Lizenz: Colin Meier, CC BY-NC-ND 4.0

Zensur, Propaganda und Embedded Journalism (Teil 2)

Propaganda, die Kehrseite der Zensur: Russland, der äußere Feind

Es ist nicht Zensur, von der in dieser Serie hauptsächlich die Rede sein soll, denn Zensur ist, in diesem Fall sowie im Allgemeinen, so flagrant, vulgär und grobschlächtig, dass es manchmal schwierig ist, über sie und ihre Unrechtmäßigkeit zu sprechen, so offensichtlich scheint sie. Das ist auch der Grund warum viele Zensoren sie und ihre Existenz als allererstes automatisch abstreiten. Nein, es ist ihre blendende Kehrseite, die hier abgehandelt werden soll: Propaganda. Viel raffinierter und hinterhältiger, benötigt sie zunächst die Konstruktion eines äußeren Feindes. Ihr Lieblingsziel in diesem Fall? Russland.

Von Colin Meier , veröffentlicht am: 2. Oktober 2022, Kategorien: Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 01.07.2022 auf www.bam.news unter der URL <https://bam.news/societe/investigation/la-propagande-le-revers-poli-de-la-censure-la-russie-l-ennemi-exterieur> veröffentlicht. Lizenz: Colin Meier, BAM !, CC BY-NC-ND 4.0

Die nicht ganz so diplomatischen Diplomatischen Dienste der EU

Wie wir aus den Äußerungen des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (Hoher Vertreter), Josep Borrell [1], in Teil 1 erfahren haben, gibt es ein europäisches Programm für „strategische Kommunikation“, die East StratCom Taksforce (ESTF). Diese entstand im Zusammenhang mit dem Krieg im Donbass auf Initiative des Europäischen Rates [2] im März 2015 hin – wenige Monate nach dem Scheitern von Minsk I und nur einen Monat nach dem Abkommen über Minsk II [3] – ein „Kommunikationsteam“ zu schaffen, um gezielt „russische Desinformation zu bekämpfen“.

Die ESTF ist Teil des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD, en. European External Action Service, EEAS), des Diplomatischen Dienstes der EU, der im Vertrag von Lissabon [5] vorgesehen und 2011 geschaffen wurde. Dieser unterliegt dem Vorsitz des Hohen Vertreters (derzeit J. Borrell) und wird von einer Vielzahl nationaler Diplomatischer Dienste sowie europäischer Militär- und Sicherheitsinstitutionen beraten, die ebenfalls dessen Leitung unterliegen [6] und deren Mitarbeiter und „Experten“ oft eine Laufbahn im Militär, der Verteidigung oder der Rüstung aufzuweisen haben [7]. Die ESTF arbeitet in der Frage der Desinformation mit der NATO zusammen [8].

Wie der Name bereits andeutet, konzentriert sich der EAD auf EU-Politik außerhalb des EU-Raums. Wir werden jedoch zeigen, dass die Vision dessen, was er als „den Kampf gegen Propaganda im Ausland“ präsentiert, tatsächlich ein Kampf ist, der auch innerhalb der EU gegen die eigene Bevölkerung geführt wird.

Zweck des EAD ist es, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP [9]) der EU zu unterstützen, damit sie ihre „Rolle als Akteur der globalen Sicherheit“ wahrt und „ihre Verantwortung im Krisenmanagement wahrnimmt“ [10]. Die GSVP (vgl. insbesondere Art. 42 und 43 des Vertrags von Lissabon) umfasst auch „militärische Mittel“ und Interventionen von „Kampftruppen“, beschränkt diese aber (zumindest auf dem Papier) auf „humanitäre Prinzipien“ und jene der „UN-Charta“.

Angesichts des Missbrauchs des Begriffs „humanitäre Interventionen“ und der Vervielfältigung der in der GSVP sehr vage formulierten Szenarien des Einsatzes militärischer Mittel, kann man sicher sein, dass dies, unter Umgehung des Wortes, auch Krieg meint. Aus der Struktur des EAD und dieser wohlklingenden Umschreibung seiner Befugnisse können wir ableiten, dass der EU in diesem Zusammenhang die Rolle einer Kriegspartei zukommt – viele ihrer Berater entstammen wie gesagt dem Militär –, die in Kriege, bewaffnete Konflikte und Krisen im Ausland verwickelt ist, die sie dann alsbald als Gefahren für die innere Sicherheit der EU umdefiniert.

Aktionsplan gegen Desinformation: das Recht auf freie Meinungsäußerung, ein bisschen, von Herzen, mit Schmerzen, gar nicht

In diesem Sinne haben die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter Ende 2018 den Aktionsplan gegen Desinformation [11] (en. Action Plan against Disinformation, APD) vorgelegt, der sich damit legitimiert, indem er in der Einleitung direkt darauf die oben erwähnte Initiative des Europäischen Rates verweist. Der Aktionsplan gibt die offizielle EU-Definition von Desinformation an: dabei handelt es sich um nachweislich „falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel des Profits oder mit der vorsätzlichen Absicht, die Öffentlichkeit irrezuführen, erstellt, präsentiert und verbreitet werden und die geeignet sind, der Öffentlichkeit Schaden zuzufügen“. Irrtümer sowie bestimmte Ausdrucksformen (z. B. Satire, Kommentare, Parteiwerbung) sind hiervon ausgenommen.

Was wie eine vernünftige Definition klingt, ist es in Wirklichkeit absolut nicht. Denn alle Teile der Definition sind problematisch und bewusst vage. Erstens: Wer entscheidet, ob Informationen nachweislich falsch sind oder nicht?

Zweitens ist die „vorsätzliche Absicht, die Öffentlichkeit irrezuführen“ der Definition keine notwendige, sondern nur ausreichende Bedingung, da ihr das „Ziel des Profits oder“ vorangestellt ist. Damit erübrigt sich die Ausnahme von Irrtümern, da der Vorsatz keine notwendige Bedingung mehr ist. Es reicht daher aus, ein alternatives Medium mit einem funktionierenden Wirtschaftsmodell als profitorientiert umzudefinieren, und sobald es (selbst unwissentlich) falsche Informationen – welche sogar das Produkt von Unterwanderung und Subversion sein könnten – weitergibt, könnte diesem die Verbreitung von Desinformation vorgeworfen werden und unter den Folgen leiden.

Drittens gilt die Art des „Schadens“, der der Öffentlichkeit zugefügt wird, für sehr weit gefasste Bereiche (Gesundheit, Umwelt, Sicherheit) und sein Anwendungsbereich wird umso vager, da es sich lediglich um hierfür „geeignete“ Informationen handelt. Der Schaden muss also nicht mehr nachgewiesen werden, sondern darf rein hypothetisch sein.

Viertens macht die Definition eindeutig klar, dass sie sich auf „legale“ (S. 1) Inhalte bezieht, also Dinge, die ohne Probleme ausgedrückt werden können sollten. Sie gilt daher nicht für bereits gesetzlich verbotene Inhalte, sondern dient dazu, das Spektrum dessen, was als unaussprechlich empfunden wird, zu erweitern und somit den Raum für freie Meinungsäußerung einzuschränken, ohne jemals auf Zensur im engeren Sinne zurückgreifen zu müssen.

Darüber hinaus wird der Aktionsplan mit besonderer Betonung der Gefahr „permanenter russischer Desinformation“ eingeführt. Hierzu werden zur Rechtfertigung mehrere Beispiele angeführt, darunter der Fall des Chemiewaffenangriffs von Salisbury, auch bekannt als Skripal-Affäre[12] , sowie der Gasangriff von Douma in Syrien [13], hinter dem die europäischen Institutionen zweifellos den Kreml sehen. Unabhängige Medienberichte haben jedoch die Manipulation und Instrumentalisierung dieser Angelegenheiten durch europäische und westliche Regierungen und Medien offengelegt [14, 15].

Russland, der einzige Feind der EU?

Die im Aktionsplan verwendete Definition von Desinformation entstammt allerdings einer anderen Mitteilung der Europäischen Kommission, der COM(2018) 236 vom 26. April 2018 [16]: „Bekämpfung von Desinformation im Internet: ein europäisches Konzept“. Darin wird unter Rückgriff auf die Charta der Grundrechte der EU eindeutig erklärt, dass die Meinungsfreiheit von den Behörden verlangt, auf Zensur und Eingriffe in die öffentliche Debatte zu verzichten. Dies gelte für alle legalen Inhalte, unabhängig davon, ob sie Schaden anrichten würden oder nicht. Die Kommission umgeht diese Klausel jedoch ganz offen, indem sie ihren Kampf gegen Desinformation mit dem Beispiel der russischen Militärdoktrin rechtfertigt, welche den Einsatz von „Information Warfare“ offen ausüben würde [17]. Es fällt auf, dass auch hier Russland wieder das bevorzugte Ziel der Kommission ist, da es das einzige Land ist, das namentlich genannt wird! Denn außer der EU bzw. Europa und Russland wird dort kein anderer Staat, kein anderes Territorium und keine andere geopolitische Einheit oder Organisation als Akteur erwähnt.

Es entsteht der Eindruck, als ob sich in den Augen hochrangiger europäischer Beamter die geopolitischen Gefahren für die EU einzig und allein auf eine Art schwarze Bestie namens „Russland“ reduzieren würden. Wir werden jedoch in der nächsten Folge sehen, dass ihre Sicht der Dinge hier nicht Halt macht. Im Gegenteil, die Kommission hatte diesbezüglich bereits 2018 in der o.g. Mitteilung (s. Fußnote 5, S. 2), wie auch im Aktionsplan (s. Kap. 2., S. 4), „Impfskepsis“, ausgehend diesmal von internen, nicht-staatlichen Akteuren und die durch Online-Fehlinformationen verstärkt würde, als eine dieser Gefahren identifiziert.

Quellen:

[1] Europäische Kommission, „Further measures to respond to the Russian invasion of Ukraine: Press statement by High Representative/Vice-President Josep Borrell“ am 27. Februar 2022: <https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_22_1463>
[2] Europäischer Rat, „European Council meeting (19 and 20 March 2015) – Conclusions“ am 20. März 2015: <https://www.consilium.europa.eu/media/21888/european-council-conclusions-19-20-march-2015-en.pdf>: Der Europäische Rat ist die EU-Institution, in der die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammenkommen. Nicht zu verwechseln mit dem Ministerrat/Rat der Europäischen Union, der EU-Institution, in der die nationalen Minister eines bestimmten Ressorts der Mitgliedsländer der EU zusammengeschlossen sind, oder mit dem Europarat, der indessen keine EU-Institution, sondern eine internationale zwischenstaatliche Institution bildet, die für die Achtung der Menschenrechte in den 46 europäischen Mitgliedstaaten verantwortlich ist.
[3] The Telegraph, „Minsk agreement on Ukraine crisis“ am 12. Februar 2015: <https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/ukraine/11408266/Minsk-agreement-on-Ukraine-crisis-text-in-full.html>
[4] European External Action Service EEAS, About Us: <https://www.eeas.europa.eu/eeas/about-european-external-action-service_en>
[5] Official Journal of the European Union, Vertrag von Lissabon <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2007:306:FULL&from=EN>: s. Art. 13a §3, inzwischen Art. 27 §3 der konsolidierten Version 2016: <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2016:202:FULL&from=EN>
[6] European External Action Service EEAS <https://www.eeas.europa.eu/eeas/csdp-structure-instruments-and-agencies_en>
[7] Damit ließe sich zumindest die Intransparenz erklären, die auf den Webseiten dieser verschiedenen Institutionen herrscht.
[8] EEAS – Questions and Answers about the East StratCom Task Force <https://www.eeas.europa.eu/eeas/questions-and-answers-about-east-stratcom-task-force_en>
[9] <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2016:202:FULL&from=EN>: s. Kapitel 2, Art. 23 bis 46.
[10] European External Action Service EEAS <https://www.eeas.europa.eu/eeas/csdp-structure-instruments-and-agencies_en>
[11] Europäische Kommission, „Action Plan against Disinformation“ <https://eeas.europa.eu/sites/default/files/action_plan_against_disinformation.pdf>
[12] Sergej Skripal ist ein russischer Doppelagent, der angeblich Anfang März 2018 mit Nowitschok vergiftet wurde <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43032>. Die Regierungen Großbritanniens <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43331> (unter Theresa May und Boris Johnson <https://www.nachdenkseiten.de/?p=53848>), Deutschlands und vieler anderen westlichen Länder <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43283> sowie viele westliche <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43460>, sog. „Qualitätsmedien“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43474> erklärten den Kreml für verantwortlich, was bisher nie bewiesen und von den russischen Behörden stets bestritten wurde. Der Fall diente als Legitimation für eine Runde diplomatischer Sanktionen gegen Russland sowie medialer Angriffe auf RT <https://www.nachdenkseiten.de/?p=44609>. Trotz Kritik an der offiziellen Version, die viele Mängel aufweist, hat die Bundesregierung nie einen Rückzieher gemacht <https://www.nachdenkseiten.de/?p=44188>.
[13] Am 7. April 2018, wenige Monate vor der Veröffentlichung des Aktionsplans, wurde Berichten zufolge die syrische Stadt Douma Ziel eines Chemiegasangriffs der syrischen Armee, unterstützt von den russischen Streitkräften. Dieser angebliche Angriff wurde als Vorwand für die Bombardierung Syriens durch die Vereinigten Staaten benutzt. Doch bereits Ende Mai 2019 deutete ein erster durchgestochener Bericht <https://thegrayzone.com/2019/05/25/opcw-syria-gas-attack-staged-theodore-postol/> der Organisation gegen die Verbreitung chemischer Waffen (OPCW) darauf hin, dass kein Gasangriff stattgefunden habe und der Einschlagsort manipuliert worden sei. Dieser erste Bericht weicht vom Abschlussbericht ab, der als Grundlage für die offizielle Version dient. Whistleblower innerhalb der OPCW haben der OPCW-Führung jedoch Manipulation und Zensur des ersten Berichts auf Druck der Vereinigten Staaten vorgeworfen <https://thegrayzone.com/2020/01/02/opcw-leaks-expose-criminal-syria-cover-up-and-us-media-is-silent/>. Der mit der Untersuchung des Vorfalls vor Ort beauftragte Hauptermittler der OPCW wiederholte diese Anschuldigungen vor dem UN-Sicherheitsrat <https://thegrayzone.com/2020/01/22/ian-henderson-opcw-whistleblower-un-no-chemical-attack-douma-syria/>. Interne Dokumente enthüllten ein Gespräch, das zwischen OPCW-Beamten stattfand und die Manipulation und Zensur des ursprünglichen Berichts diskutierten <https://thegrayzone.com/2020/12/07/opcw-executives-whistleblower-syria-leaks/>. Von einigen Beamten bestätigt, schwieg einer von ihnen wissentlich, um jede Bestätigung des „russischen Narrativs“ über die nicht existierende Unabhängigkeit der OPCW zu vermeiden. Andere OPCW-Beamte haben sich jedoch den Anklagen angeschlossen <https://thegrayzone.com/2021/03/14/5-former-opcw-officials-join-prominent-voices-to-call-out-syria-cover-up/>, die der unabhängige investigative Journalist Aaron Maté (The Grayzone) vor dem UN-Sicherheitsrat wiederholt hat <https://thegrayzone.com/2021/04/18/at-un-aaron-mate-debunks-opcws-syria-lies-and-confronts-us-uk-on-cover-up/>. Er zeigt auch, wie die Meinungen unabhängiger Experten redigiert wurden und der OPCW-Inspektor von seiner eigenen Organisation schikaniert wurde <https://thegrayzone.com/2021/11/22/corrupting-science-in-syria-probe-opcw-erased-experts-inconvenient-findings/>. Natürlich wird nichts davon von EuvsDisinfo <https://euvsdisinfo.eu/report/leaked-opcw-report-proves-douma-chemical-attack-was-staged/> (s. Teil 5 der Serie), dem Propagandaarm der EU, erwähnt, das es vorzieht, sich auf die offizielle Version zu beziehen, um diese zu bestätigen.
[14] Nachdenkseiten, Jens Berger „Die Salisbury Tales – was verschweigen Medien und Politik im Falle des vergifteten russischen Doppelagenten?“ am 14. März 2018: <https://www.nachdenkseiten.de/?p=42924>
[15] The Grayzone, Suchergebnis „OPCW“ <https://thegrayzone.com/?s=opcw>
[16] Europäische Kommission, „Tackling online disinformation: a European Approach“ <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0236&from=EN>
[17] Dieses Zitat stammt tatsächlich von der Website der russischen Botschaft zum Vereinigten Königreich <https://rusemb.org.uk/press/2029>. Nur scheint die hier von der Kommission angedeutete Interpretation – vielleicht absichtlich – die Intention dahinter zu verzerren oder zumindest diese im Sinne einer allgegenwärtigen Offensivstrategie zu überinterpretieren. Denn es ist nicht klar, ob „Information Warfare“ dort im Sinne von „Cyber ​​Warfare“ verwendet wird oder im ursprünglichen Sinn, wie er von der RAND Corporation bereits 1996 beschrieben wurde <https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/monograph_reports/2005/MR661.pdf>, lange bevor die meisten Haushalte überhaupt einen PC oder gar einen Internetzugang besaßen. In ihrem Bericht, der von der US-Regierung in Auftrag gegeben und mit Unterstützung hochrangiger US-Militärs und der Sicherheitsdienste verfasst wurde, definiert die RAND Corporation „strategische Informationskriegsführung“ als die Bereiche Cyberspace, Infrastruktur und Kultur für militärische und Sicherheitsstrategien. RAND beschrieb es wie folgt: „[…] eine durchdringendere Art von Konflikt, der das Zentrum des US-Heimatlandes erreicht. […] IW [Anm. d. R.: Information Warfare] bedroht die Vereinigten Staaten als Schutzort.“ Im Zeitalter der weltweit wachsenden digitalen Konnektivität scheint es nur logisch, dass sich die Russen mit den gleichen Werkzeugen wappnen wollen, die andere Länder seit langem gebrauchen und missbrauchen: so die Vereinigten Staaten <https://sgp.fas.org/crs/natsec/IF10771.pdf>, die bereits im Januar 1995 eine Information Warfare Executive Board (vgl. RAND) schufen. Kann man, in Anbetracht dessen, von einer ausschließlich russischen Offensivstrategie ausgehen? Nichts ist weniger sicher.

Zensur, Propaganda und Embedded Journalism (Teil 2)

Propaganda, die Kehrseite der Zensur: Russland, der äußere Feind

Von Colin Meier , veröffentlicht am: 2. Oktober 2022, Kategorien: Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 01.07.2022 auf www.bam.news unter der URL <https://bam.news/societe/investigation/la-propagande-le-revers-poli-de-la-censure-la-russie-l-ennemi-exterieur> veröffentlicht. Lizenz: Colin Meier, BAM !, CC BY-NC-ND 4.0

Lizenz: Colin Meier, CC BY-NC-ND 4.0

Es ist nicht Zensur, von der in dieser Serie hauptsächlich die Rede sein soll, denn Zensur ist, in diesem Fall sowie im Allgemeinen, so flagrant, vulgär und grobschlächtig, dass es manchmal schwierig ist, über sie und ihre Unrechtmäßigkeit zu sprechen, so offensichtlich scheint sie. Das ist auch der Grund warum viele Zensoren sie und ihre Existenz als allererstes automatisch abstreiten. Nein, es ist ihre blendende Kehrseite, die hier abgehandelt werden soll: Propaganda. Viel raffinierter und hinterhältiger, benötigt sie zunächst die Konstruktion eines äußeren Feindes. Ihr Lieblingsziel in diesem Fall? Russland.

Die nicht ganz so diplomatischen Diplomatischen Dienste der EU

Wie wir aus den Äußerungen des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (Hoher Vertreter), Josep Borrell [1], in Teil 1 erfahren haben, gibt es ein europäisches Programm für „strategische Kommunikation“, die East StratCom Taksforce (ESTF). Diese entstand im Zusammenhang mit dem Krieg im Donbass auf Initiative des Europäischen Rates [2] im März 2015 hin – wenige Monate nach dem Scheitern von Minsk I und nur einen Monat nach dem Abkommen über Minsk II [3] – ein „Kommunikationsteam“ zu schaffen, um gezielt „russische Desinformation zu bekämpfen“.

Die ESTF ist Teil des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD, en. European External Action Service, EEAS), des Diplomatischen Dienstes der EU, der im Vertrag von Lissabon [5] vorgesehen und 2011 geschaffen wurde. Dieser unterliegt dem Vorsitz des Hohen Vertreters (derzeit J. Borrell) und wird von einer Vielzahl nationaler Diplomatischer Dienste sowie europäischer Militär- und Sicherheitsinstitutionen beraten, die ebenfalls dessen Leitung unterliegen [6] und deren Mitarbeiter und „Experten“ oft eine Laufbahn im Militär, der Verteidigung oder der Rüstung aufzuweisen haben [7]. Die ESTF arbeitet in der Frage der Desinformation mit der NATO zusammen [8].

Wie der Name bereits andeutet, konzentriert sich der EAD auf EU-Politik außerhalb des EU-Raums. Wir werden jedoch zeigen, dass die Vision dessen, was er als „den Kampf gegen Propaganda im Ausland“ präsentiert, tatsächlich ein Kampf ist, der auch innerhalb der EU gegen die eigene Bevölkerung geführt wird.

Zweck des EAD ist es, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP [9]) der EU zu unterstützen, damit sie ihre „Rolle als Akteur der globalen Sicherheit“ wahrt und „ihre Verantwortung im Krisenmanagement wahrnimmt“ [10]. Die GSVP (vgl. insbesondere Art. 42 und 43 des Vertrags von Lissabon) umfasst auch „militärische Mittel“ und Interventionen von „Kampftruppen“, beschränkt diese aber (zumindest auf dem Papier) auf „humanitäre Prinzipien“ und jene der „UN-Charta“.

Angesichts des Missbrauchs des Begriffs „humanitäre Interventionen“ und der Vervielfältigung der in der GSVP sehr vage formulierten Szenarien des Einsatzes militärischer Mittel, kann man sicher sein, dass dies, unter Umgehung des Wortes, auch Krieg meint. Aus der Struktur des EAD und dieser wohlklingenden Umschreibung seiner Befugnisse können wir ableiten, dass der EU in diesem Zusammenhang die Rolle einer Kriegspartei zukommt – viele ihrer Berater entstammen wie gesagt dem Militär –, die in Kriege, bewaffnete Konflikte und Krisen im Ausland verwickelt ist, die sie dann alsbald als Gefahren für die innere Sicherheit der EU umdefiniert.

Aktionsplan gegen Desinformation: das Recht auf freie Meinungsäußerung, ein bisschen, von Herzen, mit Schmerzen, gar nicht

In diesem Sinne haben die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter Ende 2018 den Aktionsplan gegen Desinformation [11] (en. Action Plan against Disinformation, APD) vorgelegt, der sich damit legitimiert, indem er in der Einleitung direkt darauf die oben erwähnte Initiative des Europäischen Rates verweist. Der Aktionsplan gibt die offizielle EU-Definition von Desinformation an: dabei handelt es sich um nachweislich „falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel des Profits oder mit der vorsätzlichen Absicht, die Öffentlichkeit irrezuführen, erstellt, präsentiert und verbreitet werden und die geeignet sind, der Öffentlichkeit Schaden zuzufügen“. Irrtümer sowie bestimmte Ausdrucksformen (z. B. Satire, Kommentare, Parteiwerbung) sind hiervon ausgenommen.

Was wie eine vernünftige Definition klingt, ist es in Wirklichkeit absolut nicht. Denn alle Teile der Definition sind problematisch und bewusst vage. Erstens: Wer entscheidet, ob Informationen nachweislich falsch sind oder nicht?

Zweitens ist die „vorsätzliche Absicht, die Öffentlichkeit irrezuführen“ der Definition keine notwendige, sondern nur ausreichende Bedingung, da ihr das „Ziel des Profits oder“ vorangestellt ist. Damit erübrigt sich die Ausnahme von Irrtümern, da der Vorsatz keine notwendige Bedingung mehr ist. Es reicht daher aus, ein alternatives Medium mit einem funktionierenden Wirtschaftsmodell als profitorientiert umzudefinieren, und sobald es (selbst unwissentlich) falsche Informationen – welche sogar das Produkt von Unterwanderung und Subversion sein könnten – weitergibt, könnte diesem die Verbreitung von Desinformation vorgeworfen werden und unter den Folgen leiden.

Drittens gilt die Art des „Schadens“, der der Öffentlichkeit zugefügt wird, für sehr weit gefasste Bereiche (Gesundheit, Umwelt, Sicherheit) und sein Anwendungsbereich wird umso vager, da es sich lediglich um hierfür „geeignete“ Informationen handelt. Der Schaden muss also nicht mehr nachgewiesen werden, sondern darf rein hypothetisch sein.

Viertens macht die Definition eindeutig klar, dass sie sich auf „legale“ (S. 1) Inhalte bezieht, also Dinge, die ohne Probleme ausgedrückt werden können sollten. Sie gilt daher nicht für bereits gesetzlich verbotene Inhalte, sondern dient dazu, das Spektrum dessen, was als unaussprechlich empfunden wird, zu erweitern und somit den Raum für freie Meinungsäußerung einzuschränken, ohne jemals auf Zensur im engeren Sinne zurückgreifen zu müssen.

Darüber hinaus wird der Aktionsplan mit besonderer Betonung der Gefahr „permanenter russischer Desinformation“ eingeführt. Hierzu werden zur Rechtfertigung mehrere Beispiele angeführt, darunter der Fall des Chemiewaffenangriffs von Salisbury, auch bekannt als Skripal-Affäre[12] , sowie der Gasangriff von Douma in Syrien [13], hinter dem die europäischen Institutionen zweifellos den Kreml sehen. Unabhängige Medienberichte haben jedoch die Manipulation und Instrumentalisierung dieser Angelegenheiten durch europäische und westliche Regierungen und Medien offengelegt [14, 15].

Russland, der einzige Feind der EU?

Die im Aktionsplan verwendete Definition von Desinformation entstammt allerdings einer anderen Mitteilung der Europäischen Kommission, der COM(2018) 236 vom 26. April 2018 [16]: „Bekämpfung von Desinformation im Internet: ein europäisches Konzept“. Darin wird unter Rückgriff auf die Charta der Grundrechte der EU eindeutig erklärt, dass die Meinungsfreiheit von den Behörden verlangt, auf Zensur und Eingriffe in die öffentliche Debatte zu verzichten. Dies gelte für alle legalen Inhalte, unabhängig davon, ob sie Schaden anrichten würden oder nicht. Die Kommission umgeht diese Klausel jedoch ganz offen, indem sie ihren Kampf gegen Desinformation mit dem Beispiel der russischen Militärdoktrin rechtfertigt, welche den Einsatz von „Information Warfare“ offen ausüben würde [17]. Es fällt auf, dass auch hier Russland wieder das bevorzugte Ziel der Kommission ist, da es das einzige Land ist, das namentlich genannt wird! Denn außer der EU bzw. Europa und Russland wird dort kein anderer Staat, kein anderes Territorium und keine andere geopolitische Einheit oder Organisation als Akteur erwähnt.

Es entsteht der Eindruck, als ob sich in den Augen hochrangiger europäischer Beamter die geopolitischen Gefahren für die EU einzig und allein auf eine Art schwarze Bestie namens „Russland“ reduzieren würden. Wir werden jedoch in der nächsten Folge sehen, dass ihre Sicht der Dinge hier nicht Halt macht. Im Gegenteil, die Kommission hatte diesbezüglich bereits 2018 in der o.g. Mitteilung (s. Fußnote 5, S. 2), wie auch im Aktionsplan (s. Kap. 2., S. 4), „Impfskepsis“, ausgehend diesmal von internen, nicht-staatlichen Akteuren und die durch Online-Fehlinformationen verstärkt würde, als eine dieser Gefahren identifiziert.

Quellen:

[1] Europäische Kommission, „Further measures to respond to the Russian invasion of Ukraine: Press statement by High Representative/Vice-President Josep Borrell“ am 27. Februar 2022: <https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_22_1463>
[2] Europäischer Rat, „European Council meeting (19 and 20 March 2015) – Conclusions“ am 20. März 2015: <https://www.consilium.europa.eu/media/21888/european-council-conclusions-19-20-march-2015-en.pdf>: Der Europäische Rat ist die EU-Institution, in der die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammenkommen. Nicht zu verwechseln mit dem Ministerrat/Rat der Europäischen Union, der EU-Institution, in der die nationalen Minister eines bestimmten Ressorts der Mitgliedsländer der EU zusammengeschlossen sind, oder mit dem Europarat, der indessen keine EU-Institution, sondern eine internationale zwischenstaatliche Institution bildet, die für die Achtung der Menschenrechte in den 46 europäischen Mitgliedstaaten verantwortlich ist.
[3] The Telegraph, „Minsk agreement on Ukraine crisis“ am 12. Februar 2015: <https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/ukraine/11408266/Minsk-agreement-on-Ukraine-crisis-text-in-full.html>
[4] European External Action Service EEAS, About Us: <https://www.eeas.europa.eu/eeas/about-european-external-action-service_en>
[5] Official Journal of the European Union, Vertrag von Lissabon <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2007:306:FULL&from=EN>: s. Art. 13a §3, inzwischen Art. 27 §3 der konsolidierten Version 2016: <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2016:202:FULL&from=EN>
[6] European External Action Service EEAS <https://www.eeas.europa.eu/eeas/csdp-structure-instruments-and-agencies_en>
[7] Damit ließe sich zumindest die Intransparenz erklären, die auf den Webseiten dieser verschiedenen Institutionen herrscht.
[8] EEAS – Questions and Answers about the East StratCom Task Force <https://www.eeas.europa.eu/eeas/questions-and-answers-about-east-stratcom-task-force_en>
[9] <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2016:202:FULL&from=EN>: s. Kapitel 2, Art. 23 bis 46.
[10] European External Action Service EEAS <https://www.eeas.europa.eu/eeas/csdp-structure-instruments-and-agencies_en>
[11] Europäische Kommission, „Action Plan against Disinformation“ <https://eeas.europa.eu/sites/default/files/action_plan_against_disinformation.pdf>
[12] Sergej Skripal ist ein russischer Doppelagent, der angeblich Anfang März 2018 mit Nowitschok vergiftet wurde <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43032>. Die Regierungen Großbritanniens <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43331> (unter Theresa May und Boris Johnson <https://www.nachdenkseiten.de/?p=53848>), Deutschlands und vieler anderen westlichen Länder <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43283> sowie viele westliche <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43460>, sog. „Qualitätsmedien“ <https://www.nachdenkseiten.de/?p=43474> erklärten den Kreml für verantwortlich, was bisher nie bewiesen und von den russischen Behörden stets bestritten wurde. Der Fall diente als Legitimation für eine Runde diplomatischer Sanktionen gegen Russland sowie medialer Angriffe auf RT <https://www.nachdenkseiten.de/?p=44609>. Trotz Kritik an der offiziellen Version, die viele Mängel aufweist, hat die Bundesregierung nie einen Rückzieher gemacht <https://www.nachdenkseiten.de/?p=44188>.
[13] Am 7. April 2018, wenige Monate vor der Veröffentlichung des Aktionsplans, wurde Berichten zufolge die syrische Stadt Douma Ziel eines Chemiegasangriffs der syrischen Armee, unterstützt von den russischen Streitkräften. Dieser angebliche Angriff wurde als Vorwand für die Bombardierung Syriens durch die Vereinigten Staaten benutzt. Doch bereits Ende Mai 2019 deutete ein erster durchgestochener Bericht <https://thegrayzone.com/2019/05/25/opcw-syria-gas-attack-staged-theodore-postol/> der Organisation gegen die Verbreitung chemischer Waffen (OPCW) darauf hin, dass kein Gasangriff stattgefunden habe und der Einschlagsort manipuliert worden sei. Dieser erste Bericht weicht vom Abschlussbericht ab, der als Grundlage für die offizielle Version dient. Whistleblower innerhalb der OPCW haben der OPCW-Führung jedoch Manipulation und Zensur des ersten Berichts auf Druck der Vereinigten Staaten vorgeworfen <https://thegrayzone.com/2020/01/02/opcw-leaks-expose-criminal-syria-cover-up-and-us-media-is-silent/>. Der mit der Untersuchung des Vorfalls vor Ort beauftragte Hauptermittler der OPCW wiederholte diese Anschuldigungen vor dem UN-Sicherheitsrat <https://thegrayzone.com/2020/01/22/ian-henderson-opcw-whistleblower-un-no-chemical-attack-douma-syria/>. Interne Dokumente enthüllten ein Gespräch, das zwischen OPCW-Beamten stattfand und die Manipulation und Zensur des ursprünglichen Berichts diskutierten <https://thegrayzone.com/2020/12/07/opcw-executives-whistleblower-syria-leaks/>. Von einigen Beamten bestätigt, schwieg einer von ihnen wissentlich, um jede Bestätigung des „russischen Narrativs“ über die nicht existierende Unabhängigkeit der OPCW zu vermeiden. Andere OPCW-Beamte haben sich jedoch den Anklagen angeschlossen <https://thegrayzone.com/2021/03/14/5-former-opcw-officials-join-prominent-voices-to-call-out-syria-cover-up/>, die der unabhängige investigative Journalist Aaron Maté (The Grayzone) vor dem UN-Sicherheitsrat wiederholt hat <https://thegrayzone.com/2021/04/18/at-un-aaron-mate-debunks-opcws-syria-lies-and-confronts-us-uk-on-cover-up/>. Er zeigt auch, wie die Meinungen unabhängiger Experten redigiert wurden und der OPCW-Inspektor von seiner eigenen Organisation schikaniert wurde <https://thegrayzone.com/2021/11/22/corrupting-science-in-syria-probe-opcw-erased-experts-inconvenient-findings/>. Natürlich wird nichts davon von EuvsDisinfo <https://euvsdisinfo.eu/report/leaked-opcw-report-proves-douma-chemical-attack-was-staged/> (s. Teil 5 der Serie), dem Propagandaarm der EU, erwähnt, das es vorzieht, sich auf die offizielle Version zu beziehen, um diese zu bestätigen.
[14] Nachdenkseiten, Jens Berger „Die Salisbury Tales – was verschweigen Medien und Politik im Falle des vergifteten russischen Doppelagenten?“ am 14. März 2018: <https://www.nachdenkseiten.de/?p=42924>
[15] The Grayzone, Suchergebnis „OPCW“ <https://thegrayzone.com/?s=opcw>
[16] Europäische Kommission, „Tackling online disinformation: a European Approach“ <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0236&from=EN>
[17] Dieses Zitat stammt tatsächlich von der Website der russischen Botschaft zum Vereinigten Königreich <https://rusemb.org.uk/press/2029>. Nur scheint die hier von der Kommission angedeutete Interpretation – vielleicht absichtlich – die Intention dahinter zu verzerren oder zumindest diese im Sinne einer allgegenwärtigen Offensivstrategie zu überinterpretieren. Denn es ist nicht klar, ob „Information Warfare“ dort im Sinne von „Cyber ​​Warfare“ verwendet wird oder im ursprünglichen Sinn, wie er von der RAND Corporation bereits 1996 beschrieben wurde <https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/monograph_reports/2005/MR661.pdf>, lange bevor die meisten Haushalte überhaupt einen PC oder gar einen Internetzugang besaßen. In ihrem Bericht, der von der US-Regierung in Auftrag gegeben und mit Unterstützung hochrangiger US-Militärs und der Sicherheitsdienste verfasst wurde, definiert die RAND Corporation „strategische Informationskriegsführung“ als die Bereiche Cyberspace, Infrastruktur und Kultur für militärische und Sicherheitsstrategien. RAND beschrieb es wie folgt: „[…] eine durchdringendere Art von Konflikt, der das Zentrum des US-Heimatlandes erreicht. […] IW [Anm. d. R.: Information Warfare] bedroht die Vereinigten Staaten als Schutzort.“ Im Zeitalter der weltweit wachsenden digitalen Konnektivität scheint es nur logisch, dass sich die Russen mit den gleichen Werkzeugen wappnen wollen, die andere Länder seit langem gebrauchen und missbrauchen: so die Vereinigten Staaten <https://sgp.fas.org/crs/natsec/IF10771.pdf>, die bereits im Januar 1995 eine Information Warfare Executive Board (vgl. RAND) schufen. Kann man, in Anbetracht dessen, von einer ausschließlich russischen Offensivstrategie ausgehen? Nichts ist weniger sicher.