Medienkritik:

Die Reaktionen der deutschen Medien auf Trumps Wahlsieg

Von Jens Berger , veröffentlicht am: 27. November 2016, Kategorien:

Erschreckend ist, dass keiner der Leitartikler zwischen Symptomen und Ursache zu unterscheiden weiß und die offensichtliche Frage stellt, warum die Amerikaner sich vom Establishment abgewendet haben.

 

Die Ahnungslosen und die Arroganten

Beginnen wir mit einem Highlight von Roland Nelles, der ja auch schon gegen Sanders gehetzt hat. Hätten die Demokraten Sanders nicht kaltgestellt, hätten sie vielleicht die nötigen Stimmen bekommen:

„Sieg des Zerstörers

Donald Trump wird der nächste US-Präsident. Das ist eine politische Katastrophe – für Amerika, für die Welt. Ein Kommentar von Roland Nelles

[…] Plumper Populismus hat über die Vernunft  gesiegt. Trumps Erfolg ist ein Schock für all jene, die auf die politische Weisheit der amerikanischen Wähler gesetzt hatten. Der Immobilientycoon hat
den Amerikanern einen grundlegenden Politikwechsel versprochen, und sie sind seinen Versprechungen mit einer – wenn auch knappen – Mehrheit gefolgt. Die US-Wähler haben sich für einen Wandel entschieden, von dem noch niemand genau sagen kann, wie er eigentlich aussehen wird. Nach Trumps islamophoben, nationalistischen, menschenverachtenden Auftritten im Wahlkampf lässt sich nur eines sicher vorhersagen: Gut wird es wohl nicht werden. […]

Was der Welt, was Amerika deshalb jetzt droht, ist eine gefährliche Phase der Instabilität.“ Quelle: SPON

 

Den Staffelstab nimmt FAZ-Nachwuchsautor Stefan Tomik auf, der sich an einer Wahlanalyse versucht und dabei erwartungsgemäß im Seichten an der Oberfläche bleibt und Inhalte meidet:

„Die weiße Revolution

Weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss verschafften Donald Trump einen riesigen Vorsprung. Schwarze, Latinos und Frauen unterstützten Hillary Clinton nicht so wie erhofft. Eine Wahlanalyse.

Laut den Daten der „New York Times“ konnte Trump weitaus mehr Stimmen weißer Amerikaner ohne Hochschulabschluss für sich gewinnen als die republikanischen Kandidaten vorheriger Wahlen. Sein Vorsprung gegenüber Clinton liegt bei etwa 40 Prozentpunkten. Weiße mit Hochschulabschluss tendierten weniger stark zu ihm, wählten ihn in der Mehrheit aber dennoch.“ Quelle: FAZ (1)

 

Am gleichen Vorhaben versucht sich Marcel Pauly in der WELT und scheitert ebenfalls auf ganzer Linie:

„Trumps Sieg ist weiß, männlich, bildungsschwach

Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit. In den USA sind die Weißen in der Mehrheit. Und sie haben sich überwiegend Donald Trump als neuen Präsidenten gewünscht.

Nicht mal ein Drittel der Hispanics und Asiaten votierte für ihn, bei den Schwarzen waren es laut Nachwahlbefragungen des Senders CNN gerade noch acht Prozent. Dennoch: Trump schneidet bei den Minderheiten immer noch etwas besser ab als der Republikaner Mitt Romney vor vier Jahren.

Seine Mehrheit aber beschaffte sich Trump bei der weißen Bevölkerung. Außerdem stimmten weniger gebildete Menschen vermehrt für ihn, Wähler mit höherem Bildungsabschluss entschieden sich hingegen mehrheitlich für die Demokratin Hillary Clinton. Sie hatte außerdem mehr Frauen auf ihrer Seite, die Trump-Anhänger sind dagegen überwiegend männlich.

Kombiniert man die Merkmale Geschlecht, Bildung und Ethnie, wird die Kernwählerschaft Trumps besonders deutlich: Sie ist weiß, männlich und besitzt keinen Hochschulabschluss. Auf jeden sechsten wahlberechtigten Amerikaner trifft diese Kombination zu. Drei Viertel von ihnen haben für Trump gestimmt.
Quelle: Welt (1)

 

Überall Populisten sieht Thilo Kößler im Deutschlandfunk:

„Der Sieg des Populismus

Wenn Donald Trump jetzt davon spricht, er wolle der Präsident aller Amerikaner sein, muss das in den Ohren all jener wie Spott klingen, die er verletzt, verhöhnt und vor den Kopf gestoßen hat. Donald Trump war kein Preis zu hoch, um seine Anhängerschaft unter der weißen, ländlichen Bevölkerung zu mobilisieren: Sie hat seine Botschaft „Make America great again“ buchstabiert als: Make America white again. Und: Make America male again. Das war eine rückwärtsgewandte Wahl. Nur wenige Jahrzehnte, ehe in den Vereinigten Staaten die Minderheiten in der Mehrheit sein werden, hat sich das weiße und männliche Amerika noch einmal mit aller Kraft aufgebäumt. Donald Trumps Anti-Establishment-Wahlkampf hat allerdings auch deshalb so gut verfangen, weil er in Hillary Clinton genau die Exponentin jener alten Eliten fand, die er für die Ängste und Befürchtungen, für die Wut und den Hass seiner Klientel verantwortlich machen konnte.

Niemand weiß, was sein Credo „America first“ für die künftige US-Außenpolitik zu bedeuten hat. Seine Vorstellungen über den Umgang mit Russland, mit dem Iran, mit dem Syrienkonflikt und dem Nahen Osten insgesamt legen den Verdacht nahe, dass Donald Trump sein Land in Richtung eines wirtschaftlichen und politischen Nationalismus führen möchte. Das sieht in der Tat alles nicht vertrauenserweckend aus. Und kann so jedenfalls nicht gut gehen.“ Quelle: Deutschlandfunk

 

Essayistisch geht SZ-Feuilletonchef Andrian Kreye ans Thema und demonstriert dabei, wie hochnäsig und arrogant so mancher Feuilletonist über das gemeine Volk denkt:

„Der Spuk geht jetzt erst los

Hillary Clintons Wähler hatten vor allem Angst vor Donald Trump, vor seinen Ausbrüchen und Egomanien, die nur so lange lustig waren, wie er seine Geschäftspartner im Immobilien- und Kasinogeschäft über den Tisch zog oder sich im Realityfernsehen aufplusterte.

Sie hatten Angst vor seinen Horden aus dem Herzland (Heartland) mit ihrem Bildungsmangel, ihrem Hass und ihrem Weltbild, das aus einer Zeit stammt, die die meisten im Land erleichtert hinter sich gelassen haben. Diese Horden haben dann doch so viel Macht entwickelt, dass sie einen wie Trump bis zum Wahlsieg tragen konnten.“ Quelle: SZ (1)

 

Voll von Häme ist auch die „Analyse“ des SZ-Nachwuchsschreibers Sebastian Kreye:

„Sieg des Enthemmten

Präsident Trump: Für viele ist die schlimmste Furcht zur Wirklichkeit geworden. Die USA wenden sich einer autoritären Führungsfigur zu – die Demokratie steht vor einer historischen Herausforderung.

Das war kein Wahlkampf. Das war eine nationale Krise. Und an ihrem nur vorläufigen Ende steht die größte anzunehmende Katastrophe: Donald Trump ist US-Präsident. Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden.

Ein Narzisst, ein notorischer Lügner, ein Sexist, ein Rassist, ein Chauvinist, ein Populist, ein Demagoge – vielfach belegt in diesem anderthalbjährigen Wahlkampf, so drastisch es auch klingen mag – ist nun das, was man gemeinhin mächtigster Mann der Welt nennt. Die Vorstellungskraft auch vieler Politiker reicht noch nicht aus, um die Folgen dieser Wahl abzuschätzen. Dass er die USA in gewaltige Probleme stürzen wird, ist jedenfalls keine sonderlich gewagte Vorhersage.“ Quelle: SZ (2)

 

 

Bei Hubertus Volmer von n-tv verschwinden die Grenzen zwischen einem journalistischen Artikel und einem Troll-Kommentar schon beinahe vollends:

„Das größte „Fuck you“ aller Zeiten

Donald Trump ist ein narzisstischer Demagoge, der keine Skrupel, keine Moral und keinen Anstand kennt. Gewählt wurde er nicht deshalb, sondern weil er es geschafft hat, für Veränderung zu stehen.

Trump hat das Gefühl von Leuten getroffen, die glauben, sie seien zu kurz gekommen. Der linke Filmemacher Michael Moore, der erst Bernie Sanders, dann Clinton unterstützte, hat es auf den Punkt gebracht: Für seine Wähler sei Trump „ein menschlicher Molotow-Cocktail“, sein Sieg werde „das größte ‚Fuck you‘ aller Zeiten“ sein, „und es wird sich gut anfühlen“ – jedenfalls für den Moment.“ Quelle: n-tv

 

 

Wie ein zurückgewiesener Liebhaber wirkt Tagesspiegel-Washington-Korrespondent Christoph von Marschall, der Hillary Clinton in einer hanebüchenen Naivität verklärt und Trump ebenso hanebüchen verteufelt.

„Die Rache der weißen Männer

Nationen können sich ihre Zukunft verbauen, wenn sie Fehler machen. Dabei denkt man zuerst an Regierungen, die politische oder ökonomische Irrwege einschlagen oder gar Kriege provozieren. Abschreckende Beispiele sind Baschar al Assad, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, aber auch David Cameron. Mitunter verbauen sich Gesellschaften jedoch die Zukunft selbst, weil sie falsche Weichenstellungen in demokratischen Abstimmungen legitimieren.

Präsident Donald Trump? Das ist verstörend, ja: ein Skandal. Bei allen berechtigten Einwänden gegen Hillary Clinton dürfte keine Frage sein, wer von beiden besser vorbereitet ist auf das wichtigste Wahlamt der Welt. Clinton selbstverständlich. Und ebenso, wer sich durch das Auftreten im Wahlkampf disqualifiziert hat. Trump hat eine hasserfüllte Kampagne geführt, die von Prahlerei und frei erfundenen Anklagen nur so strotzte.

Man hätte Amerika – und seinen Partnern, für die vieles von diesem Wahlausgang abhängt – gewünscht, dass der Alptraum im Zuge der Wahlnacht in Erleichterung umschlägt. Erleichterung, was der Welt alles erspart bliebe, wenn Trump nicht Präsident wird. Keine Verwerfung an den Börsen wegen seiner Unberechenbarkeit und der Drohung mit hohen Strafzöllen gegen Mexiko und China. Kein Rückzug der USA aus ihrer weltpolitischen Verantwortung; keine Schwächung der Nato, die wie eine Einladung an Putin wirkt, zu testen, wie weit er nun gehen kann. Keine verantwortungslose Steuersenkung, die nach Berechnung der Experten zu einer Verdreifachung der US- Schulden führen würde.“ Quelle: Tagesspiegel

 

Diese Analysen strotzen von Arroganz: „Weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss verschafften Donald Trump einen riesigen Vorsprung.“ Besteht ganz Deutschland nur aus Akademikern? Was sollte hier die Konsequenz sein? Die Wiedereinführung des Klassenwahlrechtes? Aus der Ecke der AfD gab es ja schon einmal den Vorschlag, Arbeitslosen und Hartz-IV Beziehern das Wahlrecht zu entziehen. Das schlägt in dieselbe Kerbe wie Gedankenspiele nach dem Brexit, den angeblich die älteren Wähler zu verantworten hatten, das Wahlrecht nach Lebensalter zu limitieren. Die Leser der „Qualitätszeitungen“ sollten genau hinhören. Die Edelfedern der großen deutschen Zeitungen halten also Menschen ohne Hochschulabschluss für unfähig, Wahlentscheidungen zu treffen. Damit liefern die deutschen „Qualtätsjournalisten“ interessanterweise, ohne es selbst zu merken, die Antwort auf die Frage, warum Trump gewählt wurde und warum die AfD gewählt wird.

 

Die Falken und  Transatlantiker

Den Reigen der überzeugten Transatlantiker eröffnet Berthold Kohler, seines Zeichens Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kohler macht sich vor allem Sorgen darüber, wie das „Bündnissystem des Westens“ aussehen könnte, wenn die USA sich nicht mehr so sehr als „Ordnungsmacht“ engagieren:

„Amerikas Abwendung von der Welt

Trumps Triumph erschüttert die europäische Politik in mehrfacher Weise. Das angeschlagene Bündnis- und Politiksystem des Westens könnte vor einer Revolution stehen.

Trump hatte zu außenpolitischen Fragen viel Wirres und Widersprüchliches von sich gegeben, das jedoch einen gemeinsamen Nenner aufwies: die Rückbesinnung Amerikas auf sich selbst und den Rückzug aus den komplizierten Agenden der Weltpolitik, ob die Sicherheit, das Klima oder den Freihandel betreffend.

In Amerika brachte ihm dieser Neoisolationismus nach dem Motto „Der Starke ist am mächtigsten allein“ den Zuspruch der wachsenden Schicht ein, die sich als Verlierer der Globalisierung sieht. Sie wird von der Sehnsucht nach einer guten alten Zeit getrieben und vom Hass auf jene, die für deren Untergang verantwortlich gemacht werden. Die Abwendung von der Welt erschüttert nicht nur die andere Hälfte der Amerikaner, sondern auch alle Politiker im Ausland, die Amerikas Engagement als Ordnungsmacht und Verbündeter im internationalen System für unverzichtbar halten. Quelle: FAZ (2)

 

Da darf natürlich auch Klaus-Dieter Frankenberger, Ressortleiter Außenpolitik bei der FAZ, nicht fehlen. Auch Frankenberger ist vor allem für seine transatlantische Netzwerkarbeit bekannt und ärgert sich in seinem FAZ-Artikel auch darüber, dass Trump nun seiner Meinung nach einen „Wirtschaftsnationalismus“ anstelle des „internationalen Handels“ setzen will:

„Der Rächer im Weißen Haus

Vor seinem Sieg haben sich viele gefürchtet. Aber er ist Wirklichkeit geworden – weil der „Aufstand des Populismus“ mächtiger war als alle Warnungen vor Trumps Unberechenbarkeit.

Es ist so gekommen, weil der „Aufstand des Populismus“ mächtiger war als alle Warnungen vor Trumps Unberechenbarkeit; weil die weißen Arbeiter von der globalisierungskritischen, den internationalen Handel geißelnden Botschaft des Demagogen in republikanischen Kleidern angezogen wurden. Trump mobilisierte weiße Wähler auf dem Land und vor allem in den alten Industriestaaten, wie das nicht für möglich gehalten wurde. Sein Populismus und sein Wirtschaftsnationalismus kamen bei den sogenannten einfachen Leuten gut an, die sich von der politischen Elite nicht vertreten, von der wirtschaftlichen Elite ausgenommen und von der Kulturelite verachtet und verhöhnt fühlen. Trump ist es gelungen, diese Frustration und Verbitterung erfolgreich anzuzapfen. Alle Vermutungen, dass traditionelle republikanische Wähler sich von Trumps Krawallrhetorik angewidert abwenden würden, erwiesen sich als Gerede.“ Quelle: FAZ (3)

 

Und wenn die Transatlantiker zum Angriff blasen, darf natürlich auch Carsten Luther von der ZEIT nicht fehlen:

„Der Ernstfall

Donald Trump war lange nur ein schlechter Scherz. Jetzt wird er Präsident. Die Welt muss sich fürchten vor dem, was diesem unberechenbaren Mann als Nächstes einfällt.

Ein totalitärer Blender und betrügerischer Dilettant hat es geschafft, sich ins Weiße Haus wählen zu lassen. Donald Trump ist ein epochales Desaster, das nicht nur dieses große Land und seine Demokratie auf Jahre hinaus verändern wird. Die ganze Welt wird die Auswirkungen dieses Fehlers spüren.

Viele hielten es für einen Scherz, als Trump im vorigen Jahr seine Kandidatur ankündigte: Soll er doch, solange es ihm Spaß macht – und uns. Fast eineinhalb Jahre ist das her, heute lacht niemand mehr. Jetzt steht ein sexuell übergriffiger Rassist, pathologischer Lügner und nervöser Egomane an der Spitze der Vereinigten Staaten: Indiskutabel für alle, die an Demokratie und Menschenrechte oder wenigstens an den gesunden Verstand der Menschen im Allgemeinen, der Amerikaner im Besonderen glauben. Verdammt, sie hatten nur einen Job: diesen Mann zu verhindern!

Wer Trump gewählt hat, mag das als Protest gegen das Establishment verstanden haben – ist damit aber fraglos Teil eines antidemokratischen Aufruhrs geworden, dessen Antreiber nicht mehr an viel glauben, was einen modernen Staat zusammenhält.“ Quelle: Zeit (1)

 

In blanker Panik ist offenbar Bernd Ulrich, transatlantischer Netzwerker und Leiter des Politikressorts bei der ZEIT, der Europa nun auffordert, „die westlichen Werte“ gegen Trump zu verteidigen.

„Ganz unten … aber nicht am Ende

Ein gefährlicher Mann zieht ins Weiße Haus ein. Warum Europa jetzt die westlichen Werte verteidigen muss – und das auch kann.

Neunundneunzig Jahre hat das amerikanische Jahrhundert gedauert. Es begann am 6. April 1917 mit dem Eintritt der USA in den großen europäischen Krieg und endete in der Nacht zum Mittwoch, dem 9. November 2016, als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Dieser Mann ähnelt mehr den monarchischen Hasardeuren und faschistischen Führern, die den alten Kontinent mehrfach ins Unglück geführt haben, als allen seinen modernen Vorgängern im Weißen Haus.

Donald Trump ist kein Freund.

Gewiss nicht von Deutschland und seiner Kanzlerin. Sie verkörpert von allem das Gegenteil eines Donald Trump. Sie ist besonnen, rational, diszipliniert, sie kontrolliert ihre Affekte, diese Frau ist, kurzum, nicht besessen von sich selbst. Sie und er werden von Stund’ an die Antipoden der westlichen Welt sein.“ Quelle: Zeit (2)

 

Trump wird zwischen den Zeilen als Faschist bezeichnet, obwohl der „War on Terror“, den sein „moderner“ Vorgänger George W. Bush entfesselte im Irak, in Afghanistan und Pakistan 1,3 Millionen Tote gekostet hat. Obwohl sein „moderner“ Vorgänger Barack Obama Libyen bombardieren ließ, den Drohnenkrieg exzessiv forciert und den syrischen Bürgerkrieg angezettelt hat. Bisher klebt kein Tropfen Blut an den Händen Trumps. Die Hände von Ex-Außenministerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Clinton triefen dagegen davon.

Die Freihandelsfreunde und Talkshowökonomen

Der neoliberale Talkshow-Ökonom und Springer-Kolumnist Thomas Straubhaar darf in der WELT den Apokalyptischen Reiter geben:

„Das ist das Ende des American Way of Life

Jetzt ist es passiert. Was (zu) lange niemand für möglich hielt, ist geschehen: Donald Trump wird US-Präsident. Und anders als sein Vorgänger Barack Obama wird der neue Mann im Weißen Haus von einer eigenen Mehrheit im Repräsentantenhaus getragen. Damit wird die größte und wichtigste Volkswirtschaft der Welt von einem Mann regiert werden, für den das eigene Interesse zuerst kommt und dessen Wahlprogramm weder berechenbar noch wünschenswert war – nicht für die Weltwirtschaft, nicht für Europa, nicht für Deutschland.

Auch wenn Trump verspricht, alles anders zu machen als das verhasste Establishment der Vergangenheit, ermöglicht die Wahlentscheidung keinen Neubeginn für die USA. Vielmehr ist sie das Ende des „American Way of Life“.

Donald Trump wurde von vielen gewählt, die sich selbst als Loser einschätzen. Von Unzufriedenen, die überzeugt sind, dass früher alles besser war, als es heute ist. Von Konservativen, die in Schwarz und Weiß trennen und sich mit einfachen Antworten auf komplexe Probleme abspeisen lassen. Quelle: Welt (2)

 

Ähnlich im Inhalt, wenn auch etwa moderater im Ton gibt sich SZ-Chefredakteur Kurt Kister, der Trump hämisch zum „wirkmächtigsten Verbündeten“ von Attac und den Grünen erklärt. Warum? Weil Trump TTIP ablehnt. Abseits der Redaktionsstuben dürfte ihm das zumindest in Deutschland jedoch eher Zustimmung verschaffen:

„Amerika wählt den großen Spalter

Donald Trump ist ein Nationalist, der sich als Patriot ausgibt. Sein Patriotismus hat rassistische Züge, wie sich nicht nur an seinen Bemerkungen zum Beispiel über Amerikaner mexikanischer Abstammung belegen lässt. Als Nationalist redet er auch der wirtschaftlichen Abschottung und einem (Straf-) Zollsystem das Wort. Was die Organisation des Freihandels, speziell TTIP angeht, ist der Rechtspopulist Trump der wohl wirkmächtigste Verbündete von Attac oder den Grünen: Seine Wahl bedeutet das Ende von TTIP.“ Quelle: SZ (3)

 

Und die Moral von der Geschicht’?

„Trump und „Breitbart“ triumphieren über das Establishment

Noch nie zuvor hatte sich die klassische Medienlandschaft der USA so deutlich gegen einen Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen. Die New York Times unterstützte Hillary Clinton, ebenso wie das renommierte Atlantic-Magazin, das überhaupt erst zum dritten Mal in seiner langen Geschichte eine Wahlempfehlung veröffentlichte. Die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten jedoch wollten nicht auf die Leitmedien ihres Landes hören. Je weiter die Wahlnacht voranschreitet, desto deutlicher wird: das Amerika der Medien und das Amerika der Wähler, das sind zwei unterschiedliche Länder.

CNN-Mann Blitzer ringt am Morgen um eine Erklärung: „In diesem Land gibt es eine tief sitzende Wut auf das Establishment.“ Die großen US-Medien haben den Kontakt zu einem Großteil der Menschen ihres Landes verloren. Nach vielen Stunden stehen Blitzer und seine Kollegen von MSNBC bis Fox News noch immer im gleißenden Licht ihrer Ergebnis-Tafeln und hochmodernen Umfrage-Grafiken. Aber Erleuchtung finden sie dort keine.“ Quelle: SZ  (4)

Was soll man sagen, mit Trumps Wahlsieg scheint die Meinungsmache und Meinungsmacht der „Qualitätsmedien“ zumindest in den USA endlich gebrochen zu sein. Viele amerikanische Bürger haben sich gegen die Interessen des Establishments entschieden – ob die Entscheidung klug war oder nicht, ist eine andere Frage – und in der deutschen Medienlandschaft ist der Teufel los. Das Toben der deutschen „Qualitätsmedien“ gegen Trump ist auch ein Manifest der Furcht, dass dies auch in Deutschland geschehen könnte.

 

Dieser Text wurde zuerst am 10.11.2016 auf den Nachdenkseiten unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=35765> veröffentlicht. (Lizenz: CC-BY-2.0)

 

 

Medienkritik:

Die Reaktionen der deutschen Medien auf Trumps Wahlsieg

Von Jens Berger , veröffentlicht am: 27. November 2016, Kategorien:

Erschreckend ist, dass keiner der Leitartikler zwischen Symptomen und Ursache zu unterscheiden weiß und die offensichtliche Frage stellt, warum die Amerikaner sich vom Establishment abgewendet haben.

 

Die Ahnungslosen und die Arroganten

Beginnen wir mit einem Highlight von Roland Nelles, der ja auch schon gegen Sanders gehetzt hat. Hätten die Demokraten Sanders nicht kaltgestellt, hätten sie vielleicht die nötigen Stimmen bekommen:

„Sieg des Zerstörers

Donald Trump wird der nächste US-Präsident. Das ist eine politische Katastrophe – für Amerika, für die Welt. Ein Kommentar von Roland Nelles

[…] Plumper Populismus hat über die Vernunft  gesiegt. Trumps Erfolg ist ein Schock für all jene, die auf die politische Weisheit der amerikanischen Wähler gesetzt hatten. Der Immobilientycoon hat
den Amerikanern einen grundlegenden Politikwechsel versprochen, und sie sind seinen Versprechungen mit einer – wenn auch knappen – Mehrheit gefolgt. Die US-Wähler haben sich für einen Wandel entschieden, von dem noch niemand genau sagen kann, wie er eigentlich aussehen wird. Nach Trumps islamophoben, nationalistischen, menschenverachtenden Auftritten im Wahlkampf lässt sich nur eines sicher vorhersagen: Gut wird es wohl nicht werden. […]

Was der Welt, was Amerika deshalb jetzt droht, ist eine gefährliche Phase der Instabilität.“ Quelle: SPON

 

Den Staffelstab nimmt FAZ-Nachwuchsautor Stefan Tomik auf, der sich an einer Wahlanalyse versucht und dabei erwartungsgemäß im Seichten an der Oberfläche bleibt und Inhalte meidet:

„Die weiße Revolution

Weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss verschafften Donald Trump einen riesigen Vorsprung. Schwarze, Latinos und Frauen unterstützten Hillary Clinton nicht so wie erhofft. Eine Wahlanalyse.

Laut den Daten der „New York Times“ konnte Trump weitaus mehr Stimmen weißer Amerikaner ohne Hochschulabschluss für sich gewinnen als die republikanischen Kandidaten vorheriger Wahlen. Sein Vorsprung gegenüber Clinton liegt bei etwa 40 Prozentpunkten. Weiße mit Hochschulabschluss tendierten weniger stark zu ihm, wählten ihn in der Mehrheit aber dennoch.“ Quelle: FAZ (1)

 

Am gleichen Vorhaben versucht sich Marcel Pauly in der WELT und scheitert ebenfalls auf ganzer Linie:

„Trumps Sieg ist weiß, männlich, bildungsschwach

Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit. In den USA sind die Weißen in der Mehrheit. Und sie haben sich überwiegend Donald Trump als neuen Präsidenten gewünscht.

Nicht mal ein Drittel der Hispanics und Asiaten votierte für ihn, bei den Schwarzen waren es laut Nachwahlbefragungen des Senders CNN gerade noch acht Prozent. Dennoch: Trump schneidet bei den Minderheiten immer noch etwas besser ab als der Republikaner Mitt Romney vor vier Jahren.

Seine Mehrheit aber beschaffte sich Trump bei der weißen Bevölkerung. Außerdem stimmten weniger gebildete Menschen vermehrt für ihn, Wähler mit höherem Bildungsabschluss entschieden sich hingegen mehrheitlich für die Demokratin Hillary Clinton. Sie hatte außerdem mehr Frauen auf ihrer Seite, die Trump-Anhänger sind dagegen überwiegend männlich.

Kombiniert man die Merkmale Geschlecht, Bildung und Ethnie, wird die Kernwählerschaft Trumps besonders deutlich: Sie ist weiß, männlich und besitzt keinen Hochschulabschluss. Auf jeden sechsten wahlberechtigten Amerikaner trifft diese Kombination zu. Drei Viertel von ihnen haben für Trump gestimmt.
Quelle: Welt (1)

 

Überall Populisten sieht Thilo Kößler im Deutschlandfunk:

„Der Sieg des Populismus

Wenn Donald Trump jetzt davon spricht, er wolle der Präsident aller Amerikaner sein, muss das in den Ohren all jener wie Spott klingen, die er verletzt, verhöhnt und vor den Kopf gestoßen hat. Donald Trump war kein Preis zu hoch, um seine Anhängerschaft unter der weißen, ländlichen Bevölkerung zu mobilisieren: Sie hat seine Botschaft „Make America great again“ buchstabiert als: Make America white again. Und: Make America male again. Das war eine rückwärtsgewandte Wahl. Nur wenige Jahrzehnte, ehe in den Vereinigten Staaten die Minderheiten in der Mehrheit sein werden, hat sich das weiße und männliche Amerika noch einmal mit aller Kraft aufgebäumt. Donald Trumps Anti-Establishment-Wahlkampf hat allerdings auch deshalb so gut verfangen, weil er in Hillary Clinton genau die Exponentin jener alten Eliten fand, die er für die Ängste und Befürchtungen, für die Wut und den Hass seiner Klientel verantwortlich machen konnte.

Niemand weiß, was sein Credo „America first“ für die künftige US-Außenpolitik zu bedeuten hat. Seine Vorstellungen über den Umgang mit Russland, mit dem Iran, mit dem Syrienkonflikt und dem Nahen Osten insgesamt legen den Verdacht nahe, dass Donald Trump sein Land in Richtung eines wirtschaftlichen und politischen Nationalismus führen möchte. Das sieht in der Tat alles nicht vertrauenserweckend aus. Und kann so jedenfalls nicht gut gehen.“ Quelle: Deutschlandfunk

 

Essayistisch geht SZ-Feuilletonchef Andrian Kreye ans Thema und demonstriert dabei, wie hochnäsig und arrogant so mancher Feuilletonist über das gemeine Volk denkt:

„Der Spuk geht jetzt erst los

Hillary Clintons Wähler hatten vor allem Angst vor Donald Trump, vor seinen Ausbrüchen und Egomanien, die nur so lange lustig waren, wie er seine Geschäftspartner im Immobilien- und Kasinogeschäft über den Tisch zog oder sich im Realityfernsehen aufplusterte.

Sie hatten Angst vor seinen Horden aus dem Herzland (Heartland) mit ihrem Bildungsmangel, ihrem Hass und ihrem Weltbild, das aus einer Zeit stammt, die die meisten im Land erleichtert hinter sich gelassen haben. Diese Horden haben dann doch so viel Macht entwickelt, dass sie einen wie Trump bis zum Wahlsieg tragen konnten.“ Quelle: SZ (1)

 

Voll von Häme ist auch die „Analyse“ des SZ-Nachwuchsschreibers Sebastian Kreye:

„Sieg des Enthemmten

Präsident Trump: Für viele ist die schlimmste Furcht zur Wirklichkeit geworden. Die USA wenden sich einer autoritären Führungsfigur zu – die Demokratie steht vor einer historischen Herausforderung.

Das war kein Wahlkampf. Das war eine nationale Krise. Und an ihrem nur vorläufigen Ende steht die größte anzunehmende Katastrophe: Donald Trump ist US-Präsident. Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden.

Ein Narzisst, ein notorischer Lügner, ein Sexist, ein Rassist, ein Chauvinist, ein Populist, ein Demagoge – vielfach belegt in diesem anderthalbjährigen Wahlkampf, so drastisch es auch klingen mag – ist nun das, was man gemeinhin mächtigster Mann der Welt nennt. Die Vorstellungskraft auch vieler Politiker reicht noch nicht aus, um die Folgen dieser Wahl abzuschätzen. Dass er die USA in gewaltige Probleme stürzen wird, ist jedenfalls keine sonderlich gewagte Vorhersage.“ Quelle: SZ (2)

 

 

Bei Hubertus Volmer von n-tv verschwinden die Grenzen zwischen einem journalistischen Artikel und einem Troll-Kommentar schon beinahe vollends:

„Das größte „Fuck you“ aller Zeiten

Donald Trump ist ein narzisstischer Demagoge, der keine Skrupel, keine Moral und keinen Anstand kennt. Gewählt wurde er nicht deshalb, sondern weil er es geschafft hat, für Veränderung zu stehen.

Trump hat das Gefühl von Leuten getroffen, die glauben, sie seien zu kurz gekommen. Der linke Filmemacher Michael Moore, der erst Bernie Sanders, dann Clinton unterstützte, hat es auf den Punkt gebracht: Für seine Wähler sei Trump „ein menschlicher Molotow-Cocktail“, sein Sieg werde „das größte ‚Fuck you‘ aller Zeiten“ sein, „und es wird sich gut anfühlen“ – jedenfalls für den Moment.“ Quelle: n-tv

 

 

Wie ein zurückgewiesener Liebhaber wirkt Tagesspiegel-Washington-Korrespondent Christoph von Marschall, der Hillary Clinton in einer hanebüchenen Naivität verklärt und Trump ebenso hanebüchen verteufelt.

„Die Rache der weißen Männer

Nationen können sich ihre Zukunft verbauen, wenn sie Fehler machen. Dabei denkt man zuerst an Regierungen, die politische oder ökonomische Irrwege einschlagen oder gar Kriege provozieren. Abschreckende Beispiele sind Baschar al Assad, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, aber auch David Cameron. Mitunter verbauen sich Gesellschaften jedoch die Zukunft selbst, weil sie falsche Weichenstellungen in demokratischen Abstimmungen legitimieren.

Präsident Donald Trump? Das ist verstörend, ja: ein Skandal. Bei allen berechtigten Einwänden gegen Hillary Clinton dürfte keine Frage sein, wer von beiden besser vorbereitet ist auf das wichtigste Wahlamt der Welt. Clinton selbstverständlich. Und ebenso, wer sich durch das Auftreten im Wahlkampf disqualifiziert hat. Trump hat eine hasserfüllte Kampagne geführt, die von Prahlerei und frei erfundenen Anklagen nur so strotzte.

Man hätte Amerika – und seinen Partnern, für die vieles von diesem Wahlausgang abhängt – gewünscht, dass der Alptraum im Zuge der Wahlnacht in Erleichterung umschlägt. Erleichterung, was der Welt alles erspart bliebe, wenn Trump nicht Präsident wird. Keine Verwerfung an den Börsen wegen seiner Unberechenbarkeit und der Drohung mit hohen Strafzöllen gegen Mexiko und China. Kein Rückzug der USA aus ihrer weltpolitischen Verantwortung; keine Schwächung der Nato, die wie eine Einladung an Putin wirkt, zu testen, wie weit er nun gehen kann. Keine verantwortungslose Steuersenkung, die nach Berechnung der Experten zu einer Verdreifachung der US- Schulden führen würde.“ Quelle: Tagesspiegel

 

Diese Analysen strotzen von Arroganz: „Weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss verschafften Donald Trump einen riesigen Vorsprung.“ Besteht ganz Deutschland nur aus Akademikern? Was sollte hier die Konsequenz sein? Die Wiedereinführung des Klassenwahlrechtes? Aus der Ecke der AfD gab es ja schon einmal den Vorschlag, Arbeitslosen und Hartz-IV Beziehern das Wahlrecht zu entziehen. Das schlägt in dieselbe Kerbe wie Gedankenspiele nach dem Brexit, den angeblich die älteren Wähler zu verantworten hatten, das Wahlrecht nach Lebensalter zu limitieren. Die Leser der „Qualitätszeitungen“ sollten genau hinhören. Die Edelfedern der großen deutschen Zeitungen halten also Menschen ohne Hochschulabschluss für unfähig, Wahlentscheidungen zu treffen. Damit liefern die deutschen „Qualtätsjournalisten“ interessanterweise, ohne es selbst zu merken, die Antwort auf die Frage, warum Trump gewählt wurde und warum die AfD gewählt wird.

 

Die Falken und  Transatlantiker

Den Reigen der überzeugten Transatlantiker eröffnet Berthold Kohler, seines Zeichens Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kohler macht sich vor allem Sorgen darüber, wie das „Bündnissystem des Westens“ aussehen könnte, wenn die USA sich nicht mehr so sehr als „Ordnungsmacht“ engagieren:

„Amerikas Abwendung von der Welt

Trumps Triumph erschüttert die europäische Politik in mehrfacher Weise. Das angeschlagene Bündnis- und Politiksystem des Westens könnte vor einer Revolution stehen.

Trump hatte zu außenpolitischen Fragen viel Wirres und Widersprüchliches von sich gegeben, das jedoch einen gemeinsamen Nenner aufwies: die Rückbesinnung Amerikas auf sich selbst und den Rückzug aus den komplizierten Agenden der Weltpolitik, ob die Sicherheit, das Klima oder den Freihandel betreffend.

In Amerika brachte ihm dieser Neoisolationismus nach dem Motto „Der Starke ist am mächtigsten allein“ den Zuspruch der wachsenden Schicht ein, die sich als Verlierer der Globalisierung sieht. Sie wird von der Sehnsucht nach einer guten alten Zeit getrieben und vom Hass auf jene, die für deren Untergang verantwortlich gemacht werden. Die Abwendung von der Welt erschüttert nicht nur die andere Hälfte der Amerikaner, sondern auch alle Politiker im Ausland, die Amerikas Engagement als Ordnungsmacht und Verbündeter im internationalen System für unverzichtbar halten. Quelle: FAZ (2)

 

Da darf natürlich auch Klaus-Dieter Frankenberger, Ressortleiter Außenpolitik bei der FAZ, nicht fehlen. Auch Frankenberger ist vor allem für seine transatlantische Netzwerkarbeit bekannt und ärgert sich in seinem FAZ-Artikel auch darüber, dass Trump nun seiner Meinung nach einen „Wirtschaftsnationalismus“ anstelle des „internationalen Handels“ setzen will:

„Der Rächer im Weißen Haus

Vor seinem Sieg haben sich viele gefürchtet. Aber er ist Wirklichkeit geworden – weil der „Aufstand des Populismus“ mächtiger war als alle Warnungen vor Trumps Unberechenbarkeit.

Es ist so gekommen, weil der „Aufstand des Populismus“ mächtiger war als alle Warnungen vor Trumps Unberechenbarkeit; weil die weißen Arbeiter von der globalisierungskritischen, den internationalen Handel geißelnden Botschaft des Demagogen in republikanischen Kleidern angezogen wurden. Trump mobilisierte weiße Wähler auf dem Land und vor allem in den alten Industriestaaten, wie das nicht für möglich gehalten wurde. Sein Populismus und sein Wirtschaftsnationalismus kamen bei den sogenannten einfachen Leuten gut an, die sich von der politischen Elite nicht vertreten, von der wirtschaftlichen Elite ausgenommen und von der Kulturelite verachtet und verhöhnt fühlen. Trump ist es gelungen, diese Frustration und Verbitterung erfolgreich anzuzapfen. Alle Vermutungen, dass traditionelle republikanische Wähler sich von Trumps Krawallrhetorik angewidert abwenden würden, erwiesen sich als Gerede.“ Quelle: FAZ (3)

 

Und wenn die Transatlantiker zum Angriff blasen, darf natürlich auch Carsten Luther von der ZEIT nicht fehlen:

„Der Ernstfall

Donald Trump war lange nur ein schlechter Scherz. Jetzt wird er Präsident. Die Welt muss sich fürchten vor dem, was diesem unberechenbaren Mann als Nächstes einfällt.

Ein totalitärer Blender und betrügerischer Dilettant hat es geschafft, sich ins Weiße Haus wählen zu lassen. Donald Trump ist ein epochales Desaster, das nicht nur dieses große Land und seine Demokratie auf Jahre hinaus verändern wird. Die ganze Welt wird die Auswirkungen dieses Fehlers spüren.

Viele hielten es für einen Scherz, als Trump im vorigen Jahr seine Kandidatur ankündigte: Soll er doch, solange es ihm Spaß macht – und uns. Fast eineinhalb Jahre ist das her, heute lacht niemand mehr. Jetzt steht ein sexuell übergriffiger Rassist, pathologischer Lügner und nervöser Egomane an der Spitze der Vereinigten Staaten: Indiskutabel für alle, die an Demokratie und Menschenrechte oder wenigstens an den gesunden Verstand der Menschen im Allgemeinen, der Amerikaner im Besonderen glauben. Verdammt, sie hatten nur einen Job: diesen Mann zu verhindern!

Wer Trump gewählt hat, mag das als Protest gegen das Establishment verstanden haben – ist damit aber fraglos Teil eines antidemokratischen Aufruhrs geworden, dessen Antreiber nicht mehr an viel glauben, was einen modernen Staat zusammenhält.“ Quelle: Zeit (1)

 

In blanker Panik ist offenbar Bernd Ulrich, transatlantischer Netzwerker und Leiter des Politikressorts bei der ZEIT, der Europa nun auffordert, „die westlichen Werte“ gegen Trump zu verteidigen.

„Ganz unten … aber nicht am Ende

Ein gefährlicher Mann zieht ins Weiße Haus ein. Warum Europa jetzt die westlichen Werte verteidigen muss – und das auch kann.

Neunundneunzig Jahre hat das amerikanische Jahrhundert gedauert. Es begann am 6. April 1917 mit dem Eintritt der USA in den großen europäischen Krieg und endete in der Nacht zum Mittwoch, dem 9. November 2016, als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Dieser Mann ähnelt mehr den monarchischen Hasardeuren und faschistischen Führern, die den alten Kontinent mehrfach ins Unglück geführt haben, als allen seinen modernen Vorgängern im Weißen Haus.

Donald Trump ist kein Freund.

Gewiss nicht von Deutschland und seiner Kanzlerin. Sie verkörpert von allem das Gegenteil eines Donald Trump. Sie ist besonnen, rational, diszipliniert, sie kontrolliert ihre Affekte, diese Frau ist, kurzum, nicht besessen von sich selbst. Sie und er werden von Stund’ an die Antipoden der westlichen Welt sein.“ Quelle: Zeit (2)

 

Trump wird zwischen den Zeilen als Faschist bezeichnet, obwohl der „War on Terror“, den sein „moderner“ Vorgänger George W. Bush entfesselte im Irak, in Afghanistan und Pakistan 1,3 Millionen Tote gekostet hat. Obwohl sein „moderner“ Vorgänger Barack Obama Libyen bombardieren ließ, den Drohnenkrieg exzessiv forciert und den syrischen Bürgerkrieg angezettelt hat. Bisher klebt kein Tropfen Blut an den Händen Trumps. Die Hände von Ex-Außenministerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Clinton triefen dagegen davon.

Die Freihandelsfreunde und Talkshowökonomen

Der neoliberale Talkshow-Ökonom und Springer-Kolumnist Thomas Straubhaar darf in der WELT den Apokalyptischen Reiter geben:

„Das ist das Ende des American Way of Life

Jetzt ist es passiert. Was (zu) lange niemand für möglich hielt, ist geschehen: Donald Trump wird US-Präsident. Und anders als sein Vorgänger Barack Obama wird der neue Mann im Weißen Haus von einer eigenen Mehrheit im Repräsentantenhaus getragen. Damit wird die größte und wichtigste Volkswirtschaft der Welt von einem Mann regiert werden, für den das eigene Interesse zuerst kommt und dessen Wahlprogramm weder berechenbar noch wünschenswert war – nicht für die Weltwirtschaft, nicht für Europa, nicht für Deutschland.

Auch wenn Trump verspricht, alles anders zu machen als das verhasste Establishment der Vergangenheit, ermöglicht die Wahlentscheidung keinen Neubeginn für die USA. Vielmehr ist sie das Ende des „American Way of Life“.

Donald Trump wurde von vielen gewählt, die sich selbst als Loser einschätzen. Von Unzufriedenen, die überzeugt sind, dass früher alles besser war, als es heute ist. Von Konservativen, die in Schwarz und Weiß trennen und sich mit einfachen Antworten auf komplexe Probleme abspeisen lassen. Quelle: Welt (2)

 

Ähnlich im Inhalt, wenn auch etwa moderater im Ton gibt sich SZ-Chefredakteur Kurt Kister, der Trump hämisch zum „wirkmächtigsten Verbündeten“ von Attac und den Grünen erklärt. Warum? Weil Trump TTIP ablehnt. Abseits der Redaktionsstuben dürfte ihm das zumindest in Deutschland jedoch eher Zustimmung verschaffen:

„Amerika wählt den großen Spalter

Donald Trump ist ein Nationalist, der sich als Patriot ausgibt. Sein Patriotismus hat rassistische Züge, wie sich nicht nur an seinen Bemerkungen zum Beispiel über Amerikaner mexikanischer Abstammung belegen lässt. Als Nationalist redet er auch der wirtschaftlichen Abschottung und einem (Straf-) Zollsystem das Wort. Was die Organisation des Freihandels, speziell TTIP angeht, ist der Rechtspopulist Trump der wohl wirkmächtigste Verbündete von Attac oder den Grünen: Seine Wahl bedeutet das Ende von TTIP.“ Quelle: SZ (3)

 

Und die Moral von der Geschicht’?

„Trump und „Breitbart“ triumphieren über das Establishment

Noch nie zuvor hatte sich die klassische Medienlandschaft der USA so deutlich gegen einen Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen. Die New York Times unterstützte Hillary Clinton, ebenso wie das renommierte Atlantic-Magazin, das überhaupt erst zum dritten Mal in seiner langen Geschichte eine Wahlempfehlung veröffentlichte. Die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten jedoch wollten nicht auf die Leitmedien ihres Landes hören. Je weiter die Wahlnacht voranschreitet, desto deutlicher wird: das Amerika der Medien und das Amerika der Wähler, das sind zwei unterschiedliche Länder.

CNN-Mann Blitzer ringt am Morgen um eine Erklärung: „In diesem Land gibt es eine tief sitzende Wut auf das Establishment.“ Die großen US-Medien haben den Kontakt zu einem Großteil der Menschen ihres Landes verloren. Nach vielen Stunden stehen Blitzer und seine Kollegen von MSNBC bis Fox News noch immer im gleißenden Licht ihrer Ergebnis-Tafeln und hochmodernen Umfrage-Grafiken. Aber Erleuchtung finden sie dort keine.“ Quelle: SZ  (4)

Was soll man sagen, mit Trumps Wahlsieg scheint die Meinungsmache und Meinungsmacht der „Qualitätsmedien“ zumindest in den USA endlich gebrochen zu sein. Viele amerikanische Bürger haben sich gegen die Interessen des Establishments entschieden – ob die Entscheidung klug war oder nicht, ist eine andere Frage – und in der deutschen Medienlandschaft ist der Teufel los. Das Toben der deutschen „Qualitätsmedien“ gegen Trump ist auch ein Manifest der Furcht, dass dies auch in Deutschland geschehen könnte.

 

Dieser Text wurde zuerst am 10.11.2016 auf den Nachdenkseiten unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=35765> veröffentlicht. (Lizenz: CC-BY-2.0)