Facebook und Google als Inkarnation des LifeLog-Programms des Pentagon

Es gibt Dinge, die sind so krass, dass man sie sich nicht ausdenken kann. Dazu gehört, dass es bis vor 15 Jahren ein öffentlich bekanntes Programm des US-Militärs namens LifeLog gab, das genau die Totalaufzeichnung und Speicherung all unseres Tuns anstrebte, die durch Google, Facebook und andere US-Konzerne inzwischen wie nach Blaupause umgesetzt wurde.

Von Published On: 14. April 2019Kategorien: Geopolitik, Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 10.02.2019 auf www.norberthaering.de unter der URL <http://norberthaering.de/de/27-german/news/1107-lifelog> veröffentlicht. Lizenz: Norbert Häring

Der Name des sozialen Netzwerkes Facebook bezieht sich auf die sogenannten Facebooks mit Abbildungen von Studenten, die an manchen US-amerikanischen Colleges verteilt werden. (Foto: pixabay, CC0)

Im Mai 2003 berichteten amerikanische Medien und auch „Die Zeit“ über eine Ausschreibung der beim US-Verteidigungsministerium (Pentagon) angesiedelten Forschun gsbehörde Defense Advanced Projects Research Agency (Darpa) [1]. Es ging um ein Projekt namens LifeLog, das in der Ausschreibung laut Zeit so beschrieben wurde:

„Das Ziel: Ein digitales Protokoll vom Leben eines Menschen zu erstellen, das nicht nur Dokumente wie Fotos, E-mails und Bücher enthält, sondern per GPS-Sensor auch eine lückenlose Aufzeichnung des Aufenthaltsorts.“

Die Ausschreibung mit der Nummer BAA 03-30 war eine Aufforderung an Wissenschaftler aus dem ganzen Land, Forschungsvorhaben zur Förderung einzureichen. Darin wurde LifeLog beschrieben als „ein ontologiebasiertes (Sub-)System, das den Erfahrungsfluss einer Person und seine Interaktion mit der Welt erfasst, speichert und zugänglich macht“.

Damit das funktioniert, müssten die Nutzer zu Cyborgs werden: Sensoren aller Art müssten aufzeichnen, was sie sehen, hören und fühlen. Per Satellitenortung würden räumliche Daten erfasst, biomedizinische Sensoren überwachten den körperlichen Zustand. Außerdem, so die Ausschreibung, solle das System die gesamte Kommunikation aufzeichnen.

Es ist beeindruckend, wie umfassend die Militärbehörde Darpa schon vor 16 Jahren das als Ziel beschrieben haben, was heute dank Facebook, Google, Smartphones, Paypal, Alexa, Echo, Fitbits und verpflichtendem Internetanschluss für Autos bereits sehr weitgehend umgesetzt ist. Nur die noch etwas hakende elektronische Gesundheitskarte mit Datenspeicherung in der Cloud, also auf für die US-Dienste ohne weiteres zugänglichen Servern von Amazon, Microsoft und Co., fehlt noch – aber nicht mehr lange.

Umso überraschender, dass man vor fast genau 15 Jahren, im Februar 2004 lesen durfte, dass das Pentagon das LifeLog-Programm eingestellt habe [2]. „Forscher, die dem Projekt nahestanden“ konnten es sich „Wired“ zufolge nicht richtig erklären. Die offizielle Erklärung hieß nur „geänderte Prioritäten“.

Aus PR-Gründen ist das durchaus nachvollziehbar, denn das totalitäre Potential dieses damals noch bizarr anmutenden Programms wurde von den amerikanischen Medien nicht übersehen und scharf kritisiert. Aber wie kommt es, dass es trotz der angeblichen Einstellung des Programms genau so kam, wie es sich das Pentagon ausgemalt hatte? Ist es Zufall, dass die US-Konzerne mit zumeist engen Verbindungen zum US-Militär und den US-Geheimdiensten, dieses umfassende Überwachungssystem fast genau nach der Darpa-Blaupause entwickelten und dass sie dabei jahrzehntelang so ziemlich jede Datenschutzregelung in Europa und den USA ignorieren konnten?

Vielleicht ist es ja ebenso Zufall, wie, dass die Meldung über die angebliche Aufgabe des LifeLog-Projekts am 4. Februar 2003 erschien. Das war der Tag an dem Mark Zuckerberg das soziale Netzwerk und die Firma „the facebook“ gründete. Und dass die Facebook-Vorstandsmitglieder und Investoren Peter Thiel (Palantir) und James Beyer engste Kontakte zum Militär, zu Darpa und zum in-Q-Tel, dem Wagnis-Kapital-Fonds der CIA hatten, kann auch ein Zufall sein [3].

 

Nachtrag vom 13.2.2019: Zur Rolle von Militär und Geheimdiensten bei der Entstehung von Google lesen Sie: „How the CIA made Google“ (Der Text ist sehr lang, Sie könnten runterscrollen bis „Google: seeded by the Pentagon“) und den zweiten Teil „Why Google made the NSA“, beide von Nafeez Ahmed [4].

 

 

 

Quellen:

[1]  www.zeit.de, Christoph Drösser, „Vergessen kann man vergessen“, am 28. Mai 2003, <https://www.zeit.de/2003/23/S_34_Was_wurde>
[2]  www.wired.com.Pentagon, „kills LifeLog Project“, am 02.04.2004,  <https://www.wired.com/2004/02/pentagon-kills-lifelog-project/>
[3]  www.steemit.com, boodles17, „Is Facebook Dervived from DARPAs Lifelog Project?“, April 2018, <https://steemit.com/discussion/@boodles17/is-facebook-dervived-from-darpas-lifelog-project>
[4]  www.medium.com, Nafeez Ahmed, „How the CIA made Google“, am 22.01.2015, Teil 1: <https://medium.com/insurge-intelligence/how-the-cia-ma de-google-e836451a959e>, Teil 2: <https://medium.com/insurge-intelligence/why-google-made-the-nsa-2a80584c9c1>

Facebook und Google als Inkarnation des LifeLog-Programms des Pentagon

Es gibt Dinge, die sind so krass, dass man sie sich nicht ausdenken kann. Dazu gehört, dass es bis vor 15 Jahren ein öffentlich bekanntes Programm des US-Militärs namens LifeLog gab, das genau die Totalaufzeichnung und Speicherung all unseres Tuns anstrebte, die durch Google, Facebook und andere US-Konzerne inzwischen wie nach Blaupause umgesetzt wurde.

Von Published On: 14. April 2019Kategorien: Geopolitik, Medien & Technik

Dieser Text wurde zuerst am 10.02.2019 auf www.norberthaering.de unter der URL <http://norberthaering.de/de/27-german/news/1107-lifelog> veröffentlicht. Lizenz: Norbert Häring

Der Name des sozialen Netzwerkes Facebook bezieht sich auf die sogenannten Facebooks mit Abbildungen von Studenten, die an manchen US-amerikanischen Colleges verteilt werden. (Foto: pixabay, CC0)

Im Mai 2003 berichteten amerikanische Medien und auch „Die Zeit“ über eine Ausschreibung der beim US-Verteidigungsministerium (Pentagon) angesiedelten Forschun gsbehörde Defense Advanced Projects Research Agency (Darpa) [1]. Es ging um ein Projekt namens LifeLog, das in der Ausschreibung laut Zeit so beschrieben wurde:

„Das Ziel: Ein digitales Protokoll vom Leben eines Menschen zu erstellen, das nicht nur Dokumente wie Fotos, E-mails und Bücher enthält, sondern per GPS-Sensor auch eine lückenlose Aufzeichnung des Aufenthaltsorts.“

Die Ausschreibung mit der Nummer BAA 03-30 war eine Aufforderung an Wissenschaftler aus dem ganzen Land, Forschungsvorhaben zur Förderung einzureichen. Darin wurde LifeLog beschrieben als „ein ontologiebasiertes (Sub-)System, das den Erfahrungsfluss einer Person und seine Interaktion mit der Welt erfasst, speichert und zugänglich macht“.

Damit das funktioniert, müssten die Nutzer zu Cyborgs werden: Sensoren aller Art müssten aufzeichnen, was sie sehen, hören und fühlen. Per Satellitenortung würden räumliche Daten erfasst, biomedizinische Sensoren überwachten den körperlichen Zustand. Außerdem, so die Ausschreibung, solle das System die gesamte Kommunikation aufzeichnen.

Es ist beeindruckend, wie umfassend die Militärbehörde Darpa schon vor 16 Jahren das als Ziel beschrieben haben, was heute dank Facebook, Google, Smartphones, Paypal, Alexa, Echo, Fitbits und verpflichtendem Internetanschluss für Autos bereits sehr weitgehend umgesetzt ist. Nur die noch etwas hakende elektronische Gesundheitskarte mit Datenspeicherung in der Cloud, also auf für die US-Dienste ohne weiteres zugänglichen Servern von Amazon, Microsoft und Co., fehlt noch – aber nicht mehr lange.

Umso überraschender, dass man vor fast genau 15 Jahren, im Februar 2004 lesen durfte, dass das Pentagon das LifeLog-Programm eingestellt habe [2]. „Forscher, die dem Projekt nahestanden“ konnten es sich „Wired“ zufolge nicht richtig erklären. Die offizielle Erklärung hieß nur „geänderte Prioritäten“.

Aus PR-Gründen ist das durchaus nachvollziehbar, denn das totalitäre Potential dieses damals noch bizarr anmutenden Programms wurde von den amerikanischen Medien nicht übersehen und scharf kritisiert. Aber wie kommt es, dass es trotz der angeblichen Einstellung des Programms genau so kam, wie es sich das Pentagon ausgemalt hatte? Ist es Zufall, dass die US-Konzerne mit zumeist engen Verbindungen zum US-Militär und den US-Geheimdiensten, dieses umfassende Überwachungssystem fast genau nach der Darpa-Blaupause entwickelten und dass sie dabei jahrzehntelang so ziemlich jede Datenschutzregelung in Europa und den USA ignorieren konnten?

Vielleicht ist es ja ebenso Zufall, wie, dass die Meldung über die angebliche Aufgabe des LifeLog-Projekts am 4. Februar 2003 erschien. Das war der Tag an dem Mark Zuckerberg das soziale Netzwerk und die Firma „the facebook“ gründete. Und dass die Facebook-Vorstandsmitglieder und Investoren Peter Thiel (Palantir) und James Beyer engste Kontakte zum Militär, zu Darpa und zum in-Q-Tel, dem Wagnis-Kapital-Fonds der CIA hatten, kann auch ein Zufall sein [3].

 

Nachtrag vom 13.2.2019: Zur Rolle von Militär und Geheimdiensten bei der Entstehung von Google lesen Sie: „How the CIA made Google“ (Der Text ist sehr lang, Sie könnten runterscrollen bis „Google: seeded by the Pentagon“) und den zweiten Teil „Why Google made the NSA“, beide von Nafeez Ahmed [4].

 

 

 

Quellen:

[1]  www.zeit.de, Christoph Drösser, „Vergessen kann man vergessen“, am 28. Mai 2003, <https://www.zeit.de/2003/23/S_34_Was_wurde>
[2]  www.wired.com.Pentagon, „kills LifeLog Project“, am 02.04.2004,  <https://www.wired.com/2004/02/pentagon-kills-lifelog-project/>
[3]  www.steemit.com, boodles17, „Is Facebook Dervived from DARPAs Lifelog Project?“, April 2018, <https://steemit.com/discussion/@boodles17/is-facebook-dervived-from-darpas-lifelog-project>
[4]  www.medium.com, Nafeez Ahmed, „How the CIA made Google“, am 22.01.2015, Teil 1: <https://medium.com/insurge-intelligence/how-the-cia-ma de-google-e836451a959e>, Teil 2: <https://medium.com/insurge-intelligence/why-google-made-the-nsa-2a80584c9c1>