Roundup - der Killer

Glyphosat-Bewertung von Industrie gesteuert

Von Published On: 6. November 2015Kategorien: Allgemein

Das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat galt vier Jahrzehnte lang als unproblematisch für Regenwürmer. Bis ein österreichisches Forscherteam der Universität für Bodenkultur (BOKU) vor kurzem feststellte, dass handelsübliche Glyphosat-hältige Pflanzenschutzmittel die Aktivität und Fortpflanzung von Regenwürmern gravierend beeinträchtigen.
Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen der behördlichen Risikoeinschätzung einerseits und den Ergebnissen der Wissenschaftler andererseits veranlasste uns zu einem Vergleich der jeweils angewendeten Untersuchungsmethoden. Wenig erfreuliches Fazit dieser Analyse: Mit den realitätsfernen Versuchsanordnungen im Zulassungsverfahren ließen sich auch in hundert Jahren noch keine negativen Auswirkungen der untersuchten Produkte auf Regenwürmer nachweisen.
BOKU-Studie findet
dramatische Auswirkungen auf Regenwürmer
Die BOKU-Studie simuliert in verkleinertem Maßstab, was auf unseren Äckern täglich hundertfach von statten geht: Das Totspritzen von Beikräutern mit Unkrautvernichtungsmitteln auf Glyphosat-Basis. Dazu wurden 45-Liter-Töpfe mit Erde befüllt und mit natürlichen Beikräutern (gewöhnlicher Löwenzahn, Weißklee und Knäuelgras) bepflanzt. Dazu kamen noch die zwei häufigsten Regenwurmarten, der tiefgrabende Tauwurm (Lumbricus terrestris) und der horizontalbohrende Wiesenwurm (Aporrectodea caliginosa). Die Beikräuter wurden mit handelsüblichen Roundup-Produkten gespritzt. Sie starben nach wenigen Tagen ab und dienten den Regenwürmern als reichliche Nahrungsquelle. Sechs Wochen später ließ sich bei den Regenwürmern eine 60-prozentige Abnahme der Fortpflanzung und Aktivität feststellen.
Realitätsferne
Industriestudien
verschleiern schädliche Pestizidwirkung
Zur Bewertung des Risikos für Regenwürmer wurden 2002 im europäischen Erstzulassungsverfahren von Glyphosat insgesamt neun sogenannte „regulatorische Studien“ einbezogen. Das teilte die österreichische Pestizid-Zulassungsbehörde AGES/BAES auf Anfrage mit. Auf den ersten Blick scheint diese Anzahl beachtlich. Doch acht dieser neun regulatorischen Studien sind simple Labortests zur Ermittlung der akuten Toxizität gemäß der Richtlinie „OECD-Guideline 207“. Dabei werden Würmer über ein Pestizid-getränktes Filterpapier oder in künstlichem Erd-Substrat unmittelbar dem Pestizid ausgesetzt. So wird die „letale Dosis“ (LD50) ermittelt, bei der die Hälfte der Regenwürmer innerhalb von 14 Tagen stirbt.
Unser Umweltchemiker Helmut Burtscher erklärt, dass die akute Toxizität, also die unmittelbare Giftigkeit von Glyphosat sehr gering ist, würde ohnehin niemand anzweifeln, es sei aber verwundertlich, dass acht von neun Studien sich genau dieser Frage widmen. Jedoch mit Effekten, die nicht unmittelbar zum Tod der Regenwürmer führen (z.B. die Beeinträchtigung der Fortpflanzung) beschäftigt sich hingegen nur eine einzige dieser neun Studien aus dem Zulassungsverfahren, dies aber sehr mangelhaft. Denn unter realen Feldbedingungen und in der BOKU-Studie nehmen die Regenwürmer das Glyphosat als Bestandteil ihrer Hauptnahrungsquelle, nämlich in totem Pflanzenmaterial auf.
In dieser regulatorischen Studie nach „ISO/DIN 11268-2“ hingegen wird Glyphosat ohne Pflanzen unmittelbar auf ein künstliches Erd-Substrat aufgebracht. Regenwürmer werden durch Kompostwürmer ersetzt. Diese reagieren nicht nur weniger empfindlich auf Pestizide. Sie kommen im Acker überhaupt nicht vor! Und an Stelle des handelsüblichen Pestizids, weches zustäzlich zum Wirkstoff Glyphosat wichtige Beistoffe (diese sollen dem Wirkstoff beispielweise den Eintritt in die pflanzliche oder tierische Zelle erleichtern) enthält, arbeiten Industriestudien überwiegend mit dem weniger wirksamen, isolierten Wirkstoff. Auf eine Feldstudie, welche die Regenwurmtoxizität unter realen Bedingungen abklären könnte, verzichtet die europäische Zulassungbehörde. Sie begründet dies damit, dass aus den genannten einfacheren Industriestudien kein inakzeptables Risiko für Regenwürmer ersichtlich sei.
Regenwürmer sind Schlüsselspezies für Bodengesundheit und Fruchtbarkeit
Alfred Grand, Regenwurmexperte und Betreiber Europas führender Kompostfarm veranschaulicht, dass ein Hektar gesunder Ackerboden bis zu einer Million Regenwürmer, die einen unverzichtbaren Beitrag für die Funktion und Fruchtbarkeit des Bodens leisten, beherbergt. Mit der aufgrund des Klimawandels zu erwartenden Zunahme von Starkregenereignissen gewinnen Regenwürmer zusätzlich an Bedeutung, da sie die Wasseraufnahmekapazität des Bodens maßgeblich erhöhen und dadurch Überschwemmungen entgegenwirken. Doch je intensiver die landwirtschaftliche Nutzung wie Bodenbearbeitung, Dünger- und Pestizideinsatz, desto weniger Regenwürmer finden sich im Boden. Von einigen Pestiziden war schon bekannt, dass sie den Regenwurm schädigen können. Dass aber das weltweit meist verwendete und bisher als unbedenklich eingestufte Glyphosat auch zu dieser Gruppe zählt, sollte uns alarmieren.
Zulassungsverfahren muss reformiert, Glyphosat verboten werden
Die festgestellten Mängel im europäischen Zulassungsverfahren hinsichtlich des Risikos für Regenwürmer durch Herbizide weisen deutliche Parallelen zu den Mängeln bei der Risiko-Bewertung für Bienen durch systemische Insektizide auf. Diese stehen allerdings mittlerweile außer Streit. Ähnliches gilt auch für die WHO-Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich für den Menschen krebserregend“. Dieser ist ja bekanntlich eine Generalentwarnung durch die deutsche Zulassungsbehörde vorausgegangen. Für Mitte 2016 wurde die Entscheidung angekündigt, ob Glyphosat weitere zehn Jahre in Europa zugelassen wird. Wir fordern, dass diese in Kenntnis der von der BOKU festgestellten Effekte auf Regenwürmer und der damit einhergehenden ökologischen Folgen und Risiken erfolgen muss. Wir werden alles daran setzen, dass die BOKU-Studie noch in den politischen Diskussions- und Entscheidungsprozess auf Ebene der Mitgliedsstaaten einfließen kann. Hier setzen wir auf die Unterstützung durch das Lebensministerium und die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

 

Dieser Text wurde zuerst auf global2000.at unter der URL <https://www.global2000.at/boku-studie-sch%C3%A4digung-von-regenw%C3%BCrmern-durch-glyphosatroundup> veröffentlicht.

Quellen:

BOKU-Studie: <https://www.global2000.at/sites/global/files/Glyphosat_wuermer2.pdf>

BUND: Note „Mangelhaft“ – Das EU-Zulassungsverfahren für Glyphosat: < http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/gentechnik/150928_bund_gentechnik_glyphosat_zulassung_studie.pdf>

Untersuchung des Toxikologen Peter Clausing im Auftrag der Organisationen Campact und dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN): < http://blog.campact.de/wp-content/uploads/2015/09/Glyphosat-Studie_final.pdf>

Roundup - der Killer

Glyphosat-Bewertung von Industrie gesteuert

Von Published On: 6. November 2015Kategorien: Allgemein

Das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat galt vier Jahrzehnte lang als unproblematisch für Regenwürmer. Bis ein österreichisches Forscherteam der Universität für Bodenkultur (BOKU) vor kurzem feststellte, dass handelsübliche Glyphosat-hältige Pflanzenschutzmittel die Aktivität und Fortpflanzung von Regenwürmern gravierend beeinträchtigen.
Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen der behördlichen Risikoeinschätzung einerseits und den Ergebnissen der Wissenschaftler andererseits veranlasste uns zu einem Vergleich der jeweils angewendeten Untersuchungsmethoden. Wenig erfreuliches Fazit dieser Analyse: Mit den realitätsfernen Versuchsanordnungen im Zulassungsverfahren ließen sich auch in hundert Jahren noch keine negativen Auswirkungen der untersuchten Produkte auf Regenwürmer nachweisen.
BOKU-Studie findet
dramatische Auswirkungen auf Regenwürmer
Die BOKU-Studie simuliert in verkleinertem Maßstab, was auf unseren Äckern täglich hundertfach von statten geht: Das Totspritzen von Beikräutern mit Unkrautvernichtungsmitteln auf Glyphosat-Basis. Dazu wurden 45-Liter-Töpfe mit Erde befüllt und mit natürlichen Beikräutern (gewöhnlicher Löwenzahn, Weißklee und Knäuelgras) bepflanzt. Dazu kamen noch die zwei häufigsten Regenwurmarten, der tiefgrabende Tauwurm (Lumbricus terrestris) und der horizontalbohrende Wiesenwurm (Aporrectodea caliginosa). Die Beikräuter wurden mit handelsüblichen Roundup-Produkten gespritzt. Sie starben nach wenigen Tagen ab und dienten den Regenwürmern als reichliche Nahrungsquelle. Sechs Wochen später ließ sich bei den Regenwürmern eine 60-prozentige Abnahme der Fortpflanzung und Aktivität feststellen.
Realitätsferne
Industriestudien
verschleiern schädliche Pestizidwirkung
Zur Bewertung des Risikos für Regenwürmer wurden 2002 im europäischen Erstzulassungsverfahren von Glyphosat insgesamt neun sogenannte „regulatorische Studien“ einbezogen. Das teilte die österreichische Pestizid-Zulassungsbehörde AGES/BAES auf Anfrage mit. Auf den ersten Blick scheint diese Anzahl beachtlich. Doch acht dieser neun regulatorischen Studien sind simple Labortests zur Ermittlung der akuten Toxizität gemäß der Richtlinie „OECD-Guideline 207“. Dabei werden Würmer über ein Pestizid-getränktes Filterpapier oder in künstlichem Erd-Substrat unmittelbar dem Pestizid ausgesetzt. So wird die „letale Dosis“ (LD50) ermittelt, bei der die Hälfte der Regenwürmer innerhalb von 14 Tagen stirbt.
Unser Umweltchemiker Helmut Burtscher erklärt, dass die akute Toxizität, also die unmittelbare Giftigkeit von Glyphosat sehr gering ist, würde ohnehin niemand anzweifeln, es sei aber verwundertlich, dass acht von neun Studien sich genau dieser Frage widmen. Jedoch mit Effekten, die nicht unmittelbar zum Tod der Regenwürmer führen (z.B. die Beeinträchtigung der Fortpflanzung) beschäftigt sich hingegen nur eine einzige dieser neun Studien aus dem Zulassungsverfahren, dies aber sehr mangelhaft. Denn unter realen Feldbedingungen und in der BOKU-Studie nehmen die Regenwürmer das Glyphosat als Bestandteil ihrer Hauptnahrungsquelle, nämlich in totem Pflanzenmaterial auf.
In dieser regulatorischen Studie nach „ISO/DIN 11268-2“ hingegen wird Glyphosat ohne Pflanzen unmittelbar auf ein künstliches Erd-Substrat aufgebracht. Regenwürmer werden durch Kompostwürmer ersetzt. Diese reagieren nicht nur weniger empfindlich auf Pestizide. Sie kommen im Acker überhaupt nicht vor! Und an Stelle des handelsüblichen Pestizids, weches zustäzlich zum Wirkstoff Glyphosat wichtige Beistoffe (diese sollen dem Wirkstoff beispielweise den Eintritt in die pflanzliche oder tierische Zelle erleichtern) enthält, arbeiten Industriestudien überwiegend mit dem weniger wirksamen, isolierten Wirkstoff. Auf eine Feldstudie, welche die Regenwurmtoxizität unter realen Bedingungen abklären könnte, verzichtet die europäische Zulassungbehörde. Sie begründet dies damit, dass aus den genannten einfacheren Industriestudien kein inakzeptables Risiko für Regenwürmer ersichtlich sei.
Regenwürmer sind Schlüsselspezies für Bodengesundheit und Fruchtbarkeit
Alfred Grand, Regenwurmexperte und Betreiber Europas führender Kompostfarm veranschaulicht, dass ein Hektar gesunder Ackerboden bis zu einer Million Regenwürmer, die einen unverzichtbaren Beitrag für die Funktion und Fruchtbarkeit des Bodens leisten, beherbergt. Mit der aufgrund des Klimawandels zu erwartenden Zunahme von Starkregenereignissen gewinnen Regenwürmer zusätzlich an Bedeutung, da sie die Wasseraufnahmekapazität des Bodens maßgeblich erhöhen und dadurch Überschwemmungen entgegenwirken. Doch je intensiver die landwirtschaftliche Nutzung wie Bodenbearbeitung, Dünger- und Pestizideinsatz, desto weniger Regenwürmer finden sich im Boden. Von einigen Pestiziden war schon bekannt, dass sie den Regenwurm schädigen können. Dass aber das weltweit meist verwendete und bisher als unbedenklich eingestufte Glyphosat auch zu dieser Gruppe zählt, sollte uns alarmieren.
Zulassungsverfahren muss reformiert, Glyphosat verboten werden
Die festgestellten Mängel im europäischen Zulassungsverfahren hinsichtlich des Risikos für Regenwürmer durch Herbizide weisen deutliche Parallelen zu den Mängeln bei der Risiko-Bewertung für Bienen durch systemische Insektizide auf. Diese stehen allerdings mittlerweile außer Streit. Ähnliches gilt auch für die WHO-Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich für den Menschen krebserregend“. Dieser ist ja bekanntlich eine Generalentwarnung durch die deutsche Zulassungsbehörde vorausgegangen. Für Mitte 2016 wurde die Entscheidung angekündigt, ob Glyphosat weitere zehn Jahre in Europa zugelassen wird. Wir fordern, dass diese in Kenntnis der von der BOKU festgestellten Effekte auf Regenwürmer und der damit einhergehenden ökologischen Folgen und Risiken erfolgen muss. Wir werden alles daran setzen, dass die BOKU-Studie noch in den politischen Diskussions- und Entscheidungsprozess auf Ebene der Mitgliedsstaaten einfließen kann. Hier setzen wir auf die Unterstützung durch das Lebensministerium und die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

 

Dieser Text wurde zuerst auf global2000.at unter der URL <https://www.global2000.at/boku-studie-sch%C3%A4digung-von-regenw%C3%BCrmern-durch-glyphosatroundup> veröffentlicht.

Quellen:

BOKU-Studie: <https://www.global2000.at/sites/global/files/Glyphosat_wuermer2.pdf>

BUND: Note „Mangelhaft“ – Das EU-Zulassungsverfahren für Glyphosat: < http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/gentechnik/150928_bund_gentechnik_glyphosat_zulassung_studie.pdf>

Untersuchung des Toxikologen Peter Clausing im Auftrag der Organisationen Campact und dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN): < http://blog.campact.de/wp-content/uploads/2015/09/Glyphosat-Studie_final.pdf>