Peter Jaeggi:

Krieg ohne Ende

Von Jens Wernicke , veröffentlicht am: 15. Februar 2017, Kategorien:

Die Tatsache, dass diese vermeintlich gerechten Kriege bereits jetzt hundertfach mehr Tote gefordert haben als alle Terroranschläge gegen „unsere“ Länder zusammen. Und auch die systematische Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen durch den Einsatz von Uranmunition im Irak und nun auch in Syrien. Überhaupt scheint kaum bekannt zu sein, dass die großen Tragödien des Krieges in aller Regel noch Jahre und Jahrzehnte nach Kriegsende zu beobachten sind. Zu diesen sprach Jens Wernicke mit dem Schweizer Buch- und Filmautor Peter Jaeggi.  

 

Jens Wernicke: Herr Jaeggi, alle Welt spricht über die realen oder vermeintlichen Kriegsverbrechen „von Putin“ und „von Assad“, aber kaum jemand spricht über jene des Westens und der USA. Zu diesem Thema erschien Ihr lesenswertes Buch „Krieg ohne Ende“, in welchem Sie nicht nur den Finger in die Wunde der blinden Flecken unserer Massenmedien legen, sondern mit dem Sie auch aufzeigen, wie Kriegsverbrechen von vor vielen Jahrzehnten noch heute viele Opfer fordern, eben jenseits der „Massenwahrnehmung“. Um was geht es genau? Wozu dieses Buch?    

 

Peter Jaeggi: Aktuelle Schlagzeilen über Kriege sind laut. So laut, dass oft untergeht, dass die noch viel größeren Tragödien oft erst noch folgen. Der Vietnamkrieg ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Denn auch mehr als vierzig Jahre nach dessen Ende leiden noch immer Hunderttausende von Menschen und leidet die Natur unter den Spätfolgen. Die USA und ihre Verbündeten setzten damals zur Enttarnung des Feindes und zu dessen Nahrungsmittelvernichtung hochgiftige Entlaubungsmittel ein, darunter das dioxinhaltige Agent Orange. Dieses Gift ist heute noch in den Böden und gelangt nach wie vor in Nahrungsketten. Es kann beim Menschen genetische Schäden über Generationen hinweg verursachen. Wir alle kennen diese Bilder von vietnamesischen Kindern mit schrecklichen Missbildungen. Über wie viele Generationen sich genetische Defekte weiterverbreiten, ist noch unklar. Nicht umsonst trägt mein Buch den Titel «Krieg ohne Ende». Mein Anliegen ist, die Folgen und Auswirkungen des Einsatzes von Agent Orange aufzuzeigen. Erzählt werden aber auch Hintergründe dieses Krieges, der mit einer Lüge begann. Und der Einsatz von Agent Orange war damals auch nicht das einzige Kriegsverbrechen…    

 

Jens Wernicke: Der Einsatz von Agent Orange hat also dazu geführt, dass heute, also ein halbes Jahrhundert später, noch immer Menschen an den Spätfolgen leiden und sterben, verstehe ich recht?    

 

Peter Jaeggi: Ja.    

 

Jens Wernicke: Von wie vielen Menschen und von Leiden welcher Art sprechen wir hier? Sicher geht es um mehr als nur Missbildungen, nehme ich an.    

 

Peter Jaeggi: Das U.S. Department of Veterans Affairs, das Kriegsveteranenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, führt eine Liste von einigen Dutzend Krankheiten, die mit Agent Orange in Zusammenhang gebracht werden. Das geht von Herz- und Nierenkrankheiten, Lungenkrebs bis zu Parkinson. Wie viele Menschen unter den US-Veteranen und wie viele unter der vietnamesischen Bevölkerung an Agent Orange leiden, dazu gibt es nur Schätzungen. Das Vietnamesische Rote Kreuz spricht von etwa einer Million Menschen, die in irgendeiner Form an den Folgen dieses Herbizideinsatzes leiden.    

 

Jens Wernicke: Und dagegen kann man nichts tun, die Gifte aus dem Boden entfernen oder anderes?    

 

Peter Jaeggi: Böden von Dioxin zu reinigen, ist sehr aufwändig, sehr teuer. Seit einigen Jahren wird auf dem Flughafengelände von Da Nang daran gearbeitet. Da Nang war der größte Agent-Orange-Umschlagplatz während des Krieges. Tausende von Kubikmetern verseuchter Erde werden erhitzt. Nur durch Erhitzung lässt sich Dioxin vernichten. Finanziert wird diese Aktion mit über 80 Millionen Dollar hauptsächlich von den USA. Sie realisieren die Sanierung, Vietnam beteiligt sich mit rund 1,7 Millionen Dollar. Jetzt sollen weitere ehemalige Kriegsflughäfen saniert werden, auf denen einst Agent Orange die Böden und das Trinkwasser verseuchte. Allerdings ist noch nicht klar, wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen wird. Zudem gibt es technologische Schwierigkeiten bei der Dioxinverbrennung vor Ort, die erst noch gelöst werden müssen.    

 

 

Jens Wernicke: Nun sind heutige Pestizide Agent Orange ja alles andere als unähnlich und werden nach wie vor fast flächendeckend in der Landwirtschaft eingesetzt …    

 

Peter Jaeggi: Zum Beispiel Glyphosat, ein Hauptbestandteil einiger Breitbandherbizide. Es ist auch im Monsanto-Herbizid-Bestseller «Roundup» enthalten. Die chronische Zufuhr von Glyphosat macht Mensch und Tier krank und schädigt das Erbgut. Die USA setzten Glyphosat auf Drogenanbaugebieten in Kolumbien, Afghanistan und anderen Ländern auch als Chemiekampfstoff ein. Kritiker sagen deshalb, Glyphosat sei in einer gewissen Weise das Agent Orange unserer Zeit. Eine von den deutschen Grünen lancierte Untersuchung zeigte auf, dass Glyphosat in der Muttermilch von stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern nachgewiesen werden kann – mit Werten, die höher liegen als die zugelassenen Grenzwerte für Trinkwasser. Und Anfang dieses Jahres publizierte die Heinrich-Böll-Stiftung eine erschreckende Studie, die zeigte, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung mit Glyphosat belastet sind. Die Parallelen sind offensichtlich.    

 

Jens Wernicke: Sie sagen, dass der Krieg mit einer Lüge begann und auch weitere Kriegsverbrechen begangen wurden. Was für eine Lüge war das genau? Und von welchen anderen Verbrechen sprechen wir?    

 

Peter Jaeggi: Die USA bezichtigten Vietnam eines Angriffs auf eines ihrer Kriegsschiffe im Golf von Tonkin und begannen daraufhin, das Land zu bombardieren. Aber diesen Angriff hatte es nie gegeben. Die USA und ihre Verbündeten begingen während dieses Krieges sehr viele Kriegsverbrechen. Am bekanntesten ist wohl das Massaker im Bauerndorf My Lay, wo über fünfhundert unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – regelrecht niedergemetzelt worden sind. In meinem Buch werden diese Verbrechen ausführlich geschildert. Verbrechen, die in jedem Krieg zu beobachten sind, begingen im Übrigen alle Kriegsparteien, auch die Nordvietnamesen.    

 

Jens Wernicke: Wurde diese Lüge entlarvt und öffentlich gemacht? Und wurden die Kriegsverbrecher auf beiden Seiten juristisch belangt und verfolgt?    

 

Peter Jaeggi: Die Lüge ist längst bekannt und sie war es auch bei Kriegsbeginn. Dass sie in den USA noch immer am Leben erhalten wird, ist ein Skandal und zeigt, dass Washington in der Aufarbeitung dieses besonders tristen Kapitels seiner Geschichte noch einiges zu tun hat. Auch gab es nie eine juristische Aufarbeitung des Vietnamkrieges. Auf keiner Seite übrigens, weder in den USA, noch in Vietnam.    

 

Jens Wernicke: Nun werden ja auch in heutigen Kriegen noch chemische Waffen, deren Einsatz man dann üblicherweise Untergrundkämpfern in die Schuhe schiebt statt selbst zu verantworten, und wird auch uranhaltige Munition eingesetzt. Sprechen wir nicht auch in dieser Dimension von einem „Krieg ohne Ende“, einer Art Kriegsführung also, die darauf abzielt, Landschaften, Ökosystem und also Lebensgrundlagen vermeintlicher Feinde über Generationen hinweg zu vernichten?    

 

Peter Jaeggi: Nehmen Sie das Beispiel der Uranmunition, wie sie etwa im Irakkrieg eingesetzt wurde. Die USA und Großbritannien verschossen dort schätzungsweise etwa 400.000 Kilogramm davon. Die Zivilbevölkerung hatte keine Ahnung von den Gefahren, die davon ausgingen. Bei der Explosion dieser Munition entsteht ein Uranoxidaerosol, Menschen atmen die winzigen Partikel ein und so lagert sich radioaktives Schwermetall im Körper ab. Krebserkrankungen und Schädigung der DNA können die Folgen sein. Also auch hier, wie bei Agent Orange, ein Krieg ohne Ende.    

 

Jens Wernicke: Was könnte, was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um diesem „Treiben“ Einhalt zu gebieten? Was schlagen Sie vor?    

 

Peter Jaeggi: Sämtliche Waffen, die an Mensch und Natur Langzeitschäden verursachen, müssen verboten werden. Und natürlich müssen Zivilisten in jedem Krieg unter allen Umständen von militärischen Handlungen verschont bleiben. Es gibt zwar einschlägige völkerrechtliche Bestimmungen – doch wie aktuelle Beispiele zeigen, werden sie von allen Kriegsparteien missachtet. Dazu gehören auch die Drohneneinsätze der USA, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. Leider habe auch ich kein Patentrezept, wie solches Tun endlich gestoppt werden könnte. Klar für mich ist nur: Man darf dazu nie schweigen.    

 

Jens Wernicke: Vielen Dank für das Gespräch.Die Tatsache, dass diese vermeintlich gerechten Kriege bereits jetzt hundertfach mehr Tote gefordert haben als alle Terroranschläge gegen „unsere“ Länder zusammen. Und auch die systematische Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen durch den Einsatz von Uranmunition im Irak und nun auch in Syrien. Überhaupt scheint kaum bekannt zu sein, dass die großen Tragödien des Krieges in aller Regel noch Jahre und Jahrzehnte nach Kriegsende zu beobachten sind. Zu diesen sprach Jens Wernicke mit dem Schweizer Buch- und Filmautor Peter Jaeggi.    

 

Jens Wernicke: Herr Jaeggi, alle Welt spricht über die realen oder vermeintlichen Kriegsverbrechen „von Putin“ und „von Assad“, aber kaum jemand spricht über jene des Westens und der USA. Zu diesem Thema erschien Ihr lesenswertes Buch „Krieg ohne Ende“, in welchem Sie nicht nur den Finger in die Wunde der blinden Flecken unserer Massenmedien legen, sondern mit dem Sie auch aufzeigen, wie Kriegsverbrechen von vor vielen Jahrzehnten noch heute viele Opfer fordern, eben jenseits der „Massenwahrnehmung“. Um was geht es genau? Wozu dieses Buch?    

 

Peter Jaeggi: Aktuelle Schlagzeilen über Kriege sind laut. So laut, dass oft untergeht, dass die noch viel größeren Tragödien oft erst noch folgen. Der Vietnamkrieg ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Denn auch mehr als vierzig Jahre nach dessen Ende leiden noch immer Hunderttausende von Menschen und leidet die Natur unter den Spätfolgen. Die USA und ihre Verbündeten setzten damals zur Enttarnung des Feindes und zu dessen Nahrungsmittelvernichtung hochgiftige Entlaubungsmittel ein, darunter das dioxinhaltige Agent Orange. Dieses Gift ist heute noch in den Böden und gelangt nach wie vor in Nahrungsketten. Es kann beim Menschen genetische Schäden über Generationen hinweg verursachen. Wir alle kennen diese Bilder von vietnamesischen Kindern mit schrecklichen Missbildungen. Über wie viele Generationen sich genetische Defekte weiterverbreiten, ist noch unklar. Nicht umsonst trägt mein Buch den Titel «Krieg ohne Ende». Mein Anliegen ist, die Folgen und Auswirkungen des Einsatzes von Agent Orange aufzuzeigen. Erzählt werden aber auch Hintergründe dieses Krieges, der mit einer Lüge begann. Und der Einsatz von Agent Orange war damals auch nicht das einzige Kriegsverbrechen…    

 

Jens Wernicke: Der Einsatz von Agent Orange hat also dazu geführt, dass heute, also ein halbes Jahrhundert später, noch immer Menschen an den Spätfolgen leiden und sterben, verstehe ich recht?    

 

Peter Jaeggi: Ja.    

 

Jens Wernicke: Von wie vielen Menschen und von Leiden welcher Art sprechen wir hier? Sicher geht es um mehr als nur Missbildungen, nehme ich an.    

 

Peter Jaeggi: Das U.S. Department of Veterans Affairs, das Kriegsveteranenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, führt eine Liste von einigen Dutzend Krankheiten, die mit Agent Orange in Zusammenhang gebracht werden. Das geht von Herz- und Nierenkrankheiten, Lungenkrebs bis zu Parkinson. Wie viele Menschen unter den US-Veteranen und wie viele unter der vietnamesischen Bevölkerung an Agent Orange leiden, dazu gibt es nur Schätzungen. Das Vietnamesische Rote Kreuz spricht von etwa einer Million Menschen, die in irgendeiner Form an den Folgen dieses Herbizideinsatzes leiden.    

 

Jens Wernicke: Und dagegen kann man nichts tun, die Gifte aus dem Boden entfernen oder anderes?    

 

Peter Jaeggi: Böden von Dioxin zu reinigen, ist sehr aufwändig, sehr teuer. Seit einigen Jahren wird auf dem Flughafengelände von Da Nang daran gearbeitet. Da Nang war der größte Agent-Orange-Umschlagplatz während des Krieges. Tausende von Kubikmetern verseuchter Erde werden erhitzt. Nur durch Erhitzung lässt sich Dioxin vernichten. Finanziert wird diese Aktion mit über 80 Millionen Dollar hauptsächlich von den USA. Sie realisieren die Sanierung, Vietnam beteiligt sich mit rund 1,7 Millionen Dollar. Jetzt sollen weitere ehemalige Kriegsflughäfen saniert werden, auf denen einst Agent Orange die Böden und das Trinkwasser verseuchte. Allerdings ist noch nicht klar, wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen wird. Zudem gibt es technologische Schwierigkeiten bei der Dioxinverbrennung vor Ort, die erst noch gelöst werden müssen.    

 

Jens Wernicke: Nun sind heutige Pestizide Agent Orange ja alles andere als unähnlich und werden nach wie vor fast flächendeckend in der Landwirtschaft eingesetzt …    

 

Peter Jaeggi: Zum Beispiel Glyphosat, ein Hauptbestandteil einiger Breitbandherbizide. Es ist auch im Monsanto-Herbizid-Bestseller «Roundup» enthalten. Die chronische Zufuhr von Glyphosat macht Mensch und Tier krank und schädigt das Erbgut. Die USA setzten Glyphosat auf Drogenanbaugebieten in Kolumbien, Afghanistan und anderen Ländern auch als Chemiekampfstoff ein. Kritiker sagen deshalb, Glyphosat sei in einer gewissen Weise das Agent Orange unserer Zeit. Eine von den deutschen Grünen lancierte Untersuchung zeigte auf, dass Glyphosat in der Muttermilch von stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern nachgewiesen werden kann – mit Werten, die höher liegen als die zugelassenen Grenzwerte für Trinkwasser. Und Anfang dieses Jahres publizierte die Heinrich-Böll-Stiftung eine erschreckende Studie, die zeigte, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung mit Glyphosat belastet sind. Die Parallelen sind offensichtlich.    

 

Jens Wernicke: Sie sagen, dass der Krieg mit einer Lüge begann und auch weitere Kriegsverbrechen begangen wurden. Was für eine Lüge war das genau? Und von welchen anderen Verbrechen sprechen wir?    

 

Peter Jaeggi: Die USA bezichtigten Vietnam eines Angriffs auf eines ihrer Kriegsschiffe im Golf von Tonkin und begannen daraufhin, das Land zu bombardieren. Aber diesen Angriff hatte es nie gegeben. Die USA und ihre Verbündeten begingen während dieses Krieges sehr viele Kriegsverbrechen. Am bekanntesten ist wohl das Massaker im Bauerndorf My Lay, wo über fünfhundert unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – regelrecht niedergemetzelt worden sind. In meinem Buch werden diese Verbrechen ausführlich geschildert. Verbrechen, die in jedem Krieg zu beobachten sind, begingen im Übrigen alle Kriegsparteien, auch die Nordvietnamesen.    

 

Jens Wernicke: Wurde diese Lüge entlarvt und öffentlich gemacht? Und wurden die Kriegsverbrecher auf beiden Seiten juristisch belangt und verfolgt?    

 

Peter Jaeggi: Die Lüge ist längst bekannt und sie war es auch bei Kriegsbeginn. Dass sie in den USA noch immer am Leben erhalten wird, ist ein Skandal und zeigt, dass Washington in der Aufarbeitung dieses besonders tristen Kapitels seiner Geschichte noch einiges zu tun hat. Auch gab es nie eine juristische Aufarbeitung des Vietnamkrieges. Auf keiner Seite übrigens, weder in den USA, noch in Vietnam.    

 

Jens Wernicke: Nun werden ja auch in heutigen Kriegen noch chemische Waffen, deren Einsatz man dann üblicherweise Untergrundkämpfern in die Schuhe schiebt statt selbst zu verantworten, und wird auch uranhaltige Munition eingesetzt. Sprechen wir nicht auch in dieser Dimension von einem „Krieg ohne Ende“, einer Art Kriegsführung also, die darauf abzielt, Landschaften, Ökosystem und also Lebensgrundlagen vermeintlicher Feinde über Generationen hinweg zu vernichten?    

 

Peter Jaeggi: Nehmen Sie das Beispiel der Uranmunition, wie sie etwa im Irakkrieg eingesetzt wurde. Die USA und Großbritannien verschossen dort schätzungsweise etwa 400.000 Kilogramm davon. Die Zivilbevölkerung hatte keine Ahnung von den Gefahren, die davon ausgingen. Bei der Explosion dieser Munition entsteht ein Uranoxidaerosol, Menschen atmen die winzigen Partikel ein und so lagert sich radioaktives Schwermetall im Körper ab. Krebserkrankungen und Schädigung der DNA können die Folgen sein. Also auch hier, wie bei Agent Orange, ein Krieg ohne Ende.  

 

 Jens Wernicke: Was könnte, was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um diesem „Treiben“ Einhalt zu gebieten? Was schlagen Sie vor?    

 

Peter Jaeggi: Sämtliche Waffen, die an Mensch und Natur Langzeitschäden verursachen, müssen verboten werden. Und natürlich müssen Zivilisten in jedem Krieg unter allen Umständen von militärischen Handlungen verschont bleiben. Es gibt zwar einschlägige völkerrechtliche Bestimmungen – doch wie aktuelle Beispiele zeigen, werden sie von allen Kriegsparteien missachtet. Dazu gehören auch die Drohneneinsätze der USA, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. Leider habe auch ich kein Patentrezept, wie solches Tun endlich gestoppt werden könnte. Klar für mich ist nur: Man darf dazu nie schweigen.  

 

 Jens Wernicke: Vielen Dank für das Gespräch.

Peter Jaeggi:

Krieg ohne Ende

Von Jens Wernicke , veröffentlicht am: 15. Februar 2017, Kategorien:

Die Tatsache, dass diese vermeintlich gerechten Kriege bereits jetzt hundertfach mehr Tote gefordert haben als alle Terroranschläge gegen „unsere“ Länder zusammen. Und auch die systematische Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen durch den Einsatz von Uranmunition im Irak und nun auch in Syrien. Überhaupt scheint kaum bekannt zu sein, dass die großen Tragödien des Krieges in aller Regel noch Jahre und Jahrzehnte nach Kriegsende zu beobachten sind. Zu diesen sprach Jens Wernicke mit dem Schweizer Buch- und Filmautor Peter Jaeggi.  

 

Jens Wernicke: Herr Jaeggi, alle Welt spricht über die realen oder vermeintlichen Kriegsverbrechen „von Putin“ und „von Assad“, aber kaum jemand spricht über jene des Westens und der USA. Zu diesem Thema erschien Ihr lesenswertes Buch „Krieg ohne Ende“, in welchem Sie nicht nur den Finger in die Wunde der blinden Flecken unserer Massenmedien legen, sondern mit dem Sie auch aufzeigen, wie Kriegsverbrechen von vor vielen Jahrzehnten noch heute viele Opfer fordern, eben jenseits der „Massenwahrnehmung“. Um was geht es genau? Wozu dieses Buch?    

 

Peter Jaeggi: Aktuelle Schlagzeilen über Kriege sind laut. So laut, dass oft untergeht, dass die noch viel größeren Tragödien oft erst noch folgen. Der Vietnamkrieg ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Denn auch mehr als vierzig Jahre nach dessen Ende leiden noch immer Hunderttausende von Menschen und leidet die Natur unter den Spätfolgen. Die USA und ihre Verbündeten setzten damals zur Enttarnung des Feindes und zu dessen Nahrungsmittelvernichtung hochgiftige Entlaubungsmittel ein, darunter das dioxinhaltige Agent Orange. Dieses Gift ist heute noch in den Böden und gelangt nach wie vor in Nahrungsketten. Es kann beim Menschen genetische Schäden über Generationen hinweg verursachen. Wir alle kennen diese Bilder von vietnamesischen Kindern mit schrecklichen Missbildungen. Über wie viele Generationen sich genetische Defekte weiterverbreiten, ist noch unklar. Nicht umsonst trägt mein Buch den Titel «Krieg ohne Ende». Mein Anliegen ist, die Folgen und Auswirkungen des Einsatzes von Agent Orange aufzuzeigen. Erzählt werden aber auch Hintergründe dieses Krieges, der mit einer Lüge begann. Und der Einsatz von Agent Orange war damals auch nicht das einzige Kriegsverbrechen…    

 

Jens Wernicke: Der Einsatz von Agent Orange hat also dazu geführt, dass heute, also ein halbes Jahrhundert später, noch immer Menschen an den Spätfolgen leiden und sterben, verstehe ich recht?    

 

Peter Jaeggi: Ja.    

 

Jens Wernicke: Von wie vielen Menschen und von Leiden welcher Art sprechen wir hier? Sicher geht es um mehr als nur Missbildungen, nehme ich an.    

 

Peter Jaeggi: Das U.S. Department of Veterans Affairs, das Kriegsveteranenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, führt eine Liste von einigen Dutzend Krankheiten, die mit Agent Orange in Zusammenhang gebracht werden. Das geht von Herz- und Nierenkrankheiten, Lungenkrebs bis zu Parkinson. Wie viele Menschen unter den US-Veteranen und wie viele unter der vietnamesischen Bevölkerung an Agent Orange leiden, dazu gibt es nur Schätzungen. Das Vietnamesische Rote Kreuz spricht von etwa einer Million Menschen, die in irgendeiner Form an den Folgen dieses Herbizideinsatzes leiden.    

 

Jens Wernicke: Und dagegen kann man nichts tun, die Gifte aus dem Boden entfernen oder anderes?    

 

Peter Jaeggi: Böden von Dioxin zu reinigen, ist sehr aufwändig, sehr teuer. Seit einigen Jahren wird auf dem Flughafengelände von Da Nang daran gearbeitet. Da Nang war der größte Agent-Orange-Umschlagplatz während des Krieges. Tausende von Kubikmetern verseuchter Erde werden erhitzt. Nur durch Erhitzung lässt sich Dioxin vernichten. Finanziert wird diese Aktion mit über 80 Millionen Dollar hauptsächlich von den USA. Sie realisieren die Sanierung, Vietnam beteiligt sich mit rund 1,7 Millionen Dollar. Jetzt sollen weitere ehemalige Kriegsflughäfen saniert werden, auf denen einst Agent Orange die Böden und das Trinkwasser verseuchte. Allerdings ist noch nicht klar, wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen wird. Zudem gibt es technologische Schwierigkeiten bei der Dioxinverbrennung vor Ort, die erst noch gelöst werden müssen.    

 

 

Jens Wernicke: Nun sind heutige Pestizide Agent Orange ja alles andere als unähnlich und werden nach wie vor fast flächendeckend in der Landwirtschaft eingesetzt …    

 

Peter Jaeggi: Zum Beispiel Glyphosat, ein Hauptbestandteil einiger Breitbandherbizide. Es ist auch im Monsanto-Herbizid-Bestseller «Roundup» enthalten. Die chronische Zufuhr von Glyphosat macht Mensch und Tier krank und schädigt das Erbgut. Die USA setzten Glyphosat auf Drogenanbaugebieten in Kolumbien, Afghanistan und anderen Ländern auch als Chemiekampfstoff ein. Kritiker sagen deshalb, Glyphosat sei in einer gewissen Weise das Agent Orange unserer Zeit. Eine von den deutschen Grünen lancierte Untersuchung zeigte auf, dass Glyphosat in der Muttermilch von stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern nachgewiesen werden kann – mit Werten, die höher liegen als die zugelassenen Grenzwerte für Trinkwasser. Und Anfang dieses Jahres publizierte die Heinrich-Böll-Stiftung eine erschreckende Studie, die zeigte, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung mit Glyphosat belastet sind. Die Parallelen sind offensichtlich.    

 

Jens Wernicke: Sie sagen, dass der Krieg mit einer Lüge begann und auch weitere Kriegsverbrechen begangen wurden. Was für eine Lüge war das genau? Und von welchen anderen Verbrechen sprechen wir?    

 

Peter Jaeggi: Die USA bezichtigten Vietnam eines Angriffs auf eines ihrer Kriegsschiffe im Golf von Tonkin und begannen daraufhin, das Land zu bombardieren. Aber diesen Angriff hatte es nie gegeben. Die USA und ihre Verbündeten begingen während dieses Krieges sehr viele Kriegsverbrechen. Am bekanntesten ist wohl das Massaker im Bauerndorf My Lay, wo über fünfhundert unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – regelrecht niedergemetzelt worden sind. In meinem Buch werden diese Verbrechen ausführlich geschildert. Verbrechen, die in jedem Krieg zu beobachten sind, begingen im Übrigen alle Kriegsparteien, auch die Nordvietnamesen.    

 

Jens Wernicke: Wurde diese Lüge entlarvt und öffentlich gemacht? Und wurden die Kriegsverbrecher auf beiden Seiten juristisch belangt und verfolgt?    

 

Peter Jaeggi: Die Lüge ist längst bekannt und sie war es auch bei Kriegsbeginn. Dass sie in den USA noch immer am Leben erhalten wird, ist ein Skandal und zeigt, dass Washington in der Aufarbeitung dieses besonders tristen Kapitels seiner Geschichte noch einiges zu tun hat. Auch gab es nie eine juristische Aufarbeitung des Vietnamkrieges. Auf keiner Seite übrigens, weder in den USA, noch in Vietnam.    

 

Jens Wernicke: Nun werden ja auch in heutigen Kriegen noch chemische Waffen, deren Einsatz man dann üblicherweise Untergrundkämpfern in die Schuhe schiebt statt selbst zu verantworten, und wird auch uranhaltige Munition eingesetzt. Sprechen wir nicht auch in dieser Dimension von einem „Krieg ohne Ende“, einer Art Kriegsführung also, die darauf abzielt, Landschaften, Ökosystem und also Lebensgrundlagen vermeintlicher Feinde über Generationen hinweg zu vernichten?    

 

Peter Jaeggi: Nehmen Sie das Beispiel der Uranmunition, wie sie etwa im Irakkrieg eingesetzt wurde. Die USA und Großbritannien verschossen dort schätzungsweise etwa 400.000 Kilogramm davon. Die Zivilbevölkerung hatte keine Ahnung von den Gefahren, die davon ausgingen. Bei der Explosion dieser Munition entsteht ein Uranoxidaerosol, Menschen atmen die winzigen Partikel ein und so lagert sich radioaktives Schwermetall im Körper ab. Krebserkrankungen und Schädigung der DNA können die Folgen sein. Also auch hier, wie bei Agent Orange, ein Krieg ohne Ende.    

 

Jens Wernicke: Was könnte, was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um diesem „Treiben“ Einhalt zu gebieten? Was schlagen Sie vor?    

 

Peter Jaeggi: Sämtliche Waffen, die an Mensch und Natur Langzeitschäden verursachen, müssen verboten werden. Und natürlich müssen Zivilisten in jedem Krieg unter allen Umständen von militärischen Handlungen verschont bleiben. Es gibt zwar einschlägige völkerrechtliche Bestimmungen – doch wie aktuelle Beispiele zeigen, werden sie von allen Kriegsparteien missachtet. Dazu gehören auch die Drohneneinsätze der USA, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. Leider habe auch ich kein Patentrezept, wie solches Tun endlich gestoppt werden könnte. Klar für mich ist nur: Man darf dazu nie schweigen.    

 

Jens Wernicke: Vielen Dank für das Gespräch.Die Tatsache, dass diese vermeintlich gerechten Kriege bereits jetzt hundertfach mehr Tote gefordert haben als alle Terroranschläge gegen „unsere“ Länder zusammen. Und auch die systematische Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen durch den Einsatz von Uranmunition im Irak und nun auch in Syrien. Überhaupt scheint kaum bekannt zu sein, dass die großen Tragödien des Krieges in aller Regel noch Jahre und Jahrzehnte nach Kriegsende zu beobachten sind. Zu diesen sprach Jens Wernicke mit dem Schweizer Buch- und Filmautor Peter Jaeggi.    

 

Jens Wernicke: Herr Jaeggi, alle Welt spricht über die realen oder vermeintlichen Kriegsverbrechen „von Putin“ und „von Assad“, aber kaum jemand spricht über jene des Westens und der USA. Zu diesem Thema erschien Ihr lesenswertes Buch „Krieg ohne Ende“, in welchem Sie nicht nur den Finger in die Wunde der blinden Flecken unserer Massenmedien legen, sondern mit dem Sie auch aufzeigen, wie Kriegsverbrechen von vor vielen Jahrzehnten noch heute viele Opfer fordern, eben jenseits der „Massenwahrnehmung“. Um was geht es genau? Wozu dieses Buch?    

 

Peter Jaeggi: Aktuelle Schlagzeilen über Kriege sind laut. So laut, dass oft untergeht, dass die noch viel größeren Tragödien oft erst noch folgen. Der Vietnamkrieg ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Denn auch mehr als vierzig Jahre nach dessen Ende leiden noch immer Hunderttausende von Menschen und leidet die Natur unter den Spätfolgen. Die USA und ihre Verbündeten setzten damals zur Enttarnung des Feindes und zu dessen Nahrungsmittelvernichtung hochgiftige Entlaubungsmittel ein, darunter das dioxinhaltige Agent Orange. Dieses Gift ist heute noch in den Böden und gelangt nach wie vor in Nahrungsketten. Es kann beim Menschen genetische Schäden über Generationen hinweg verursachen. Wir alle kennen diese Bilder von vietnamesischen Kindern mit schrecklichen Missbildungen. Über wie viele Generationen sich genetische Defekte weiterverbreiten, ist noch unklar. Nicht umsonst trägt mein Buch den Titel «Krieg ohne Ende». Mein Anliegen ist, die Folgen und Auswirkungen des Einsatzes von Agent Orange aufzuzeigen. Erzählt werden aber auch Hintergründe dieses Krieges, der mit einer Lüge begann. Und der Einsatz von Agent Orange war damals auch nicht das einzige Kriegsverbrechen…    

 

Jens Wernicke: Der Einsatz von Agent Orange hat also dazu geführt, dass heute, also ein halbes Jahrhundert später, noch immer Menschen an den Spätfolgen leiden und sterben, verstehe ich recht?    

 

Peter Jaeggi: Ja.    

 

Jens Wernicke: Von wie vielen Menschen und von Leiden welcher Art sprechen wir hier? Sicher geht es um mehr als nur Missbildungen, nehme ich an.    

 

Peter Jaeggi: Das U.S. Department of Veterans Affairs, das Kriegsveteranenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, führt eine Liste von einigen Dutzend Krankheiten, die mit Agent Orange in Zusammenhang gebracht werden. Das geht von Herz- und Nierenkrankheiten, Lungenkrebs bis zu Parkinson. Wie viele Menschen unter den US-Veteranen und wie viele unter der vietnamesischen Bevölkerung an Agent Orange leiden, dazu gibt es nur Schätzungen. Das Vietnamesische Rote Kreuz spricht von etwa einer Million Menschen, die in irgendeiner Form an den Folgen dieses Herbizideinsatzes leiden.    

 

Jens Wernicke: Und dagegen kann man nichts tun, die Gifte aus dem Boden entfernen oder anderes?    

 

Peter Jaeggi: Böden von Dioxin zu reinigen, ist sehr aufwändig, sehr teuer. Seit einigen Jahren wird auf dem Flughafengelände von Da Nang daran gearbeitet. Da Nang war der größte Agent-Orange-Umschlagplatz während des Krieges. Tausende von Kubikmetern verseuchter Erde werden erhitzt. Nur durch Erhitzung lässt sich Dioxin vernichten. Finanziert wird diese Aktion mit über 80 Millionen Dollar hauptsächlich von den USA. Sie realisieren die Sanierung, Vietnam beteiligt sich mit rund 1,7 Millionen Dollar. Jetzt sollen weitere ehemalige Kriegsflughäfen saniert werden, auf denen einst Agent Orange die Böden und das Trinkwasser verseuchte. Allerdings ist noch nicht klar, wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen wird. Zudem gibt es technologische Schwierigkeiten bei der Dioxinverbrennung vor Ort, die erst noch gelöst werden müssen.    

 

Jens Wernicke: Nun sind heutige Pestizide Agent Orange ja alles andere als unähnlich und werden nach wie vor fast flächendeckend in der Landwirtschaft eingesetzt …    

 

Peter Jaeggi: Zum Beispiel Glyphosat, ein Hauptbestandteil einiger Breitbandherbizide. Es ist auch im Monsanto-Herbizid-Bestseller «Roundup» enthalten. Die chronische Zufuhr von Glyphosat macht Mensch und Tier krank und schädigt das Erbgut. Die USA setzten Glyphosat auf Drogenanbaugebieten in Kolumbien, Afghanistan und anderen Ländern auch als Chemiekampfstoff ein. Kritiker sagen deshalb, Glyphosat sei in einer gewissen Weise das Agent Orange unserer Zeit. Eine von den deutschen Grünen lancierte Untersuchung zeigte auf, dass Glyphosat in der Muttermilch von stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern nachgewiesen werden kann – mit Werten, die höher liegen als die zugelassenen Grenzwerte für Trinkwasser. Und Anfang dieses Jahres publizierte die Heinrich-Böll-Stiftung eine erschreckende Studie, die zeigte, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung mit Glyphosat belastet sind. Die Parallelen sind offensichtlich.    

 

Jens Wernicke: Sie sagen, dass der Krieg mit einer Lüge begann und auch weitere Kriegsverbrechen begangen wurden. Was für eine Lüge war das genau? Und von welchen anderen Verbrechen sprechen wir?    

 

Peter Jaeggi: Die USA bezichtigten Vietnam eines Angriffs auf eines ihrer Kriegsschiffe im Golf von Tonkin und begannen daraufhin, das Land zu bombardieren. Aber diesen Angriff hatte es nie gegeben. Die USA und ihre Verbündeten begingen während dieses Krieges sehr viele Kriegsverbrechen. Am bekanntesten ist wohl das Massaker im Bauerndorf My Lay, wo über fünfhundert unschuldige Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – regelrecht niedergemetzelt worden sind. In meinem Buch werden diese Verbrechen ausführlich geschildert. Verbrechen, die in jedem Krieg zu beobachten sind, begingen im Übrigen alle Kriegsparteien, auch die Nordvietnamesen.    

 

Jens Wernicke: Wurde diese Lüge entlarvt und öffentlich gemacht? Und wurden die Kriegsverbrecher auf beiden Seiten juristisch belangt und verfolgt?    

 

Peter Jaeggi: Die Lüge ist längst bekannt und sie war es auch bei Kriegsbeginn. Dass sie in den USA noch immer am Leben erhalten wird, ist ein Skandal und zeigt, dass Washington in der Aufarbeitung dieses besonders tristen Kapitels seiner Geschichte noch einiges zu tun hat. Auch gab es nie eine juristische Aufarbeitung des Vietnamkrieges. Auf keiner Seite übrigens, weder in den USA, noch in Vietnam.    

 

Jens Wernicke: Nun werden ja auch in heutigen Kriegen noch chemische Waffen, deren Einsatz man dann üblicherweise Untergrundkämpfern in die Schuhe schiebt statt selbst zu verantworten, und wird auch uranhaltige Munition eingesetzt. Sprechen wir nicht auch in dieser Dimension von einem „Krieg ohne Ende“, einer Art Kriegsführung also, die darauf abzielt, Landschaften, Ökosystem und also Lebensgrundlagen vermeintlicher Feinde über Generationen hinweg zu vernichten?    

 

Peter Jaeggi: Nehmen Sie das Beispiel der Uranmunition, wie sie etwa im Irakkrieg eingesetzt wurde. Die USA und Großbritannien verschossen dort schätzungsweise etwa 400.000 Kilogramm davon. Die Zivilbevölkerung hatte keine Ahnung von den Gefahren, die davon ausgingen. Bei der Explosion dieser Munition entsteht ein Uranoxidaerosol, Menschen atmen die winzigen Partikel ein und so lagert sich radioaktives Schwermetall im Körper ab. Krebserkrankungen und Schädigung der DNA können die Folgen sein. Also auch hier, wie bei Agent Orange, ein Krieg ohne Ende.  

 

 Jens Wernicke: Was könnte, was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um diesem „Treiben“ Einhalt zu gebieten? Was schlagen Sie vor?    

 

Peter Jaeggi: Sämtliche Waffen, die an Mensch und Natur Langzeitschäden verursachen, müssen verboten werden. Und natürlich müssen Zivilisten in jedem Krieg unter allen Umständen von militärischen Handlungen verschont bleiben. Es gibt zwar einschlägige völkerrechtliche Bestimmungen – doch wie aktuelle Beispiele zeigen, werden sie von allen Kriegsparteien missachtet. Dazu gehören auch die Drohneneinsätze der USA, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. Leider habe auch ich kein Patentrezept, wie solches Tun endlich gestoppt werden könnte. Klar für mich ist nur: Man darf dazu nie schweigen.  

 

 Jens Wernicke: Vielen Dank für das Gespräch.