Brennende Barrikaden auf dem Majdan am 19. Februar 2014 (Foto: Mstyslav Chernov, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Gefährliches Zündeln am Pulverfass Ukraine

Am 15. April 2021 forderte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, vor dem Hintergrund russischer Manöver an der Grenze zur Ukraine nicht nur Solidaritätsbekundungen, sondern modernste Waffensysteme zur Verteidigung. Zugleich bekräftigte er die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft seines Landes. Wenige Stunden zuvor hatten US-Präsident Biden und Bundeskanzlerin Merkel in einem Telefonat über die Lage im Osten der Ukraine gesprochen. Nach Angaben von Regierungssprecher Seibert waren sich beide darüber einig, dass Moskau zu einer Deeskalation der Situation beitragen müsse. [1]

Von Wolfgang Effenberger , veröffentlicht am: 22. Mai 2021, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 21.04.2021 auf www.kenfm.de unter der URL <https://kenfm.de/gefaehrliches-zuendeln-am-pulverfass-ukraine/> veröffentlicht. Lizenz: © Wolfgang Effenberger, KenFM

Dass diese Forderung von Personen kommt, die 2013/2014 tief in den Staatsstreich in der Ukaine verwickelt waren, zeugt von einem beharrlichen Willen, einen Krieg zu provozieren, dessen Folgen in Europa und vielleicht der ganzen Welt niemand absehen kann. Wenn Biden und Merkel sich an den vom Westen mit präziser Kaltblütigkeit geplanten und unter Zuhilfenahme von neofaschistischen Kräften wie der Swoboda-Partei und dem Asow-Regiment durchgeführten Putsch auch nicht mehr erinnern wollen, dann müssen es andere tun.

Am 13. Dezember 2013 ließ die damalige US-Beauftragte für europäische und asiatische Angelegenheiten, Victoria Nuland, im „National Press Club“ die Welt wissen, dass die USA 5 Milliarden Dollar in den Aufbau „demokratischer Institutionen“ in der Ukraine investiert haben. [2]

3,5 Millionen Dollar davon hatte das „National Endowment for Democracy“ (NED) in über 60 Zahlungen an knapp 60 verschiedene Einrichtungen in die Ukraine geleitet. [3] Diese unter dem Motto „Supporting Freedom around the World“ stehende Organisation, die also der Welt die Freiheit bringen will, hat natürlich den Auftrag, massiv politisch Einfluss zu nehmen. Das NED war 1983 von US-Präsident Reagan mit dem Ziel gegründet worden, um die CIA von rufschädigenden Aufgaben zu entlasten. Der an der Ausarbeitung der Gesetzgebung zur Gründung des NED beteiligte US-Historiker Allen Weinstein erklärte 1991: „Vieles von dem, was wir heute tun, wurde vor 25 Jahren im Geheimen von der CIA getan“. [4] Und Carl Gershman, während der ersten Amtszeit der Reagan-Administration Botschafter der Vereinigten Staaten beim Menschenrechtsrat der UN und ab 1984 Präsident des „National Endowment for Democracy“, sagte 1986:

„Es wäre schrecklich für demokratische Gruppen auf der ganzen Welt, als von der C.I.A. subventioniert angesehen zu werden. Wir haben das in den 60er Jahren gesehen, und deshalb wurde diese Unterstützung eingestellt. Wir waren nicht in der Lage, dies zu tun, und deshalb wurde die Stiftung gegründet“. [5] National Endowment, 1986

Seit 2014 ständige NATO-Aggression vor der Haustür Russlands

Im Moment läuft das NATO-Manöver DEFENDER 21 an. Über 30.000 Soldaten aus 26 Nationen proben von 12 Ländern aus den Anmarsch gen Osten – eine erneute Provokation Russlands! Schwerpunkte dabei sind Estland, Rumänien und Bulgarien. Die Manöver werden im Juni mit einer Strategie-Übung für die Hauptquartiere abgerundet. Deutschland ist dabei die Drehscheibe für alle Truppentransporte durch den Kontinent. Darauf hatte Generalsinspekteur Eberhard Zorn Ende September 2020 in der FAZ hingewiesen: „Wir beteiligen uns wesentlich am zentralen Abschreckungsinstrument, der Nato-Speerspitze, die wir 2023 wieder anführen. Unsere Heeresbrigaden führen multinationale Verbände zur Unterstützung Litauens. Und unsere Marine ist in allen Nato-Einsatzverbänden in Mittelmeer, Nord- und Ostsee aktiv. […] Durch unsere Lage mitten im europäischen NATO-Gebiet sind wir Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen und rückwärtiger Operationsraum, damit aber auch potentielles Angriffsziel. Wir befinden uns nach wie vor in Reichweite konventioneller und nuklearer Waffen.“ [6] Ein Mann, der einmal geschworen hat, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, erklärt dieses Land ungerührt zum Spielfeld eines Dritten Weltkriegs.

Geplante Nato-Übungen von März bis Juni 2021. [7] (Tabelle: Nato)

Bei DEFENDER 21 sollen die Militärs mit einer Vielzahl von Verlegerouten aus den USA quer durch Europa bis zur russischen Grenze vertraut gemacht werden. Dazu gehören in einem simulierten „Schlachtfeldnetzwerk“ von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zahlreiche Kriegsübungen. In seiner Planung griff das Militärbündnis auf Übungsformate zurück, die es in der Region schon seit Jahren regelmäßig umsetzt. [7]

 

Ein bewährtes Kriegsquartett

Präsident Joe Biden, Außenminister Antony Blinken – 2013 war er Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joe Biden – und Victoria Nuland sind heute dabei, den Krieg in der Ukraine wieder aufzunehmen, den alle drei 2013/14 ausgelöst hatten. Geoffrey R. Pyatt, der vierte im Bunde – damals Botschafter in der Ukraine – ist heute Botschafter in Griechenland, das im Nordosten an Bulgarien grenzt. Nun schüren sie in der Ukraine die Kriegsfeuer, dirigieren Kriegsschiffe ins Schwarze Meer und halten Atombomber startklar. [8]

Die ukrainische Bevölkerung wird seit Anfang März 2021 zielgerichtet auf einen Konflikt mit Russland eingestimmt. Am 14. März 2021 titelte die FAZ: „Klitschko trainiert bei Schießübung Panzerabwehr“. Der ehemalige Boxweltmeister Klitschko, Bürgermeister von Kiew und 2014 Merkels Aspirant für das ukrainische Präsidentenamt, war mit seinen Mitarbeitern und den Stadtbezirksbürgermeistern ins Manöver gezogen, um sich öffentlichkeitswirksam in einem Erdloch von einem heranrollenden Panzer überrollen zu lassen, anschließend Handgranaten zu werfen und mit dem Maschinengewehr zu feuern. Eindrucksvoll waren auch die Bilder, die Klitschko an der sowjetischen Flugabwehrkanone SU-23 zeigen. „Ich bin überzeugt“, so der Bürgermeister, „dass wir gut vorbereitet sein müssen, um bei Bedarf unsere Stadt und ihre Einwohner und unseren Staat zu verteidigen“. [9]

Zehn Tage später trat die VERORDNUNG DES PRÄSIDENTEN DER UKRAINE N2117 / 2021 „Über die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine vom 11. März 2021 zur Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ in Kraft.

„In Übereinstimmung mit Artikel 107 der Verfassung der Ukraine beschließe ich (Präsident Wolodymyr Selensky):

  1. Umsetzung des Beschlusses des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine vom 11. März 2021 „Über die Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ (im Anhang).
  2. Genehmigung der Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol (im Anhang).
  3. Die Kontrolle über die Umsetzung des durch dieses Dekret erlassenen Beschlusses des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine liegt beim Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine.“ [10]

Dieses Dekret kommt einer ukrainischen Kriegserklärung an Russland sehr nahe. Am 6./7. April 2021 trafen sich der ukrainische Präsident und sein Generalstabschef Chomtschak mit dem Vorsitzenden des NATO-Militärkomitees, dem Briten Stuart Perch, Chef der Royal Air Force, der anschließend erklärte: „Die NATO-Mitglieder sind vereint, um die illegale Annexion der Krim durch Russland und seine aggressiven Aktionen in der Ostukraine zu verurteilen“ [11].

Kritik- und gedankenlos operiert ein hoher Offizier der NATO mit der Version „gewaltsame Annexion“ der Krim. Wenn es so gewesen wäre, müsste der Westen in der Tat Zwangsmaßnahmen ergreifen – ähnlich dem Vorgehen bei der gewaltsamen Annexion Kuwaits durch den Irak. Doch die Verhältnisse auf der Krim sind anders. Hier hat am 16. März 2014 die auf der Krim lebende Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit in einem Referendum beschlossen, sich von der Ukraine zu lösen und nach Russland zurückzukehren (innerhalb der Sowjetunion war die Krim 1954 der Ukraine zugeordnet worden). Laut einer Umfrage des 2015 vom Deutschen Bundestag eingerichteten Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOIS) betrachten sich 80 Prozent der Krimbewohner als russische und nur 3 Prozent als ukrainische Bürger. 13,3 Prozent sehen sich nur als Bürger der Krim, darunter viele Tataren, von denen sich rund die Hälfte auch als Russen bezeichnen. Privat sprechen mehr als 80 Prozent nur Russisch, 1 Prozent nur Ukrainisch und 2 Prozent nur Tatarisch. [12]

In dem Referendum von 2014 sprachen die Bürger der Krim ihren Willen aus, dass Russisch weiterhin Amtssprache bleibt; zusätzlich wollten sie vermeiden, wie die Russen im Donbass von den Kiewer Neonazi-Bataillonen angegriffen zu werden.

Als Oberbefehlshaber reiste nun am 8. April 2021 der Staatschef in Kampfmontur an die Frontlinie im Osten zur Motivation der regierungstreuen ukrainischen Soldaten [13]. Von seinem Wahlkampf-Versprechen, in erster Linie für Frieden im Donbass zu sorgen, ist anscheinend nichts übriggeblieben. Im Gegenteil, er strebt nun die „Befreiung“ der Krim an. Will Präsident Selensky den gleichen Fehler machen wie 2008 der georgische Staatspräsident Saakaschwili? Die Vermutung liegt nahe, denn Selensky, der TV-Comedian ohne jede politische Erfahrung, hat Anfang Mai 2020 Saakaschwili zum Berater der ukrainischen Regierung gemacht [14]. Wer zog hier die Fäden? Trump oder die seit den 90er Jahren kriegsaffine Finanzelite?

Können die jüngsten Vorgänge in Russlands Nachbarschaft ohne Zustimmung der Finanziers des „Failed State“ Ukraine erfolgt sein? Diejenigen, die Bidens über 40jährige politische Laufbahn samt seinem Engagement für weltweite Kriegseinsätze verfolgt haben, fürchten, dass nach Trumps Regierungszeit die US-Aggressionen im Rahmen der Regime-Change-Politik des „Friedensfürsten“ Obama wieder aufgenommen wurden. Kann es sein, dass das Dekret 117/2021 die Grundlage für die Reaktion Moskaus ist? Was, wenn aus dem Ukraine-Konflikt ein europäischer Konflikt wird? In seinem Gefolge könnte Europa zerstört werden und Weltwirtschaft und -finanzmärkte in ungeahnte Turbulenzen geraten. Bei der derzeitigen globalen Verschuldung könnte ein Krieg eine willkommene Ausrede für den Zusammenbruch abgeben. Was geht in den Köpfen der westlichen Geo-Strategen vor?

Es scheint jedenfalls alles so gewollt zu sein. Selensky befindet sich mit seinem Dekret im Einklang mit der am 4. Dezember 2014 im US-Kongress verabschiedeten Resolution H. Res. 758, die „das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt.“ [15]

Dieser Vorbemerkung folgt ein umfangreiches Sündenregister Russlands. Gebetsmühlenartig wird die Russische Föderation u.a. beschuldigt,

  • in die Ukraine einmarschiert zu sein und deren Souveränität verletzt zu haben,
  • Computerattacken in den USA durchzuführen,
  • 2008 in Georgien einmarschiert zu sein,
  • an Syrien Waffen verkauft zu haben, etc.

Am Ende der langen Reihe meist unbewiesener oder zumindest fraglicher Vorwürfe folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten zu Handlungen zwingen sollen. So soll der Präsident unter anderem

  • auf die US-Verbündeten und Partner in Europa und die anderen Staaten der Welt hinwirken, gezielte Sanktionen gegen die Russische Föderation und ihre Führung zu verhängen, sowie den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchzusetzen,
  • in Abstimmung mit dem Kongress den Zustand und die Einsatzbereitschaft der US-Streitkräfte und der Streitkräfte der anderen NATO-Staaten zu überprüfen sowie die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, dass eventuelle Mängel abgestellt werden.

Noch am Tag der Verabschiedung der Resolution bezeichnete sie das Kongress-Urgestein Ron Paul auf seiner Homepage in dem Artikel „Reckless Congress ‚Declares War’ on Russia“ als „eines der übelsten Gesetze.“ [16]

Und der kanadische Ökonom Michel Chossudovsky sorgte sich um die weltweite Sicherheit. Für ihn hatte das Abgeordnetenhaus dem amerikanischen Präsidenten und Oberkommandierenden der Streitkräfte praktisch „grünes Licht“ gegeben, ohne weitere Zustimmung des Kongresses in einen Prozess der militärischen Konfrontation mit Russland einzutreten. [17] „Diese historische Abstimmung“, so Chossudovsky, „die möglicherweise das Leben von hunderten Millionen Menschen weltweit beeinflusst, wurde in den Medien praktisch völlig ausgeblendet.“ [18] Bis heute weiß die Öffentlichkeit kaum etwas davon! Der ehemalige stellvertretende Finanzminister der Regierung Reagan und Herausgeber des Wall Street Journal, Paul Craig Roberts, sah damals in der Resolution gegen Russland ein Paket von Lügen [19], und er fragt heute: Werden wir in einem Krieg zerstört werden, bevor wir unsere Freiheit an die inszenierte „Covid-Pandemie“ des Establishments verlieren?

„Ich hätte nie gedacht“, so Paul Craig Roberts weiter, „dass sich eine Regierung als so dumm erweisen würde wie die britische Regierung, die 1939 Polen eine Militärgarantie gab, was die polnische Militärdiktatur veranlasste, die Gespräche mit Deutschland über die Rückgabe der durch den Versailler Vertrag gestohlenen deutschen Gebiete und Menschen abzubrechen.“ Für Roberts steht fest: „Diese britische Garantie war die Ursache des Zweiten Weltkriegs“ [20].

Sollten die US-Marionetten in der Ukraine der amerikanischen „Garantie“ vertrauen und danach handeln, wird nach Roberts die Ukraine aufhören, als unabhängiges Land zu existieren, und sollte sich Washington einmischen, werden die USA aufhören zu existieren.

Auf die Beleidigungen und Provokationen Washingtons – hier sei u.a. an Bidens indirekte Aussage erinnert, Putin sei ein seelenloser Killer – hat der Kreml diesmal mit eindrucksvollen Manövern an der Ostgrenze Russlands reagiert. Selbstbewusst verkündete der russische Verteidigungsminister am 13. April 2021, dass genügend russisches Militär aktiviert wurde, um mit der Ukraine, der NATO und den USA fertig zu werden. Für die Kriegsspiele von USA/Nato/Ukraine wurde übrigens kurzerhand die Straße von Kertsch (Asowsches Meer) für Kriegsschiffe bis Oktober 2021 geschlossen [21].

Am 15. April 2021 gab Präsident Biden eine Pressekonferenz, in der er sich gegenüber der russischen Regierung sehr konziliant äußerte, die Verantwortung der beiden Mächte für die globale Stabilität betonte, die russischen Sanktionen als angemessen und zurückhaltend bezeichnete und seinen Vorschlag für ein Gipfeltreffen im kommenden Sommer erneuerte [22].

Dieser Vorgang scheint die Vermutung zu bestätigen, dass eine Eskalation der von den Washingtoner Kriegstreibern verursachten Situation vermieden werden kann. Roberts zollt dafür der russischen Führung Respekt.

Es sieht ganz danach aus, dass in Deutschland ab dem kommenden Herbst eine grün-rote Regierung die Geschicke des Landes bestimmt. Im Herbst 1998 war Rot-Grün der Wunschpartner von US-Präsident Bill Clinton, da sich eine Regierung Kohl – so Willy Wimmer – dem Krieg gegen Restjugoslawien verweigert hätte. Fischer und den Grünen ist es zu verdanken, dass aus großen Teilen der deutschen Friedensbewegung begeisterte Anhänger des USA/NATO-Menschenrechtsimperialismus geworden sind. Der Krieg gegen Jugoslawien wird nach der damaligen US-Außenministerin auch der Albright-War genannt. Danach gefragt, ob das durch die UN-Resolution 661 ausgelöste Sterben von 500.000 Kindern im Irakkrieg den Preis „wert“ sei, antwortete sie: „Wir meinen, dass sie den Preis wert sind.“ [23]

Die zynische Antwort eines Washingtoner Falken. Es gibt dort sicherlich auch Kräfte, für die Menschlichkeit nicht nur eine Worthülse ist und die sich gegen einen Krieg mit Russland stemmen. Vor allem für die US-Army wäre ein Landkrieg gegen Russland desaströs. Die US-Navy dürfte dagegen ihren Hauptgegner in der Volksrepublik China sehen, während große Teile der ideologiegesteuerten „Neocons“, Teile der demokratischen Partei und Kräfte vor allem des spekulativ operierenden Kapitals, bereit sein dürften, eine strikt antirussische und somit risikoreiche Politik zu treiben. Wie bei den beiden Weltkriegen werden in ihren Augen ohnehin wieder andere das Risiko tragen.

Quellen:

[1] Deutschlandfunk „Botschafter Melnyk: Reale Kriegsvorbereitungen Russlands”, am 15.4.2021: <https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-botschafter-melnyk-reale-kriegsvorbereitungen.2932.de.html?drn:news_id=1248634>

[2] Vortaire Network, Victoria Nuland „Remarks by Victoria Nuland at the U.S.-Ukraine Foundation Conference“, am 13.12.2013: <https://www.voltairenet.org/article182080.html>

[3] NED National Endowment for Democracy „Ukraine 2020”, am 22.02.2021: <https://www.ned.org/region/central-and-eastern-europe/ukraine-2020/> <https://www.ned.org/region/central-and-eastern-europe/ukraine-2018/>

[4] The Washington Post, David Ignatius „Innocence abroad: The new world of spyless coups”, am 22.9.1991: <https://www.washingtonpost.com/archive/opinions/1991/09/22/innocence-abroad-the-new-world-of-spyless-coups/92bb989a-de6e-4bb8-99b9-462c76b59a16/>

[5] The New York Times, David K. Shipler „MISSIONARIES FOR DEMOCRACY: U.S. AID FOR GLOBAL PLURALISM”, am 1.6.1986: <https://www.nytimes.com/1986/06/01/world/missionaries-for-democracy-us-aid-for-global-pluralism.html>

[6] Frankfurter Allgemeine Zeitung, Eberhard Zorn „Wir brauchen eine vollausgestattete Bundeswehr”, am 1.10.2020: <https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/generalinspekteur-zorn-fuer-praesente-bundeswehr-im-alltag-16977307.html>

[7] NATO Shape (Supreme Headquarters Allied Powers Europe) „Allied National Exercises”, am 6.4.2021: <https://shape.nato.int/exercises/allied-national-exercises>

[8] Vortaire Network, Manlio Dinucci „Die Kunst des Krieges – Ukraine, eine US-Bombe in Europa“, am 13.4.2021: <https://www.voltairenet.org/article212706.html>

[9] Frankfurter Allgemeine Zeitung „Bei Bedarf Kiew verteidigen – Klitschko trainiert bei Schießübung Panzerabwehr“, am 14.3.2021: <https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/bei-bedarf-kiew-verteidigen-klitschko-trainiert-bei-schiessuebung-panzerabwehr-17244659.html>

[10] Offizielle Seite des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selensky „Verordnung des Präsidenten der Ukraine Nr. 117/2021“: <https://www.president.gov.ua/documents/1172021-37533>

[11] Vortaire Network, Manlio Dinucci „Die Kunst des Krieges – Ukraine, eine US-Bombe in Europa“, am 13.4.2021: <https://www.voltairenet.org/article212706.html>

[12] Heise online/Telepolis, Florian Rötzer „Separatismus: Auch jetzt würden noch fast 80 Prozent der Krim-Bürger für die Sezession stimmen“, am 28.11.2017: <https://www.heise.de/tp/features/Separatismus-Auch-jetzt-wuerden-noch-fast-80-Prozent-der-Krim-Buerger-fuer-die-Sezession-stimmen-3902899.html>

[13] Kyiv Post, Veronika Strashko „Zelensky visits front line amid Russian escalation in Donbas (PHOTOS)“, am 9.4.2021: <https://www.kyivpost.com/multimedia/photo/zelensky-visits-front-line-amid-russian-escalation-in-donbas-photos>

[14] Deutsche Welle, Roman Goncharenko, Markian Ostaptschuk „Selenskyj ernennt Saakaschwili zum Top-Berater“, am 8.5.2020: <https://www.dw.com/de/selenskyj-ernennt-saakaschwili-zum-top-berater/a-53368635>

[15] Congress.gov „H.Res.758 – Strongly condemning the actions of the Russian Federation, under President Vladimir Putin, which has carried out a policy of aggression against neighboring countries aimed at political and economic domination.“, am 4.12.2014: <https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/text>

[16] Ron Paul Institute, Ron Paul „Reckless Congress ‚Declares War‘ on Russia“, am 4.12.2014: <http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia>

[17] Global Research, Michel Chossudovsky „America is on a “Hot War Footing”: House Legislation Paves the Way for War with Russia?“, am 5.12.2014: <https://www.globalresearch.ca/america-is-on-a-hot-war-footing-house-legislation-paves-the-way-for-war-with-russia/5418035>

[18] siehe [17]

[19] Paul Craig Roberts „Russia Has Western Enemies, Not Partners“, am 5.12.2014: <https://www.paulcraigroberts.org/2014/12/05/russia-western-enemies-partners-paul-craig-roberts/>

[20] Paul Craig Roberts „One Question Before Us Is: Will We Be Destroyed in War Before We Lose Our Civil Liberty to the Establishment’s Orchestrated “Covid Pandemic”?“, am 14.4.2021: <https://www.paulcraigroberts.org/2021/04/14/one-question-before-us-is-will-we-be-destroyed-in-war-before-we-lose-our-civil-liberty-to-the-establishments-orchestrated-covid-pandemic/>

[21] New York Post, Mark Moore „Putin closes off access to Black Sea after Biden’s about-face on Ukraine“, 15.4.2021: <https://nypost.com/2021/04/15/putin-closes-off-access-to-black-sea-after-biden-blinks/>

[22] The White House, President Joe Biden „Remarks by President Biden on Russia“, am 15.4.2021: <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2021/04/15/remarks-by-president-biden-on-russia/>

[23] CBS News, Madeleine Albright „Punishing Saddam“, am 12.5.1996: <https://www.youtube.com/watch?v=FbIX1CP9qr4>

Gefährliches Zündeln am Pulverfass Ukraine

Von Wolfgang Effenberger , veröffentlicht am: 22. Mai 2021, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 21.04.2021 auf www.kenfm.de unter der URL <https://kenfm.de/gefaehrliches-zuendeln-am-pulverfass-ukraine/> veröffentlicht. Lizenz: © Wolfgang Effenberger, KenFM

Brennende Barrikaden auf dem Majdan am 19. Februar 2014 (Foto: Mstyslav Chernov, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Am 15. April 2021 forderte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, vor dem Hintergrund russischer Manöver an der Grenze zur Ukraine nicht nur Solidaritätsbekundungen, sondern modernste Waffensysteme zur Verteidigung. Zugleich bekräftigte er die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft seines Landes. Wenige Stunden zuvor hatten US-Präsident Biden und Bundeskanzlerin Merkel in einem Telefonat über die Lage im Osten der Ukraine gesprochen. Nach Angaben von Regierungssprecher Seibert waren sich beide darüber einig, dass Moskau zu einer Deeskalation der Situation beitragen müsse. [1]

Dass diese Forderung von Personen kommt, die 2013/2014 tief in den Staatsstreich in der Ukaine verwickelt waren, zeugt von einem beharrlichen Willen, einen Krieg zu provozieren, dessen Folgen in Europa und vielleicht der ganzen Welt niemand absehen kann. Wenn Biden und Merkel sich an den vom Westen mit präziser Kaltblütigkeit geplanten und unter Zuhilfenahme von neofaschistischen Kräften wie der Swoboda-Partei und dem Asow-Regiment durchgeführten Putsch auch nicht mehr erinnern wollen, dann müssen es andere tun.

Am 13. Dezember 2013 ließ die damalige US-Beauftragte für europäische und asiatische Angelegenheiten, Victoria Nuland, im „National Press Club“ die Welt wissen, dass die USA 5 Milliarden Dollar in den Aufbau „demokratischer Institutionen“ in der Ukraine investiert haben. [2]

3,5 Millionen Dollar davon hatte das „National Endowment for Democracy“ (NED) in über 60 Zahlungen an knapp 60 verschiedene Einrichtungen in die Ukraine geleitet. [3] Diese unter dem Motto „Supporting Freedom around the World“ stehende Organisation, die also der Welt die Freiheit bringen will, hat natürlich den Auftrag, massiv politisch Einfluss zu nehmen. Das NED war 1983 von US-Präsident Reagan mit dem Ziel gegründet worden, um die CIA von rufschädigenden Aufgaben zu entlasten. Der an der Ausarbeitung der Gesetzgebung zur Gründung des NED beteiligte US-Historiker Allen Weinstein erklärte 1991: „Vieles von dem, was wir heute tun, wurde vor 25 Jahren im Geheimen von der CIA getan“. [4] Und Carl Gershman, während der ersten Amtszeit der Reagan-Administration Botschafter der Vereinigten Staaten beim Menschenrechtsrat der UN und ab 1984 Präsident des „National Endowment for Democracy“, sagte 1986:

„Es wäre schrecklich für demokratische Gruppen auf der ganzen Welt, als von der C.I.A. subventioniert angesehen zu werden. Wir haben das in den 60er Jahren gesehen, und deshalb wurde diese Unterstützung eingestellt. Wir waren nicht in der Lage, dies zu tun, und deshalb wurde die Stiftung gegründet“. [5] National Endowment, 1986

Seit 2014 ständige NATO-Aggression vor der Haustür Russlands

Im Moment läuft das NATO-Manöver DEFENDER 21 an. Über 30.000 Soldaten aus 26 Nationen proben von 12 Ländern aus den Anmarsch gen Osten – eine erneute Provokation Russlands! Schwerpunkte dabei sind Estland, Rumänien und Bulgarien. Die Manöver werden im Juni mit einer Strategie-Übung für die Hauptquartiere abgerundet. Deutschland ist dabei die Drehscheibe für alle Truppentransporte durch den Kontinent. Darauf hatte Generalsinspekteur Eberhard Zorn Ende September 2020 in der FAZ hingewiesen: „Wir beteiligen uns wesentlich am zentralen Abschreckungsinstrument, der Nato-Speerspitze, die wir 2023 wieder anführen. Unsere Heeresbrigaden führen multinationale Verbände zur Unterstützung Litauens. Und unsere Marine ist in allen Nato-Einsatzverbänden in Mittelmeer, Nord- und Ostsee aktiv. […] Durch unsere Lage mitten im europäischen NATO-Gebiet sind wir Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen und rückwärtiger Operationsraum, damit aber auch potentielles Angriffsziel. Wir befinden uns nach wie vor in Reichweite konventioneller und nuklearer Waffen.“ [6] Ein Mann, der einmal geschworen hat, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, erklärt dieses Land ungerührt zum Spielfeld eines Dritten Weltkriegs.

Geplante Nato-Übungen von März bis Juni 2021. [7] (Tabelle: Nato)

Bei DEFENDER 21 sollen die Militärs mit einer Vielzahl von Verlegerouten aus den USA quer durch Europa bis zur russischen Grenze vertraut gemacht werden. Dazu gehören in einem simulierten „Schlachtfeldnetzwerk“ von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zahlreiche Kriegsübungen. In seiner Planung griff das Militärbündnis auf Übungsformate zurück, die es in der Region schon seit Jahren regelmäßig umsetzt. [7]

 

Ein bewährtes Kriegsquartett

Präsident Joe Biden, Außenminister Antony Blinken – 2013 war er Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joe Biden – und Victoria Nuland sind heute dabei, den Krieg in der Ukraine wieder aufzunehmen, den alle drei 2013/14 ausgelöst hatten. Geoffrey R. Pyatt, der vierte im Bunde – damals Botschafter in der Ukraine – ist heute Botschafter in Griechenland, das im Nordosten an Bulgarien grenzt. Nun schüren sie in der Ukraine die Kriegsfeuer, dirigieren Kriegsschiffe ins Schwarze Meer und halten Atombomber startklar. [8]

Die ukrainische Bevölkerung wird seit Anfang März 2021 zielgerichtet auf einen Konflikt mit Russland eingestimmt. Am 14. März 2021 titelte die FAZ: „Klitschko trainiert bei Schießübung Panzerabwehr“. Der ehemalige Boxweltmeister Klitschko, Bürgermeister von Kiew und 2014 Merkels Aspirant für das ukrainische Präsidentenamt, war mit seinen Mitarbeitern und den Stadtbezirksbürgermeistern ins Manöver gezogen, um sich öffentlichkeitswirksam in einem Erdloch von einem heranrollenden Panzer überrollen zu lassen, anschließend Handgranaten zu werfen und mit dem Maschinengewehr zu feuern. Eindrucksvoll waren auch die Bilder, die Klitschko an der sowjetischen Flugabwehrkanone SU-23 zeigen. „Ich bin überzeugt“, so der Bürgermeister, „dass wir gut vorbereitet sein müssen, um bei Bedarf unsere Stadt und ihre Einwohner und unseren Staat zu verteidigen“. [9]

Zehn Tage später trat die VERORDNUNG DES PRÄSIDENTEN DER UKRAINE N2117 / 2021 „Über die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine vom 11. März 2021 zur Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ in Kraft.

„In Übereinstimmung mit Artikel 107 der Verfassung der Ukraine beschließe ich (Präsident Wolodymyr Selensky):

  1. Umsetzung des Beschlusses des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine vom 11. März 2021 „Über die Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ (im Anhang).
  2. Genehmigung der Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol (im Anhang).
  3. Die Kontrolle über die Umsetzung des durch dieses Dekret erlassenen Beschlusses des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine liegt beim Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine.“ [10]

Dieses Dekret kommt einer ukrainischen Kriegserklärung an Russland sehr nahe. Am 6./7. April 2021 trafen sich der ukrainische Präsident und sein Generalstabschef Chomtschak mit dem Vorsitzenden des NATO-Militärkomitees, dem Briten Stuart Perch, Chef der Royal Air Force, der anschließend erklärte: „Die NATO-Mitglieder sind vereint, um die illegale Annexion der Krim durch Russland und seine aggressiven Aktionen in der Ostukraine zu verurteilen“ [11].

Kritik- und gedankenlos operiert ein hoher Offizier der NATO mit der Version „gewaltsame Annexion“ der Krim. Wenn es so gewesen wäre, müsste der Westen in der Tat Zwangsmaßnahmen ergreifen – ähnlich dem Vorgehen bei der gewaltsamen Annexion Kuwaits durch den Irak. Doch die Verhältnisse auf der Krim sind anders. Hier hat am 16. März 2014 die auf der Krim lebende Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit in einem Referendum beschlossen, sich von der Ukraine zu lösen und nach Russland zurückzukehren (innerhalb der Sowjetunion war die Krim 1954 der Ukraine zugeordnet worden). Laut einer Umfrage des 2015 vom Deutschen Bundestag eingerichteten Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOIS) betrachten sich 80 Prozent der Krimbewohner als russische und nur 3 Prozent als ukrainische Bürger. 13,3 Prozent sehen sich nur als Bürger der Krim, darunter viele Tataren, von denen sich rund die Hälfte auch als Russen bezeichnen. Privat sprechen mehr als 80 Prozent nur Russisch, 1 Prozent nur Ukrainisch und 2 Prozent nur Tatarisch. [12]

In dem Referendum von 2014 sprachen die Bürger der Krim ihren Willen aus, dass Russisch weiterhin Amtssprache bleibt; zusätzlich wollten sie vermeiden, wie die Russen im Donbass von den Kiewer Neonazi-Bataillonen angegriffen zu werden.

Als Oberbefehlshaber reiste nun am 8. April 2021 der Staatschef in Kampfmontur an die Frontlinie im Osten zur Motivation der regierungstreuen ukrainischen Soldaten [13]. Von seinem Wahlkampf-Versprechen, in erster Linie für Frieden im Donbass zu sorgen, ist anscheinend nichts übriggeblieben. Im Gegenteil, er strebt nun die „Befreiung“ der Krim an. Will Präsident Selensky den gleichen Fehler machen wie 2008 der georgische Staatspräsident Saakaschwili? Die Vermutung liegt nahe, denn Selensky, der TV-Comedian ohne jede politische Erfahrung, hat Anfang Mai 2020 Saakaschwili zum Berater der ukrainischen Regierung gemacht [14]. Wer zog hier die Fäden? Trump oder die seit den 90er Jahren kriegsaffine Finanzelite?

Können die jüngsten Vorgänge in Russlands Nachbarschaft ohne Zustimmung der Finanziers des „Failed State“ Ukraine erfolgt sein? Diejenigen, die Bidens über 40jährige politische Laufbahn samt seinem Engagement für weltweite Kriegseinsätze verfolgt haben, fürchten, dass nach Trumps Regierungszeit die US-Aggressionen im Rahmen der Regime-Change-Politik des „Friedensfürsten“ Obama wieder aufgenommen wurden. Kann es sein, dass das Dekret 117/2021 die Grundlage für die Reaktion Moskaus ist? Was, wenn aus dem Ukraine-Konflikt ein europäischer Konflikt wird? In seinem Gefolge könnte Europa zerstört werden und Weltwirtschaft und -finanzmärkte in ungeahnte Turbulenzen geraten. Bei der derzeitigen globalen Verschuldung könnte ein Krieg eine willkommene Ausrede für den Zusammenbruch abgeben. Was geht in den Köpfen der westlichen Geo-Strategen vor?

Es scheint jedenfalls alles so gewollt zu sein. Selensky befindet sich mit seinem Dekret im Einklang mit der am 4. Dezember 2014 im US-Kongress verabschiedeten Resolution H. Res. 758, die „das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt.“ [15]

Dieser Vorbemerkung folgt ein umfangreiches Sündenregister Russlands. Gebetsmühlenartig wird die Russische Föderation u.a. beschuldigt,

  • in die Ukraine einmarschiert zu sein und deren Souveränität verletzt zu haben,
  • Computerattacken in den USA durchzuführen,
  • 2008 in Georgien einmarschiert zu sein,
  • an Syrien Waffen verkauft zu haben, etc.

Am Ende der langen Reihe meist unbewiesener oder zumindest fraglicher Vorwürfe folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten zu Handlungen zwingen sollen. So soll der Präsident unter anderem

  • auf die US-Verbündeten und Partner in Europa und die anderen Staaten der Welt hinwirken, gezielte Sanktionen gegen die Russische Föderation und ihre Führung zu verhängen, sowie den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchzusetzen,
  • in Abstimmung mit dem Kongress den Zustand und die Einsatzbereitschaft der US-Streitkräfte und der Streitkräfte der anderen NATO-Staaten zu überprüfen sowie die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, dass eventuelle Mängel abgestellt werden.

Noch am Tag der Verabschiedung der Resolution bezeichnete sie das Kongress-Urgestein Ron Paul auf seiner Homepage in dem Artikel „Reckless Congress ‚Declares War’ on Russia“ als „eines der übelsten Gesetze.“ [16]

Und der kanadische Ökonom Michel Chossudovsky sorgte sich um die weltweite Sicherheit. Für ihn hatte das Abgeordnetenhaus dem amerikanischen Präsidenten und Oberkommandierenden der Streitkräfte praktisch „grünes Licht“ gegeben, ohne weitere Zustimmung des Kongresses in einen Prozess der militärischen Konfrontation mit Russland einzutreten. [17] „Diese historische Abstimmung“, so Chossudovsky, „die möglicherweise das Leben von hunderten Millionen Menschen weltweit beeinflusst, wurde in den Medien praktisch völlig ausgeblendet.“ [18] Bis heute weiß die Öffentlichkeit kaum etwas davon! Der ehemalige stellvertretende Finanzminister der Regierung Reagan und Herausgeber des Wall Street Journal, Paul Craig Roberts, sah damals in der Resolution gegen Russland ein Paket von Lügen [19], und er fragt heute: Werden wir in einem Krieg zerstört werden, bevor wir unsere Freiheit an die inszenierte „Covid-Pandemie“ des Establishments verlieren?

„Ich hätte nie gedacht“, so Paul Craig Roberts weiter, „dass sich eine Regierung als so dumm erweisen würde wie die britische Regierung, die 1939 Polen eine Militärgarantie gab, was die polnische Militärdiktatur veranlasste, die Gespräche mit Deutschland über die Rückgabe der durch den Versailler Vertrag gestohlenen deutschen Gebiete und Menschen abzubrechen.“ Für Roberts steht fest: „Diese britische Garantie war die Ursache des Zweiten Weltkriegs“ [20].

Sollten die US-Marionetten in der Ukraine der amerikanischen „Garantie“ vertrauen und danach handeln, wird nach Roberts die Ukraine aufhören, als unabhängiges Land zu existieren, und sollte sich Washington einmischen, werden die USA aufhören zu existieren.

Auf die Beleidigungen und Provokationen Washingtons – hier sei u.a. an Bidens indirekte Aussage erinnert, Putin sei ein seelenloser Killer – hat der Kreml diesmal mit eindrucksvollen Manövern an der Ostgrenze Russlands reagiert. Selbstbewusst verkündete der russische Verteidigungsminister am 13. April 2021, dass genügend russisches Militär aktiviert wurde, um mit der Ukraine, der NATO und den USA fertig zu werden. Für die Kriegsspiele von USA/Nato/Ukraine wurde übrigens kurzerhand die Straße von Kertsch (Asowsches Meer) für Kriegsschiffe bis Oktober 2021 geschlossen [21].

Am 15. April 2021 gab Präsident Biden eine Pressekonferenz, in der er sich gegenüber der russischen Regierung sehr konziliant äußerte, die Verantwortung der beiden Mächte für die globale Stabilität betonte, die russischen Sanktionen als angemessen und zurückhaltend bezeichnete und seinen Vorschlag für ein Gipfeltreffen im kommenden Sommer erneuerte [22].

Dieser Vorgang scheint die Vermutung zu bestätigen, dass eine Eskalation der von den Washingtoner Kriegstreibern verursachten Situation vermieden werden kann. Roberts zollt dafür der russischen Führung Respekt.

Es sieht ganz danach aus, dass in Deutschland ab dem kommenden Herbst eine grün-rote Regierung die Geschicke des Landes bestimmt. Im Herbst 1998 war Rot-Grün der Wunschpartner von US-Präsident Bill Clinton, da sich eine Regierung Kohl – so Willy Wimmer – dem Krieg gegen Restjugoslawien verweigert hätte. Fischer und den Grünen ist es zu verdanken, dass aus großen Teilen der deutschen Friedensbewegung begeisterte Anhänger des USA/NATO-Menschenrechtsimperialismus geworden sind. Der Krieg gegen Jugoslawien wird nach der damaligen US-Außenministerin auch der Albright-War genannt. Danach gefragt, ob das durch die UN-Resolution 661 ausgelöste Sterben von 500.000 Kindern im Irakkrieg den Preis „wert“ sei, antwortete sie: „Wir meinen, dass sie den Preis wert sind.“ [23]

Die zynische Antwort eines Washingtoner Falken. Es gibt dort sicherlich auch Kräfte, für die Menschlichkeit nicht nur eine Worthülse ist und die sich gegen einen Krieg mit Russland stemmen. Vor allem für die US-Army wäre ein Landkrieg gegen Russland desaströs. Die US-Navy dürfte dagegen ihren Hauptgegner in der Volksrepublik China sehen, während große Teile der ideologiegesteuerten „Neocons“, Teile der demokratischen Partei und Kräfte vor allem des spekulativ operierenden Kapitals, bereit sein dürften, eine strikt antirussische und somit risikoreiche Politik zu treiben. Wie bei den beiden Weltkriegen werden in ihren Augen ohnehin wieder andere das Risiko tragen.

Quellen:

[1] Deutschlandfunk „Botschafter Melnyk: Reale Kriegsvorbereitungen Russlands”, am 15.4.2021: <https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-botschafter-melnyk-reale-kriegsvorbereitungen.2932.de.html?drn:news_id=1248634>

[2] Vortaire Network, Victoria Nuland „Remarks by Victoria Nuland at the U.S.-Ukraine Foundation Conference“, am 13.12.2013: <https://www.voltairenet.org/article182080.html>

[3] NED National Endowment for Democracy „Ukraine 2020”, am 22.02.2021: <https://www.ned.org/region/central-and-eastern-europe/ukraine-2020/> <https://www.ned.org/region/central-and-eastern-europe/ukraine-2018/>

[4] The Washington Post, David Ignatius „Innocence abroad: The new world of spyless coups”, am 22.9.1991: <https://www.washingtonpost.com/archive/opinions/1991/09/22/innocence-abroad-the-new-world-of-spyless-coups/92bb989a-de6e-4bb8-99b9-462c76b59a16/>

[5] The New York Times, David K. Shipler „MISSIONARIES FOR DEMOCRACY: U.S. AID FOR GLOBAL PLURALISM”, am 1.6.1986: <https://www.nytimes.com/1986/06/01/world/missionaries-for-democracy-us-aid-for-global-pluralism.html>

[6] Frankfurter Allgemeine Zeitung, Eberhard Zorn „Wir brauchen eine vollausgestattete Bundeswehr”, am 1.10.2020: <https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/generalinspekteur-zorn-fuer-praesente-bundeswehr-im-alltag-16977307.html>

[7] NATO Shape (Supreme Headquarters Allied Powers Europe) „Allied National Exercises”, am 6.4.2021: <https://shape.nato.int/exercises/allied-national-exercises>

[8] Vortaire Network, Manlio Dinucci „Die Kunst des Krieges – Ukraine, eine US-Bombe in Europa“, am 13.4.2021: <https://www.voltairenet.org/article212706.html>

[9] Frankfurter Allgemeine Zeitung „Bei Bedarf Kiew verteidigen – Klitschko trainiert bei Schießübung Panzerabwehr“, am 14.3.2021: <https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/bei-bedarf-kiew-verteidigen-klitschko-trainiert-bei-schiessuebung-panzerabwehr-17244659.html>

[10] Offizielle Seite des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selensky „Verordnung des Präsidenten der Ukraine Nr. 117/2021“: <https://www.president.gov.ua/documents/1172021-37533>

[11] Vortaire Network, Manlio Dinucci „Die Kunst des Krieges – Ukraine, eine US-Bombe in Europa“, am 13.4.2021: <https://www.voltairenet.org/article212706.html>

[12] Heise online/Telepolis, Florian Rötzer „Separatismus: Auch jetzt würden noch fast 80 Prozent der Krim-Bürger für die Sezession stimmen“, am 28.11.2017: <https://www.heise.de/tp/features/Separatismus-Auch-jetzt-wuerden-noch-fast-80-Prozent-der-Krim-Buerger-fuer-die-Sezession-stimmen-3902899.html>

[13] Kyiv Post, Veronika Strashko „Zelensky visits front line amid Russian escalation in Donbas (PHOTOS)“, am 9.4.2021: <https://www.kyivpost.com/multimedia/photo/zelensky-visits-front-line-amid-russian-escalation-in-donbas-photos>

[14] Deutsche Welle, Roman Goncharenko, Markian Ostaptschuk „Selenskyj ernennt Saakaschwili zum Top-Berater“, am 8.5.2020: <https://www.dw.com/de/selenskyj-ernennt-saakaschwili-zum-top-berater/a-53368635>

[15] Congress.gov „H.Res.758 – Strongly condemning the actions of the Russian Federation, under President Vladimir Putin, which has carried out a policy of aggression against neighboring countries aimed at political and economic domination.“, am 4.12.2014: <https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/text>

[16] Ron Paul Institute, Ron Paul „Reckless Congress ‚Declares War‘ on Russia“, am 4.12.2014: <http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia>

[17] Global Research, Michel Chossudovsky „America is on a “Hot War Footing”: House Legislation Paves the Way for War with Russia?“, am 5.12.2014: <https://www.globalresearch.ca/america-is-on-a-hot-war-footing-house-legislation-paves-the-way-for-war-with-russia/5418035>

[18] siehe [17]

[19] Paul Craig Roberts „Russia Has Western Enemies, Not Partners“, am 5.12.2014: <https://www.paulcraigroberts.org/2014/12/05/russia-western-enemies-partners-paul-craig-roberts/>

[20] Paul Craig Roberts „One Question Before Us Is: Will We Be Destroyed in War Before We Lose Our Civil Liberty to the Establishment’s Orchestrated “Covid Pandemic”?“, am 14.4.2021: <https://www.paulcraigroberts.org/2021/04/14/one-question-before-us-is-will-we-be-destroyed-in-war-before-we-lose-our-civil-liberty-to-the-establishments-orchestrated-covid-pandemic/>

[21] New York Post, Mark Moore „Putin closes off access to Black Sea after Biden’s about-face on Ukraine“, 15.4.2021: <https://nypost.com/2021/04/15/putin-closes-off-access-to-black-sea-after-biden-blinks/>

[22] The White House, President Joe Biden „Remarks by President Biden on Russia“, am 15.4.2021: <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2021/04/15/remarks-by-president-biden-on-russia/>

[23] CBS News, Madeleine Albright „Punishing Saddam“, am 12.5.1996: <https://www.youtube.com/watch?v=FbIX1CP9qr4>