Ein beschädigtes Mini-U-Boot 1982 in Schweden Teil 1: [1]

„Eine Unterwasser-U-2“: Teil 2

Von Published On: 5. Juni 2023Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 31.03.2023 auf www.olatunander.substack..com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/an-underwater-u-2-part-ii> veröffentlicht. Lizenz: Ola Tunander, Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Die britische HMS Porpoise (88 Meter), umgebaut zu einem Mutter-U-Boot (MOSUB) mit Platz für zwei kleine Mini-U-Boote. Mit Weißen Rändern auf dem Turm, damit die Mini-U-Boote sie unter Wasser leichter finden können. Alle MOSUBs hatten früher diese weißen Markierungen auf dem Turm. Es gibt auch externe Leitungen zu zusätzlichen Tanks, die mit Luft gefüllt werden können, um das zusätzliche Gewicht der Mini-U-Boote auszugleichen, wenn das U-Boot in die Ostsee mit ihrem niedrigen Salzgehalt einfährt. Die weiß gestrichenen Wasserrohre und die Hochdruck-Luftrohre sind durch Stahlträger geschützt, damit die Mini-U-Boote nicht gegen die Rohre stoßen können. Einige italienische Mini-U-Boote, wie 3GST9, wurden auf einem normalen U-Boot wie der HMS Porpoise transportiert. (Foto: https://olatunander.substack.com/p/an-underwater-u-2-part-ii / Fair Use)

5. Drei Szenarien [2]

Wenn der amerikanische Marineminister John Lehman (1981-87) in Teil I die Wahrheit gesagt hat, wäre das beschädigte Mini-U-Boot – das Unterwasser-U-2 auf dem Marinestützpunkt Muskö (am 5. Oktober 1982 um 14.40 Uhr) – nicht aus den Vereinigten Staaten, sondern aus einem anderen NATO-Land gekommen. Dies gibt uns mindestens drei Möglichkeiten.

Erstens könnte es sich um ein britisches Schiff gehandelt haben. Im Jahr 2000 erklärte der britische Marineminister Keith Speed gegenüber dem schwedischen Fernsehsender SVT, dass die Royal Navy in der Ostsee, also auch in schwedischen Gewässern, mit U-Booten der Klassen Porpoise und Oberon operierte [3]. Britische (Mini-)U-Boote seien fast bis in den Stockholmer Hafen gefahren – „Nicht ganz, aber so in etwa“, sagte Speed. Ein U-Boot-Kapitän sagte mir, die HMS Porpoise soll in der Ostsee operiert haben – auch entlang der Küste Nordschwedens. Die Porpoise wurde umgebaut, um zwei kleine Mini-U-Boote zu transportieren (siehe Titelbild), und sie wurde angepasst, um diese Mini-U-Boote in Gewässer mit niedrigem Salzgehalt, wie die Ostsee, zu transportieren. Speed bestätigte gegenüber der Sunday Times 2008 [4] das Eindringen in schwedische Gewässer, sagte aber: „Ja, aber mehr kann ich nicht sagen, da ich bis zu meinem Tod an den Official Secrets Act gebunden bin.“ „Es waren die geheimsten Operationen, die das Vereinigte Königreich je durchgeführt hat. Jede einzelne Operation wurde von Margaret Thatcher genehmigt.“ Sir John Walker, ehemaliger Chef des britischen Verteidigungsnachrichtendienstes, sagte am 7. März 2000 gegenüber AP, dass „wenn man in den Stockholmer Schären operiert, man sichergehen wollte, dass die Schweden einen nicht mit Torpedos attakieren“. Und er sagte, dass dem Westen „eine bestimmte Anzahl von Intrusionen (Eindringen in schwedische Gewässer, Anm d. Red.) in einem bestimmten Zeitraum erlaubt war“ [5].

Zwei britische U-Boot-Kapitäne erklärten mir, dass sie U-Boote in schwedischen Gewässern eingesetzt hatten. Sie taten dies auch, um mit Spezialeinheiten anzulanden – den britischen Special Boat Service (SBS). Einer von ihnen hatte die britische Premierministerin Thatcher in ihrem Büro unterrichtet. Er erzählte mir: „Margaret Thatcher hat jede einzelne Operation abgesegnet“. Der andere bezeichnete sich als „Taxifahrer“ für die SBS-Kräfte, die auch in der Ostsee entlang der schwedischen Küste im Einsatz waren. Auf der Bodø-Konferenz zur maritimen US-Strategie 2007 bestätigte Admiral James Eberle (Oberbefehlshaber der Flotte in der britischen Royal Navy 1979-1981, Anm. d. Red.) indirekt, dass die Royal Navy U-Boote in schwedischen Gewässern eingesetzt hat. Er sagte auch, dass er es war, der zusammen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der US-Generalstabschefs, Admiral William Crowe (1985-89), den Westen bei den Atomwaffengesprächen mit Marschall Schaposchnikow nach dem „Ende der Sowjetunion“ vertreten hatte. Britische SBS-Kräfte, die von einem U-Boot aus an Land gebracht wurden, trainierten mit den schwedischen Stay Behind Kräften. Aber laut Wolbert Smidt, dem ehemaligen HUMINT-Chef des deutschen Nachrichtendienstes BND (Bundesnachrichtendienst, Anm. d. Red.), tauchten diese U-Boote nie an der Oberfläche auf (HUMINT = Human Intelligence. Gewinnung von Erkenntnissen durch menschliche Quellen, Anm. d. Red.). Diese Operationen wurden von einem geheimen NATO-Ausschuss, dem Allied Clandestine Committee (ACC) mit Smidt als westdeutschem Vertreter, beschlossen. Aber es waren nicht diese U-Boote, die in schwedischen Gewässern auftauchten. Diese U-Boote operierten im Verborgenen, wie es sich für U-Boote gehört, sagte er mir in seinem Haus in Berlin und auf der Geheimdienstkonferenz des Institute for Defense Studies in Oslo im April und Mai 2005.

Zweitens könnte dieses Unterwasser-U-2 vom 5. Oktober 1982 ein westdeutsches Schiff gewesen sein. Westdeutschland hatte mehrere kleine U-Boote. Aus den Archiven des schwedischen Marinestützpunktes geht hervor, dass das schwedische Militär angeblich westdeutsche U-Boote, tief in schwedischen Gewässern, aufgespürt hat. Aber es ist schwer zu glauben, dass die Westdeutschen so provokativ handeln würden, ohne dies mit den Amerikanern abzustimmen. Die US Navy SEALs begannen 1972 ein Kooperationsprogramm mit den westdeutschen Kampfschwimmern. Sie operierten von der westdeutschen U-Boot-Basis Eckernförde aus. Joseph Maguire, ein Leutnant des US Navy SEAL Teams 2, sagte, sie hätten das verdeckte Eindringen in die Ostseehäfen geübt [6]. Er erzählte von einer Intrusion entlang der deutschen Ostseeküste für ein Buch über die US Navy SEALs (Kelly, 1992), aber diese Übung ist „wahrscheinlich die einzige, über die wir Ihnen berichten können“, sagte er. Alle diese Einsätze waren sehr, sehr geheim. Maguire wurde später Vizeadmiral und Chef des U.S. Naval Special Warfare Command und unter Präsident Donald Trump stellvertretender Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes (2019-2020) – die zweithöchste Position in der US-Geheimdienstgemeinde. Die US Navy SEALs operierten gemeinsam mit den Westdeutschen. John Lehman (US-Marineminister (1981-87), Anm. d. Red.) sagte, dass westdeutsche U-Boote eine wichtige Rolle in der Ostsee spielten.

Drittens könnte es sich bei diesem Unterwasser-U-2 um ein italienisches Schiff oder ein in Italien gebautes Schiff gehandelt haben. John Lehman bestätigte, dass die US-Marine kleine italienische U-Boote einsetzte. Italien baute viele 10- und 20-25-Meter-Mini-U-Boote, die sich ideal für solche Aktivitäten – tief in fremde Inselgruppen und Marinestützpunkte vorzudringen – eigneten. In den 1980er Jahren verfügte das italienische Unternehmen Maritalia über die wahrscheinlich fähigsten kleinen Mini-U-Boote der Welt. H.I. Sutton beschreibt, wie die US-Marine bereits in den 1960er Jahren kleine italienische Unterwasserfahrzeuge einsetzte [7]. Diese Schiffe wurden von verschiedenen Herstellern wie COSMOS [8], Maritalia/GSE [9, 10], DRASS [11], Galeazzi [12] und Fincantieri entwickelt. Als die deutsch-französischen Fernsehsender ARTE/ZDF 2015 eine Dokumentation über die 1980er Jahre und das Eindringen von U-Booten in schwedische Gewässer drehten, riefen sie Giunio Santi, den Geschäftsführer von GSE (ehemals Maritalia) an und fragten nach hochauflösenden Fotos seiner U-Boote [13]. Santi antwortete, dass sie keine Fotos hätten. Als ARTE/ZDF darauf bestanden und sagten, sie hätten bereits etwas, antwortete Santi: „Fragen Sie Ola Tunander. Er hat die Fotos“. Ein Geheimdienst muss ihn instruiert haben. Fotos, die ich im Internet gefunden hatte, wurden kurz darauf entfernt und tauchten nie wieder auf. Als ein westlicher Admiral, der auch Admiral Crowe (1985-1989 Vorsitzender der Joint Chief of Staff – Generalstabschefs, Anm. d. Red.) und Cap Weinberger (Caspar Weinberger, ehemaliger Verteidigungsminister 1981-1987, Anm. d. Red.) kannte, die Kaserne der italienischen Spezialeinheit der Marine COMSUBIN in Varignano (La Spezia) besuchte, sah er ein kleines Schiff, von dem er dachte, dass es dasjenige sein könnte, das die Schweden gejagt hatten. Er war neugierig, weil es auf die schwedische Beschreibung passte, aber die italienischen Gastgeber versuchten ihn daran zu hindern, näher heran zu gehen. Das Mini-U-Boot war mit einer Plane abgedeckt. Ein Offizier in Varignano erzählte mir, dass diese sehr geheimen Schiffe in den Kasernen versteckt gehalten wurden und die US Navy SEALs vollen Zugang hatten, während dies vielen der COMSUBIN verwehrt blieb. Möglicherweise handelte es sich bei einem solchen Mini-U-Boot um Bill Caseys (CIA-Direktor 1981-1987, Anm. d. Red.) und John Lehmans „Unterwasser-U-2“.

Schwedischer Ministerpräsident Tage Erlander (1946-1969) und sein Nachfolger Ministerpräsident Olof Palme (1969-76; 1982-86) (Foto: Wikipedia /Public Domain).

Der ehemalige US-Kapitän Robert Bathurst, mit dem ich fast ein Jahrzehnt lang zusammengearbeitet habe, erzählte mir bereits 1991, dass er während seiner Zeit als stellvertretender US-Attaché in Moskau von 1964-67 manchmal nach Stockholm reiste, um „etwas westliche Luft zu schnuppern“ und seinen vier Jahre jüngeren Attachékollegen Bobby Inman zu besuchen. Inman sagte später, dass seine Position als Attaché eigentlich nur eine „Tarnung“ war [14]. Generalmajor Bo Westin, der schwedische Geheimdienstchef, hatte eine Vereinbarung mit Konteradmiral Rufus Taylor, dem Chef des US-Marinegeheimdienstes, getroffen: Der junge Inman sollte herausfinden, warum sowjetische U-Boote nahe der Grenze der schwedischen Hoheitsgewässer operierten. „An zwei Tagen in der Woche zog ich mir Zivilkleidung und mein Abzeichen des schwedischen Verteidigungsministeriums an und spielte den Analysten“, sagte er. Wir fanden heraus, dass junge sowjetische U-Boot-Kapitäne mit dieselelektrischen U-Booten an der schwedischen Küste trainierten, um später mit Atom-U-Booten „vor der US-Ostküste“ operieren zu können, so Inman. Dies setze allerdings voraus, dass die US-Marine entlang der schwedischen Küste Hydrophone installierte, um die Bewegungen der einzelnen sowjetischen U-Boote zu verfolgen. Robert Bathurst zufolge machte Inman einen „Deal mit den Schweden“, über die Aufstellung von sehr geheimen, von den Amerikanern betriebenen Hydrophonen [15]. Und dies sei seiner Karriere sicherlich förderlich gewesen, so Bathurst. Inmans „Deal“ fand höchstwahrscheinlich mit Verteidigungsminister Sven Andersson (1957-73) [16] statt, der ein sehr unabhängiger Verteidigungsminister war und seinen Premierministern (Tage Erlander und später Olof Palme) Informationen vorenthalten hatte. Inman arbeitete zwei Tage pro Woche für Andersson, und er betonte gegenüber meinem Kollegen Ola Frithiofson (arbeitete für mehrere schwedische Regierungen in den 1980ern und 90ern, ein Führer der internationalen sozialdemokratischen Jugend, Anm. d. Red.), dass Sven Andersson „ein guter Mensch war“ [17]. Inman sagte auch, er habe den Bankier Karl-Arvid Norlin (Wallenbergs Geheimdienstchef) „als Mittelsmann zu Andersson“ genutzt. (Die Familie Wallenberg ist eine der einflussreichsten Familien Schwedens und betreibt einen eigenen privaten Geheimdienst, Anm. d. Red.)

Der schwedische Verteidigungsminister Andersson und sein Staatssekretär für Verteidigung, Karl Frithiofson (Vater von Ola Frithiofson), waren mit ziemlicher Sicherheit über die US-Hydrophone informiert. Und Runa Blomqvist, Generalsekretärin von Frithiofsons Verteidigungskommission 1965-67, wusste auch davon [18], wie mir Anderssons engster Berater Ingemar Engman erzählte, der mit Blomqvist in der Verteidigungskommission 1970-72 zusammengearbeitet hatte. Blomqvist wurde die Nummer drei im Verteidigungsministerium und stellvertretende Generalsekretärin der FMV (Försvarets materielverk, Schwedische Agentur für Verteidigungsmaterial). Robert Bathurst sagte, dass die USA einige kleine U-Boote zur Wartung dieser Hydrophone eingesetzt hatten. Und als Kommandeur des U.S. Marinegeheimdienstes in Europa (in London) 1969-72 erhielt Bathurst regelmäßig Informationen von ihnen. Er informierte den Admiral, CINCUSNAVEUR (Oberbefehlshaber der US-Marinekräfte in Europa, Waldemar Wendt und William Bringle), jeden Morgen um sieben Uhr über die Positionen aller sowjetischen U-Boote und Überwasserfahrzeuge. Ein ehemaliger Leiter der U-Boot-Abteilung der FMV, Arne Åsklint [19], erzählte mir, dass Väynö Alamaa, der Leiter der Hydrophon-Abteilung, ihm ein Hydrophon gezeigt hatte, das ein Fischer auf der Insel Öland in seinem Fischernetz hatte. Es wurde gebaut, um Signale an Seefernaufklärer zu senden, welche die Hydrophone regelmäßig überfliegen sollten. Das war genau das, was Robert Bathurst gesagt hatte. Es handelte sich eindeutig um dieselben Hydrophone, was auch von einem dritten Offizier des US-Marinegeheimdienstes bestätigt wurde. Die Hydrophone sendeten komprimierte Informationen an einen Seefernaufklärer, die regelmäßig von „kleinen ausländischen Spezial-U-Booten“ gewartet würden, sagte er. Er erklärte mir, dass diese kleinen U-Boote auf umgerüsteten Handelsschiffen in die Ostsee gebracht, entlang der schwedischen Küste abgesetzt und dann, nachdem sie ihre Fracht gelöscht hatten, auf dem Rückweg der Schiffe wieder aufgegriffen wurden. Diese kleinen U-Boote waren nicht in der Ostsee stationiert, sagte er. Er bestätigte, dass sie aus Italien stammten. Die Vereinigten Staaten hätten italienische Schiffe aus Gründen der „plausiblen Abstreitbarkeit“ (plausible deniability) eingesetzt, so Lehman. Konteradmiral Jan Ingebrigtsen, der damalige Chef des norwegischen Nachrichtendienstes (1979-85), sagte, dass diese Handelsschiffe eine Luke im unteren Rumpf des Schiffes hätten, durch die die kleinen U-Boote ungesehen ein- und ausfahren könnten. Die US-Marine brachte diese kleinen U-Boote in einem versteckten Teil z. B. eines Öltankers in die Ostsee. Im Oktober 1982 befand sich ein unter US-Flagge fahrender Öltanker, die Mormacsky, vor den schwedischen Schären. Sie und ihre Schwesterschiffe waren mit Unterstützung der US-Marine gebaut worden. Mehrere Personen haben den Einsatz dieser kleinen U-Boote in schwedischen Gewässern bestätigt.

Robert Bathurst, aber auch Bob Woodward (Veil: The Secret Wars of the CIA, 1987) sagten, dass Bobby Inman, als er in Stockholm war, „eine hervorragende Quelle hatte, die wichtige militärische Informationen über andere Länder lieferte“. Das könnte Sven Andersson gewesen sein, der – als Inman Stockholm verließ – zehn Jahre lang Verteidigungsminister gewesen war. Es kann aber auch Per Rudberg, der spätere Chef der Marine, gewesen sein, der mit Bobby Inmans Familie Urlaub machte. Das hat mir Björn Eklind, der stellvertretende Chef des Nachrichtendienstes des schwedischen Verteidigungsstabes, erzählt. Rudberg wäre Verteidigungsminister gewesen, wenn Schweden besetzt worden wäre. Bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten 1978 wurde Rudberg von der Führung der US-Marine empfangen. Sie gaben für ihn ein Abendessen mit sieben Admirälen. Laut den Aufzeichnungen des schwedischen Attachés Lennart Forsman (Mikael Holmström, 2011) traf er dreimal William Crowe, den CINCUSNAVEUR, den späteren Vorsitzenden der Generalstabschefs. Rudberg erzählte mir, dass es US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger war, der ihn während seines fünftägigen Besuchs in Schweden im Oktober 1981 als seinen Begleitoffizier ausgewählt hatte. Per Rudberg hatte großes Vertrauen in Sven Andersson, der seinererseits niemals ein ähnliches Vertrauen in seine Ministerpräsidenten (Tage Erlander und Olof Palme) hatte. Andersson hat ihnen das Wichtigste nicht gesagt. Ulf Larsson, Staatssekretär im Verteidigungsministerium (1974-76), schrieb: „Olof [Palme] und Ingvar [Carlsson] wussten nicht unbedingt, was geschah. Sven Andersson konnte definitiv sein eigenes Spiel spielen, wenn er wollte.“ [20] 1983 war Andersson Vorsitzender der „U-Boot-Verteidigungskommission“, die behauptete, dass die Mini-U-Boote, die 1982 in Muskö operierten, mit ziemlicher Sicherheit sowjetisch waren. Die Frage ist, ob Andersson damals wusste, dass diese Mini-U-Boote aus dem Westen stammten und dass es sich um dieselben handelte, die er selbst in den 1960er Jahren genehmigt hatte. Doch im April 1983 erklärten Andersson und die U-Boot-Verteidigungskommission gegenüber Premierminister Palme, dass die Sowjetunion für das Eindringen verantwortlich zu machen sei. Hatte Andersson Palme belogen?

Links: offizielles CIA-Foto von Bobby Ray Inman vom März 1983 als ehemaliger stellvertretender Direktor der Central Intelligence. Rechts: Ausschnitt aus einem zeitgenössischen Foto von Arne Åsklint vom FMV (Schwedische Agentur für Verteidigungsmaterial), aufgenommen durch das Periskop eines U-Boots in 300 Metern Entfernung.

Als Sven Hirdman 1979 Staatssekretär im Verteidigungsministerium wurde, wurde ihm wiederholt mitgeteilt, dass die „heikelsten Themen, die sie diskutierten, in der Verantwortung von Andersson lagen. Niemand anderes übernahm diese Aufgabe als er 1973 sein Amt als Verteidigungsminister aufgegeben hat“, schrieb Ola Frithiofson nach seinem Gespräch mit Hirdman [21]. Sven Andersson soll auch in den frühen 1980er Jahren – lange nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium – die sensibelsten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten für sich behalten haben. Hirdman war damals Staatssekretär für Verteidigung, und laut dem Tagebuch des Chefs der Verteidigung, General Lennart Ljung, war er sogar amtierender Verteidigungsminister.

Wir haben jetzt Grund zu der Annahme, dass das 1982 beschädigte Mini-U-Boot (mit einem amerikanischen Überlebenden), das die wichtigsten Vertreter der CIA und der US-Marine als „Unterwasser-U-2“ bezeichneten, ein italienisches oder in Italien gebautes U-Boot war, das unter dem Kommando einer sehr geheimen Abteilung der CIA und der US-Marine stand. Wie mir berichtet wurde, fand drei Tage nach diesem Vorfall in Genf ein Treffen zwischen zwei Schweden, vier Amerikanern und einem italienischen Geheimdienstoffizier statt. Auf schwedischer Seite waren angeblich ein Industrieller und ein Offizier (oder pensionierter Offizier) anwesend, aber kein Diplomat. Von amerikanischer Seite waren es zwei Zivilisten (einer könnte von der CIA gewesen sein) und zwei Militäroffiziere, und der einzige Grund, einen italienischen Offizier einzubeziehen, war, dass dieses „Unterwasser-U-2“ italienisch war. Die undichte Stelle war im italienischen Geheimdienst und die Informationen kamen von dort zum italienischen Rundfunk und an die italienische Nachrichtenagentur ANSA. ANSA erhielt ihre Informationen angeblich vom italienischen Attaché über einen Mittelsmann, der ANSA mitteilte, dass Schweden Gespräche mit der zuständigen Macht führe, ohne zu erwähnen, wer diese Macht sei. Der italienische Rundfunk sagte, es handele sich um eine westliche Macht, während meine Quelle, die auch die Quelle von ANSA war, mir sagte, es seien vier Amerikaner und ein italienischer Geheimdienstoffizier – ein Oberstleutnant Accame – dabei gewesen. In der Woche vor diesem Treffen hatten die Schweden 45 Unterwasserbomben abgeworfen. In der folgenden Woche warfen sie nur zwei ab, und die Befehle für diese beiden wurden von einem relativ unabhängigen Kommandeur des Küstenschutzes – Oberstleutnant Sven Olof Kviman in Mälsten – erteilt. Auf schwedischer Seite wussten einige Leute von diesem gesunkenen Mini-U-Boot, aber es waren nur sehr wenige, und viele von ihnen sind inzwischen verstorben. Wäre dieses Thema 1982 in den Medien, im Fernsehen oder in den Zeitungen explodiert, wie es 1960 bei der U-2-Affäre der Fall war, hätte dies zu einem großen Rückschlag für die Vereinigten Staaten in Europa geführt. In jenem Jahr war es eines der größten Ereignisse auf der Welt, aber die schwedischen Admiräle schwiegen.

Steve Recca, der „Special Assistant“ des US-Marineministers und des CIA-Direktors (1995-98) war, Assistenzattaché in Oslo (1998-2001) und dann auf den „Admiral Bobby Inman Chair of Intelligence“ an der Naval Postgraduate School berufen wurde, wies darauf hin, dass eine solche Enthüllung nach hinten losgehen könnte. Laut Recca war es Kapitän zur See Peter Swartz, der ihn auf mich und John Kristen Skogan am NUPI (Norwegian Institute of International Affairs) aufmerksam machte, weil wir die beiden Forscher in Oslo waren, die über Marinestrategie geschrieben haben. Swartz hatte Lehman’s Seestrategie verfasst, Admiral Watkins (1982-1986 Chef für Marine Operationen und damit ranghöchster Offizier und Admiralstabschef der US-Marine, Anm. d. Red.) und Lehman beraten, und Lehman’s enger Verbündeter Admiral James Ace Lyons (US-Kommandeur der Pazifik Flotte 1985-1987, Anm. d. Red.) war sein Mentor gewesen. 1989 war Swartz Special Assistant des Nachfolgers von Admiral Bill Crowe als Vorsitzender der Generalstabschefs, General Colin Powell. Danach war Swartz am Center for Naval Analysis (CNA) der US-Marine tätig, aber die Tatsache, dass ich am CNA und an der Naval Postgraduate School gelehrt habe, war kaum der Grund, warum Recca mich kontaktierte. Recca war sehr nett, aber auch besorgt über das, was ich schrieb, und darüber, dass die Aktivitäten in schwedischen Gewässern „nach hinten losgehen“ könnten. Er kam ein paar Mal in mein Büro und lud mich zum Mittagessen in die Botschaft und zu Empfängen ein. Aber das Einzige, worüber er mich ausfragte, betraf einen US-kritischen Vortrag des ehemaligen norwegischen Verteidigungsministers General Vigleik Eide (den wir gemeinsam anhörten und den er heimlich auf Band aufgenommen hatte) sowie über meine Kontakte in Italien. Ich musste mich fragen: Warum ist ein ehemaliger Assistent des US-Marinechefs und des CIA-Direktors beunruhigt über meine Studien zu westlichen Aktivitäten in schwedischen Gewässern, und warum sind meine Quellen in Italien von besonderem Interesse? Es war eindeutig eine sensible Angelegenheit. Ich wurde auch von einem befreundeten Offizier des italienischen Militärgeheimdienstes besucht, der aus Italien angereist war. Kapitän Peter Huchthausen, ehemaliger US-Marineattaché in Moskau und Sowjetspezialist in der US-Marine, hat ein Buch mit dem Titel Hide & Seek: The Untold Story of Cold War Naval Espionage (2009) [22] mit seinem französischen Kollegen Alexandre Sheldon-Duplaix (ebenfalls ein Freund von Swartz) geschrieben. Das Buch enthielt ein Kapitel über U-Boote in schwedischen Gewässern, und sie waren meiner Analyse gegenüber positiv eingestellt. Die Mini-U-Boote in schwedischen Gewässern waren kaum sowjetisch. Dirk Pohlmann von ARTE bat Huchthausen im Juni 2008 um ein Interview, aber Huchthausen sagte Pohlmann, er solle im August wiederkommen, wenn sie die Arbeit an ihrem Buch beendet hätten. Doch im Juli wurde Huchthausen erhängt in seiner Wohnung aufgefunden. Manch einer mag befürchtet haben, dass sich weitere amerikanische Marineoffiziere zu Wort melden würden.

Links: Die Zeichnung eines Zeugen, der ein U-Boot in den südlichen Schären von Stockholm im Februar 1982 beobachtete. Der Marinestützpunkt schrieb in einem ehemals streng geheimen Dokument: „Sehr ähnlich einem westdeutschen Typ 206” (siehe Mathias Mossberg 2016 <https://www.karnevalforlag.se/bocker/i-morka-vatten/>). Rechts: Ein Typ 206 (48 Meter) (Foto: Deutsche Marine).

6. Was wussten die Schweden? [23]

Es ist unwahrscheinlich, dass die schwedische Regierung wusste, was passiert war. Obwohl Sven Andersson wahrscheinlich von den westlichen Mini-U-Booten wusste, gab er als Vorsitzender der „Submarine Defense Commission“ (April 1983) der Sowjetunion die Schuld. Ingemar Engman, den Karl Frithofson als Anderssons engsten Berater im Verteidigungsministerium angeworben hatte und der später Leiter der Abteilung für Verteidigungsmaterial im Ministerium wurde, sagte: „Wenn Sven von den westlichen U-Booten wusste und deren Einmischung vermutete, musste er so weit wie möglich von den Schuldigen wegzeigen und damit auf die Sowjetunion verweisen.“ Lennart Ljung, der schwedische Chief of Defense (zu deutsch: Generalinspekteur, höchste nationale militärische Position 1978-1986, Anm. d. Red.), schreibt in seinem Tagebuch für den 13. Januar 1983, dass Pierre Schori, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, ein Treffen mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger gehabt habe. Kissinger hatte gesagt: „Es war klug von den schwedischen [Regierungen], das U-Boot so freizugeben, wie Sie es getan haben“. Kissinger habe nie die Nationalität des U-Boots erwähnt, sagte Schori, aber seine Formulierung habe kaum auf ein sowjetisches U-Boot hingedeutet. Und es sei kaum das schwedische Kabinett, sondern eher der schwedische „Marineteil der Regierung“ gewesen, der das U-Boot freigegeben hat. Damals glaubte jedoch fast jeder in Schweden – auch im Kabinett – dass die U-Boote aus der Sowjetunion stammten. Und in einem freigegebenen Bericht vom Mai 1983 glaubte Ministerpräsident Olof Palme immer noch, dass die U-Boote aus der Sowjetunion stammten. Auch andere Mitglieder des Kabinetts waren dieser Meinung. Wahrscheinlich wurde Olof Palme erst im August 1983 klar, dass es keine sowjetischen waren. Der finnische Präsident (1982-1994, Anm. d. Red) Mauno Koivisto hatte sich mit dem sowjetischen Staatschef Juri Andropow getroffen, der Koivisto gebeten hatte, den Schweden mitzuteilen, dass sie „jedes U-Boot versenken sollten, das sie in ihren eigenen Gewässern finden“, damit sie selbst sehen könnten, worum es sich handelte. Es sind nicht unsere, sagte Andropow. Koivisto schrieb darüber in seinen Memoiren, aber auch in einem Artikel für die schwedische Tageszeitung Svenska Dagbladet (2008). Andere sowjetische Vertreter sagten dasselbe, schrieb der schwedische Ministerpräsident Ingvar Carlsson (1986-91, 1994-96). Der sowjetische Botschafter in Schweden, der spätere (und letzte, Anm. d. Red.) sowjetische Außenminister Boris Pankin und Premierminister Nikolay Ryzhkov (1985-1991, Anm. d. Red.) forderten die Schweden auf, mehr Gewalt gegen die U-Boote anzuwenden. Das heißt, sie wollten, dass die Schweden Torpedos oder Minen am Meeresgrund einsetzen, um die U-Boote zu versenken, aber die schwedischen Admiräle wollten das nicht tun.

Erst am 1. und 2. Dezember 1983, nach dem jährlichen Treffen zwischen dem schwedischen Generalinspekteur Lennart Ljung und den regionalen (militärischen und zivilen) Oberbefehlshabern, informierte der zivile Befehlshaber Westschwedens, Anderssons ehemaliger Verteidigungsstaatssekretär Karl Frithiofson, Olof Palme über die U-Boote. Er traf sich an diesen beiden Tagen mit Palme [24], und kurz darauf erzählte er seinem Sohn, dem Vorsitzenden der internationalen sozialdemokratischen Jugend, Ola Frithiofson, dass die U-Boote aus dem Westen stammten [25]. Im April 1983 hatte Palme noch gegen die „sowjetischen Eindringlinge“ protestiert, aber die U-Boote seien westliche U-Boote gewesen, die „Russen spielen“. Palme muss nun erkannt haben, dass er (vielleicht auch von Andersson) getäuscht worden war. Am 28. Dezember wurde Torsten Örn, der schwedische Botschafter in Moskau, von Olof Palmes Kollegen in der Palme-Kommission, dem sowjetischen Berater Georgi Arbatow, informiert. Er sagte, Moskau glaube nun, dass „möglicherweise die CIA hinter den U-Boot-Intrusionen stecke“. Die Tatsache, dass die U-Boote aus dem Westen stammten, kam sechs Monate später auch in einem Buch des Journalisten Anders Hasselbohm zur Sprache. Olle Alsén, der Leitartikel-Schreiber von Dagens Nyheter, zeigte das Buch Olof Palme. Olof Palme sagte zu sich selbst: „Hat Sven [Andersson] mich betrogen? Hat Sven mich betrogen?“

Generalmajor Bengt Wallroth, der ehemalige Chef des schwedischen Geheimdienstes und damalige Leiter der internationalen Abteilung im Verteidigungsministerium, schrieb (zusammen mit Jan Eliasson vom Außenministerium und Hans Dahlgren vom Büro des Ministerpräsidenten) im Dezember 1987 in einem Dokument für Ministerpräsident Ingvar Carlsson, dass die beiden Typen von Mini-U-Booten, die tief in schwedischen Gewässern beobachtet worden waren, keinem sowjetischen Mini-U-Boot entsprachen. Wallroth bestätigte mir später, dass es italienische gewesen sein könnten. Streng geheime Dokumente für den Chef der Marine, Per Rudberg (19. Juli 1984), und für den Chef des Verteidigungsministeriums (25. November 1987) zeigten, dass alle Merkmale dieser U-Boote genau mit den kleinen italienischen Mini-U-Booten übereinstimmten, die die US-Marine in schwedischen Gewässern eingesetzt haben soll. Der Typ 1 war ein 10 Meter langes, tropfenförmiges U-Boot (ein „Whaleback“) ohne Kommandoturm (siehe Zeichnung, Abb. 1) und mit einem dünnen Periskop und einer großen Sichtöffnung im Bug. Alle diese Merkmale waren identisch mit dem 3GST9 und seinem Vorgänger, der auf einem regulären U-Boot (MOSUB oder Mutter-U-Boot) oder in einer Abteilung eines Handelsschiffs (MOSHIP oder Mutterschiff) zum Einsatzgebiet gebracht wurde. Der Typ 2 war ein 20-30 Meter langes U-Boot. Es hatte einen rechteckigen Rumpf und einen hohen Schnorchelmast (auch Luftzufuhrmast, versorgt den Dieselmotor mit Frischluft, Anm. d. Red) hinter dem Kommandoturm (siehe Abb. 2). Der Schnorchel konnte von der Horizontalen in die Vertikale gehoben werden. In dem Bericht von 1984 hieß es auch, dass dieses Mini-U-Boot einen Draht von der Spitze des Kommandoturms zum Bug haben könnte. Der Typ 2 konnte zwei SDVs (Swimmer Delivery Vehicles: Mini-U-Boote die z.B. von den Navy-SEALs benutzt werden. Anm. d. Red.) tragen. Dies waren sehr spezifische Informationen, und alles passt genau zu den italienischen COSMOS-U-Booten (siehe Abb. 3 und 4). Peter Huchthausen, ein Experte des US-Marinegeheimdienstes für sowjetische U-Boote, sagte in dem Buch zusammen mit Sheldon-Duplaix (2009), dass es in der Sowjetunion keine solchen U-Boote gab [26]. Die spätere sowjetische Pyranja (28 Meter) hatte eine ganz andere Form und war bis 1989 nicht einsatzfähig.

Abb. 1: Links: Zeichnung eines Typ 1 U-Boots (Svenska Dagbladet, November 1987), Zeichnung eines freigegebenen Fotos eines Typ 1 U-Boots, Juli 1987 (in einem Fjord in Nordschweden). Diese U-Boote des Typs 1 waren den italienischen tropfenförmigen Mini-U-Booten von Maritalia aus den Jahren 1980 und später sehr ähnlich. Sie scheinen mit diesen U-Booten identisch gewesen zu sein.

Abb. 2: Eine Zeichnung des Typ 2 U-Boots (20-25 Meter) in den südlichen Schären von Stockholm im Juli 1987 und eine Zeichnung eines U-Boots Typ 2 (20-25 Meter) vom Oktober 1982 in der Nähe von Muskø. Die dritte Zeichnung wurde nach der Beschreibung des U-Boots von 1982 angefertigt. Beide U-Boote hatten einen hohen Schnorchelmast hinter dem Segel. Beide Zeichnungen und Beschreibungen sind inzwischen freigegeben.

Abb. 3: Die in Italien gebaute COSMOS SX-506 (23 Meter) mit einem hohen Schnorchelmast hinter dem Segel. Rechts: Massenproduktion von COSMOS SX-506 in Livorno in den frühen 1970er Jahren. Die meisten Käufer dieser kleinen U-Boote sind nicht bekannt. Diese Boote müssen an eine westliche Macht geliefert worden sein, die sie in sehr geheimen Operationen einsetzte. (Foto: Navy International 1974)

Abb. 4: Links: Zeichnungen einer italienischen COSMOS SX-506 und eines westdeutschen Typ-100 in der russischen Zeitschrift Tekhnika i vooruzhenie vom April 1982. Rechts: drei COSMOS MG-110 (28 Meter) in Pakistan (Foto: Wikipedia / Public Domain).

Im Mai 1983 verwiesen die schwedischen Zeitungen Aftonbladet und Expressen sowie die schwedischen Fernsehnachrichten auf einen Artikel des sowjetischen Kapitäns B. Churin, der in der sowjetischen Militärzeitschrift Tekhnika i vooruzhenie (April 1982) eine ausführliche Beschreibung der oben genannten Mini-U-Boote veröffentlicht hatte. Churin schrieb über die Vorteile dieser kleinen westlichen U-Boote (italienische COSMOS und westdeutsche Typ-100 U-Boote), aber die schwedischen Medien behaupteten, er habe definitiv über kleine sowjetische U-Boote geschrieben. Im Aftonbladet hieß es, Churin habe behauptet, über westliche U-Boote zu schreiben, aber alle Experten sind sich einig: „Die Russen sprechen über ihre eigenen U-Boote“. „Es besteht kein Zweifel“, schrieb Expressen, dass es sich um denselben Typ sowjetischer Mini-U-Boote handelt, die „über längere Zeit in den [schwedischen] Schären operiert haben“. Westliche Mini-U-Boote, die tatsächlich tief in schwedischen Gewässern und Marinestützpunkten operierten, wurden von schwedischen Militäroffizieren und Massenmedien als sowjetische U-Boote bezeichnet. Die in dem russischen Artikel dargestellten Fakten über diese westlichen U-Boote wurden als „falsche Informationen“ bezeichnet. Die Schweden konnten sich nicht vorstellen, dass die Eindringlinge aus dem Westen stammten. Im Jahr 1983, nach drei Jahren dramatischer Zwischenfälle, hielten mehr als 80% der Schweden Russland für eine Bedrohung oder für feindlich. Dies war wahrscheinlich die erfolgreichste amerikanische PSYOP aller Zeiten.

Der Sohn von Karl Frithiofson, Ola, sprach 2015 mit Admiral Bobby Inman [27], und ich hatte 2021 ein langes Gespräch mit Inman. Er erzählte uns mehr oder weniger das Gleiche. Er sagte, dass sowjetische U-Boot-Kapitäne in den 1970er und frühen 1980er Jahren in den schwedischen Hoheitsgewässern geübt hätten, aber sie seien nie in die Schären vorgedrungen. Sie sind nie in Häfen und Marinestützpunkte wie Muskö oder Karlskrona eingelaufen (diejenigen, die das taten, waren offensichtlich aus dem Westen). Inman erzählte Ola Frithiofson, dass sie wussten, wo sich die einzelnen sowjetischen U-Boote befanden [28], weil sie entlang der schwedischen Küste Hydrophone installiert hatten. In meinem Gespräch mit Inman im Jahr 2021 bestätigte er, dass „Bob“ [Robert] Bathurst (Kommandeur des U.S. Marinegeheimdienstes in Europa, Anm. d. Red.) ihn früher in Stockholm besucht hatte, aber er wollte nicht über die Hydrophone sprechen. Er war offensichtlich nicht „glücklich“ mit dem, was Robert mir erzählt hat. Er war mit meinen Studien über U-Boot-Aktivitäten in schwedischen Gewässern gut vertraut, und als Ola Frithiofson ihn 2015 anrief, dachte er zunächst, er würde mit mir sprechen.

Als Robert mir 1991 von ihren U-Booten und Hydrophonen entlang der schwedischen Küste erzählte, verfolgte der amerikanische Geheimdienst meine Arbeit. Jemand ging in mein Büro und öffnete nachts ein bestimmtes Dokument auf meinem Computer. Das Dokument war zu einer bestimmten Zeit in der Nacht gespeichert worden, was bedeutet, dass es jemand geöffnet haben muss. Ein amerikanischer Geheimdienstoffizier erkundigte sich auf einer Party nach dem Inhalt eben dieses Dokuments, das ich niemandem gezeigt hatte. Nachdem ein norwegischer Admiral geholfen hatte, das Auto eines etwas unvorsichtigen Agenten ausfindig zu machen, stellte dieser Admiral fest, dass das Auto, obwohl es reguläre norwegische Nummernschilder hatte, der italienischen Botschaft gehörte. Der Admiral wurde kurz darauf zum italienischen Verteidigungsattaché eingeladen, der jedoch überhaupt nicht reden wollte. Nach ein paar Tagen jedoch sprach der US-Verteidigungsattaché den norwegischen Admiral an und fragte ihn, ob er mit mir zusammenarbeite. Die US-Marine benutzte auch in Oslo die Agenten der Italiener, um eine plausible Abstreitbarkeit zu haben, und in seinem Fenster hing derselbe Porzellanadler, den auch Caspar Weinberger im Fenster hatte. Die Operation war offensichtlich amerikanisch.

Bobby Inman war ab 1991 der engste Geheimdienstberater von Präsident George H.W. Bush (Vorsitzender des Intelligence Advisory Board des Präsidenten). Er achtete auf diese höchst sensiblen Dinge, und er könnte seinem Nachfolger als Präsidentenberater, Admiral William Crowe, dem ehemaligen Vorsitzenden der Generalstabschefs, von der Angelegenheit erzählt haben. Denn als Crowe in Oslo einen Vortrag halten wollte, ging er geradewegs durch die Menge der Wissenschaftler und Offiziere auf mich zu. Mehrere Wissenschaftler versammelten sich um uns, und der einzige Grund, warum er sich für mich interessierte, waren wohl meine Gespräche mit Robert. Nachdem Crowe 1993 unter Bill Clinton den Vorsitz im Intelligence Advisory Board des Präsidenten übernommen hatte, war Inman Clintons erster Kandidat für das Amt des Verteidigungsministers, obwohl er für Bush gestimmt hatte. Nach Angriffen der Medien in den Jahren 1993-94 lehnte Inman jedoch die Nominierung ab und wurde 1994 durch seinen ehemaligen Kollegen William Perry ersetzt. Als Inman Direktor der NSA war, war Perry stellvertretender Staatssekretär der Verteidigung für Forschung und Entwicklung. Als Verteidigungsminister besuchte Perry 1995 Schweden und fuhr mit dem schwedischen Verteidigungsminister Thage G. Peterson im Auto nach Hårsfjärden [29]. Peterson befragte Perry über die U-Boote in Hårsfjärden. Perry sagte: „Wenn es ein U-Boot ist, muss es nicht unbedingt ein russisches sein“. Dies wurde nach Weinbergers Worten im Jahr 2000 noch deutlicher.

Quellen:

[1] Free21, Ola Tunander, „Eine Unterwasser-U-2“: Teil 1, am 17.05.2023, <https://free21.org/eine-unterwasser-u-2-teil-1/>
[2] Ola Tunander, „40 år siden «U-2-episoden under vann»”, 01.10.2022,  <https://terjealnes.files.wordpress.com/2022/09/u-2-under-vann-1-oktober-2022.pdf>
[3] Rutledge, Ola Tunander, „The Secret War Against Sweden – US and British Submarine Deception in the 1980s“, 2004, <https://www.routledge.com/The-Secret-War-Against-Sweden-US-and-British-Submarine-Deception-in-the/Tunander/p/book/9780714682754>
[4] The Times, Pelle Neroth, „Margaret Thatcher told navy to raid Swedish coast“, am 27.01.2008, <https://www.thetimes.co.uk/article/margaret-thatcher-told-navy-to-raid-swedish-coast-7vvcswg0pcx>
[5] siehe [2]
[6] siehe [2]
[7] Amazon, Buch: H.I. Sutton, „Covert Shores: The Story of Naval Special Forces Missions and Minisubs“, am 05.05.2016, <https://www.amazon.com/Covert-Shores-Special-Missions-Minisubs/dp/1533114870>
[8] hisutton.com, H.I. Sutton, „The famous CosMoS CE2F chariot“, am 29.02.2016, <http://www.hisutton.com/The famous CosMoS CE2F chariot.html>
[9]  hisutton.com, H.I. Sutton, „3GST9“, am 05.05.2018, <http://www.hisutton.com/3GST9.html>
[10] hisutton.com, H.I. Sutton, „SEALs + USSOCOM next generation sub UOES3“, am 22.06.2015, <http://www.hisutton.com/SEALs + USSOCOM next generation sub UOES3.html>
[11] hisutton.com, H.I. Sutton, „DRASS Submarines“, am 01.05.2021, <http://www.hisutton.com/DRASS.html>
[12] drass.tech, „HISTORICAL DESIGN“, <https://www.drass.tech/projects/historical-design/>
[13] InternetArchive, Dirk Pohlmann, „Operation Täuschung – Die Methode Reagan / Doku Von Dirk Pohlmann“, uploaded 23.06.2020,  <https://archive.org/details/operation-tauschung-die-methode-reagan>
[14] Caltech, „Adm. Bobby Ray Inman, United States Navy (Ret.), Senior Trustee“, am 04.08.2022, <https://heritageproject.caltech.edu/interviews-updates/adm-bobby-ray-inman>
[15] Buch: Karneval förlag, Ola Tunander, „Navigationsexperten“, 2021, <https://www.karnevalforlag.se/bocker/navigationsexperten/>
[16] historisktidskrift.se, Ola Frithiofson, „Ett amerikanskt hydrofonsystem etableras i svenska vatten“, 2021 <https://www.historisktidskrift.se/index.php/june20/article/view/183/142>
[17] siehe [15]
[18] siehe [14]
[19] Medströms Bokförlag, „Katalog“, <https://www.medstromsbokforlag.com/portfolio-c17to>
[20] siehe [15]
[21] siehe [15]
[22] Google Books, Peter A. Huchthausen und Alexandre Sheldon-Duplaix, „Hide and Seek: The Untold Story of Cold War Naval Espionage“, am 14.01.2009 <https://books.google.no/books/about/Hide_and_Seek.html?id=CrdTAgAACAAJ&redir_esc=y>
[23] siehe [1]
[24] siehe [15]
[25] siehe [15]
[26] siehe[21]
[27] siehe [15]
[28] siehe [15]
[29] Google Books, Thage G. Peterson, „Resan mot Mars“, 1999, <https://books.google.no/books/about/Resan_mot_Mars.html?id=uZR4AAAACAAJ&redir_esc=y

Ein beschädigtes Mini-U-Boot 1982 in Schweden Teil 1: [1]

„Eine Unterwasser-U-2“: Teil 2

Von Published On: 5. Juni 2023Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 31.03.2023 auf www.olatunander.substack..com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/an-underwater-u-2-part-ii> veröffentlicht. Lizenz: Ola Tunander, Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Die britische HMS Porpoise (88 Meter), umgebaut zu einem Mutter-U-Boot (MOSUB) mit Platz für zwei kleine Mini-U-Boote. Mit Weißen Rändern auf dem Turm, damit die Mini-U-Boote sie unter Wasser leichter finden können. Alle MOSUBs hatten früher diese weißen Markierungen auf dem Turm. Es gibt auch externe Leitungen zu zusätzlichen Tanks, die mit Luft gefüllt werden können, um das zusätzliche Gewicht der Mini-U-Boote auszugleichen, wenn das U-Boot in die Ostsee mit ihrem niedrigen Salzgehalt einfährt. Die weiß gestrichenen Wasserrohre und die Hochdruck-Luftrohre sind durch Stahlträger geschützt, damit die Mini-U-Boote nicht gegen die Rohre stoßen können. Einige italienische Mini-U-Boote, wie 3GST9, wurden auf einem normalen U-Boot wie der HMS Porpoise transportiert. (Foto: https://olatunander.substack.com/p/an-underwater-u-2-part-ii / Fair Use)

5. Drei Szenarien [2]

Wenn der amerikanische Marineminister John Lehman (1981-87) in Teil I die Wahrheit gesagt hat, wäre das beschädigte Mini-U-Boot – das Unterwasser-U-2 auf dem Marinestützpunkt Muskö (am 5. Oktober 1982 um 14.40 Uhr) – nicht aus den Vereinigten Staaten, sondern aus einem anderen NATO-Land gekommen. Dies gibt uns mindestens drei Möglichkeiten.

Erstens könnte es sich um ein britisches Schiff gehandelt haben. Im Jahr 2000 erklärte der britische Marineminister Keith Speed gegenüber dem schwedischen Fernsehsender SVT, dass die Royal Navy in der Ostsee, also auch in schwedischen Gewässern, mit U-Booten der Klassen Porpoise und Oberon operierte [3]. Britische (Mini-)U-Boote seien fast bis in den Stockholmer Hafen gefahren – „Nicht ganz, aber so in etwa“, sagte Speed. Ein U-Boot-Kapitän sagte mir, die HMS Porpoise soll in der Ostsee operiert haben – auch entlang der Küste Nordschwedens. Die Porpoise wurde umgebaut, um zwei kleine Mini-U-Boote zu transportieren (siehe Titelbild), und sie wurde angepasst, um diese Mini-U-Boote in Gewässer mit niedrigem Salzgehalt, wie die Ostsee, zu transportieren. Speed bestätigte gegenüber der Sunday Times 2008 [4] das Eindringen in schwedische Gewässer, sagte aber: „Ja, aber mehr kann ich nicht sagen, da ich bis zu meinem Tod an den Official Secrets Act gebunden bin.“ „Es waren die geheimsten Operationen, die das Vereinigte Königreich je durchgeführt hat. Jede einzelne Operation wurde von Margaret Thatcher genehmigt.“ Sir John Walker, ehemaliger Chef des britischen Verteidigungsnachrichtendienstes, sagte am 7. März 2000 gegenüber AP, dass „wenn man in den Stockholmer Schären operiert, man sichergehen wollte, dass die Schweden einen nicht mit Torpedos attakieren“. Und er sagte, dass dem Westen „eine bestimmte Anzahl von Intrusionen (Eindringen in schwedische Gewässer, Anm d. Red.) in einem bestimmten Zeitraum erlaubt war“ [5].

Zwei britische U-Boot-Kapitäne erklärten mir, dass sie U-Boote in schwedischen Gewässern eingesetzt hatten. Sie taten dies auch, um mit Spezialeinheiten anzulanden – den britischen Special Boat Service (SBS). Einer von ihnen hatte die britische Premierministerin Thatcher in ihrem Büro unterrichtet. Er erzählte mir: „Margaret Thatcher hat jede einzelne Operation abgesegnet“. Der andere bezeichnete sich als „Taxifahrer“ für die SBS-Kräfte, die auch in der Ostsee entlang der schwedischen Küste im Einsatz waren. Auf der Bodø-Konferenz zur maritimen US-Strategie 2007 bestätigte Admiral James Eberle (Oberbefehlshaber der Flotte in der britischen Royal Navy 1979-1981, Anm. d. Red.) indirekt, dass die Royal Navy U-Boote in schwedischen Gewässern eingesetzt hat. Er sagte auch, dass er es war, der zusammen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der US-Generalstabschefs, Admiral William Crowe (1985-89), den Westen bei den Atomwaffengesprächen mit Marschall Schaposchnikow nach dem „Ende der Sowjetunion“ vertreten hatte. Britische SBS-Kräfte, die von einem U-Boot aus an Land gebracht wurden, trainierten mit den schwedischen Stay Behind Kräften. Aber laut Wolbert Smidt, dem ehemaligen HUMINT-Chef des deutschen Nachrichtendienstes BND (Bundesnachrichtendienst, Anm. d. Red.), tauchten diese U-Boote nie an der Oberfläche auf (HUMINT = Human Intelligence. Gewinnung von Erkenntnissen durch menschliche Quellen, Anm. d. Red.). Diese Operationen wurden von einem geheimen NATO-Ausschuss, dem Allied Clandestine Committee (ACC) mit Smidt als westdeutschem Vertreter, beschlossen. Aber es waren nicht diese U-Boote, die in schwedischen Gewässern auftauchten. Diese U-Boote operierten im Verborgenen, wie es sich für U-Boote gehört, sagte er mir in seinem Haus in Berlin und auf der Geheimdienstkonferenz des Institute for Defense Studies in Oslo im April und Mai 2005.

Zweitens könnte dieses Unterwasser-U-2 vom 5. Oktober 1982 ein westdeutsches Schiff gewesen sein. Westdeutschland hatte mehrere kleine U-Boote. Aus den Archiven des schwedischen Marinestützpunktes geht hervor, dass das schwedische Militär angeblich westdeutsche U-Boote, tief in schwedischen Gewässern, aufgespürt hat. Aber es ist schwer zu glauben, dass die Westdeutschen so provokativ handeln würden, ohne dies mit den Amerikanern abzustimmen. Die US Navy SEALs begannen 1972 ein Kooperationsprogramm mit den westdeutschen Kampfschwimmern. Sie operierten von der westdeutschen U-Boot-Basis Eckernförde aus. Joseph Maguire, ein Leutnant des US Navy SEAL Teams 2, sagte, sie hätten das verdeckte Eindringen in die Ostseehäfen geübt [6]. Er erzählte von einer Intrusion entlang der deutschen Ostseeküste für ein Buch über die US Navy SEALs (Kelly, 1992), aber diese Übung ist „wahrscheinlich die einzige, über die wir Ihnen berichten können“, sagte er. Alle diese Einsätze waren sehr, sehr geheim. Maguire wurde später Vizeadmiral und Chef des U.S. Naval Special Warfare Command und unter Präsident Donald Trump stellvertretender Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes (2019-2020) – die zweithöchste Position in der US-Geheimdienstgemeinde. Die US Navy SEALs operierten gemeinsam mit den Westdeutschen. John Lehman (US-Marineminister (1981-87), Anm. d. Red.) sagte, dass westdeutsche U-Boote eine wichtige Rolle in der Ostsee spielten.

Drittens könnte es sich bei diesem Unterwasser-U-2 um ein italienisches Schiff oder ein in Italien gebautes Schiff gehandelt haben. John Lehman bestätigte, dass die US-Marine kleine italienische U-Boote einsetzte. Italien baute viele 10- und 20-25-Meter-Mini-U-Boote, die sich ideal für solche Aktivitäten – tief in fremde Inselgruppen und Marinestützpunkte vorzudringen – eigneten. In den 1980er Jahren verfügte das italienische Unternehmen Maritalia über die wahrscheinlich fähigsten kleinen Mini-U-Boote der Welt. H.I. Sutton beschreibt, wie die US-Marine bereits in den 1960er Jahren kleine italienische Unterwasserfahrzeuge einsetzte [7]. Diese Schiffe wurden von verschiedenen Herstellern wie COSMOS [8], Maritalia/GSE [9, 10], DRASS [11], Galeazzi [12] und Fincantieri entwickelt. Als die deutsch-französischen Fernsehsender ARTE/ZDF 2015 eine Dokumentation über die 1980er Jahre und das Eindringen von U-Booten in schwedische Gewässer drehten, riefen sie Giunio Santi, den Geschäftsführer von GSE (ehemals Maritalia) an und fragten nach hochauflösenden Fotos seiner U-Boote [13]. Santi antwortete, dass sie keine Fotos hätten. Als ARTE/ZDF darauf bestanden und sagten, sie hätten bereits etwas, antwortete Santi: „Fragen Sie Ola Tunander. Er hat die Fotos“. Ein Geheimdienst muss ihn instruiert haben. Fotos, die ich im Internet gefunden hatte, wurden kurz darauf entfernt und tauchten nie wieder auf. Als ein westlicher Admiral, der auch Admiral Crowe (1985-1989 Vorsitzender der Joint Chief of Staff – Generalstabschefs, Anm. d. Red.) und Cap Weinberger (Caspar Weinberger, ehemaliger Verteidigungsminister 1981-1987, Anm. d. Red.) kannte, die Kaserne der italienischen Spezialeinheit der Marine COMSUBIN in Varignano (La Spezia) besuchte, sah er ein kleines Schiff, von dem er dachte, dass es dasjenige sein könnte, das die Schweden gejagt hatten. Er war neugierig, weil es auf die schwedische Beschreibung passte, aber die italienischen Gastgeber versuchten ihn daran zu hindern, näher heran zu gehen. Das Mini-U-Boot war mit einer Plane abgedeckt. Ein Offizier in Varignano erzählte mir, dass diese sehr geheimen Schiffe in den Kasernen versteckt gehalten wurden und die US Navy SEALs vollen Zugang hatten, während dies vielen der COMSUBIN verwehrt blieb. Möglicherweise handelte es sich bei einem solchen Mini-U-Boot um Bill Caseys (CIA-Direktor 1981-1987, Anm. d. Red.) und John Lehmans „Unterwasser-U-2“.

Schwedischer Ministerpräsident Tage Erlander (1946-1969) und sein Nachfolger Ministerpräsident Olof Palme (1969-76; 1982-86) (Foto: Wikipedia /Public Domain).

Der ehemalige US-Kapitän Robert Bathurst, mit dem ich fast ein Jahrzehnt lang zusammengearbeitet habe, erzählte mir bereits 1991, dass er während seiner Zeit als stellvertretender US-Attaché in Moskau von 1964-67 manchmal nach Stockholm reiste, um „etwas westliche Luft zu schnuppern“ und seinen vier Jahre jüngeren Attachékollegen Bobby Inman zu besuchen. Inman sagte später, dass seine Position als Attaché eigentlich nur eine „Tarnung“ war [14]. Generalmajor Bo Westin, der schwedische Geheimdienstchef, hatte eine Vereinbarung mit Konteradmiral Rufus Taylor, dem Chef des US-Marinegeheimdienstes, getroffen: Der junge Inman sollte herausfinden, warum sowjetische U-Boote nahe der Grenze der schwedischen Hoheitsgewässer operierten. „An zwei Tagen in der Woche zog ich mir Zivilkleidung und mein Abzeichen des schwedischen Verteidigungsministeriums an und spielte den Analysten“, sagte er. Wir fanden heraus, dass junge sowjetische U-Boot-Kapitäne mit dieselelektrischen U-Booten an der schwedischen Küste trainierten, um später mit Atom-U-Booten „vor der US-Ostküste“ operieren zu können, so Inman. Dies setze allerdings voraus, dass die US-Marine entlang der schwedischen Küste Hydrophone installierte, um die Bewegungen der einzelnen sowjetischen U-Boote zu verfolgen. Robert Bathurst zufolge machte Inman einen „Deal mit den Schweden“, über die Aufstellung von sehr geheimen, von den Amerikanern betriebenen Hydrophonen [15]. Und dies sei seiner Karriere sicherlich förderlich gewesen, so Bathurst. Inmans „Deal“ fand höchstwahrscheinlich mit Verteidigungsminister Sven Andersson (1957-73) [16] statt, der ein sehr unabhängiger Verteidigungsminister war und seinen Premierministern (Tage Erlander und später Olof Palme) Informationen vorenthalten hatte. Inman arbeitete zwei Tage pro Woche für Andersson, und er betonte gegenüber meinem Kollegen Ola Frithiofson (arbeitete für mehrere schwedische Regierungen in den 1980ern und 90ern, ein Führer der internationalen sozialdemokratischen Jugend, Anm. d. Red.), dass Sven Andersson „ein guter Mensch war“ [17]. Inman sagte auch, er habe den Bankier Karl-Arvid Norlin (Wallenbergs Geheimdienstchef) „als Mittelsmann zu Andersson“ genutzt. (Die Familie Wallenberg ist eine der einflussreichsten Familien Schwedens und betreibt einen eigenen privaten Geheimdienst, Anm. d. Red.)

Der schwedische Verteidigungsminister Andersson und sein Staatssekretär für Verteidigung, Karl Frithiofson (Vater von Ola Frithiofson), waren mit ziemlicher Sicherheit über die US-Hydrophone informiert. Und Runa Blomqvist, Generalsekretärin von Frithiofsons Verteidigungskommission 1965-67, wusste auch davon [18], wie mir Anderssons engster Berater Ingemar Engman erzählte, der mit Blomqvist in der Verteidigungskommission 1970-72 zusammengearbeitet hatte. Blomqvist wurde die Nummer drei im Verteidigungsministerium und stellvertretende Generalsekretärin der FMV (Försvarets materielverk, Schwedische Agentur für Verteidigungsmaterial). Robert Bathurst sagte, dass die USA einige kleine U-Boote zur Wartung dieser Hydrophone eingesetzt hatten. Und als Kommandeur des U.S. Marinegeheimdienstes in Europa (in London) 1969-72 erhielt Bathurst regelmäßig Informationen von ihnen. Er informierte den Admiral, CINCUSNAVEUR (Oberbefehlshaber der US-Marinekräfte in Europa, Waldemar Wendt und William Bringle), jeden Morgen um sieben Uhr über die Positionen aller sowjetischen U-Boote und Überwasserfahrzeuge. Ein ehemaliger Leiter der U-Boot-Abteilung der FMV, Arne Åsklint [19], erzählte mir, dass Väynö Alamaa, der Leiter der Hydrophon-Abteilung, ihm ein Hydrophon gezeigt hatte, das ein Fischer auf der Insel Öland in seinem Fischernetz hatte. Es wurde gebaut, um Signale an Seefernaufklärer zu senden, welche die Hydrophone regelmäßig überfliegen sollten. Das war genau das, was Robert Bathurst gesagt hatte. Es handelte sich eindeutig um dieselben Hydrophone, was auch von einem dritten Offizier des US-Marinegeheimdienstes bestätigt wurde. Die Hydrophone sendeten komprimierte Informationen an einen Seefernaufklärer, die regelmäßig von „kleinen ausländischen Spezial-U-Booten“ gewartet würden, sagte er. Er erklärte mir, dass diese kleinen U-Boote auf umgerüsteten Handelsschiffen in die Ostsee gebracht, entlang der schwedischen Küste abgesetzt und dann, nachdem sie ihre Fracht gelöscht hatten, auf dem Rückweg der Schiffe wieder aufgegriffen wurden. Diese kleinen U-Boote waren nicht in der Ostsee stationiert, sagte er. Er bestätigte, dass sie aus Italien stammten. Die Vereinigten Staaten hätten italienische Schiffe aus Gründen der „plausiblen Abstreitbarkeit“ (plausible deniability) eingesetzt, so Lehman. Konteradmiral Jan Ingebrigtsen, der damalige Chef des norwegischen Nachrichtendienstes (1979-85), sagte, dass diese Handelsschiffe eine Luke im unteren Rumpf des Schiffes hätten, durch die die kleinen U-Boote ungesehen ein- und ausfahren könnten. Die US-Marine brachte diese kleinen U-Boote in einem versteckten Teil z. B. eines Öltankers in die Ostsee. Im Oktober 1982 befand sich ein unter US-Flagge fahrender Öltanker, die Mormacsky, vor den schwedischen Schären. Sie und ihre Schwesterschiffe waren mit Unterstützung der US-Marine gebaut worden. Mehrere Personen haben den Einsatz dieser kleinen U-Boote in schwedischen Gewässern bestätigt.

Robert Bathurst, aber auch Bob Woodward (Veil: The Secret Wars of the CIA, 1987) sagten, dass Bobby Inman, als er in Stockholm war, „eine hervorragende Quelle hatte, die wichtige militärische Informationen über andere Länder lieferte“. Das könnte Sven Andersson gewesen sein, der – als Inman Stockholm verließ – zehn Jahre lang Verteidigungsminister gewesen war. Es kann aber auch Per Rudberg, der spätere Chef der Marine, gewesen sein, der mit Bobby Inmans Familie Urlaub machte. Das hat mir Björn Eklind, der stellvertretende Chef des Nachrichtendienstes des schwedischen Verteidigungsstabes, erzählt. Rudberg wäre Verteidigungsminister gewesen, wenn Schweden besetzt worden wäre. Bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten 1978 wurde Rudberg von der Führung der US-Marine empfangen. Sie gaben für ihn ein Abendessen mit sieben Admirälen. Laut den Aufzeichnungen des schwedischen Attachés Lennart Forsman (Mikael Holmström, 2011) traf er dreimal William Crowe, den CINCUSNAVEUR, den späteren Vorsitzenden der Generalstabschefs. Rudberg erzählte mir, dass es US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger war, der ihn während seines fünftägigen Besuchs in Schweden im Oktober 1981 als seinen Begleitoffizier ausgewählt hatte. Per Rudberg hatte großes Vertrauen in Sven Andersson, der seinererseits niemals ein ähnliches Vertrauen in seine Ministerpräsidenten (Tage Erlander und Olof Palme) hatte. Andersson hat ihnen das Wichtigste nicht gesagt. Ulf Larsson, Staatssekretär im Verteidigungsministerium (1974-76), schrieb: „Olof [Palme] und Ingvar [Carlsson] wussten nicht unbedingt, was geschah. Sven Andersson konnte definitiv sein eigenes Spiel spielen, wenn er wollte.“ [20] 1983 war Andersson Vorsitzender der „U-Boot-Verteidigungskommission“, die behauptete, dass die Mini-U-Boote, die 1982 in Muskö operierten, mit ziemlicher Sicherheit sowjetisch waren. Die Frage ist, ob Andersson damals wusste, dass diese Mini-U-Boote aus dem Westen stammten und dass es sich um dieselben handelte, die er selbst in den 1960er Jahren genehmigt hatte. Doch im April 1983 erklärten Andersson und die U-Boot-Verteidigungskommission gegenüber Premierminister Palme, dass die Sowjetunion für das Eindringen verantwortlich zu machen sei. Hatte Andersson Palme belogen?

Links: offizielles CIA-Foto von Bobby Ray Inman vom März 1983 als ehemaliger stellvertretender Direktor der Central Intelligence. Rechts: Ausschnitt aus einem zeitgenössischen Foto von Arne Åsklint vom FMV (Schwedische Agentur für Verteidigungsmaterial), aufgenommen durch das Periskop eines U-Boots in 300 Metern Entfernung.

Als Sven Hirdman 1979 Staatssekretär im Verteidigungsministerium wurde, wurde ihm wiederholt mitgeteilt, dass die „heikelsten Themen, die sie diskutierten, in der Verantwortung von Andersson lagen. Niemand anderes übernahm diese Aufgabe als er 1973 sein Amt als Verteidigungsminister aufgegeben hat“, schrieb Ola Frithiofson nach seinem Gespräch mit Hirdman [21]. Sven Andersson soll auch in den frühen 1980er Jahren – lange nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium – die sensibelsten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten für sich behalten haben. Hirdman war damals Staatssekretär für Verteidigung, und laut dem Tagebuch des Chefs der Verteidigung, General Lennart Ljung, war er sogar amtierender Verteidigungsminister.

Wir haben jetzt Grund zu der Annahme, dass das 1982 beschädigte Mini-U-Boot (mit einem amerikanischen Überlebenden), das die wichtigsten Vertreter der CIA und der US-Marine als „Unterwasser-U-2“ bezeichneten, ein italienisches oder in Italien gebautes U-Boot war, das unter dem Kommando einer sehr geheimen Abteilung der CIA und der US-Marine stand. Wie mir berichtet wurde, fand drei Tage nach diesem Vorfall in Genf ein Treffen zwischen zwei Schweden, vier Amerikanern und einem italienischen Geheimdienstoffizier statt. Auf schwedischer Seite waren angeblich ein Industrieller und ein Offizier (oder pensionierter Offizier) anwesend, aber kein Diplomat. Von amerikanischer Seite waren es zwei Zivilisten (einer könnte von der CIA gewesen sein) und zwei Militäroffiziere, und der einzige Grund, einen italienischen Offizier einzubeziehen, war, dass dieses „Unterwasser-U-2“ italienisch war. Die undichte Stelle war im italienischen Geheimdienst und die Informationen kamen von dort zum italienischen Rundfunk und an die italienische Nachrichtenagentur ANSA. ANSA erhielt ihre Informationen angeblich vom italienischen Attaché über einen Mittelsmann, der ANSA mitteilte, dass Schweden Gespräche mit der zuständigen Macht führe, ohne zu erwähnen, wer diese Macht sei. Der italienische Rundfunk sagte, es handele sich um eine westliche Macht, während meine Quelle, die auch die Quelle von ANSA war, mir sagte, es seien vier Amerikaner und ein italienischer Geheimdienstoffizier – ein Oberstleutnant Accame – dabei gewesen. In der Woche vor diesem Treffen hatten die Schweden 45 Unterwasserbomben abgeworfen. In der folgenden Woche warfen sie nur zwei ab, und die Befehle für diese beiden wurden von einem relativ unabhängigen Kommandeur des Küstenschutzes – Oberstleutnant Sven Olof Kviman in Mälsten – erteilt. Auf schwedischer Seite wussten einige Leute von diesem gesunkenen Mini-U-Boot, aber es waren nur sehr wenige, und viele von ihnen sind inzwischen verstorben. Wäre dieses Thema 1982 in den Medien, im Fernsehen oder in den Zeitungen explodiert, wie es 1960 bei der U-2-Affäre der Fall war, hätte dies zu einem großen Rückschlag für die Vereinigten Staaten in Europa geführt. In jenem Jahr war es eines der größten Ereignisse auf der Welt, aber die schwedischen Admiräle schwiegen.

Steve Recca, der „Special Assistant“ des US-Marineministers und des CIA-Direktors (1995-98) war, Assistenzattaché in Oslo (1998-2001) und dann auf den „Admiral Bobby Inman Chair of Intelligence“ an der Naval Postgraduate School berufen wurde, wies darauf hin, dass eine solche Enthüllung nach hinten losgehen könnte. Laut Recca war es Kapitän zur See Peter Swartz, der ihn auf mich und John Kristen Skogan am NUPI (Norwegian Institute of International Affairs) aufmerksam machte, weil wir die beiden Forscher in Oslo waren, die über Marinestrategie geschrieben haben. Swartz hatte Lehman’s Seestrategie verfasst, Admiral Watkins (1982-1986 Chef für Marine Operationen und damit ranghöchster Offizier und Admiralstabschef der US-Marine, Anm. d. Red.) und Lehman beraten, und Lehman’s enger Verbündeter Admiral James Ace Lyons (US-Kommandeur der Pazifik Flotte 1985-1987, Anm. d. Red.) war sein Mentor gewesen. 1989 war Swartz Special Assistant des Nachfolgers von Admiral Bill Crowe als Vorsitzender der Generalstabschefs, General Colin Powell. Danach war Swartz am Center for Naval Analysis (CNA) der US-Marine tätig, aber die Tatsache, dass ich am CNA und an der Naval Postgraduate School gelehrt habe, war kaum der Grund, warum Recca mich kontaktierte. Recca war sehr nett, aber auch besorgt über das, was ich schrieb, und darüber, dass die Aktivitäten in schwedischen Gewässern „nach hinten losgehen“ könnten. Er kam ein paar Mal in mein Büro und lud mich zum Mittagessen in die Botschaft und zu Empfängen ein. Aber das Einzige, worüber er mich ausfragte, betraf einen US-kritischen Vortrag des ehemaligen norwegischen Verteidigungsministers General Vigleik Eide (den wir gemeinsam anhörten und den er heimlich auf Band aufgenommen hatte) sowie über meine Kontakte in Italien. Ich musste mich fragen: Warum ist ein ehemaliger Assistent des US-Marinechefs und des CIA-Direktors beunruhigt über meine Studien zu westlichen Aktivitäten in schwedischen Gewässern, und warum sind meine Quellen in Italien von besonderem Interesse? Es war eindeutig eine sensible Angelegenheit. Ich wurde auch von einem befreundeten Offizier des italienischen Militärgeheimdienstes besucht, der aus Italien angereist war. Kapitän Peter Huchthausen, ehemaliger US-Marineattaché in Moskau und Sowjetspezialist in der US-Marine, hat ein Buch mit dem Titel Hide & Seek: The Untold Story of Cold War Naval Espionage (2009) [22] mit seinem französischen Kollegen Alexandre Sheldon-Duplaix (ebenfalls ein Freund von Swartz) geschrieben. Das Buch enthielt ein Kapitel über U-Boote in schwedischen Gewässern, und sie waren meiner Analyse gegenüber positiv eingestellt. Die Mini-U-Boote in schwedischen Gewässern waren kaum sowjetisch. Dirk Pohlmann von ARTE bat Huchthausen im Juni 2008 um ein Interview, aber Huchthausen sagte Pohlmann, er solle im August wiederkommen, wenn sie die Arbeit an ihrem Buch beendet hätten. Doch im Juli wurde Huchthausen erhängt in seiner Wohnung aufgefunden. Manch einer mag befürchtet haben, dass sich weitere amerikanische Marineoffiziere zu Wort melden würden.

Links: Die Zeichnung eines Zeugen, der ein U-Boot in den südlichen Schären von Stockholm im Februar 1982 beobachtete. Der Marinestützpunkt schrieb in einem ehemals streng geheimen Dokument: „Sehr ähnlich einem westdeutschen Typ 206” (siehe Mathias Mossberg 2016 <https://www.karnevalforlag.se/bocker/i-morka-vatten/>). Rechts: Ein Typ 206 (48 Meter) (Foto: Deutsche Marine).

6. Was wussten die Schweden? [23]

Es ist unwahrscheinlich, dass die schwedische Regierung wusste, was passiert war. Obwohl Sven Andersson wahrscheinlich von den westlichen Mini-U-Booten wusste, gab er als Vorsitzender der „Submarine Defense Commission“ (April 1983) der Sowjetunion die Schuld. Ingemar Engman, den Karl Frithofson als Anderssons engsten Berater im Verteidigungsministerium angeworben hatte und der später Leiter der Abteilung für Verteidigungsmaterial im Ministerium wurde, sagte: „Wenn Sven von den westlichen U-Booten wusste und deren Einmischung vermutete, musste er so weit wie möglich von den Schuldigen wegzeigen und damit auf die Sowjetunion verweisen.“ Lennart Ljung, der schwedische Chief of Defense (zu deutsch: Generalinspekteur, höchste nationale militärische Position 1978-1986, Anm. d. Red.), schreibt in seinem Tagebuch für den 13. Januar 1983, dass Pierre Schori, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, ein Treffen mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger gehabt habe. Kissinger hatte gesagt: „Es war klug von den schwedischen [Regierungen], das U-Boot so freizugeben, wie Sie es getan haben“. Kissinger habe nie die Nationalität des U-Boots erwähnt, sagte Schori, aber seine Formulierung habe kaum auf ein sowjetisches U-Boot hingedeutet. Und es sei kaum das schwedische Kabinett, sondern eher der schwedische „Marineteil der Regierung“ gewesen, der das U-Boot freigegeben hat. Damals glaubte jedoch fast jeder in Schweden – auch im Kabinett – dass die U-Boote aus der Sowjetunion stammten. Und in einem freigegebenen Bericht vom Mai 1983 glaubte Ministerpräsident Olof Palme immer noch, dass die U-Boote aus der Sowjetunion stammten. Auch andere Mitglieder des Kabinetts waren dieser Meinung. Wahrscheinlich wurde Olof Palme erst im August 1983 klar, dass es keine sowjetischen waren. Der finnische Präsident (1982-1994, Anm. d. Red) Mauno Koivisto hatte sich mit dem sowjetischen Staatschef Juri Andropow getroffen, der Koivisto gebeten hatte, den Schweden mitzuteilen, dass sie „jedes U-Boot versenken sollten, das sie in ihren eigenen Gewässern finden“, damit sie selbst sehen könnten, worum es sich handelte. Es sind nicht unsere, sagte Andropow. Koivisto schrieb darüber in seinen Memoiren, aber auch in einem Artikel für die schwedische Tageszeitung Svenska Dagbladet (2008). Andere sowjetische Vertreter sagten dasselbe, schrieb der schwedische Ministerpräsident Ingvar Carlsson (1986-91, 1994-96). Der sowjetische Botschafter in Schweden, der spätere (und letzte, Anm. d. Red.) sowjetische Außenminister Boris Pankin und Premierminister Nikolay Ryzhkov (1985-1991, Anm. d. Red.) forderten die Schweden auf, mehr Gewalt gegen die U-Boote anzuwenden. Das heißt, sie wollten, dass die Schweden Torpedos oder Minen am Meeresgrund einsetzen, um die U-Boote zu versenken, aber die schwedischen Admiräle wollten das nicht tun.

Erst am 1. und 2. Dezember 1983, nach dem jährlichen Treffen zwischen dem schwedischen Generalinspekteur Lennart Ljung und den regionalen (militärischen und zivilen) Oberbefehlshabern, informierte der zivile Befehlshaber Westschwedens, Anderssons ehemaliger Verteidigungsstaatssekretär Karl Frithiofson, Olof Palme über die U-Boote. Er traf sich an diesen beiden Tagen mit Palme [24], und kurz darauf erzählte er seinem Sohn, dem Vorsitzenden der internationalen sozialdemokratischen Jugend, Ola Frithiofson, dass die U-Boote aus dem Westen stammten [25]. Im April 1983 hatte Palme noch gegen die „sowjetischen Eindringlinge“ protestiert, aber die U-Boote seien westliche U-Boote gewesen, die „Russen spielen“. Palme muss nun erkannt haben, dass er (vielleicht auch von Andersson) getäuscht worden war. Am 28. Dezember wurde Torsten Örn, der schwedische Botschafter in Moskau, von Olof Palmes Kollegen in der Palme-Kommission, dem sowjetischen Berater Georgi Arbatow, informiert. Er sagte, Moskau glaube nun, dass „möglicherweise die CIA hinter den U-Boot-Intrusionen stecke“. Die Tatsache, dass die U-Boote aus dem Westen stammten, kam sechs Monate später auch in einem Buch des Journalisten Anders Hasselbohm zur Sprache. Olle Alsén, der Leitartikel-Schreiber von Dagens Nyheter, zeigte das Buch Olof Palme. Olof Palme sagte zu sich selbst: „Hat Sven [Andersson] mich betrogen? Hat Sven mich betrogen?“

Generalmajor Bengt Wallroth, der ehemalige Chef des schwedischen Geheimdienstes und damalige Leiter der internationalen Abteilung im Verteidigungsministerium, schrieb (zusammen mit Jan Eliasson vom Außenministerium und Hans Dahlgren vom Büro des Ministerpräsidenten) im Dezember 1987 in einem Dokument für Ministerpräsident Ingvar Carlsson, dass die beiden Typen von Mini-U-Booten, die tief in schwedischen Gewässern beobachtet worden waren, keinem sowjetischen Mini-U-Boot entsprachen. Wallroth bestätigte mir später, dass es italienische gewesen sein könnten. Streng geheime Dokumente für den Chef der Marine, Per Rudberg (19. Juli 1984), und für den Chef des Verteidigungsministeriums (25. November 1987) zeigten, dass alle Merkmale dieser U-Boote genau mit den kleinen italienischen Mini-U-Booten übereinstimmten, die die US-Marine in schwedischen Gewässern eingesetzt haben soll. Der Typ 1 war ein 10 Meter langes, tropfenförmiges U-Boot (ein „Whaleback“) ohne Kommandoturm (siehe Zeichnung, Abb. 1) und mit einem dünnen Periskop und einer großen Sichtöffnung im Bug. Alle diese Merkmale waren identisch mit dem 3GST9 und seinem Vorgänger, der auf einem regulären U-Boot (MOSUB oder Mutter-U-Boot) oder in einer Abteilung eines Handelsschiffs (MOSHIP oder Mutterschiff) zum Einsatzgebiet gebracht wurde. Der Typ 2 war ein 20-30 Meter langes U-Boot. Es hatte einen rechteckigen Rumpf und einen hohen Schnorchelmast (auch Luftzufuhrmast, versorgt den Dieselmotor mit Frischluft, Anm. d. Red) hinter dem Kommandoturm (siehe Abb. 2). Der Schnorchel konnte von der Horizontalen in die Vertikale gehoben werden. In dem Bericht von 1984 hieß es auch, dass dieses Mini-U-Boot einen Draht von der Spitze des Kommandoturms zum Bug haben könnte. Der Typ 2 konnte zwei SDVs (Swimmer Delivery Vehicles: Mini-U-Boote die z.B. von den Navy-SEALs benutzt werden. Anm. d. Red.) tragen. Dies waren sehr spezifische Informationen, und alles passt genau zu den italienischen COSMOS-U-Booten (siehe Abb. 3 und 4). Peter Huchthausen, ein Experte des US-Marinegeheimdienstes für sowjetische U-Boote, sagte in dem Buch zusammen mit Sheldon-Duplaix (2009), dass es in der Sowjetunion keine solchen U-Boote gab [26]. Die spätere sowjetische Pyranja (28 Meter) hatte eine ganz andere Form und war bis 1989 nicht einsatzfähig.

Abb. 1: Links: Zeichnung eines Typ 1 U-Boots (Svenska Dagbladet, November 1987), Zeichnung eines freigegebenen Fotos eines Typ 1 U-Boots, Juli 1987 (in einem Fjord in Nordschweden). Diese U-Boote des Typs 1 waren den italienischen tropfenförmigen Mini-U-Booten von Maritalia aus den Jahren 1980 und später sehr ähnlich. Sie scheinen mit diesen U-Booten identisch gewesen zu sein.

Abb. 2: Eine Zeichnung des Typ 2 U-Boots (20-25 Meter) in den südlichen Schären von Stockholm im Juli 1987 und eine Zeichnung eines U-Boots Typ 2 (20-25 Meter) vom Oktober 1982 in der Nähe von Muskø. Die dritte Zeichnung wurde nach der Beschreibung des U-Boots von 1982 angefertigt. Beide U-Boote hatten einen hohen Schnorchelmast hinter dem Segel. Beide Zeichnungen und Beschreibungen sind inzwischen freigegeben.

Abb. 3: Die in Italien gebaute COSMOS SX-506 (23 Meter) mit einem hohen Schnorchelmast hinter dem Segel. Rechts: Massenproduktion von COSMOS SX-506 in Livorno in den frühen 1970er Jahren. Die meisten Käufer dieser kleinen U-Boote sind nicht bekannt. Diese Boote müssen an eine westliche Macht geliefert worden sein, die sie in sehr geheimen Operationen einsetzte. (Foto: Navy International 1974)

Abb. 4: Links: Zeichnungen einer italienischen COSMOS SX-506 und eines westdeutschen Typ-100 in der russischen Zeitschrift Tekhnika i vooruzhenie vom April 1982. Rechts: drei COSMOS MG-110 (28 Meter) in Pakistan (Foto: Wikipedia / Public Domain).

Im Mai 1983 verwiesen die schwedischen Zeitungen Aftonbladet und Expressen sowie die schwedischen Fernsehnachrichten auf einen Artikel des sowjetischen Kapitäns B. Churin, der in der sowjetischen Militärzeitschrift Tekhnika i vooruzhenie (April 1982) eine ausführliche Beschreibung der oben genannten Mini-U-Boote veröffentlicht hatte. Churin schrieb über die Vorteile dieser kleinen westlichen U-Boote (italienische COSMOS und westdeutsche Typ-100 U-Boote), aber die schwedischen Medien behaupteten, er habe definitiv über kleine sowjetische U-Boote geschrieben. Im Aftonbladet hieß es, Churin habe behauptet, über westliche U-Boote zu schreiben, aber alle Experten sind sich einig: „Die Russen sprechen über ihre eigenen U-Boote“. „Es besteht kein Zweifel“, schrieb Expressen, dass es sich um denselben Typ sowjetischer Mini-U-Boote handelt, die „über längere Zeit in den [schwedischen] Schären operiert haben“. Westliche Mini-U-Boote, die tatsächlich tief in schwedischen Gewässern und Marinestützpunkten operierten, wurden von schwedischen Militäroffizieren und Massenmedien als sowjetische U-Boote bezeichnet. Die in dem russischen Artikel dargestellten Fakten über diese westlichen U-Boote wurden als „falsche Informationen“ bezeichnet. Die Schweden konnten sich nicht vorstellen, dass die Eindringlinge aus dem Westen stammten. Im Jahr 1983, nach drei Jahren dramatischer Zwischenfälle, hielten mehr als 80% der Schweden Russland für eine Bedrohung oder für feindlich. Dies war wahrscheinlich die erfolgreichste amerikanische PSYOP aller Zeiten.

Der Sohn von Karl Frithiofson, Ola, sprach 2015 mit Admiral Bobby Inman [27], und ich hatte 2021 ein langes Gespräch mit Inman. Er erzählte uns mehr oder weniger das Gleiche. Er sagte, dass sowjetische U-Boot-Kapitäne in den 1970er und frühen 1980er Jahren in den schwedischen Hoheitsgewässern geübt hätten, aber sie seien nie in die Schären vorgedrungen. Sie sind nie in Häfen und Marinestützpunkte wie Muskö oder Karlskrona eingelaufen (diejenigen, die das taten, waren offensichtlich aus dem Westen). Inman erzählte Ola Frithiofson, dass sie wussten, wo sich die einzelnen sowjetischen U-Boote befanden [28], weil sie entlang der schwedischen Küste Hydrophone installiert hatten. In meinem Gespräch mit Inman im Jahr 2021 bestätigte er, dass „Bob“ [Robert] Bathurst (Kommandeur des U.S. Marinegeheimdienstes in Europa, Anm. d. Red.) ihn früher in Stockholm besucht hatte, aber er wollte nicht über die Hydrophone sprechen. Er war offensichtlich nicht „glücklich“ mit dem, was Robert mir erzählt hat. Er war mit meinen Studien über U-Boot-Aktivitäten in schwedischen Gewässern gut vertraut, und als Ola Frithiofson ihn 2015 anrief, dachte er zunächst, er würde mit mir sprechen.

Als Robert mir 1991 von ihren U-Booten und Hydrophonen entlang der schwedischen Küste erzählte, verfolgte der amerikanische Geheimdienst meine Arbeit. Jemand ging in mein Büro und öffnete nachts ein bestimmtes Dokument auf meinem Computer. Das Dokument war zu einer bestimmten Zeit in der Nacht gespeichert worden, was bedeutet, dass es jemand geöffnet haben muss. Ein amerikanischer Geheimdienstoffizier erkundigte sich auf einer Party nach dem Inhalt eben dieses Dokuments, das ich niemandem gezeigt hatte. Nachdem ein norwegischer Admiral geholfen hatte, das Auto eines etwas unvorsichtigen Agenten ausfindig zu machen, stellte dieser Admiral fest, dass das Auto, obwohl es reguläre norwegische Nummernschilder hatte, der italienischen Botschaft gehörte. Der Admiral wurde kurz darauf zum italienischen Verteidigungsattaché eingeladen, der jedoch überhaupt nicht reden wollte. Nach ein paar Tagen jedoch sprach der US-Verteidigungsattaché den norwegischen Admiral an und fragte ihn, ob er mit mir zusammenarbeite. Die US-Marine benutzte auch in Oslo die Agenten der Italiener, um eine plausible Abstreitbarkeit zu haben, und in seinem Fenster hing derselbe Porzellanadler, den auch Caspar Weinberger im Fenster hatte. Die Operation war offensichtlich amerikanisch.

Bobby Inman war ab 1991 der engste Geheimdienstberater von Präsident George H.W. Bush (Vorsitzender des Intelligence Advisory Board des Präsidenten). Er achtete auf diese höchst sensiblen Dinge, und er könnte seinem Nachfolger als Präsidentenberater, Admiral William Crowe, dem ehemaligen Vorsitzenden der Generalstabschefs, von der Angelegenheit erzählt haben. Denn als Crowe in Oslo einen Vortrag halten wollte, ging er geradewegs durch die Menge der Wissenschaftler und Offiziere auf mich zu. Mehrere Wissenschaftler versammelten sich um uns, und der einzige Grund, warum er sich für mich interessierte, waren wohl meine Gespräche mit Robert. Nachdem Crowe 1993 unter Bill Clinton den Vorsitz im Intelligence Advisory Board des Präsidenten übernommen hatte, war Inman Clintons erster Kandidat für das Amt des Verteidigungsministers, obwohl er für Bush gestimmt hatte. Nach Angriffen der Medien in den Jahren 1993-94 lehnte Inman jedoch die Nominierung ab und wurde 1994 durch seinen ehemaligen Kollegen William Perry ersetzt. Als Inman Direktor der NSA war, war Perry stellvertretender Staatssekretär der Verteidigung für Forschung und Entwicklung. Als Verteidigungsminister besuchte Perry 1995 Schweden und fuhr mit dem schwedischen Verteidigungsminister Thage G. Peterson im Auto nach Hårsfjärden [29]. Peterson befragte Perry über die U-Boote in Hårsfjärden. Perry sagte: „Wenn es ein U-Boot ist, muss es nicht unbedingt ein russisches sein“. Dies wurde nach Weinbergers Worten im Jahr 2000 noch deutlicher.

Quellen:

[1] Free21, Ola Tunander, „Eine Unterwasser-U-2“: Teil 1, am 17.05.2023, <https://free21.org/eine-unterwasser-u-2-teil-1/>
[2] Ola Tunander, „40 år siden «U-2-episoden under vann»”, 01.10.2022,  <https://terjealnes.files.wordpress.com/2022/09/u-2-under-vann-1-oktober-2022.pdf>
[3] Rutledge, Ola Tunander, „The Secret War Against Sweden – US and British Submarine Deception in the 1980s“, 2004, <https://www.routledge.com/The-Secret-War-Against-Sweden-US-and-British-Submarine-Deception-in-the/Tunander/p/book/9780714682754>
[4] The Times, Pelle Neroth, „Margaret Thatcher told navy to raid Swedish coast“, am 27.01.2008, <https://www.thetimes.co.uk/article/margaret-thatcher-told-navy-to-raid-swedish-coast-7vvcswg0pcx>
[5] siehe [2]
[6] siehe [2]
[7] Amazon, Buch: H.I. Sutton, „Covert Shores: The Story of Naval Special Forces Missions and Minisubs“, am 05.05.2016, <https://www.amazon.com/Covert-Shores-Special-Missions-Minisubs/dp/1533114870>
[8] hisutton.com, H.I. Sutton, „The famous CosMoS CE2F chariot“, am 29.02.2016, <http://www.hisutton.com/The famous CosMoS CE2F chariot.html>
[9]  hisutton.com, H.I. Sutton, „3GST9“, am 05.05.2018, <http://www.hisutton.com/3GST9.html>
[10] hisutton.com, H.I. Sutton, „SEALs + USSOCOM next generation sub UOES3“, am 22.06.2015, <http://www.hisutton.com/SEALs + USSOCOM next generation sub UOES3.html>
[11] hisutton.com, H.I. Sutton, „DRASS Submarines“, am 01.05.2021, <http://www.hisutton.com/DRASS.html>
[12] drass.tech, „HISTORICAL DESIGN“, <https://www.drass.tech/projects/historical-design/>
[13] InternetArchive, Dirk Pohlmann, „Operation Täuschung – Die Methode Reagan / Doku Von Dirk Pohlmann“, uploaded 23.06.2020,  <https://archive.org/details/operation-tauschung-die-methode-reagan>
[14] Caltech, „Adm. Bobby Ray Inman, United States Navy (Ret.), Senior Trustee“, am 04.08.2022, <https://heritageproject.caltech.edu/interviews-updates/adm-bobby-ray-inman>
[15] Buch: Karneval förlag, Ola Tunander, „Navigationsexperten“, 2021, <https://www.karnevalforlag.se/bocker/navigationsexperten/>
[16] historisktidskrift.se, Ola Frithiofson, „Ett amerikanskt hydrofonsystem etableras i svenska vatten“, 2021 <https://www.historisktidskrift.se/index.php/june20/article/view/183/142>
[17] siehe [15]
[18] siehe [14]
[19] Medströms Bokförlag, „Katalog“, <https://www.medstromsbokforlag.com/portfolio-c17to>
[20] siehe [15]
[21] siehe [15]
[22] Google Books, Peter A. Huchthausen und Alexandre Sheldon-Duplaix, „Hide and Seek: The Untold Story of Cold War Naval Espionage“, am 14.01.2009 <https://books.google.no/books/about/Hide_and_Seek.html?id=CrdTAgAACAAJ&redir_esc=y>
[23] siehe [1]
[24] siehe [15]
[25] siehe [15]
[26] siehe[21]
[27] siehe [15]
[28] siehe [15]
[29] Google Books, Thage G. Peterson, „Resan mot Mars“, 1999, <https://books.google.no/books/about/Resan_mot_Mars.html?id=uZR4AAAACAAJ&redir_esc=y