Die klammheimliche Disziplinierung von Forschung

Forscher, die die Legitimität von US-Kriegen in Frage stellen, machen immer mehr die Erfahrung, dass sie aus ihren Positionen in Forschungs- und Medieninstitutionen verdrängt werden. Das Institut für Friedensforschung in Oslo (PRIO) [1], eine Institution, deren Forscher in der Vergangenheit Aggressionskriege kritisiert haben und die kaum als atomwaffen-freundlich bezeichnet werden kann, ist ein Beispiel dafür.

Von Published On: 12. April 2021Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 06.03.2021 auf www.worldbeyondwar.org unter der URL <https://worldbeyondwar.org/silently-disciplining-research/> veröffentlicht. Der norwegische Originalartikel wurde zuerst am 01.03.2021 auf www.nytid.no unter der URL <https://www.nytid.no/nar-man-i-stillhet-vil-disiplinere-forskningen/> veröffentlicht. Lizenz: © Ola Tunander / worldbeyondwar.org

Hauptgebäude des Internatonalen Peace Research Institute (PRIO) in Oslo. (Foto: GAD / commons.wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Forscher sollen nach Objektivität und Wahrheit streben. Aber sie lernen, ihre Forschungsthemen so auszuwählen und Schlussfolgerungen so zu ziehen, dass diese den Erwartungen der Behörden und des Managements entsprechen. Dies, obwohl die akademische Freiheit in Norwegen durch die „Freiheit, sich öffentlich auszudrücken“, „die Freiheit, neue Ideen zu fördern“ und „freie Wahl von Methode und Material“ festgeschrieben ist. Im heutigen gesellschaftlichen Diskurs scheint Meinungsfreiheit auf das Recht beschränkt zu sein, die ethnische Zugehörigkeit oder Religion anderer Menschen zu verunglimpfen.

Bei Meinungsfreiheit sollte es um das Recht gehen, Macht und Gesellschaft zu hinterfragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Möglichkeit, sich als Forscher frei auszudrücken, in den letzten 20 Jahren zunehmend eingeschränkt wurde. Wie sind wir in diese Lage geraten?

Das folgende sind meine Erfahrungen als Forscher

Fast 30 Jahre lang, von 1987 bis 2017, habe ich am Friedensforschungsinstitut Oslo (PRIO), gearbeitet. Nach meiner Promotion 1989 verantwortete ich als leitender Forscher das Programm des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik. Ich erhielt meine Professur im Jahr 2000 und schrieb und redigierte eine Reihe von Büchern über internationale Politik und Sicherheitspolitik.

Nach dem Libyen-Krieg 2011 schrieb ich in einem Buch, das auf schwedisch erschien, über diesen Krieg. Es dokumentierte, wie westliche Bomber Operationen mit islamistischen Rebellen und Bodentruppen aus Katar koordinierten, um die libysche Armee zu besiegen. (Ein weiteres Buch über den Libyen-Krieg von mir wurde 2018 auf Norwegisch veröffentlicht.) Westliche Länder hatten sich genau wie in Afghanistan in den 1980er Jahren mit radikalen Islamisten verbündet. In Libyen fielen Schwarzafrikaner ethnischen Säuberungen durch Islamisten zum Opfer, die Kriegsverbrechen begingen.

Gleichzeitig behaupteten die Medien, Muammar Gaddafi habe Zivilisten bombardiert und einen Völkermord in Bengasi geplant. US-Senator John McCain und Außenministerin Hillary Clinton sprachen von „einem neuen Ruanda“. Heute wissen wir, dass dies reine Falschinformation oder besser noch Desinformation war. In einem Sonderbericht aus dem Jahr 2016 wies der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des britischen Unterhauses alle Vorwürfe der Gewalt der Regierungstruppen gegen Zivilisten und der Androhung von Völkermord zurück. Dafür gab es keine Beweise. Der Krieg erwies sich als „Angriffskrieg“, mit anderen Worten „das schlimmste aller Verbrechen“, um das Nürnberger Tribunal zu zitieren.

Buchstart verweigert

Ich habe die schwedische Fassung meines Libyen-Buches im Dezember 2012 in Stockholm veröffentlicht und hatte ein Seminar zum gleichen Thema am PRIO (Peace Research Institute Oslo) in Oslo geplant. Meine Kollegin Hilde Henriksen Waage hatte gerade ihr Buch „Konflikt- und Großmachtpolitik im Nahen Osten“ in einem bis zum letzten Platz gefüllten Hörsaal am PRIO vorgestellt. Mir gefiel das Konzept, und der Leiter Öffentlichkeitsarbeit, mein direkter Vorgesetzter und ich beschlossen, ein ähnliches PRIO-Seminar zu meinem Buch „Geopolitik des Libyschen Krieges“ abzuhalten. Wir legten Datum, Ort und Ablauf fest. Ein ehemaliger Chef des norwegischen Geheimdienstes, General Alf Roar Berg, erklärte sich bereit, das Buch zu kommentieren. Er verfügte über Erfahrung aus dem Nahen Osten und aus zehn Jahren in Spitzenpositionen im Geheimdienst (in den 1980er und 1990er Jahren). Bergs Amtskollege in den USA war der Direktor der CIA, Robert Gates, der 2011 Verteidigungsminister war. Er hatte auch Berg in Oslo besucht.

Gates stand als Kritiker des Libyen-Krieges im Konflikt mit Außenministerin Hillary Clinton. Diese hatte sogar die erfolgreichen Verhandlungen des US Africa Command [2] mit der libyschen Regierung gestoppt. Sie wollte keine Verhandlungen, sondern Krieg, und beeinflusste Präsident Barack Obama entsprechend. Auf die Frage, ob amerikanische Streitkräfte teilnehmen, antwortete Gates: „Nicht solange ich diesen Job habe.“ Kurz darauf gab er seinen Rücktritt bekannt. Alf Roar Berg war genauso kritisch gewesen wie Gates.

Als der damalige PRIO-Direktor Kristian Berg Harpviken über mein Libyen-Seminar informiert wurde, reagierte er scharf. Er schlug stattdessen ein „internes Seminar“ oder ein Panel „zum arabischen Frühling“ vor, wollte aber kein öffentliches Seminar zu diesem Buch abhalten. Er wollte nicht mit einem kritischen Buch über den Krieg in Verbindung gebracht werden. Vor allem: Er wollte nahezu keine Kritik an Außenministerin Hillary Clinton oder ihren Bodentruppen aus Katar, die im Krieg eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Harpviken hatte bei PRIO Gespräche mit dem Außenminister von Katar geführt. Und Clintons Mann in Oslo, Botschafter Barry White, war Gast der privaten Geburtstagsfeier des PRIO-Direktors.

PRIO hat sich in den USA etabliert

PRIO hatte auch die Peace Research Endowment (PRE) in den Vereinigten Staaten gegründet. Im Vorstand war General Anthony Zinni, der Chef des Zentral-Kommandos von Präsident Bill Clinton. Er hatte 1998 die Bombardierung des Irak angeführt (Operation Desert Fox). Neben seiner Vorstandsmitgliedschaft bei PRE war er US-Vorstandsvorsitzender für den vielleicht korruptesten Waffenhersteller der Welt, BAE Systems. Dieser Konzern hatte bereits in den 1990er Jahren Bestechungsgelder für saudische Prinzen in der Größenordnung von 150 Milliarden norwegischen Kronen zum heutigen Geldwert gezahlt (ca. 14.78 Milliarden Euro, Anm.d.Red.).

Joe R. Reeder, Vorsitzender des von PRIO gegründeten PRE. War Präsident Clintons Unterstaatssekretär der Armee und half bei der Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton. Er war Vorstandsmitglied der US National Defense Industrial Association und schloss bereits in dem Monat, in dem der Irak-Krieg begann, Verträge im Irak ab. Er war in der Rechtsabteilung einer Lobby-Firma in zentraler Verantwortung, die 2011 den Libyenkrieg der Rebellen vermarktete. (Foto: Scott Davis / commons.wikimedia.org / CC0)

Vorsitzender des von PRIO gegründeten PRE war Präsident Clintons Unterstaatssekretär der Armee, Joe Reeder, der bei der Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton half. Er war Vorstandsmitglied der US National Defense Industrial Association und schloss bereits in dem Monat, in dem der Irak-Krieg begann, Verträge im Irak ab. Er war in der Rechtsabteilung einer Lobby-Firma in zentraler Verantwortung, die 2011 den Libyenkrieg der Rebellen vermarktete.

Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der mangelnden Bereitschaft von PRIO, den Krieg in Libyen zu kritisieren, und der Bindung von PRIO an das militärisch-industrielle Netzwerk der Familie Clinton.

Zum PRE-Vorstand gehörte aber auch der ehemalige republikanische Gouverneur und PRIO-Kontakt, David Beasley, jetzt Leiter des Welternährungsprogramms und Friedensnobelpreisträger im Jahr 2020. Er wurde von Präsident Trumps ehemaliger UN-Botschafterin Nikki Haley für diese Position nominiert, die wie Hillary Clinton einen „humanitären Krieg“ gegen Syrien angedroht hatte. Was auch immer die Erklärung sein mag, meine Untersuchung dieser Kriege war bei der PRIO-Führung nicht beliebt.

In einer E-Mail vom 14. Januar 2013 beschrieb Direktor Harpviken mein schwedisches Buch über den Libyen-Krieg als „zutiefst problematisch“. Er forderte einen „Qualitäts-Sicherungs-Mechanismus“, damit PRIO künftig „ähnliche Pannen verhindern“ könne. Während PRIO mein Libyen-Buch für inakzeptabel hielt, hielt ich auf der jährlichen GLOBSEC-Konferenz (gilt als die bedeutendste sicherheitspolitische Konferenz in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Anm.d.Red.) in Bratislava einen Vortrag über den Libyen-Krieg. Mein Amtskollege war einer der engsten Assistenten von Verteidigungsminister Robert Gates. Unter den Teilnehmern waren Minister und sicherheitspolitische Berater wie Zbigniew Brzezinski.

Ausbreitung des Krieges im Nahen Osten und in Afrika

Heute wissen wir, dass der Krieg 2011 Libyen auf Jahrzehnte hinaus zerstört hat. Die Waffen des libyschen Staates wurden an radikale Islamisten im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika verteilt. Mehr als zehntausend Boden-Luft-Raketen zum Abschießen von Flugzeugen landeten in den Händen der verschiedenen Terroristen. Hunderte bewaffneter Kämpfer und eine große Anzahl von Waffen wurden von Bengasi nach Aleppo in Syrien geschafft – mit katastrophalen Folgen. Die Bürgerkriege in diesen Ländern, in Libyen, Mali und Syrien, waren eine direkte Folge der Zerstörung des libyschen Staates.

Hillary Clintons Berater Sidney Blumenthal schrieb, dass ein Sieg in Libyen den Weg für einen Sieg in Syrien ebnen könnte, als ob diese Kriege nur eine Fortsetzung der neokonservativen Kriege wären, die mit dem Irak begannen, mit Libyen, Syrien, Libanon weitergeführt wurden und mit dem Iran enden sollten. Der Krieg gegen Libyen brachte auch Länder wie Nordkorea dazu, ihr Interesse an Atomwaffen zu verstärken. Libyen hatte sein Atomwaffenprogramm 2003 gegen Garantien der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, nicht anzugreifen, beendet. Trotzdem griffen sie an. Nordkorea erkannte, dass US-britische Garantien wertlos waren. Mit anderen Worten, der Libyen-Krieg wurde zu einer treibenden Kraft für die Verbreitung von Atomwaffen.

Man könnte sich fragen, warum PRIO mit Gelehrten, die historisch gesehen alle Angriffskriege kritisiert haben und kaum zu den Befürwortern von Atomwaffen gehörten, nun versucht, jegliche Kritik an einem solchen Krieg zu stoppen und sich gleichzeitig mit dem problematischen Teil des militärisch-industriellen Komplexes zu verbünden?

Diese Entwicklung könnte eine generelle Neuausrichtung der Forschung widerspiegeln. Forschungsinstitute müssen finanziert werden, und seit dem Jahr 2000 müssen Forscher ihre eigene Finanzierung sicherstellen. Dementsprechend mussten sie ihre Forschung und Schlussfolgerungen auch an die Interessen der Geldgeber anpassen. Während der gemeinsamen Mahlzeiten bei PRIO schien es wichtiger, über die Finanzierung von Projekten zu diskutieren, als über aktuelle Forschungsfragen.

Ich glaube aber auch, dass es andere, besondere Gründe für den radikalen Wandel von PRIO gibt.

„Ein gerechter Krieg“

Erstens hat sich PRIO in den letzten zehn Jahren zunehmend mit dem Thema „gerechter Krieg“ befasst, wobei die Zeitschrift für Militärethik [3] eine zentrale Rolle spielt. Die Zeitschrift wurde von Henrik Syse und Greg Reichberg (die auch im PRE-Vorstand saßen) herausgegeben. Ihr Denken basiert auf Thomas von Aquins Idee eines „gerechten Krieges“, ein Konzept, das auch in der Dankesrede von Präsident Barack Obama für die Verleihung des Friedensnobelpreis 2009 von Bedeutung war.

Aber jeder Krieg strebt eine „humanitäre“ Legitimation an. 2003 wurde behauptet, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen. Und in Libyen im Jahr 2011 soll Muammar Gaddafi in Bengasi mit Völkermord gedroht haben. Aber beides waren Beispiele für grobe Desinformation. Darüber hinaus sind die Folgen eines Krieges naturgemäß nicht vorhersehbar. Der Begriff „gerechter Krieg“ wird seit 2000 verwendet, um die verschiedensten Angriffskriege zu legitimieren, was in allen Fällen katastrophale Folgen hatte.

1997 fragte mich der damalige PRIO-Direktor Dan Smith, ob wir Henrik Syse einstellen sollten, ein bekannter norwegischer Konservativer. Ich kannte Syses Vorgesetzten aufgrund seiner Promotion und hielt das für eine gute Idee. Ich dachte, Syse könnte PRIO zu einer größeren öffentlichen Wahrnehmung verhelfen. Ich hatte damals keine Ahnung, dass dies zusammen mit den Punkten, die ich unten anführe, letztendlich jegliches Interesse an Realpolitik, militärischer Entspannung und der Aufdeckung militärpolitischer Aggression ersticken würde.

„Ein demokratischer Frieden“

Zweitens haben PRIO-Forscher gemeinsam mit der Zeitschrift für Friedensforschung die These vom „demokratischen Frieden“ entwickelt. Sie glaubten zeigen zu können, dass demokratische Staaten keinen Krieg gegeneinander führen. Es wurde jedoch klar, dass es Sache des Angreifers – der Vereinigten Staaten – war, zu definieren, wer demokratisch ist und wer nicht, wie beispielsweise im Fall Serbien. Vielleicht waren die Vereinigten Staaten selber nicht so demokratisch. Vielleicht gab es wichtigere Argumente, wie zum Beispiel wirtschaftliche Interessen.

Für die Neokonservativen legitimierte die These des „demokratischen Friedens“ aber jeden Angriffskrieg. Ein Krieg gegen den Irak oder Libyen könne „der Demokratie den Weg“ ebnen und damit den Frieden in der Zukunft sichern, sagten sie. Auch der eine oder andere Forscher am PRIO unterstützte diese Idee. Für sie war die Idee des „gerechten Krieges“ mit der These des „demokratischen Friedens“ vereinbar. Dies führte in der Praxis zu der These, dass dem Westen das Recht eingeräumt werden sollte, in nichtwestlichen Ländern einzugreifen.

Destabilisierung

Drittens wurden mehrere PRIO-Mitarbeiter vom amerikanischen Wissenschaftler Gene Sharp beeinflusst. Er setzte sich für einen Regimewechsel ein, indem er zu Massendemonstrationen mobilisierte, um „Diktaturen“ zu stürzen. Derartige „Farbrevolutionen“ wurden von den Vereinigten Staaten unterstützt und waren eine Form der Destabilisierung, die sich vor allem gegen Länder richtete, die mit Moskau oder Peking verbündet waren. Dabei berücksichtigten sie nicht, inwieweit eine solche Destabilisierung einen globalen Konflikt auslösen könnte. Sharp war einst Favorit der PRIO-Führung für den Friedensnobelpreis.

Farbrevolutionen, durchgeführt nach den Anleitungen von Gene Sharp. Dabei sollen Massendemonstrationen für einen Regimewechsel eingesetzt werden. (Grafik: Free21 frei nach Aris Katsaris / commons.wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Sharps Grundidee war, dass sich die Tür zur Demokratie öffnen würde, wenn der Diktator und seine Anhänger vertrieben würden. Es zeigte sich schnell, dass dies viel zu simplifiziert war. Angeblich spielten Sharps Ideen in Ägypten beim arabischen Frühling und für die Muslimbruderschaft eine Rolle. Aber durch ihre Übernahme eskalierte die Krise. In Libyen und Syrien wurde behauptet, friedliche Demonstranten protestierten gegen die Gewalt der Diktatur. Allerdings wurden diese Demonstranten vom ersten Tag an durch militärische Gewalt islamistischer Aufständischer „unterstützt“. Die Unterstützung der Aufstände durch die Medien wurde von Instituten wie dem PRIO nie kontrovers diskutiert, was katastrophale Folgen hatte.

Die PRIO Jahreskonferenz

Viertens wurde die Teilnahme von PRIO an internationalen Friedensforschungs- und Pugwash-Konferenzen [4] (Beiträge zu Fragen der

atomaren Bedrohung, von bewaffneten Konflikten und Problemen der globalen Sicherheit, Anm.d Red.) in den 1980er und 1990er Jahren durch die Teilnahme an politikwissenschaftlichen Konferenzen in den USA ersetzt. Die große jährliche Konferenz für PRIO ist derzeit die International Studies Association (ISA) Convention [5]. Sie findet jährlich in den USA oder Kanada mit mehr als 6.000 Teilnehmern hauptsächlich aus den USA statt, aber auch aus Europa und anderen Ländern nehmen Menschen teil. Der Präsident der ISA wird für ein Jahr gewählt und ist seit 1959, mit wenigen Ausnahmen, ein US-Amerikaner: In den Jahren 2008–2009 war Nils Petter Gleditsch Präsident von PRIO.

PRIO-Forscher haben sich auch mit Universitäten und Forschungsinstituten in den USA vernetzt, wie der Brookings Institution und der Jamestown Foundation (gegründet 1984 mit Unterstützung des damaligen CIA-Direktors William Casey). PRIO ist aufgrund der zahlreichen US-amerikanischen Forscher zunehmend „US-amerikanisch“ geworden. Ich möchte hinzufügen, dass das norwegische Institut für internationale Angelegenheiten (NUPI) [6] dagegen eher „europäisch“ ist.

Von Vietnam nach Afghanistan

Fünftens ist die Entwicklung bei PRIO eine Frage von Generationsunterschieden. Während meine Generation die von den USA in den 1960er Jahren initiierten Staatsstreiche und Bombenangriffe auf Vietnam sowie das Töten von Millionen von Menschen erlebt hatte, war die spätere Führung von PRIO durch den sowjetischen Krieg in Afghanistan und die Unterstützung der USA für islamische Aufständische im Kampf gegen die Sowjetunion geprägt. In den frühen neunziger Jahren war PRIOs späterer Direktor Kristian Berg Harpviken Vorsitzender des norwegischen Afghanistan-Komitees in Peshawar (in Pakistan nahe der Grenze zu Afghanistan), wo Hilfsorganisationen in den achtziger Jahren Seite an Seite mit Geheimdiensten und radikalen Islamisten lebten.

Hillary Clinton behauptete 2008, dass es in den 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten einen politischen Konsens für die Unterstützung radikaler Islamisten gegeben habe – genau wie sie 2011 die Islamisten in Libyen unterstützte. In den 1980er Jahren war jedoch noch nicht bekannt, dass die Vereinigten Staaten mit der CIA hinter dem Krieg in Afghanistan stand, indem sie die Aufstände bereits im Juli 1979 förderte, mit der Absicht, die Sowjets dazu zu bringen, ihre Verbündeten in Kabul zu unterstützen.

Auf diese Weise hatten die Vereinigten Staaten „die Gelegenheit, der Sowjetunion ihren Vietnamkrieg zu bereiten“, um den Sicherheitsberater von Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, zu zitieren (siehe auch den späteren Verteidigungsminister Robert Gates). Brzezinski war selbst für die Operation verantwortlich. In den 1980er Jahren war auch noch nicht bekannt, dass sich die gesamte sowjetische Militärführung gegen den Krieg ausgesprochen hatte.

Für die neue Generation bei PRIO wurden die Vereinigten Staaten und die islamischen Aufständischen als Verbündete im Konflikt mit Moskau angesehen.

Die Realitäten der Macht

Ich habe meine Doktorarbeit in den 1980er Jahren über die Seestrategie der USA und die nordeuropäische Geopolitik verfasst. Sie wurde 1989 als Buch veröffentlicht und stand auf dem Lehrplan des US Naval War College. Kurz gesagt, ich war ein Wissenschaftler, der die „Realitäten der Macht“ erkannte. Aber streng normativ sah ich bereits in den frühen 1980er Jahren eine Gelegenheit für Entspannung zwischen den großen Machtblöcken, wie es auch Willy Brandt und später Olof Palme in Schweden sahen. Nach dem Kalten Krieg diskutierten wir mit Diplomaten darüber, um eine praktische Lösung für die Differenzen zwischen Osten und Westen im hohen Norden zu finden. Dies führte zur Zusammenarbeit in der Region um die Barentssee.

1994 war ich Mitherausgeber eines englischen Buches mit dem Titel „The Barents Region“, mit Beiträgen von Forschern sowie des norwegischen Außenministers Johan Jørgen Holst und seines russischen Kollegen Andrei Kosyrev – mit einem Vorwort des ehemaligen Außenministers Thorvald Stoltenberg. Ich habe auch Bücher über europäische Entwicklungs- und Sicherheitspolitik geschrieben und herausgegeben, Konferenzen besucht und weltweit Vorträge gehalten.

Ola Tunander bei der Vorstellung seines Buches: „Der schwedische U-Bootkrieg“, am Norwegischen Institut für International Affairs (NUPI). (Foto: NUPI / Twitter: <https://twitter.com/nupinytt/status/1232596202409123840>)

Mein Buch über europäische Geopolitik aus dem Jahr 1997 stand auf dem Lehrplan der Universität Oxford. Ich nahm 2001 als ziviler Experte an der offiziellen schwedischen U-Boot-Untersuchung teil, und nach meinen Büchern über U-Boot-Operationen in den Jahren 2001 und 2004 spielte meine Arbeit eine zentrale Rolle bei der Erstellung des offiziellen dänischen Berichts: „Dänemark während des Kalten Krieges“ (2005). Dieser Bericht benannte Bücher und Berichte von mir und vom Chefhistoriker der CIA, Benjamin Fischer, als wichtigste Beiträge zum Verständnis des Programms für psychologische Operationen von Präsident Reagan.

Mein neues „U-Boot-Buch“ (2019) wurde im Februar 2020 bei NUPI und nicht bei PRIO mit Kommentaren Sverre Lodgaards, dem ehemaligen Direktor beider Institutionen, veröffentlicht.

Möglicher Forschungsleiter

Nach meiner Ernennung zum Forschungsprofessor (Forscher 1, entspricht zwei Promotionen) im Jahr 2000 schrieb ich Bücher und Artikel und bewertete Artikel für die Kennedy School of Government an der Harvard University und das Royal United Service Institute. Ich saß im Beirat für eine Zeitschrift an der London School of Economics und im Vorstand der Nordic International Studies Association. 2008 bewarb ich mich um die neue Stelle des Forschungsdirektors am NUPI. Der Leiter Jan Egeland verfügte nicht über die erforderlichen akademischen Qualifikationen. Ein internationales Komitee wurde bestimmt, um die Bewerber zu prüfen. Es stellte sich heraus, dass nur drei von ihnen für die Position qualifiziert waren: ein belgischer Forscher, Iver B. Neumann am NUPI und ich. Neumann bekam schließlich diesen Posten – als einer der qualifiziertesten Wissenschaftler der Welt zum Thema „Theorie der internationalen Beziehungen“.

Ironischerweise wollte mir mein Direktor am PRIO einen „akademischen Betreuer“ aufdrängen, obwohl ich als ausreichend qualifiziert eingestuft wurde, die Forschungsarbeiten am norwegischen Institut für internationale Angelegenheiten zu leiten. Derartige Erfahrungen werden wahrscheinlich die meisten Menschen von jeglicher kritischer Arbeit abhalten.

Forschung ist akribische Arbeit. Forscher entwickeln ihre Arbeiten normalerweise auf der Basis von Kommentaren qualifizierter Kollegen. Das Manuskript wird dann an eine akademische Zeitschrift oder einen Verlag gesendet, der es qualifizierten Prüfern anonym ermöglicht, den Beitrag abzulehnen oder zu genehmigen (durch sogenannte „Peer Reviews“). Das erfordert normalerweise zusätzliche Arbeit. Diese akribische akademische Tradition reichte dem PRIO-Management jedoch nicht aus. Sie wollten alles, was ich geschrieben habe, überprüfen.

Ein Artikel in der Modern Times

Am 26. Januar 2013 wurde ich in das Büro des Direktors beordert, nachdem ich in der norwegischen Wochenzeitung Ny Tid (Modern Times) einen Kommentar über Syrien publiziert hatte. Ich hatte Robert Mood, den UN-Sonderbeauftragten für Syrien, sowie den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan zitiert. Diese hatten gesagt, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates am 30. Juni 2011 alle eine „politische Einigung in Syrien“ vereinbart hätten, diese aber von westlichen Staaten „beim anschließenden Treffen“ in New York sabotiert wurden. Für PRIO war mein Zitieren inakzeptabel.

Am 14. Februar 2013 bat mich PRIO in einer E-Mail, „Qualitäts-Sicherungs-Maßnahmen [die] sich auf alle gedruckten Veröffentlichungen beziehen, einschließlich kürzerer Texte“ zu akzeptieren. Mir sollte eine Person zugeordnet werden, die sowohl meine akademischen Arbeiten als auch meine Kommentare prüfen sollte, bevor sie das Haus verlassen. Es ging de facto um eine neugeschaffene Position als „politischer Offizier“. Ich muss zugeben, ab diesem Moment konnte ich nicht mehr gut schlafen.

Ich erhielt jedoch Unterstützung von Professoren aus mehreren Ländern. Die norwegische Gewerkschaft (NTL) sagte, dass es nicht möglich sei, eine exklusive Regel für nur einen Mitarbeiter aufzustellen. Aber der Druck, alles zu kontrollieren was ich schreibe, war so stark, dass es nur durch den Einfluss der US-Amerikaner erklärt werden kann. Ein Kandidat für die Position als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Ronald Reagan erklärte mir unverblümt, dass das, was ich geschrieben habe, „Konsequenzen für mich haben würde“.

Die darauffolgende Zeit war bizarr. Wann immer ich einen Vortrag für sicherheitspolitische Institutionen halten sollte, wurden diese Institutionen sofort von bestimmten Personen kontaktiert, die den Vortrag verhindern wollten. Ich erfuhr, dass man, wenn man Fragen zur Legitimität der US-Kriege stellt, von Forschungs- und Medieninstitutionen unter Druck gesetzt wird. Amerikas berühmtester kritischer Journalist Seymour Hersh wurde zunächst von der New York Times und dann vom New Yorker gefeuert. Seine Artikel über das Massaker in My Lai (Vietnam, 1968) und Abu Ghraib (Irak, 2004) hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten. Aber Hersh kann nicht mehr in seinem Heimatland veröffentlichen. Glenn Greenwald, der mit Edward Snowden zusammengearbeitet und The Intercept mitbegründet hat, wurde im Oktober 2020 nach Zensur aus seinem eigenen Magazin gedrängt.

Gewerkschaftsunterstützung

Ich erhielt 1988 eine feste Stelle bei PRIO. Eine feste Stelle und die Unterstützung einer Gewerkschaft ist wahrscheinlich das Wichtigste für jeden Forscher, der ein gewisses Maß an akademischer Freiheit behalten möchte. Nach den Statuten von PRIO haben alle Forscher „volle Meinungsfreiheit“. Aber ohne Gewerkschaft, die einen durch Drohungen vor Gericht zu gehen, unterstützt, hat der einzelne Forscher kaum Mitspracherecht.

Im Frühjahr 2015 entschied das PRIO-Management, dass ich in den Ruhestand gehen sollte. Ich sagte, dass dies nicht in deren Ermessen lie,ge und dass ich erst mit meiner Gewerkschaft NTL Rücksprache halten müsse.

Mein direkter Vorgesetzter teilte mir mit, es sei egal, was die Gewerkschaft sagt. Die Entscheidung über meinen Ruhestand sei bereits getroffen. Jeden Tag, einen ganzen Monat lang, kam er in mein Büro, um mich zu überreden, in den Ruhestand zu gehen. Mir wurde klar, dass ich dies unmöglich auf Dauer aushalten kann.

Ich sprach mit einem ehemaligen PRIO-Vorstandsvorsitzenden, Bernt Bull, der meinte: „Sie dürfen nicht einmal daran denken, sich mit dem Management alleine zu treffen. Sie müssen die Gewerkschaft dabeihaben“. Dank einiger erfahrener NTL-Vertreter, die monatelang mit PRIO verhandelt hatten, erhielt ich im November 2015 eine adäquate Vereinbarung. Wir einigten uns, dass ich im Mai 2016 in den Ruhestand treten würde, aber das als emeritierter Forschungsprofessor bei PRIO mit uneingeschränktem Zugang zu „Computer, IT-Support, E-Mail und Zugriff auf die Bibliothek, so wie andere Forscher bei PRIO“.

Im Mai 2016 fand in Oslo das Seminar „Souveränität, Subs und PSYOP“ in Verbindung mit meiner Pensionierung statt. Dank unserer Vereinbarung hatte ich auch nach meiner Pensionierung weiterhin Zugang zu den Bürobereichen. Bei einem Treffen mit dem Direktor am 31. März 2017 schlug NTL vor, meine Zugangsberechtigung bis Ende 2018 zu verlängern, da ich nun entsprechende Mittel erhalten hatte. Der PRIO-Direktor sagte, er müsse sich mit anderen beraten, bevor er eine Entscheidung treffen könne.

Drei Tage später kehrte er, nachdem er am Wochenende nach Washington gereist war, zurück. Eine Vertragsverlängerung sei nicht akzeptabel. Erst nachdem NTL erneut mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, konnten wir eine Einigung erzielen.

Quellen:

[1] Peace Research Institute Oslo, <https://www.prio.org/>

[2] United States Africa Command, <https://www.africom.mil/>

[3] Peace Research Institute Oslo, „Journal of Military Ethics“, <https://www.prio.org/MilitaryEthics/>

[4] Universität Wien, „Pugwash: Kleiner Ort, große Geschichte“, am 03.05.2012, <https://medienportal.univie.ac.at/uniview/Veranstaltungen/detailansicht/artikel/pugwash-kleiner-ort-grosse-geschichte/>

[5] International Studies Association, <https://www.isanet.org/>

[6] Norsk Utenrikspolitisk Institutt, <https://www.nupi.no/>

Die klammheimliche Disziplinierung von Forschung

Forscher, die die Legitimität von US-Kriegen in Frage stellen, machen immer mehr die Erfahrung, dass sie aus ihren Positionen in Forschungs- und Medieninstitutionen verdrängt werden. Das Institut für Friedensforschung in Oslo (PRIO) [1], eine Institution, deren Forscher in der Vergangenheit Aggressionskriege kritisiert haben und die kaum als atomwaffen-freundlich bezeichnet werden kann, ist ein Beispiel dafür.

Von Published On: 12. April 2021Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am 06.03.2021 auf www.worldbeyondwar.org unter der URL <https://worldbeyondwar.org/silently-disciplining-research/> veröffentlicht. Der norwegische Originalartikel wurde zuerst am 01.03.2021 auf www.nytid.no unter der URL <https://www.nytid.no/nar-man-i-stillhet-vil-disiplinere-forskningen/> veröffentlicht. Lizenz: © Ola Tunander / worldbeyondwar.org

Hauptgebäude des Internatonalen Peace Research Institute (PRIO) in Oslo. (Foto: GAD / commons.wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Forscher sollen nach Objektivität und Wahrheit streben. Aber sie lernen, ihre Forschungsthemen so auszuwählen und Schlussfolgerungen so zu ziehen, dass diese den Erwartungen der Behörden und des Managements entsprechen. Dies, obwohl die akademische Freiheit in Norwegen durch die „Freiheit, sich öffentlich auszudrücken“, „die Freiheit, neue Ideen zu fördern“ und „freie Wahl von Methode und Material“ festgeschrieben ist. Im heutigen gesellschaftlichen Diskurs scheint Meinungsfreiheit auf das Recht beschränkt zu sein, die ethnische Zugehörigkeit oder Religion anderer Menschen zu verunglimpfen.

Bei Meinungsfreiheit sollte es um das Recht gehen, Macht und Gesellschaft zu hinterfragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Möglichkeit, sich als Forscher frei auszudrücken, in den letzten 20 Jahren zunehmend eingeschränkt wurde. Wie sind wir in diese Lage geraten?

Das folgende sind meine Erfahrungen als Forscher

Fast 30 Jahre lang, von 1987 bis 2017, habe ich am Friedensforschungsinstitut Oslo (PRIO), gearbeitet. Nach meiner Promotion 1989 verantwortete ich als leitender Forscher das Programm des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik. Ich erhielt meine Professur im Jahr 2000 und schrieb und redigierte eine Reihe von Büchern über internationale Politik und Sicherheitspolitik.

Nach dem Libyen-Krieg 2011 schrieb ich in einem Buch, das auf schwedisch erschien, über diesen Krieg. Es dokumentierte, wie westliche Bomber Operationen mit islamistischen Rebellen und Bodentruppen aus Katar koordinierten, um die libysche Armee zu besiegen. (Ein weiteres Buch über den Libyen-Krieg von mir wurde 2018 auf Norwegisch veröffentlicht.) Westliche Länder hatten sich genau wie in Afghanistan in den 1980er Jahren mit radikalen Islamisten verbündet. In Libyen fielen Schwarzafrikaner ethnischen Säuberungen durch Islamisten zum Opfer, die Kriegsverbrechen begingen.

Gleichzeitig behaupteten die Medien, Muammar Gaddafi habe Zivilisten bombardiert und einen Völkermord in Bengasi geplant. US-Senator John McCain und Außenministerin Hillary Clinton sprachen von „einem neuen Ruanda“. Heute wissen wir, dass dies reine Falschinformation oder besser noch Desinformation war. In einem Sonderbericht aus dem Jahr 2016 wies der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des britischen Unterhauses alle Vorwürfe der Gewalt der Regierungstruppen gegen Zivilisten und der Androhung von Völkermord zurück. Dafür gab es keine Beweise. Der Krieg erwies sich als „Angriffskrieg“, mit anderen Worten „das schlimmste aller Verbrechen“, um das Nürnberger Tribunal zu zitieren.

Buchstart verweigert

Ich habe die schwedische Fassung meines Libyen-Buches im Dezember 2012 in Stockholm veröffentlicht und hatte ein Seminar zum gleichen Thema am PRIO (Peace Research Institute Oslo) in Oslo geplant. Meine Kollegin Hilde Henriksen Waage hatte gerade ihr Buch „Konflikt- und Großmachtpolitik im Nahen Osten“ in einem bis zum letzten Platz gefüllten Hörsaal am PRIO vorgestellt. Mir gefiel das Konzept, und der Leiter Öffentlichkeitsarbeit, mein direkter Vorgesetzter und ich beschlossen, ein ähnliches PRIO-Seminar zu meinem Buch „Geopolitik des Libyschen Krieges“ abzuhalten. Wir legten Datum, Ort und Ablauf fest. Ein ehemaliger Chef des norwegischen Geheimdienstes, General Alf Roar Berg, erklärte sich bereit, das Buch zu kommentieren. Er verfügte über Erfahrung aus dem Nahen Osten und aus zehn Jahren in Spitzenpositionen im Geheimdienst (in den 1980er und 1990er Jahren). Bergs Amtskollege in den USA war der Direktor der CIA, Robert Gates, der 2011 Verteidigungsminister war. Er hatte auch Berg in Oslo besucht.

Gates stand als Kritiker des Libyen-Krieges im Konflikt mit Außenministerin Hillary Clinton. Diese hatte sogar die erfolgreichen Verhandlungen des US Africa Command [2] mit der libyschen Regierung gestoppt. Sie wollte keine Verhandlungen, sondern Krieg, und beeinflusste Präsident Barack Obama entsprechend. Auf die Frage, ob amerikanische Streitkräfte teilnehmen, antwortete Gates: „Nicht solange ich diesen Job habe.“ Kurz darauf gab er seinen Rücktritt bekannt. Alf Roar Berg war genauso kritisch gewesen wie Gates.

Als der damalige PRIO-Direktor Kristian Berg Harpviken über mein Libyen-Seminar informiert wurde, reagierte er scharf. Er schlug stattdessen ein „internes Seminar“ oder ein Panel „zum arabischen Frühling“ vor, wollte aber kein öffentliches Seminar zu diesem Buch abhalten. Er wollte nicht mit einem kritischen Buch über den Krieg in Verbindung gebracht werden. Vor allem: Er wollte nahezu keine Kritik an Außenministerin Hillary Clinton oder ihren Bodentruppen aus Katar, die im Krieg eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Harpviken hatte bei PRIO Gespräche mit dem Außenminister von Katar geführt. Und Clintons Mann in Oslo, Botschafter Barry White, war Gast der privaten Geburtstagsfeier des PRIO-Direktors.

PRIO hat sich in den USA etabliert

PRIO hatte auch die Peace Research Endowment (PRE) in den Vereinigten Staaten gegründet. Im Vorstand war General Anthony Zinni, der Chef des Zentral-Kommandos von Präsident Bill Clinton. Er hatte 1998 die Bombardierung des Irak angeführt (Operation Desert Fox). Neben seiner Vorstandsmitgliedschaft bei PRE war er US-Vorstandsvorsitzender für den vielleicht korruptesten Waffenhersteller der Welt, BAE Systems. Dieser Konzern hatte bereits in den 1990er Jahren Bestechungsgelder für saudische Prinzen in der Größenordnung von 150 Milliarden norwegischen Kronen zum heutigen Geldwert gezahlt (ca. 14.78 Milliarden Euro, Anm.d.Red.).

Joe R. Reeder, Vorsitzender des von PRIO gegründeten PRE. War Präsident Clintons Unterstaatssekretär der Armee und half bei der Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton. Er war Vorstandsmitglied der US National Defense Industrial Association und schloss bereits in dem Monat, in dem der Irak-Krieg begann, Verträge im Irak ab. Er war in der Rechtsabteilung einer Lobby-Firma in zentraler Verantwortung, die 2011 den Libyenkrieg der Rebellen vermarktete. (Foto: Scott Davis / commons.wikimedia.org / CC0)

Vorsitzender des von PRIO gegründeten PRE war Präsident Clintons Unterstaatssekretär der Armee, Joe Reeder, der bei der Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von Hillary Clinton half. Er war Vorstandsmitglied der US National Defense Industrial Association und schloss bereits in dem Monat, in dem der Irak-Krieg begann, Verträge im Irak ab. Er war in der Rechtsabteilung einer Lobby-Firma in zentraler Verantwortung, die 2011 den Libyenkrieg der Rebellen vermarktete.

Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der mangelnden Bereitschaft von PRIO, den Krieg in Libyen zu kritisieren, und der Bindung von PRIO an das militärisch-industrielle Netzwerk der Familie Clinton.

Zum PRE-Vorstand gehörte aber auch der ehemalige republikanische Gouverneur und PRIO-Kontakt, David Beasley, jetzt Leiter des Welternährungsprogramms und Friedensnobelpreisträger im Jahr 2020. Er wurde von Präsident Trumps ehemaliger UN-Botschafterin Nikki Haley für diese Position nominiert, die wie Hillary Clinton einen „humanitären Krieg“ gegen Syrien angedroht hatte. Was auch immer die Erklärung sein mag, meine Untersuchung dieser Kriege war bei der PRIO-Führung nicht beliebt.

In einer E-Mail vom 14. Januar 2013 beschrieb Direktor Harpviken mein schwedisches Buch über den Libyen-Krieg als „zutiefst problematisch“. Er forderte einen „Qualitäts-Sicherungs-Mechanismus“, damit PRIO künftig „ähnliche Pannen verhindern“ könne. Während PRIO mein Libyen-Buch für inakzeptabel hielt, hielt ich auf der jährlichen GLOBSEC-Konferenz (gilt als die bedeutendste sicherheitspolitische Konferenz in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Anm.d.Red.) in Bratislava einen Vortrag über den Libyen-Krieg. Mein Amtskollege war einer der engsten Assistenten von Verteidigungsminister Robert Gates. Unter den Teilnehmern waren Minister und sicherheitspolitische Berater wie Zbigniew Brzezinski.

Ausbreitung des Krieges im Nahen Osten und in Afrika

Heute wissen wir, dass der Krieg 2011 Libyen auf Jahrzehnte hinaus zerstört hat. Die Waffen des libyschen Staates wurden an radikale Islamisten im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika verteilt. Mehr als zehntausend Boden-Luft-Raketen zum Abschießen von Flugzeugen landeten in den Händen der verschiedenen Terroristen. Hunderte bewaffneter Kämpfer und eine große Anzahl von Waffen wurden von Bengasi nach Aleppo in Syrien geschafft – mit katastrophalen Folgen. Die Bürgerkriege in diesen Ländern, in Libyen, Mali und Syrien, waren eine direkte Folge der Zerstörung des libyschen Staates.

Hillary Clintons Berater Sidney Blumenthal schrieb, dass ein Sieg in Libyen den Weg für einen Sieg in Syrien ebnen könnte, als ob diese Kriege nur eine Fortsetzung der neokonservativen Kriege wären, die mit dem Irak begannen, mit Libyen, Syrien, Libanon weitergeführt wurden und mit dem Iran enden sollten. Der Krieg gegen Libyen brachte auch Länder wie Nordkorea dazu, ihr Interesse an Atomwaffen zu verstärken. Libyen hatte sein Atomwaffenprogramm 2003 gegen Garantien der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, nicht anzugreifen, beendet. Trotzdem griffen sie an. Nordkorea erkannte, dass US-britische Garantien wertlos waren. Mit anderen Worten, der Libyen-Krieg wurde zu einer treibenden Kraft für die Verbreitung von Atomwaffen.

Man könnte sich fragen, warum PRIO mit Gelehrten, die historisch gesehen alle Angriffskriege kritisiert haben und kaum zu den Befürwortern von Atomwaffen gehörten, nun versucht, jegliche Kritik an einem solchen Krieg zu stoppen und sich gleichzeitig mit dem problematischen Teil des militärisch-industriellen Komplexes zu verbünden?

Diese Entwicklung könnte eine generelle Neuausrichtung der Forschung widerspiegeln. Forschungsinstitute müssen finanziert werden, und seit dem Jahr 2000 müssen Forscher ihre eigene Finanzierung sicherstellen. Dementsprechend mussten sie ihre Forschung und Schlussfolgerungen auch an die Interessen der Geldgeber anpassen. Während der gemeinsamen Mahlzeiten bei PRIO schien es wichtiger, über die Finanzierung von Projekten zu diskutieren, als über aktuelle Forschungsfragen.

Ich glaube aber auch, dass es andere, besondere Gründe für den radikalen Wandel von PRIO gibt.

„Ein gerechter Krieg“

Erstens hat sich PRIO in den letzten zehn Jahren zunehmend mit dem Thema „gerechter Krieg“ befasst, wobei die Zeitschrift für Militärethik [3] eine zentrale Rolle spielt. Die Zeitschrift wurde von Henrik Syse und Greg Reichberg (die auch im PRE-Vorstand saßen) herausgegeben. Ihr Denken basiert auf Thomas von Aquins Idee eines „gerechten Krieges“, ein Konzept, das auch in der Dankesrede von Präsident Barack Obama für die Verleihung des Friedensnobelpreis 2009 von Bedeutung war.

Aber jeder Krieg strebt eine „humanitäre“ Legitimation an. 2003 wurde behauptet, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen. Und in Libyen im Jahr 2011 soll Muammar Gaddafi in Bengasi mit Völkermord gedroht haben. Aber beides waren Beispiele für grobe Desinformation. Darüber hinaus sind die Folgen eines Krieges naturgemäß nicht vorhersehbar. Der Begriff „gerechter Krieg“ wird seit 2000 verwendet, um die verschiedensten Angriffskriege zu legitimieren, was in allen Fällen katastrophale Folgen hatte.

1997 fragte mich der damalige PRIO-Direktor Dan Smith, ob wir Henrik Syse einstellen sollten, ein bekannter norwegischer Konservativer. Ich kannte Syses Vorgesetzten aufgrund seiner Promotion und hielt das für eine gute Idee. Ich dachte, Syse könnte PRIO zu einer größeren öffentlichen Wahrnehmung verhelfen. Ich hatte damals keine Ahnung, dass dies zusammen mit den Punkten, die ich unten anführe, letztendlich jegliches Interesse an Realpolitik, militärischer Entspannung und der Aufdeckung militärpolitischer Aggression ersticken würde.

„Ein demokratischer Frieden“

Zweitens haben PRIO-Forscher gemeinsam mit der Zeitschrift für Friedensforschung die These vom „demokratischen Frieden“ entwickelt. Sie glaubten zeigen zu können, dass demokratische Staaten keinen Krieg gegeneinander führen. Es wurde jedoch klar, dass es Sache des Angreifers – der Vereinigten Staaten – war, zu definieren, wer demokratisch ist und wer nicht, wie beispielsweise im Fall Serbien. Vielleicht waren die Vereinigten Staaten selber nicht so demokratisch. Vielleicht gab es wichtigere Argumente, wie zum Beispiel wirtschaftliche Interessen.

Für die Neokonservativen legitimierte die These des „demokratischen Friedens“ aber jeden Angriffskrieg. Ein Krieg gegen den Irak oder Libyen könne „der Demokratie den Weg“ ebnen und damit den Frieden in der Zukunft sichern, sagten sie. Auch der eine oder andere Forscher am PRIO unterstützte diese Idee. Für sie war die Idee des „gerechten Krieges“ mit der These des „demokratischen Friedens“ vereinbar. Dies führte in der Praxis zu der These, dass dem Westen das Recht eingeräumt werden sollte, in nichtwestlichen Ländern einzugreifen.

Destabilisierung

Drittens wurden mehrere PRIO-Mitarbeiter vom amerikanischen Wissenschaftler Gene Sharp beeinflusst. Er setzte sich für einen Regimewechsel ein, indem er zu Massendemonstrationen mobilisierte, um „Diktaturen“ zu stürzen. Derartige „Farbrevolutionen“ wurden von den Vereinigten Staaten unterstützt und waren eine Form der Destabilisierung, die sich vor allem gegen Länder richtete, die mit Moskau oder Peking verbündet waren. Dabei berücksichtigten sie nicht, inwieweit eine solche Destabilisierung einen globalen Konflikt auslösen könnte. Sharp war einst Favorit der PRIO-Führung für den Friedensnobelpreis.

Farbrevolutionen, durchgeführt nach den Anleitungen von Gene Sharp. Dabei sollen Massendemonstrationen für einen Regimewechsel eingesetzt werden. (Grafik: Free21 frei nach Aris Katsaris / commons.wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Sharps Grundidee war, dass sich die Tür zur Demokratie öffnen würde, wenn der Diktator und seine Anhänger vertrieben würden. Es zeigte sich schnell, dass dies viel zu simplifiziert war. Angeblich spielten Sharps Ideen in Ägypten beim arabischen Frühling und für die Muslimbruderschaft eine Rolle. Aber durch ihre Übernahme eskalierte die Krise. In Libyen und Syrien wurde behauptet, friedliche Demonstranten protestierten gegen die Gewalt der Diktatur. Allerdings wurden diese Demonstranten vom ersten Tag an durch militärische Gewalt islamistischer Aufständischer „unterstützt“. Die Unterstützung der Aufstände durch die Medien wurde von Instituten wie dem PRIO nie kontrovers diskutiert, was katastrophale Folgen hatte.

Die PRIO Jahreskonferenz

Viertens wurde die Teilnahme von PRIO an internationalen Friedensforschungs- und Pugwash-Konferenzen [4] (Beiträge zu Fragen der

atomaren Bedrohung, von bewaffneten Konflikten und Problemen der globalen Sicherheit, Anm.d Red.) in den 1980er und 1990er Jahren durch die Teilnahme an politikwissenschaftlichen Konferenzen in den USA ersetzt. Die große jährliche Konferenz für PRIO ist derzeit die International Studies Association (ISA) Convention [5]. Sie findet jährlich in den USA oder Kanada mit mehr als 6.000 Teilnehmern hauptsächlich aus den USA statt, aber auch aus Europa und anderen Ländern nehmen Menschen teil. Der Präsident der ISA wird für ein Jahr gewählt und ist seit 1959, mit wenigen Ausnahmen, ein US-Amerikaner: In den Jahren 2008–2009 war Nils Petter Gleditsch Präsident von PRIO.

PRIO-Forscher haben sich auch mit Universitäten und Forschungsinstituten in den USA vernetzt, wie der Brookings Institution und der Jamestown Foundation (gegründet 1984 mit Unterstützung des damaligen CIA-Direktors William Casey). PRIO ist aufgrund der zahlreichen US-amerikanischen Forscher zunehmend „US-amerikanisch“ geworden. Ich möchte hinzufügen, dass das norwegische Institut für internationale Angelegenheiten (NUPI) [6] dagegen eher „europäisch“ ist.

Von Vietnam nach Afghanistan

Fünftens ist die Entwicklung bei PRIO eine Frage von Generationsunterschieden. Während meine Generation die von den USA in den 1960er Jahren initiierten Staatsstreiche und Bombenangriffe auf Vietnam sowie das Töten von Millionen von Menschen erlebt hatte, war die spätere Führung von PRIO durch den sowjetischen Krieg in Afghanistan und die Unterstützung der USA für islamische Aufständische im Kampf gegen die Sowjetunion geprägt. In den frühen neunziger Jahren war PRIOs späterer Direktor Kristian Berg Harpviken Vorsitzender des norwegischen Afghanistan-Komitees in Peshawar (in Pakistan nahe der Grenze zu Afghanistan), wo Hilfsorganisationen in den achtziger Jahren Seite an Seite mit Geheimdiensten und radikalen Islamisten lebten.

Hillary Clinton behauptete 2008, dass es in den 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten einen politischen Konsens für die Unterstützung radikaler Islamisten gegeben habe – genau wie sie 2011 die Islamisten in Libyen unterstützte. In den 1980er Jahren war jedoch noch nicht bekannt, dass die Vereinigten Staaten mit der CIA hinter dem Krieg in Afghanistan stand, indem sie die Aufstände bereits im Juli 1979 förderte, mit der Absicht, die Sowjets dazu zu bringen, ihre Verbündeten in Kabul zu unterstützen.

Auf diese Weise hatten die Vereinigten Staaten „die Gelegenheit, der Sowjetunion ihren Vietnamkrieg zu bereiten“, um den Sicherheitsberater von Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, zu zitieren (siehe auch den späteren Verteidigungsminister Robert Gates). Brzezinski war selbst für die Operation verantwortlich. In den 1980er Jahren war auch noch nicht bekannt, dass sich die gesamte sowjetische Militärführung gegen den Krieg ausgesprochen hatte.

Für die neue Generation bei PRIO wurden die Vereinigten Staaten und die islamischen Aufständischen als Verbündete im Konflikt mit Moskau angesehen.

Die Realitäten der Macht

Ich habe meine Doktorarbeit in den 1980er Jahren über die Seestrategie der USA und die nordeuropäische Geopolitik verfasst. Sie wurde 1989 als Buch veröffentlicht und stand auf dem Lehrplan des US Naval War College. Kurz gesagt, ich war ein Wissenschaftler, der die „Realitäten der Macht“ erkannte. Aber streng normativ sah ich bereits in den frühen 1980er Jahren eine Gelegenheit für Entspannung zwischen den großen Machtblöcken, wie es auch Willy Brandt und später Olof Palme in Schweden sahen. Nach dem Kalten Krieg diskutierten wir mit Diplomaten darüber, um eine praktische Lösung für die Differenzen zwischen Osten und Westen im hohen Norden zu finden. Dies führte zur Zusammenarbeit in der Region um die Barentssee.

1994 war ich Mitherausgeber eines englischen Buches mit dem Titel „The Barents Region“, mit Beiträgen von Forschern sowie des norwegischen Außenministers Johan Jørgen Holst und seines russischen Kollegen Andrei Kosyrev – mit einem Vorwort des ehemaligen Außenministers Thorvald Stoltenberg. Ich habe auch Bücher über europäische Entwicklungs- und Sicherheitspolitik geschrieben und herausgegeben, Konferenzen besucht und weltweit Vorträge gehalten.

Ola Tunander bei der Vorstellung seines Buches: „Der schwedische U-Bootkrieg“, am Norwegischen Institut für International Affairs (NUPI). (Foto: NUPI / Twitter: <https://twitter.com/nupinytt/status/1232596202409123840>)

Mein Buch über europäische Geopolitik aus dem Jahr 1997 stand auf dem Lehrplan der Universität Oxford. Ich nahm 2001 als ziviler Experte an der offiziellen schwedischen U-Boot-Untersuchung teil, und nach meinen Büchern über U-Boot-Operationen in den Jahren 2001 und 2004 spielte meine Arbeit eine zentrale Rolle bei der Erstellung des offiziellen dänischen Berichts: „Dänemark während des Kalten Krieges“ (2005). Dieser Bericht benannte Bücher und Berichte von mir und vom Chefhistoriker der CIA, Benjamin Fischer, als wichtigste Beiträge zum Verständnis des Programms für psychologische Operationen von Präsident Reagan.

Mein neues „U-Boot-Buch“ (2019) wurde im Februar 2020 bei NUPI und nicht bei PRIO mit Kommentaren Sverre Lodgaards, dem ehemaligen Direktor beider Institutionen, veröffentlicht.

Möglicher Forschungsleiter

Nach meiner Ernennung zum Forschungsprofessor (Forscher 1, entspricht zwei Promotionen) im Jahr 2000 schrieb ich Bücher und Artikel und bewertete Artikel für die Kennedy School of Government an der Harvard University und das Royal United Service Institute. Ich saß im Beirat für eine Zeitschrift an der London School of Economics und im Vorstand der Nordic International Studies Association. 2008 bewarb ich mich um die neue Stelle des Forschungsdirektors am NUPI. Der Leiter Jan Egeland verfügte nicht über die erforderlichen akademischen Qualifikationen. Ein internationales Komitee wurde bestimmt, um die Bewerber zu prüfen. Es stellte sich heraus, dass nur drei von ihnen für die Position qualifiziert waren: ein belgischer Forscher, Iver B. Neumann am NUPI und ich. Neumann bekam schließlich diesen Posten – als einer der qualifiziertesten Wissenschaftler der Welt zum Thema „Theorie der internationalen Beziehungen“.

Ironischerweise wollte mir mein Direktor am PRIO einen „akademischen Betreuer“ aufdrängen, obwohl ich als ausreichend qualifiziert eingestuft wurde, die Forschungsarbeiten am norwegischen Institut für internationale Angelegenheiten zu leiten. Derartige Erfahrungen werden wahrscheinlich die meisten Menschen von jeglicher kritischer Arbeit abhalten.

Forschung ist akribische Arbeit. Forscher entwickeln ihre Arbeiten normalerweise auf der Basis von Kommentaren qualifizierter Kollegen. Das Manuskript wird dann an eine akademische Zeitschrift oder einen Verlag gesendet, der es qualifizierten Prüfern anonym ermöglicht, den Beitrag abzulehnen oder zu genehmigen (durch sogenannte „Peer Reviews“). Das erfordert normalerweise zusätzliche Arbeit. Diese akribische akademische Tradition reichte dem PRIO-Management jedoch nicht aus. Sie wollten alles, was ich geschrieben habe, überprüfen.

Ein Artikel in der Modern Times

Am 26. Januar 2013 wurde ich in das Büro des Direktors beordert, nachdem ich in der norwegischen Wochenzeitung Ny Tid (Modern Times) einen Kommentar über Syrien publiziert hatte. Ich hatte Robert Mood, den UN-Sonderbeauftragten für Syrien, sowie den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan zitiert. Diese hatten gesagt, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates am 30. Juni 2011 alle eine „politische Einigung in Syrien“ vereinbart hätten, diese aber von westlichen Staaten „beim anschließenden Treffen“ in New York sabotiert wurden. Für PRIO war mein Zitieren inakzeptabel.

Am 14. Februar 2013 bat mich PRIO in einer E-Mail, „Qualitäts-Sicherungs-Maßnahmen [die] sich auf alle gedruckten Veröffentlichungen beziehen, einschließlich kürzerer Texte“ zu akzeptieren. Mir sollte eine Person zugeordnet werden, die sowohl meine akademischen Arbeiten als auch meine Kommentare prüfen sollte, bevor sie das Haus verlassen. Es ging de facto um eine neugeschaffene Position als „politischer Offizier“. Ich muss zugeben, ab diesem Moment konnte ich nicht mehr gut schlafen.

Ich erhielt jedoch Unterstützung von Professoren aus mehreren Ländern. Die norwegische Gewerkschaft (NTL) sagte, dass es nicht möglich sei, eine exklusive Regel für nur einen Mitarbeiter aufzustellen. Aber der Druck, alles zu kontrollieren was ich schreibe, war so stark, dass es nur durch den Einfluss der US-Amerikaner erklärt werden kann. Ein Kandidat für die Position als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Ronald Reagan erklärte mir unverblümt, dass das, was ich geschrieben habe, „Konsequenzen für mich haben würde“.

Die darauffolgende Zeit war bizarr. Wann immer ich einen Vortrag für sicherheitspolitische Institutionen halten sollte, wurden diese Institutionen sofort von bestimmten Personen kontaktiert, die den Vortrag verhindern wollten. Ich erfuhr, dass man, wenn man Fragen zur Legitimität der US-Kriege stellt, von Forschungs- und Medieninstitutionen unter Druck gesetzt wird. Amerikas berühmtester kritischer Journalist Seymour Hersh wurde zunächst von der New York Times und dann vom New Yorker gefeuert. Seine Artikel über das Massaker in My Lai (Vietnam, 1968) und Abu Ghraib (Irak, 2004) hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten. Aber Hersh kann nicht mehr in seinem Heimatland veröffentlichen. Glenn Greenwald, der mit Edward Snowden zusammengearbeitet und The Intercept mitbegründet hat, wurde im Oktober 2020 nach Zensur aus seinem eigenen Magazin gedrängt.

Gewerkschaftsunterstützung

Ich erhielt 1988 eine feste Stelle bei PRIO. Eine feste Stelle und die Unterstützung einer Gewerkschaft ist wahrscheinlich das Wichtigste für jeden Forscher, der ein gewisses Maß an akademischer Freiheit behalten möchte. Nach den Statuten von PRIO haben alle Forscher „volle Meinungsfreiheit“. Aber ohne Gewerkschaft, die einen durch Drohungen vor Gericht zu gehen, unterstützt, hat der einzelne Forscher kaum Mitspracherecht.

Im Frühjahr 2015 entschied das PRIO-Management, dass ich in den Ruhestand gehen sollte. Ich sagte, dass dies nicht in deren Ermessen lie,ge und dass ich erst mit meiner Gewerkschaft NTL Rücksprache halten müsse.

Mein direkter Vorgesetzter teilte mir mit, es sei egal, was die Gewerkschaft sagt. Die Entscheidung über meinen Ruhestand sei bereits getroffen. Jeden Tag, einen ganzen Monat lang, kam er in mein Büro, um mich zu überreden, in den Ruhestand zu gehen. Mir wurde klar, dass ich dies unmöglich auf Dauer aushalten kann.

Ich sprach mit einem ehemaligen PRIO-Vorstandsvorsitzenden, Bernt Bull, der meinte: „Sie dürfen nicht einmal daran denken, sich mit dem Management alleine zu treffen. Sie müssen die Gewerkschaft dabeihaben“. Dank einiger erfahrener NTL-Vertreter, die monatelang mit PRIO verhandelt hatten, erhielt ich im November 2015 eine adäquate Vereinbarung. Wir einigten uns, dass ich im Mai 2016 in den Ruhestand treten würde, aber das als emeritierter Forschungsprofessor bei PRIO mit uneingeschränktem Zugang zu „Computer, IT-Support, E-Mail und Zugriff auf die Bibliothek, so wie andere Forscher bei PRIO“.

Im Mai 2016 fand in Oslo das Seminar „Souveränität, Subs und PSYOP“ in Verbindung mit meiner Pensionierung statt. Dank unserer Vereinbarung hatte ich auch nach meiner Pensionierung weiterhin Zugang zu den Bürobereichen. Bei einem Treffen mit dem Direktor am 31. März 2017 schlug NTL vor, meine Zugangsberechtigung bis Ende 2018 zu verlängern, da ich nun entsprechende Mittel erhalten hatte. Der PRIO-Direktor sagte, er müsse sich mit anderen beraten, bevor er eine Entscheidung treffen könne.

Drei Tage später kehrte er, nachdem er am Wochenende nach Washington gereist war, zurück. Eine Vertragsverlängerung sei nicht akzeptabel. Erst nachdem NTL erneut mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, konnten wir eine Einigung erzielen.

Quellen:

[1] Peace Research Institute Oslo, <https://www.prio.org/>

[2] United States Africa Command, <https://www.africom.mil/>

[3] Peace Research Institute Oslo, „Journal of Military Ethics“, <https://www.prio.org/MilitaryEthics/>

[4] Universität Wien, „Pugwash: Kleiner Ort, große Geschichte“, am 03.05.2012, <https://medienportal.univie.ac.at/uniview/Veranstaltungen/detailansicht/artikel/pugwash-kleiner-ort-grosse-geschichte/>

[5] International Studies Association, <https://www.isanet.org/>

[6] Norsk Utenrikspolitisk Institutt, <https://www.nupi.no/>