Präsident Evo Morales am 11. Juli 2019 zu Gast in Russland (Foto: Kremlin.ru, CC-BY-4.0)

Bolivien-Putsch:

Operation Condor 2.0

Stehen transnationale Unternehmen und die US-Regierung hinter dem Putsch in Bolivien? In einem umfassenden in Mexiko geführten Interview mit Glen Greenwald berichtet der ehemalige Bolivianische Präsident Evo Morales von einem starken US Einfluss auf den Coup in seinem Land und den Hintergründen.

Von Alan Macleod , veröffentlicht am: 26. Februar 2020, Kategorien: Geopolitik, Krieg & Frieden

Dieser Text wurde zuerst am 18.12.2019 auf www.mintpressnews.com unter der URL <https://www.mintpressnews.com/bolivia-evo-morales-interview-us-coup/263579/> veröffentlicht. Lizenz: Alan Macleod, MintPressNews.com, CC BY-NC-SA 3.0

Der aus dem Amt geschiedene Präsident Evo Morales hält sich in einem Interview mit dem Mitbegründer des „Intercept“, Glenn Greenwald, mit Kritik am U.S. Imperium nicht zurück. Morales wurde vergangenen Monat (Anm.d.Red.: im Nov. 2019) durch einen von den USA unterstützten Coup [1] gestürzt, der dutzende Tote [2] und ein Land in Unruhe [3] hinterlassen hat. Im Weißen Haus wechselten die Köpfe, die imperiale Politik jedoch bliebe dieselbe, so Morales. Über Obama, Bush und Trump sagt er:

„Ich bezweifle, dass es irgendwelche Unterschiede zwischen ihnen gibt. Vielleicht in ihrer Erscheinung, aber letzten Endes gibt es zwischen ihnen keinen Unterschied. Sie alle sprechen vom Frieden aber nicht über soziale Gerechtigkeit oder die Unabhängigkeit von Staaten, die Würde oder die Identität der Menschen. […] Soweit ich das sehe, betrügt die amerikanische Demokratie ihr Volk, damit sie wählen, aber weder das Volk, noch die Regierung haben die Macht. Es sind transnationale Unternehmen, die regieren, seien es die Demokraten oder die Republikaner.“

Der für lange Zeit demokratisch gewählte Präsident Boliviens behauptet, er sei vom ersten Tag seines Amtsantritts von den USA unter Druck gesetzt worden, um Washington und amerikanische Unternehmen seiner Bevölkerung vorzuziehen. Der US-Botschafter habe ihm unverzüglich klargemacht, sein Land könne keine Beziehungen zum Iran oder seinen Nachbarländern Kuba und Venezuela haben. „Wir sind keine Kolonie der Vereinigten Staaten!“ so Morales zu Greenwald. Der ruhige und freundliche Präsident, gekleidet in eine bescheidene Jacke, erzählt, dass ein ehemaliger Regierungsbeamter ihn gewarnt hat „die USA im Auge zu behalten“ und darüber scherzte, dass es keine Coups in Amerika gebe, da es dort keine Amerikanischen Botschaften gibt.

 

„Die USA würden mich nach Guantanamo bringen“

Der im Exil befindliche Präsident hat offengelegt, dass es mehrere Versuche gab, ihn während der gewalttätigen Wochen, die dem Coup am 11. November vorausgingen, gefangen zu nehmen. Er sagt, das Mitgliedern seines Sicherheitsteams 50.000,- € geboten wurden, ihn zu hintergehen. Es wurde mehrfach versucht, sein Präsidentenflugzeug vom Kurs abzubringen, mit dem Ziel, ihn auf einer US-Luftwaffenbasis in Gewahrsam nehmen zu können. Viele Mitglieder seines Militärs, inklusive der führenden Kräfte hinter dem Coup im Novemer, hätten ein Training [4] bei der berüchtigten „School of the Americas“ in Fort Benning GA erhalten. Dies ist eine US-Militär-Institution die Zehntausende Lateinamerikanischer zu notorischen Folterern ausgebildet hat. Trotz allem sei er jedes Mal in der Lage gewesen, seine Unterstützer zu kontaktieren, die zu Tausenden die Landebahn gestürmt hätten, um seine Gefangennahme zu verhindern. Morales und sein Vize Alvaro Garcia Linera entschieden irgendwann, zurückzutreten um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Die Häuser ihrer Verbündeten wurden abgebrannt und sie wurden entführt, gefoltert oder von der Polizei, dem Militär und rechten Paramilitärs bedroht. „Ohne die Polizei, bewaffneten Kräften und einem mobilisierten rechten Flügel“ hätte es keinen Coup gegeben. Seine Kinder flohen nach Argentinien und andere Regierungsbeamten bleiben in der mexikanischen Botschaft in La Paz gefangen.

Der progressive Präsident Mexikos, Andres Manuel Lopez Obrador [5] schickte ein Flugzeug, um ihn vor dem Umsturz zu retten. Morales enthüllte, dass die Trump-Administration ebenfalls ein Flugzeug schickte, um ihn abzuholen, welches er klugerweise nicht bestieg. „Sie würden mich nach Guantanamo bringen!“ ruft er und betont, dass eine „neue Operation Condor“ [6] in Lateinamerika Fuß fasst, die sich auf Henry Kissingers erfolgreiche Strategie, lateinamerikanische Demokratien (inklusive Bolivien) zu stürzen, beruft und diese durch faschistische Diktaturen ersetzt. Seit 2009 wurden mehrere gewählte Staatsoberhäupter gestützt, bzw. durch die USA ihres Amtes enthoben, darunter Honduras, Paraguay und Brasilien.

 

Es ist ein Lithium Putsch

Morales verweist auf die Rolle großer Unternehmen und seiner Entscheidung mit China und Europa zu verhandeln, um die wertvolle Ressource Lithium zu verkaufen. Lithium ist ein teures Metall, das die Produktion vieler Elektronik-Produkte erst ermöglicht.

„Dies ist nicht nur ein interner Putsch. Er ist von der bolivianischen Oligarchie orchestriert, von einigen Mitgliedern der Streitkräfte und der Polizei. Es ist außerdem eine externe Verschwörung. Mein Verbrechen – meine Sünde ist es, ein Indigener zu sein. Und außerdem unsere natürlichen Ressourcen nationalisiert und internationale Öl-Erdgas-Unternehmen und des Rohstoffsektors entfernt zu haben. Und auch die Tatsache, dass ich die extreme Armut reduziert habe. Hinter diesem Coup stecken internationale Unternehmen genauso, wie die USA, denn es geht um Lithium.“

Morales bezeichnete seine Amtsenthebung als „Lithium Putsch“, da die USA nicht akzeptieren könnten, dass indigene Völker und Arbeiterbewegungen sich selbst befreiten und einen für das Land wichtigen natürlichen Rohstoff kontrollierten. Zudem hatte er das kapitalistische System im Blick, welches dem Imperialismus vorangeht und notwendigerweise die Mehrheit der Menschen zur Armut zwingt. Dies könne nicht die Lösung für ein Leben in Würde sein. „Das ist der Unterschied zwischen Linken und Rechten auf der Welt: Wer steht hinter den Menschen? Dem Volk? Und wer steht hinter dem Imperium? Wer hält zu den einfachen Leuten, den Armen? Und wer erhält die wirtschaftliche Macht und legt den Wohlstand in die Hände einiger weniger?“

Für Morales war klar, dass die neue Präsidentin Jeanine Anez das Gesicht der wohlhabenden, oligarchischen Elite ist. „Sie hat eine rassistische Mentalität, sie ist eine rassistische Person,“ sagt er und bezieht sich auf ihre Behauptung [7], Boliviens indigene Mehrheit seien satanistische Untermenschen. Greenwald spricht ihn auf seine eigenen Fehler an, unter anderem die umstrittene Entscheidung, die Begrenzung der Amtszeit in seinem Land abzuschaffen. Er antwortete: „Ich habe Fehler begangen, aber ich bin kein Verräter (wie Anez)“ und verweist auf europäische Staatsoberhäupter wie Angela Merkel, die länger als er regierten und die selten von der Presse als Diktatoren oder gewählte Monarchen bezeichnet werden. Trotz seiner Amtsenthebung empfindet er keine Reue, wirkt nicht besiegt und fasst zusammen: „Der Klassenkampf geht weiter.“

Bolivien-Putsch:

Operation Condor 2.0

Von Alan Macleod , veröffentlicht am: 26. Februar 2020, Kategorien: Geopolitik, Krieg & Frieden

Dieser Text wurde zuerst am 18.12.2019 auf www.mintpressnews.com unter der URL <https://www.mintpressnews.com/bolivia-evo-morales-interview-us-coup/263579/> veröffentlicht. Lizenz: Alan Macleod, MintPressNews.com, CC BY-NC-SA 3.0

Präsident Evo Morales am 11. Juli 2019 zu Gast in Russland (Foto: Kremlin.ru, CC-BY-4.0)

Stehen transnationale Unternehmen und die US-Regierung hinter dem Putsch in Bolivien? In einem umfassenden in Mexiko geführten Interview mit Glen Greenwald berichtet der ehemalige Bolivianische Präsident Evo Morales von einem starken US Einfluss auf den Coup in seinem Land und den Hintergründen.

Der aus dem Amt geschiedene Präsident Evo Morales hält sich in einem Interview mit dem Mitbegründer des „Intercept“, Glenn Greenwald, mit Kritik am U.S. Imperium nicht zurück. Morales wurde vergangenen Monat (Anm.d.Red.: im Nov. 2019) durch einen von den USA unterstützten Coup [1] gestürzt, der dutzende Tote [2] und ein Land in Unruhe [3] hinterlassen hat. Im Weißen Haus wechselten die Köpfe, die imperiale Politik jedoch bliebe dieselbe, so Morales. Über Obama, Bush und Trump sagt er:

„Ich bezweifle, dass es irgendwelche Unterschiede zwischen ihnen gibt. Vielleicht in ihrer Erscheinung, aber letzten Endes gibt es zwischen ihnen keinen Unterschied. Sie alle sprechen vom Frieden aber nicht über soziale Gerechtigkeit oder die Unabhängigkeit von Staaten, die Würde oder die Identität der Menschen. […] Soweit ich das sehe, betrügt die amerikanische Demokratie ihr Volk, damit sie wählen, aber weder das Volk, noch die Regierung haben die Macht. Es sind transnationale Unternehmen, die regieren, seien es die Demokraten oder die Republikaner.“

Der für lange Zeit demokratisch gewählte Präsident Boliviens behauptet, er sei vom ersten Tag seines Amtsantritts von den USA unter Druck gesetzt worden, um Washington und amerikanische Unternehmen seiner Bevölkerung vorzuziehen. Der US-Botschafter habe ihm unverzüglich klargemacht, sein Land könne keine Beziehungen zum Iran oder seinen Nachbarländern Kuba und Venezuela haben. „Wir sind keine Kolonie der Vereinigten Staaten!“ so Morales zu Greenwald. Der ruhige und freundliche Präsident, gekleidet in eine bescheidene Jacke, erzählt, dass ein ehemaliger Regierungsbeamter ihn gewarnt hat „die USA im Auge zu behalten“ und darüber scherzte, dass es keine Coups in Amerika gebe, da es dort keine Amerikanischen Botschaften gibt.

 

„Die USA würden mich nach Guantanamo bringen“

Der im Exil befindliche Präsident hat offengelegt, dass es mehrere Versuche gab, ihn während der gewalttätigen Wochen, die dem Coup am 11. November vorausgingen, gefangen zu nehmen. Er sagt, das Mitgliedern seines Sicherheitsteams 50.000,- € geboten wurden, ihn zu hintergehen. Es wurde mehrfach versucht, sein Präsidentenflugzeug vom Kurs abzubringen, mit dem Ziel, ihn auf einer US-Luftwaffenbasis in Gewahrsam nehmen zu können. Viele Mitglieder seines Militärs, inklusive der führenden Kräfte hinter dem Coup im Novemer, hätten ein Training [4] bei der berüchtigten „School of the Americas“ in Fort Benning GA erhalten. Dies ist eine US-Militär-Institution die Zehntausende Lateinamerikanischer zu notorischen Folterern ausgebildet hat. Trotz allem sei er jedes Mal in der Lage gewesen, seine Unterstützer zu kontaktieren, die zu Tausenden die Landebahn gestürmt hätten, um seine Gefangennahme zu verhindern. Morales und sein Vize Alvaro Garcia Linera entschieden irgendwann, zurückzutreten um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Die Häuser ihrer Verbündeten wurden abgebrannt und sie wurden entführt, gefoltert oder von der Polizei, dem Militär und rechten Paramilitärs bedroht. „Ohne die Polizei, bewaffneten Kräften und einem mobilisierten rechten Flügel“ hätte es keinen Coup gegeben. Seine Kinder flohen nach Argentinien und andere Regierungsbeamten bleiben in der mexikanischen Botschaft in La Paz gefangen.

Der progressive Präsident Mexikos, Andres Manuel Lopez Obrador [5] schickte ein Flugzeug, um ihn vor dem Umsturz zu retten. Morales enthüllte, dass die Trump-Administration ebenfalls ein Flugzeug schickte, um ihn abzuholen, welches er klugerweise nicht bestieg. „Sie würden mich nach Guantanamo bringen!“ ruft er und betont, dass eine „neue Operation Condor“ [6] in Lateinamerika Fuß fasst, die sich auf Henry Kissingers erfolgreiche Strategie, lateinamerikanische Demokratien (inklusive Bolivien) zu stürzen, beruft und diese durch faschistische Diktaturen ersetzt. Seit 2009 wurden mehrere gewählte Staatsoberhäupter gestützt, bzw. durch die USA ihres Amtes enthoben, darunter Honduras, Paraguay und Brasilien.

 

Es ist ein Lithium Putsch

Morales verweist auf die Rolle großer Unternehmen und seiner Entscheidung mit China und Europa zu verhandeln, um die wertvolle Ressource Lithium zu verkaufen. Lithium ist ein teures Metall, das die Produktion vieler Elektronik-Produkte erst ermöglicht.

„Dies ist nicht nur ein interner Putsch. Er ist von der bolivianischen Oligarchie orchestriert, von einigen Mitgliedern der Streitkräfte und der Polizei. Es ist außerdem eine externe Verschwörung. Mein Verbrechen – meine Sünde ist es, ein Indigener zu sein. Und außerdem unsere natürlichen Ressourcen nationalisiert und internationale Öl-Erdgas-Unternehmen und des Rohstoffsektors entfernt zu haben. Und auch die Tatsache, dass ich die extreme Armut reduziert habe. Hinter diesem Coup stecken internationale Unternehmen genauso, wie die USA, denn es geht um Lithium.“

Morales bezeichnete seine Amtsenthebung als „Lithium Putsch“, da die USA nicht akzeptieren könnten, dass indigene Völker und Arbeiterbewegungen sich selbst befreiten und einen für das Land wichtigen natürlichen Rohstoff kontrollierten. Zudem hatte er das kapitalistische System im Blick, welches dem Imperialismus vorangeht und notwendigerweise die Mehrheit der Menschen zur Armut zwingt. Dies könne nicht die Lösung für ein Leben in Würde sein. „Das ist der Unterschied zwischen Linken und Rechten auf der Welt: Wer steht hinter den Menschen? Dem Volk? Und wer steht hinter dem Imperium? Wer hält zu den einfachen Leuten, den Armen? Und wer erhält die wirtschaftliche Macht und legt den Wohlstand in die Hände einiger weniger?“

Für Morales war klar, dass die neue Präsidentin Jeanine Anez das Gesicht der wohlhabenden, oligarchischen Elite ist. „Sie hat eine rassistische Mentalität, sie ist eine rassistische Person,“ sagt er und bezieht sich auf ihre Behauptung [7], Boliviens indigene Mehrheit seien satanistische Untermenschen. Greenwald spricht ihn auf seine eigenen Fehler an, unter anderem die umstrittene Entscheidung, die Begrenzung der Amtszeit in seinem Land abzuschaffen. Er antwortete: „Ich habe Fehler begangen, aber ich bin kein Verräter (wie Anez)“ und verweist auf europäische Staatsoberhäupter wie Angela Merkel, die länger als er regierten und die selten von der Presse als Diktatoren oder gewählte Monarchen bezeichnet werden. Trotz seiner Amtsenthebung empfindet er keine Reue, wirkt nicht besiegt und fasst zusammen: „Der Klassenkampf geht weiter.“