Autobahn-Kriege:

Die Zukunft der Kriegsführung?

Der Autor James Corbett beobachtet schon seit Jahren die Entwicklungen rund um die Schaffung einer multipolaren Weltordnung und erklärt in diesem älteren Text viele Zusammenhänge.

Von Published On: 26. Januar 2020Kategorien: Krieg & Frieden

Quelle: https://steemit.com/news/@corbettreport/highway-wars-the-future-of-warfare

Wenn man sich beim Gedanken an Krieg nur Gewehre und Bomben vorstellen kann, deutet das nur auf ein Versagen der eigenen Vorstellungskraft hin. Machen Sie keinen Fehler: Es gibt Kriege um geopolitische Dominanz zwischen verschiedenen Spielern weltweit, und alles das geschieht, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben wird oder ein Soldat auf dem Schlachtfeld steht.

Ein Beispiel dafür ist Asien, wo ein seltsames Spiel der Aufwertung zwischen den erbitterten Feinden China und In­dien stattfindet. Beide sind eindeutige Rivalen, wenn es um regionale wirtschaftliche Dominanz geht, zufällig aber auch enge Partner in BRICS [1], der Shanghai Cooperation Organization [2] und anderen multilateralen Gremien.

Nein, ich spreche nicht von den dramatischen Grenzgefechten [3], die derzeit zwischen indischen und chinesischen Truppen stattfinden. Diese alte Art von Konflikt erreicht die ganze Presse. Ich spreche von etwas viel subtilerem, das kaum Schlagzeilen macht, aber möglicherweise viel wichtiger für die Zukunft der Region und letztlich der Welt ist.
Beleg A: „Bau der von China realisierten Megabahn startet in Malaysia“. [4]

Beleg B: „Indien baut Autobahn nach Thailand, um Chinas Seidenstraße entgegenzuwirken“[5].

Auf den ersten Blick sind dies kaum die Schlagzeilen, die die Phantasie der Öffentlichkeit in Bewegung setzen. Aber lassen Sie uns etwas genauer hinschauen.

Was die malaysische Eisenbahn betrifft, so handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Bahnstrecke. Das Projekt, das als „East Coast Rail Link“ (ECRL) bezeichnet wird, wird eine Länge von 688 Kilometern haben und als erste Eisenbahn Ost- und Westküste des Landes verbinden. Es wird die Reisezeit von den Vororten von Kuala Lumpur in den nordöstlichen Bundesstaat Kelantan fast halbieren. Chinesische Staatsfirmen übernehmen sowohl den Bau der Eisenbahn als auch deren Finanzierung (immerhin 13 Milliarden Dollar).

Warum baut China überhaupt eine Eisenbahn in Malaysia? Was ist für die Chinesen drin? Die China Daily zitiert dazu Chinas Staatsrat Wang Yong, der am offiziellen Start des Projekts teilnahm:

„China ist bereit, eng mit der malaysischen Seite zusammenzuarbeiten und die Eisenbahnverbindung in ein weiteres wegweisendes Projekt einzubauen, um der malaysischen Bevölkerung so schnell wie möglich zu helfen und zu einer bessseren regionalen Entwicklung und Wohlstand beizutragen.“ Wischi-waschige, politische Wohlfühl-Propaganda? Zweifellos. Aber trotzdem wahr, soweit es um solche offiziellen Aussagen geht.

Sie sehen, das ECRL wird als „Flaggschiffprojekt“ der viel beschworenen Belt and Road Initiative (BRI) Chinas propagiert. Wie wir auf dieser Webseite bereits diskutiert haben, ist China sehr bestrebt daran, mit BRI seinen Status als „mittleres Königreich“ zurückzugewinnen, indem es die alte Handelsroute der Seidenstraße für das 21. Jahrhundert wiederbelebt und modernisiert [6]. Mit dem „Silk Road Economic Belt“ und der „Maritime Silk Road“ investiert die Initiative erstmals erhebliche Mittel in Entwicklungsprojekte im gesamten Einflussbereich Chinas, einschließlich Südostasiens und Eurasiens. Und wie ebenfalls schon früher gesagt, wird BRI zu einem immer wichtigeren Punkt für eine neue Form der von China selbst vorangetriebenen und angeführten  Globalisierung („Globalisierung 2.0“ lt. Formulierung der Kommunistischen Partei Chinas)[7].

Dies mag für Malaysia und die anderen Nutznießer von Chinas Großzügigkeit großartig sein, aber es ist offensichtlich auch eine besorgniserregende Entwicklung für die verschiedenen regionalen Rivalen Chinas, vor allem Indien. Nicht nur, dass Indien ein Angebot zur Teilnahme an Chinas erstem „Belt and Road Forum“ in diesem Jahr [2017. Anm. d. Red.] in Peking ablehnte und auf seine Besorgnis über den 62 Milliarden Dollar schweren China-Pakistan-Wirtschaftskorridor verwies, der Teil des BRI ist und strittiges Gebiet in der umstrittenen Region Kaschmir umfassen wird [8], Indien wehrt sich möglicherweise jetzt auch gegen Chinas BRI, in dem es eine Autobahn nach Thailand baut? Willkommen bei der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts.

Das Autobahnprojekt ist Teil einer breit angelegten 4,7-Milliarden-Dollar-Initiative zur Entwicklung von Grenzstraßen, die Indien vor zwei Jahren gestartet hat. Es ist, wie Chinas malaysisches Eisenbahnprojekt, sehr ehrgeizig. Geplant ist, Manipur in Nordostindien über Tamu in Myan­mar mit Mae-Sot im Westen Thailands zu verbinden. Die „Ausbau- und Erweiterungsarbeiten“ [9] an der Autobahnanbindung werden rund 256 Mio. USD kosten und mit Krediten der Asia Development Bank finanziert, dem (unechten) „Rivalen“ der chinesischen Asia Infrastructure Investment Bank [10].

Wie Rajiv Biswas, Chefökonom bei IHS Markit mit Sitz in Singapur, Bloomberg mitteilt: „Wenn Indien Teil der Wachstumsdynamik Asiens sein will, muss es Infrastrukturverbindungen entwickeln, und deshalb ist dieses Projekt ein sehr wichtiger erster Schritt.“ [11]

Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte als integraler Mittel von Diplomatie und auch regionaler Dominanz sind nicht neu, die Schritte Chinas in diese Richtung sind jedoch von großer Bedeutung und lassen Indien und andere regionale Akteure aufhorchen. Wie Moammar Gaddafi auf einem Treffen von Studenten in Oxford hinwies [12], kurz bevor er von NATO-gestützten Verbrechern ermordet wurde [13], steht die Welt nun vor der Wahl zwischen zwei Modellen diplomatischer Dominanz und politischem Einfluss: Dem amerikanischen Modell – das er als „einen harten, groben Ansatz“ bezeichnete, der „Soldaten, Waffen und Militärbasen“ umfasst – und dem chinesischen Ansatz.

„China belehrt afrikanische Länder nicht im Hinblick auf ihr Regierungssystem, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, gute Regierungsführung oder dergleichen“, erklärte Gaddafi. „China mischt sich nie in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. Es werden keine Soldaten, Militärbasen oder militärische Kommandos eingesetzt. Über 600 chinesische Unternehmen sind bereits tief in Afrika verwurzelt. Verschiedene chinesische Gruppen haben begonnen, sich in Afrika niederzulassen. Das ist Chinas weicher Ansatz.

„Wegen dieses sanften Ansatzes sind die Chinesen bei den Afrikanern sehr willkommen. Dies wird zweifellos zum Nutzen Chinas sein. Die Afrikaner sind gegenüber den USA wegen ihres harten Vorgehens sehr skeptisch. Das belegt die Dummheit der amerikanischen Vorgehensweise.“

Meine Stammleser kennen meine Position: es ist ein manipuliertes Spiel mit manipulierten Würfeln. Die internationale „Oberklasse“ [14], die keinem bestimmten Land verpflichtet ist, bereitet sich darauf vor, das amerikanische Imperium als Motor der globalen Vorherrschaft zugunsten eines multilateralen, BRICS-geführten und vom IWF verwalteten, globalistischen Sklavenstaat aufzugeben. Aber eines kann man wirklich über eine Zeit sagen, in der es bei den wichtigsten geopolitischen Streitigkeiten um konkurrierende Entwicklungs- und Infra­strukturprojekte geht und nicht um die Bedrohung durch einen totalen thermonuklearen Krieg: Hoffentlich ist dies ein Trend, der anhält.

Autobahn-Kriege:

Die Zukunft der Kriegsführung?

Der Autor James Corbett beobachtet schon seit Jahren die Entwicklungen rund um die Schaffung einer multipolaren Weltordnung und erklärt in diesem älteren Text viele Zusammenhänge.

Von Published On: 26. Januar 2020Kategorien: Krieg & Frieden

Quelle: https://steemit.com/news/@corbettreport/highway-wars-the-future-of-warfare

Wenn man sich beim Gedanken an Krieg nur Gewehre und Bomben vorstellen kann, deutet das nur auf ein Versagen der eigenen Vorstellungskraft hin. Machen Sie keinen Fehler: Es gibt Kriege um geopolitische Dominanz zwischen verschiedenen Spielern weltweit, und alles das geschieht, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben wird oder ein Soldat auf dem Schlachtfeld steht.

Ein Beispiel dafür ist Asien, wo ein seltsames Spiel der Aufwertung zwischen den erbitterten Feinden China und In­dien stattfindet. Beide sind eindeutige Rivalen, wenn es um regionale wirtschaftliche Dominanz geht, zufällig aber auch enge Partner in BRICS [1], der Shanghai Cooperation Organization [2] und anderen multilateralen Gremien.

Nein, ich spreche nicht von den dramatischen Grenzgefechten [3], die derzeit zwischen indischen und chinesischen Truppen stattfinden. Diese alte Art von Konflikt erreicht die ganze Presse. Ich spreche von etwas viel subtilerem, das kaum Schlagzeilen macht, aber möglicherweise viel wichtiger für die Zukunft der Region und letztlich der Welt ist.
Beleg A: „Bau der von China realisierten Megabahn startet in Malaysia“. [4]

Beleg B: „Indien baut Autobahn nach Thailand, um Chinas Seidenstraße entgegenzuwirken“[5].

Auf den ersten Blick sind dies kaum die Schlagzeilen, die die Phantasie der Öffentlichkeit in Bewegung setzen. Aber lassen Sie uns etwas genauer hinschauen.

Was die malaysische Eisenbahn betrifft, so handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Bahnstrecke. Das Projekt, das als „East Coast Rail Link“ (ECRL) bezeichnet wird, wird eine Länge von 688 Kilometern haben und als erste Eisenbahn Ost- und Westküste des Landes verbinden. Es wird die Reisezeit von den Vororten von Kuala Lumpur in den nordöstlichen Bundesstaat Kelantan fast halbieren. Chinesische Staatsfirmen übernehmen sowohl den Bau der Eisenbahn als auch deren Finanzierung (immerhin 13 Milliarden Dollar).

Warum baut China überhaupt eine Eisenbahn in Malaysia? Was ist für die Chinesen drin? Die China Daily zitiert dazu Chinas Staatsrat Wang Yong, der am offiziellen Start des Projekts teilnahm:

„China ist bereit, eng mit der malaysischen Seite zusammenzuarbeiten und die Eisenbahnverbindung in ein weiteres wegweisendes Projekt einzubauen, um der malaysischen Bevölkerung so schnell wie möglich zu helfen und zu einer bessseren regionalen Entwicklung und Wohlstand beizutragen.“ Wischi-waschige, politische Wohlfühl-Propaganda? Zweifellos. Aber trotzdem wahr, soweit es um solche offiziellen Aussagen geht.

Sie sehen, das ECRL wird als „Flaggschiffprojekt“ der viel beschworenen Belt and Road Initiative (BRI) Chinas propagiert. Wie wir auf dieser Webseite bereits diskutiert haben, ist China sehr bestrebt daran, mit BRI seinen Status als „mittleres Königreich“ zurückzugewinnen, indem es die alte Handelsroute der Seidenstraße für das 21. Jahrhundert wiederbelebt und modernisiert [6]. Mit dem „Silk Road Economic Belt“ und der „Maritime Silk Road“ investiert die Initiative erstmals erhebliche Mittel in Entwicklungsprojekte im gesamten Einflussbereich Chinas, einschließlich Südostasiens und Eurasiens. Und wie ebenfalls schon früher gesagt, wird BRI zu einem immer wichtigeren Punkt für eine neue Form der von China selbst vorangetriebenen und angeführten  Globalisierung („Globalisierung 2.0“ lt. Formulierung der Kommunistischen Partei Chinas)[7].

Dies mag für Malaysia und die anderen Nutznießer von Chinas Großzügigkeit großartig sein, aber es ist offensichtlich auch eine besorgniserregende Entwicklung für die verschiedenen regionalen Rivalen Chinas, vor allem Indien. Nicht nur, dass Indien ein Angebot zur Teilnahme an Chinas erstem „Belt and Road Forum“ in diesem Jahr [2017. Anm. d. Red.] in Peking ablehnte und auf seine Besorgnis über den 62 Milliarden Dollar schweren China-Pakistan-Wirtschaftskorridor verwies, der Teil des BRI ist und strittiges Gebiet in der umstrittenen Region Kaschmir umfassen wird [8], Indien wehrt sich möglicherweise jetzt auch gegen Chinas BRI, in dem es eine Autobahn nach Thailand baut? Willkommen bei der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts.

Das Autobahnprojekt ist Teil einer breit angelegten 4,7-Milliarden-Dollar-Initiative zur Entwicklung von Grenzstraßen, die Indien vor zwei Jahren gestartet hat. Es ist, wie Chinas malaysisches Eisenbahnprojekt, sehr ehrgeizig. Geplant ist, Manipur in Nordostindien über Tamu in Myan­mar mit Mae-Sot im Westen Thailands zu verbinden. Die „Ausbau- und Erweiterungsarbeiten“ [9] an der Autobahnanbindung werden rund 256 Mio. USD kosten und mit Krediten der Asia Development Bank finanziert, dem (unechten) „Rivalen“ der chinesischen Asia Infrastructure Investment Bank [10].

Wie Rajiv Biswas, Chefökonom bei IHS Markit mit Sitz in Singapur, Bloomberg mitteilt: „Wenn Indien Teil der Wachstumsdynamik Asiens sein will, muss es Infrastrukturverbindungen entwickeln, und deshalb ist dieses Projekt ein sehr wichtiger erster Schritt.“ [11]

Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte als integraler Mittel von Diplomatie und auch regionaler Dominanz sind nicht neu, die Schritte Chinas in diese Richtung sind jedoch von großer Bedeutung und lassen Indien und andere regionale Akteure aufhorchen. Wie Moammar Gaddafi auf einem Treffen von Studenten in Oxford hinwies [12], kurz bevor er von NATO-gestützten Verbrechern ermordet wurde [13], steht die Welt nun vor der Wahl zwischen zwei Modellen diplomatischer Dominanz und politischem Einfluss: Dem amerikanischen Modell – das er als „einen harten, groben Ansatz“ bezeichnete, der „Soldaten, Waffen und Militärbasen“ umfasst – und dem chinesischen Ansatz.

„China belehrt afrikanische Länder nicht im Hinblick auf ihr Regierungssystem, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, gute Regierungsführung oder dergleichen“, erklärte Gaddafi. „China mischt sich nie in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. Es werden keine Soldaten, Militärbasen oder militärische Kommandos eingesetzt. Über 600 chinesische Unternehmen sind bereits tief in Afrika verwurzelt. Verschiedene chinesische Gruppen haben begonnen, sich in Afrika niederzulassen. Das ist Chinas weicher Ansatz.

„Wegen dieses sanften Ansatzes sind die Chinesen bei den Afrikanern sehr willkommen. Dies wird zweifellos zum Nutzen Chinas sein. Die Afrikaner sind gegenüber den USA wegen ihres harten Vorgehens sehr skeptisch. Das belegt die Dummheit der amerikanischen Vorgehensweise.“

Meine Stammleser kennen meine Position: es ist ein manipuliertes Spiel mit manipulierten Würfeln. Die internationale „Oberklasse“ [14], die keinem bestimmten Land verpflichtet ist, bereitet sich darauf vor, das amerikanische Imperium als Motor der globalen Vorherrschaft zugunsten eines multilateralen, BRICS-geführten und vom IWF verwalteten, globalistischen Sklavenstaat aufzugeben. Aber eines kann man wirklich über eine Zeit sagen, in der es bei den wichtigsten geopolitischen Streitigkeiten um konkurrierende Entwicklungs- und Infra­strukturprojekte geht und nicht um die Bedrohung durch einen totalen thermonuklearen Krieg: Hoffentlich ist dies ein Trend, der anhält.