniele Ganser: nicht foltern, nicht bombardieren, nicht terrorisieren. Dann kann man sagen: Nicht lügen, Transparenz schaffen. Und wenn wir schon so gut unterwegs sind, möchte ich noch auf diesen nächsten Schritt hinweisen. Wenn man soweit als Individuum gegangen ist, kommt man leider in die Phase der Resignation. Ich habe viele Freunde, die kommen dann zu mir und sagen: „Okay, ich habe es begriffen, ABC-Waffen gelogen, 9/11 ungeklärt, Ukraine Schützen auf der Seite…“ Und dann kommt die Resignation. Dann kommt dieses: „Der Mensch der ekelt mich. Ich mag mich nicht mehr und dich mag ich eigentlich auch nicht mehr. Mir reicht es!“ Da wäre es dann wichtig, dass man da durch kommt. Da muss jeder seine Techniken finden, weil in der Resignation sind sie völlig gelähmt. Da läuft gar nichts. Man braucht die Freude.
Willy Wimmer: Weil leben bedeutet Auseinandersetzung. Wir scheuen sie auch nicht und man muss Flagge zeigen. Wie jüngst eine bekannte, österreichische Journalistin gesagt hat: „Wir leben in einer Zeit, wo es wohlfeil ist Anstand zu zeigen bei Ereignissen, die in der Geschichte liegen.
Mathias Bröckers: Nachträglich das dritte Reich zu verhindern, zum Beispiel.
Willy Wimmer: Und das Problem besteht darin, dass heute zu wenig Rückgrat gezeigt wird. Wir brauchen uns nicht zu beklagen, wir haben unser Leben in diesem Land gelebt unter dem Gesichtspunkt, dass wir auch eine Menge Gutes erfahren haben. Es ist auch wert, das auf zukünftige Generationen zu übertragen. Warum nicht so machen – es ist jeder Grund da es zu tun. Ich kann natürlich nicht sagen, dass es empirisch erforscht ist und ich bin auch nicht Noelle-Neumann und Allensbach schon mal gar nicht, aber ich bin relativ sicher, dass Minsk 2 und auch das Bemühen von Hollande und Merkel darauf zurückzuführen ist, dass es Andere in diesem Land auch gibt. Die Leute, die für den Krieg so trommeln, wie es auch der Herr Bundespräsident und die Verteidigungsministerin und damals auch der Bundesaußenminister gemacht haben, sind eben nicht alle, das sind drei. Aber dagegen steht das deutsche Volk und es ist relativ sicher, wie die Deutschen darüber denken. Die ganzen Umfragen, die wir kennen, machen deutlich, dass 80 % und mehr gegen das sind, was derzeit stattfindet.
Mathias Bröckers: Zweidrittel trauen ihren Medien nicht. Auch eine interessante Anzahl.
Willy Wimmer: Ich lebe im Verbreitungsgebiet des Westdeutschen Rundfunks. Das ist unser Heimatsender. Aber es ist manchmal wohltuend, Russia Today zu sehen. Wie lebhaft Nachrichten aufgearbeitet werden können unter dem Gesichtspunkt, was in anderen Teilen der Welt stattfindet. Was ich möglicherweise bei France 24, BBC und bei wem auch immer auch noch bekomme. Aber dieses pastorale im deutschen Fernsehen geht den Leuten auf den Geist. Und was wird gepredigt? Der Krieg. Das kann doch nicht sein. Und ich finde im Zusammenhang der öffentlichen Meinung, die auch die Bundeskanzlerin veranlasst haben muss, anders kann ich mir das nicht denken, Minsk 2 zu machen, ist es für mich penetrant, dass im deutschen Fernsehen, in den öffentlich-rechtlichen Medien, eigentlich nur darauf spekuliert wird, dass sie damit scheitert.
Mathias Bröckers: Der Grund, warum das so ist, liegt auf der Hand. Das war auch jetzt in vielen Zeitungen und Büchern, dass eben die Chefredakteure und die Ressortchefs in den großen Sendern und Zeitungen zu 70 % oder 80 % Mitglieder der Atlantikbrücke sind.
Willy Wimmer: Aber dafür finanzieren wir sie nicht. Wir finanzieren diese Leute, damit sie ordentlichen Journalismus machen, damit sie uns die Nachrichten liefern, die für uns die Grundlage für Meinungen sind. Ich will die doch nicht als verlängertes Organ von irgendwem haben.
Mathias Bröckers: Aber das sind sie leider.
Willy Wimmer: Das gilt auch für den deutschen Bundestag. Das sieht manchmal so aus, als wäre das die parlamentarische Fraktion irgend einer Brücke. Das kann doch nicht sein.
Ken Jebsen: Darf ich mal kurz rein grätschen, weil ich es interessant finde. Ich meine, dass die Grünen inzwischen ein NATO Think Tank sind und olivgrün heißen, hat sich durchgesetzt. Aber ich fand auch interessant, was der Kollege Gysi neulich über den Kollegen Liebich gesagt hat, der auch Mitglied der Atlantikbrücke ist. Da hat Gysi das folgendermaßen verteidigt: Er ist bei der Atlantikbrücke, damit linke Positionen sich bei der Atlantikbrücke auch durchsetzen. Das ist wirklich so gesagt worden. Wie argumentiert man da, Herr Bröckers?
Mathias Bröckers: Naja, das ist schon ein ganz entscheidender Punkt…
Mathias Bröckers: Man kann doch auch mal andere Sachen denken. Ich meine was mich z.B. stört…
Mathias Bröckers: Aber nicht als Ressortchef oder Chefredakteur.
Mathias Bröckers: Nein, sozusagen von außen. Ich weiß nicht ob sie das Modell „Bürgerhaushalt“ kennen. Das ist in Brasilien erfunden worden. Die Arbeiterpartei hatte die Wahl gewonnen und hat gesagt, wir bringen die Bevölkerung an die Regierung. Und dann standen sie vor ihrem Versprechen und haben geguckt, ob sie irgendwie eine Idee finden und haben nichts gefunden dazu. Sie haben sich aber überlegt, dass die Leute jetzt wirklich entscheiden. In Porto Alegre haben sie in den Stadtteilen jeweils ein Zirkuszelt aufgestellt und jeder hatte fünf Stimmen: 5, 4, 3, 2, 1. Dann wurde vorgestellt, was in der Stadt investiert werden soll. Jeder konnte sagen: „Ich möchte hier eine Straße haben“, „ich möchte, dass dort ein Supermarkt hingeht“ oder „ich möchte hier einen Kindergarten haben.“ Dann musste er argumentieren, warum das nicht nur für ihn wichtig ist oder warum er oder seine Gruppe endlich dran kommen sollte, und danach wurde abgestimmt. Dann haben sie gesagt, dass sie es in den Stadtteilen machen mit Regionen, die ähnliche Interessen haben. Der Willen vor Ort hat ein eigenes Interesse, das Arbeiterviertel hat ein eigenes Interesse und dann stimmten sie ab und die Politiker müssen diese Entscheidung irgendwie in Politik umsetzen. Die Entscheidung treffen aber die Leute. Das hat im ersten Jahr überhaupt nicht funktioniert. Weil die Leute gewohnt waren, dass es z. B. einen Betonunternehmer gibt, der sich für den Bau einer Straße einsetzt, 6-spurig mit Beleuchtung, damit er einen großen Auftrag hat. Dann waren aber z. B. nur zwei Schulen da und haben gesagt, dass sie es für die Schule wollen und dann haben sie das Geld bekommen und dann haben die Andere gesehen: „Ach Gott, die haben das wirklich gekriegt, dann müssen wir da beim nächsten Mal auch hin.“ Seitdem funktioniert das. Sie haben damit die Korruption abgeschafft.
Ken Jebsen: Also Demokratie wieder erlernen. Sich verantwortlich machen, lokal handeln.
Mathias Bröckers: Warum könnte man nicht in Berlin sagen: Das ist unser Investivhaushalt und wir sagen, wofür wir das ausgeben, stellen wir vor. Die einzelnen Gruppen können jeweils 5 Minuten vorstellen, warum sie meinen, dass ihre Sache die beste ist, und die Bevölkerung stimmt hinterher sozusagen ab. Gibt ein Votum ab. Warum können wir nicht dazu kommen, dass das, was wir an Informationsverarbeitung haben, wieder einen Wert und einen Sinn hat. Es ist nicht nur ein Diskutieren und Austauschen denkbar, sondern es ist auch eine Entscheidungsfindung denkbar. Zumindest im lokalen Bereich. Bisschen mehr Fantasie!
Willy Wimmer: Wir müssen zum Staatsbürger wieder zurückkehren, und nicht zum Konsumenten und Steuerzahler. Wenn wir uns heute unser Land ansehen wie es ist, dann sind wir als Staatsbürger gar nicht mehr gefragt. Man will uns gar nicht mehr und wir verhalten uns auch so, dass wir weggeschoben werden können. Wir müssen zu den im Kern tradierten Überlegungen, die modern angereichert werden können, wieder zurückkommen und wir müssen sie neu gewinnen.
Mathias Bröckers: Statt TTIP, was genau die entgegengesetzte Richtung ist, wo uns alles diktiert wird.
Willy Wimmer: TTIP ist Entmündigung.
Ken Jebsen: Herr Wimmer, wie wichtig ist es als Bürger, wenn wir wissen, dass von deutschem Boden aus Drohnenkriege geführt werden (ohne Rammstein ginge es nicht), dass wir uns kollektiv dorthin bewegen und ein Zeichen setzen in großen Massen. Wir haben doch auch die Loveparade hinbekommen, dann sollten wir es doch nach Rammstein schaffen.
Willy Wimmer: Man kann mit Sicherheit an alles denken und ich will das auch gar nicht limitieren, nur der Adressat für diese Dinge, heißt Bundeskanzlerin, Bundespräsident, Präsident des Verfassungsgerichts und der Präsident des deutschen Bundestages. Die sollen keine Festreden reden und uns in die Ohnmacht führen, die sollen was machen. Sie haben eine Verpflichtung der Verfassung gegenüber.
Ken Jebsen: Aber reagieren sie nicht erst auf die Straße?
Mathias Bröckers: Haben sie jemals auf die Straße reagiert, ich bin mir nicht sicher. Wir [Herr Bröckers und ich] sind ungefähr gleich alt. Da gab es die Friedensbewegung in den 1980er Jahren. 500.000 Leute haben im Bonner Herrengarten demonstriert…
Willy Wimmer: Da hat die Politik schwer drauf reagiert.
Mathias Bröckers: Ja, das glaube ich auch. So eine Friedensbewegung würde ich mir heute wieder wünschen.
Mathias Bröckers: Sie hatten Widerstand, das würde ich sagen.
Willy Wimmer: Ich war diesem Geschehen sehr nahe, um wirklich sagen zu können, dass es alles Menschen sind, denen so etwas schwer nachgeht und nahe geht. Vor diesem Hintergrund sehe ich überhaupt keine Möglichkeit das beiseite zu wischen. Das hat eine unheimliche Wirkung.
Mathias Bröckers: Sie haben vorhin TTIP schon angesprochen. Ich habe gerade mit jemandem gesprochen, der dagegen am mobilisieren ist. Ich glaube das wird eine riesige Bewegung und Demonstration werden. Die Leute denken sich: „Ihr nennt es Frei-handel…“
Mathias Bröckers: Da ist wieder Rousseaus Freiheit. Da passt dieser Satz.
Mathias Bröckers: Die Engländer haben das 1850 schon gemacht, als sie Opium nach China bringen wollten. Der chinesische Kaiser sagte „Nein“. Die Engländer haben aber gesagt, dass sie Freihandel wollen und jetzt liefern wollen. Und so ist es jetzt mit dem TTIP ganz genau so. Es ist ja nicht so, als hätten wir mit Amerika keinen Handel. Der ist sowieso schon frei.
Willy Wimmer: Aber warum sollen amerikanische Anwälte über unser Schicksal entscheiden.
Mathias Bröckers: Das ist der Knackpunkt, dass die internationalen Schiedsgerichte eingesetzt werden sollen und dann kann irgendein Unternehmer bei so einem Schiedsgericht klagen und wir machen hier sozusagen Politik an der langen Leine. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass das eine große Bewegung jetzt wird und das geht wirklich quer durch alle politischen Lager.
Ken Jebsen: Herr Bröckers, ich möchte hier rein grätschen, weil uns die Zeit davon läuft. Und der Zug dieses Mannes [Herrn Ganser] nicht warten wird.
Daniele Ganser: Also wir sprechen jetzt nicht über TTIP, wegen dem Zug in die Schweiz? Ich finde es schon wichtig, aber schaffen wir das?
Ken Jebsen: Ist nicht mein Zug.
Mathias Bröckers: Wir haben schon noch 10 Minuten.
Ken Jebsen: Gut. Ich glaube, bei TTIP haben die Menschen verstanden, dass dort die Freiheit genutzt wird um die Masse zu unterdrücken. Dass es möglich ist, dass es in Europa immer wieder Länder gibt, die anderer Meinung sind, hat damit zu tun, dass man von außen dirigiert und Europa auseinander dividiert. Wie die Solidarität zerstört wird, können wir doch sehen an Griechenland. Da wurde die Demokratie erfunden, wir sind unsolidarisch und lassen uns erklären, dass ein Land, das 2% des BIP in Europa hat, wäre für die große Krise verantwortlich. In Wirklichkeit geht es darum, den Euro-Raum zu schwächen, um die Gelder in den Dollar-Raum abfließen zu lassen, was mir neulich ein Whistleblower der Weltbank bestätigte.
Aber zurück zum Titel dieser Sendung „Positionen“, also Plural. Wir haben gesehen, dass es viele Positionen gibt, wir haben auch nicht alle beleuchtet. „Krieg oder Frieden in Europa – wer bestimmt auf dem Kontinent?“ Müsste man sagen: Die, die wir bestimmen lassen, wenn wir uns selbst zu Bestimmern machen, bestimmen wir mehr auf dem Kontinent? Ist das so einfach?
Mathias Bröckers: Habe ich nicht verstanden den Satz. Nochmal.
Daniele Ganser: Ne, also ich kann schon etwas sagen. Ich glaube im Moment haben wirklich die Amerikaner als Imperium das Sagen. Sie bestimmen eigentlich den Diskurs in den Medien, im Fernsehen. Sie haben auch ihre Berichterstattung über die Ukraine durch die gesetzten Chefredakteure in den entsprechenden deutschen oder schweizerischen Zeitungen. Im Moment ist klar, wer dominiert. Die Europäer sind in einer reduzierten Souveränität. Das ist so. Aber ich denke auch gleichzeitig.
Willy Wimmer: Also Breschnew.
Daniele Ganser: Ja, genau. Sie werden einfach umgekehrt. Jetzt ist aber die positive Nachricht, dass dieser Zustand erkannt wird. Das ist wie mit einem gebrochenen Bein: Man geht lange, merkt es nicht und plötzlich fällt einem das auf. Man hat das Gefühl, dass man so etwas nicht verpassen kann, dass wir eine limitierte Souveränität haben, aber es ist tatsächlich so. Man hat das lange einfach übersehen, weil die Mediensteuerung so funktioniert: Wenn sie es in allen Sendungen sehen, also von Bild bis zu Spiegel, von ProSieben bis zu ZDF, immer das gleiche, dann hat der Mensch am Schluss das Gefühl, dass es stimmen muss. Und das ist eigentlich eine so billige Nummer. Von Goebels schon richtig dargelegt.
Mathias Bröckers: Das haben wir schon in der Philosophie beigebracht bekommen, dass deswegen das dritte Reich funktioniert hat, weil es keine abweichenden Stellungnahmen gab. Das haben wir jetzt auch wieder nicht.
Daniele Ganser: Da hat man gedacht: „Ja, die waren bescheuert!“ Und eigentlich jetzt haben wir auf allen Kanälen die gleiche Story und die Leute merken das. Also ich glaube die gute Nachricht ist, dass die Leute unterschätzt wurden. Man hat gedacht: „Die Wissenschaftler werden kuschen und sagen ‚Ja, WTC 7 untersuchen wir nicht. Maidan-Schießerei untersuchen wir nicht.‘ Die Journalisten werden still sein und werden keine Filme machen, wo die U-Boote auftauchen oder schreiben Bücher darüber.“
Ken Jebsen: Und Herr Wimmer geht in den Ruhestand.
Daniele Ganser: „Die erfahrenen Politiker werden schweigen und sagen: ‚Ja, zu diesem Thema darf ich mich nicht mehr äußern.‘…“ Und es ist das Gegenteil, was wir hier sehen. Und was ich in vielen Gesprächen mit den Menschen sehe ist, dass der Druck, die Gefahr eines realen Krieges in der Ukraine der eskalieren kann, TTIP, etc. zunimmt. Weil der Druck zunimmt, nimmt auch die Wahrheit zu. Ich finde es spannend.
Mathias Bröckers: Und wir haben ein Medien noch mit dem Netz, wo sich jeder informieren kann und wo sich jeder artikulieren kann. Ich habe vor der Sendung Herrn Wimmer das erzählt: Ich habe das Buch unter anderem geschrieben im letzten Jahr, weil ich einen Verwandten von mir in Mönchengladbach besucht habe, einen alten Herren von fast 90, der mir sagte: „Matthias, ich glaube nicht mehr der Tagesschau, ich gehe jetzt ins Internet.“ Die 90-Jährigen, die ein Leben lang die Tagesschau wie das Wort Gottes wahrgenommen haben, machen nicht mehr mit.
Daniele Ganser: Das ist die Medienrevolution. Die läuft.
Mathias Bröckers: Und das ist was positives. Da kann man nur appellieren, dass du mit KenFM Erfolg hast. Das wäre vor zehn Jahren auch nicht denkbar gewesen.
Mathias Bröckers: Aussortiert und Ende. Man muss sich nur diese Runde anschauen, wie wir reden und wie Ken Jebsen dargestellt wurde in den Medien. Also als Kryptofaschist…
Mathias Bröckers: Ja, gut, aber ich genauso, er auch, also …
Mathias Bröckers: Wir haben alle sozusagen die Etiketten bekommen und jetzt besteht die Möglichkeit Zuzuhören und festzustellen, dass es gar nicht so ist.
Ken Jebsen: Produktfälschung.
Mathias Bröckers: Der ist ja ganz anders.
Mathias Bröckers: Der ist ja gar kein Idiot.
Ken Jebsen: Ich habe in dieser Runde am wenigsten gesprochen.
Mathias Bröckers: Das ist aber eine Seltenheit.
Ken Jebsen: Ja eben. Herr Pohlmann, wir müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. Sie haben einen Film gemacht, der auch im Netz zu sehen ist, „Täuschung – die Methode Reagan“. Wie wichtig ist es, dass man sich selbst ent-täuscht, wie ent-täuscht man sich? Dass man die Täuschung von sich abzieht und damit aufhört sich zu täuschen.
Mathias Bröckers: Ich habe eine kurze Ansprache: Da waren ziemlich viele russische U-Boot Leute, als ich den Preis für den besten ausländischen Film in St. Petersburg für den Film bekommen habe, und die waren sehr interessiert und denen habe ich dass gesagt, was ich für alle sagen möchte: Bitte nicht zynisch werden. Guckt euch das genau an, wie ihr hinters Licht geführt werdet, erkennt es und nehmt daraus nicht die Konsequenz mit, dass ihr angeekelt seid, alles schlecht ist und ihr nichts tun könnt. Das ist der erste Schritt, dass man weiß, dass man das nicht will. Wenn man weiß, dass man das nicht will, muss man sich Gedanken machen, was man will. Dafür muss man sich mit anderen Menschen unterhalten. So eine Runde hier ist gut, aber es ist nicht zuhören, sondern selber reden. Und das ist der entscheidende Faktor, der möglich ist. Wir haben Möglichkeiten. Wir müssen aufpassen, dass das Internet frei bleibt. Und wir sind in der Lage eine Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Das ist hier eine Unabhängigkeitserklärung auf diesem Gebiet. Wir brauchen sozusagen die Schleusenwärter von ZDF und ARD nicht, die uns in wohlgesetzten Worten erklären, wie die Weltlage ist, aber nur ausschnittsweise und nur auf einem sehr engen Pfad. „57 Channels and nothing on“ heißt es bei Bruce Springsteen. Aber die brauchen wir nicht mehr, wir machen etwas anderes!
Ken Jebsen: Eine letzte Frage an sie, weil wir bei KenFM über Erika Licht nachgedacht haben, eine fiktive Figur hinter der normale Journalisten, die noch irgendwo arbeiten und sich selbst verbiegen, schreiben dürfen: Brauchen wir eine Exit-Strategie für embeddete Journalisten?
Mathias Bröckers: Ja. Das Gespräch habe ich mitgekriegt bei Spiegel TV. Ich kenne das Verfahren. Zwei Stunden Interview nur um einen Satz zu finden über den man dann nachweisen kann, dass KenFM in Wirklichkeit ein ganz Rechter ist. Da haben sie gesagt: „Jungs, dass hat mir gut gefallen, für euch ist es schlimm, ihr müsst in diesem Laden arbeiten, aber…nächstes Jahr stelle ich Leute ein. Dann könnt ihr endlich wieder sagen, was ihr denkt.“
Ken Jebsen: Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Herr Wimmer, sie haben das Schlusswort, sie werden nicht eingestellt, sie sind zu teuer.
Willy Wimmer: Ich kann nur an eins appellieren: Lassen wir uns die Erinnerung an die Wiedervereinigung nicht kaputt machen lassen, dadurch dass wir auf die Russen schießen.
Ken Jebsen: Vielen Dank. Das war die ersten Ausgabe von Positionen, Plural. Ich sehe, dass es über zweieinhalb Stunden lang gewesen sein sollte. Es ist relativ warm geworden, aber das Publikum hat es ausgehalten, ist nicht heraus gegangen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei unseren fantastischen Gästen: Dr. Daniele Ganser, Friedensforscher, der aus der Schweiz hierher gefunden hat und mit dem Zug zurückfährt.
Mathias Bröckers und sein Buch „Wir sind die Guten“, was er zusammen mit dem Paul Schreyer geschrieben hat. Sie sind auch „taz“-Gründer. Sie haben mir damals gesagt: „Wenn wir gewusst hätten, was daraus wird, hätten wir sie nicht gegründet.“ Würden sie es noch einmal so sagen?
Mathias Bröckers: Ach, naja. Es ist immer noch in Ordnung. Wir sollen ja nicht depressiv werden, hat Daniele eben gesagt und deswegen sehe ich das auch eher positiv und denke, dass man daraus noch was machen kann.
Ken Jebsen: Dirk Pohlmann, vielen Dank. Ich fand ihren letzten Film fantastisch. Den kann man auch bei Netflix sich anschauen, genauso wie ihr Film „Dienstbereit – Nazis und Faschisten im Auftrag der CIA“. Sie sind jemand, der an solchen Themen dran bleibt, vielleicht wird ihr nächstes Projekt Crowdfunding finanziert. Viele große amerikanische Produktionen sind inzwischen crowdfunding finanziert. Ich glaube, dass es dafür einen Markt gibt. Die Menschen haben ein Gehirn und sie wollen dieses Gehirn auch benutzen. Vielen Dank, dass sie gekommen sind.
Ken Jebsen: Und auch an sie, Herr Wimmer, vielen Dank für ihre Zeit. Sie sind extra hierher gefahren. Ich möchte auf ihr Buch hinweisen „Wiederkehr der Hasardeure“. Ich möchte sie explizit dahingehend loben, dass sie auf Tour sind, obwohl sie es nicht müssten. Ich nenne das die „Politik der zweiten Reihe“. Sie waren gerade in Österreich, in der Schweiz und im Bodensee-Raum unterwegs und haben dort einladen lassen von Otto Normalbürgern, von Buchhändlern, Obsthändlern, usw. Die dann einfach gesagt haben: „Wir haben den Herrn Wimmer, der kennt sich aus mit Politik.“ Die Säle waren immer voll. Und wir gehen jetzt auf die zweite Tour durch den bayrischen Raum. Vielleicht sogar bis nach Wien. Wir werden sie wieder begleiten. Für uns war es vor allem das Wichtige, wo das Publikum herkommt und wo das Publikum da ist, und das Publikum in Deutschland ist nicht blöd. Das hat man gesehen an ihren Besuchern. Vielen Dank, dass sie hergekommen sind.
Mathias Bröckers: Man könnte hier wieder Vertrauen in die Politiker finden.
Ken Jebsen: Ja. Das war die erste Ausgabe von „Positionen – Politik verstehen“. Ich glaube wir haben dafür gesorgt, dass es verstanden wird und wie Geopolitik funktioniert und dass man bei sich selber anfangen muss. Man darf sich als Bürger nicht die Dinge bieten lassen, indem man in sich hineinschweigt oder betrinkt. Das kann man ruhig auch mal machen, aber dann kann man sich ruhig auch mal zum Kanzleramz aufmachen. Man kann auch nach Rammstein gehen, ich werde das demnächst tun, oder an seinen Redakteur schreiben, ins Internet gehen, man kann auch nicht-embeddeten, freien Journalismus unterstützen. Ich bedanke mich bei allen, die das getan haben, ohne die, wäre diese Sendung gar nicht möglich gewesen. Danke an das Publikum, dass hierher gefunden hat. Mein Name ist Ken Jebsen und meine Zielgruppe bleibt der Mensch.