Särge derjenigen, die am diesjährigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung von der südafrikanischen Polizei getötet wurden, im Langa Township in Uitenhage. Dieser Tag wird jedes Jahr am Jahrestag des Massakers von Sharpeville am 21. März 1960 begangen. 1.März 1985.
(Foto: United Nations Photo, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)
Die Geschichte der Apartheid in Südafrika – Teil 3
Das Sharpeville-Massaker 1960
Dieser Text wurde im Jahr 2019 auf www.sahistory.org unter der URL <https://www.sahistory.org.za/article/sharpeville-massacre-21-march-1960> veröffentlicht. Lizenz: SAHO/South African History Online, CC BY-NC-SA
Auf der Jahreskonferenz des Afrikanischen Nationalkongresses [1] (ANC), die am 16. Dezember 1959 in Durban stattfand, kündigte Chief Albert Luthuli [2], Generalpräsident des ANC an, dass 1960 das „Jahr des Passes“ werden würde. Der ANC plante eine erneute landesweite Kampagne, die mit einer Reihe von Groß-Aktionen am 31. März 1960 – dem Jahrestag der Anti-Pass-Kampagne von 1919 – starten sollte.
Eine Woche später hielt eine vom ANC abgespaltene Gruppe, der Pan Africanist Congress [3] (PAC), seine erste Konferenz in Johannesburg ab. 1960 begannen sowohl der ANC als auch der PAC fieberhaft ihre Mitglieder und die schwarzen Gemeinden auf die geplanten landesweiten Kampagnen vorzubereiten. Der PAC rief seine Anhänger dazu auf, ihre Ausweise am vorgesehenen Tag zu Hause zu lassen und sich auf Polizeistationen im ganzen Land zu versammeln, um sich verhaften zu lassen. Der Slogan der Kampagne lautete „KEINE KAUTION! KEINE VERTEIDIGUNG! KEINE ZWANGSSTRAFE!“ Das PAC argumentierte, dass die Gefängnisse überfüllt wären und die Wirtschaft zum Stillstand käme, wenn Tausende von Menschen verhaftet würden.
Obwohl Proteste erwartet wurden, konnte niemand die Konsequenzen und die Auswirkungen auf die südafrikanische Politik und die Weltpolitik vorhersehen. Ein Artikel mit dem Titel „PAC-Kampagne wird ein Test sein“, den Contact, die Zeitung der Liberalen Partei in der Ausgabe vom 19. März 1960 veröffentlichte, beschrieb die Vorbereitungen für die Kampagne [4]. Auf dieser Konferenz wurde angekündigt, dass die PAC ihre eigene Anti-Pass-Kampagne starten würde:
„Der Pan Africanist Congress wird in Kürze eine landesweite Kampagne für die vollständige Abschaffung der Pass-Gesetze starten. Das genaue Datum, an dem die Kampagne beginnen wird, ist noch unbekannt. Die Entscheidung darüber liegt beim PAC-Präsidenten, Herrn R.M. Sobukwe. Mitglieder sagen jedoch, dass die Kampagne in Kürze – innerhalb weniger Wochen‘ beginnen wird.“
Auf einer Pressekonferenz am Samstag, dem 19. März 1960, kündigte der PAC-Präsident Robert Sobukwe [5] an, dass der PAC am Montag, dem 21. März, mit einer Anti-Pass-Kampagne beginnen werde. Hier erklärte Sobukwe:
„Die Kampagne wurde am 18. März bekannt gegeben. Rundschreiben wurden gedruckt und an die Mitglieder der Organisation verteilt. Am 21. März, einem Montag, stellten sich die Mitglieder des Pan Africanist Congress gemäß einem von ihnen gefassten Beschluss bei verschiedenen Polizeistationen des Landes.“
Auf der Pressekonferenz betonte Sobukwe, dass die Kampagne im Geiste der absoluten Gewaltlosigkeit durchgeführt werden sollte und dass der PAC sie als ersten Schritt im Streben der Schwarzen nach völliger Unabhängigkeit und Freiheit bis 1963 betrachtete (Cape Times, 1960). Sobukwe verkündete daraufhin:
„Das afrikanische Volk hat uns seine ganze Zukunft anvertraut. Und wir haben geschworen, dass wir sie nicht in den Tod, sondern in ein Leben in Fülle führen werden. Meine Anweisungen lauten daher, dass unser Volk jetzt und kontinuierlich gelehrt werden muss, dass wir in diesem Feldzug absolute Gewaltlosigkeit einhalten werden.“
Am Morgen des 21. März 1960 zogen PAC-Mitglieder durch Sharpeville, weckten die Menschen und forderten sie auf, an der Demonstration teilzunehmen. Andere PAC-Mitglieder versuchten die Busfahrer daran zu hindern, ihren Dienst anzutreten, was dazu führte, dass die Bewohner von Sharpeville – die in Vereeniging arbeiteten – nicht zur Arbeit fahren konnten. Viele Menschen machten sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf den Weg zur Arbeit, aber einige wurden von PAC-Mitgliedern eingeschüchtert, welche drohten, ihre Ausweise zu verbrennen oder „Hand an sie zu legen“, wenn sie zur Arbeit gingen (Reverend Ambrose Reeves, 1966). Viele Menschen schlossen sich dem Protestmarsch jedoch freiwillig an.
Zeitgleich versammelten sich die örtlichen PAC-Führer zunächst auf einem Feld unweit der Polizeistation von Sharpeville. Als sich eine größere Menschenmenge bei ihnen versammelt hatte, zogen sie unter dem Gesang von Freiheitsliedern und dem Rufen der Kampagnen-Slogans „Izwe lethu“ (Unser Land), „Awaphele amapasti“ (Nieder mit den Pässen), „Sobukwe Sikhokhele“ (Führe uns Sobukwe) und „Vorwärts zur Unabhängigkeit, morgen die Vereinigten Staaten von Afrika“, zur Polizeistation.
Als die Demonstranten die Polizeistation von Sharpeville erreichten, stand ein großes Polizeiaufgebot davor, viele auf britischen Saracen-Panzerwagen. Herr Tsolo und andere Mitglieder des PAC-Vorstands setzten ihren Marsch fort – gemäß dem neuen PAC-Motto „Leaders in Front (Führer an der Spitze)“ – und baten den befehlshabenden weißen Polizisten, sie durchzulassen, damit sie sich selbst stellen könnten, weil sie sich weigerten, ihre Ausweise mitzuführen. Zunächst weigerte sich der Polizeikommandant, aber viel später, gegen 11.00 Uhr, wurden sie durchgelassen; das Singen von Freiheitsliedern ging weiter und die Parolen wurden mit noch größerer Lautstärke wiederholt. Journalisten, die aus anderen Gebieten herbeigeeilt waren, nachdem sie erfahren hatten, dass die Aktion ein voller Erfolg war, bestätigten, „dass die Stimmung in der Menge trotz des Gesangs und der Rufe eher festlich als aggressiv war“ (David M. Sibeko, 1976).
Um die Mittagszeit standen etwa 300 bewaffnete Polizisten einer Menschenmenge von etwa 5.000 Personen gegenüber. Um 13:15 Uhr begann ein kleines Handgemenge in der Nähe des Eingangs der Polizeistation. Ein Polizist wurde versehentlich umgestoßen, und die Menge begann, sich nach vorne zu bewegen, um zu sehen, was vor sich ging.
Um weitere Zeugenaussagen zum Massaker von Sharpeville zu lesen, klicken Sie auf die Registerkarte „Zeugenaussagen [6]“.
Nach Angaben der Polizei begannen die Demonstranten sie zu steinigen, woraufhin einer der Polizisten auf dem Dach eines gepanzerten Fahrzeugs ohne Vorwarnung in Panik geriet und das Feuer eröffnete. Seine Kollegen folgten ihm und begannen auch zu schießen. Die Schießerei dauerte etwa zwei Minuten und forderte 69 Tote und laut der offiziellen Untersuchung 180 Schwerverletzte. Die Polizisten waren offenbar nervös, nachdem kürzlich in Durban neun Polizisten erschossen worden waren.
Anders als anderswo am East Rand, wo die Polizei mit Schlagstöcken auf die Widerstandskämpfer losging, verwendete die Polizei in Sharpeville scharfe Munition. Augenzeugenberichte belegen, dass die Menschen nicht gewarnt und aufgefordert wurden, sich zu entfernen. Augenzeugenberichte und Beweise führten später zu einer offiziellen Untersuchung, die belegte, dass viele der Opfer flüchtende Menschen waren, denen in den Rücken geschossen wurde. Die Anwesenheit von gepanzerten Fahrzeugen und Kampfjets der Luftwaffe über dem Tatort deutete ebenfalls auf eine unnötige Provokation hin, zumal die Menge unbewaffnet und entschlossen war, einen gewaltfreien Protest zu veranstalten. Übereinstimmend mit einem Bericht von Humphrey Tyler, dem stellvertretenden Herausgeber der Zeitschrift Drum [7] [8]:
„Die Polizei hat behauptet, sie sei in großer Gefahr gewesen, weil die Menge sie mit Steinen beworfen habe. Doch nur drei Polizisten sollen von Steinen getroffen worden sein – und mehr als 200 Afrikaner wurden niedergeschossen. Die Polizei behauptet auch, dass die Menge mit ,grausamen Waffen‘ bewaffnet gewesen sei, welche auf dem Gelände lagen, nachdem sie geflohen waren.
Ich habe keine Waffen gesehen, obwohl ich sehr genau hingesehen und anschließend die Fotos vom Tatort studiert habe. Als ich dort war, sah ich unter den Leichen nur noch Schuhe, Hüte und ein paar Fahrräder. Die Menge gab mir keinen Grund, mich zu fürchten, obwohl ich mich ohne jedes Erkennungszeichen, welches mich schützen könnte, zwischen ihnen bewegte – ganz offensichtlich mit meiner weißen Haut. Ich glaube aber, dass die Polizei Angst hatte, und ich glaube, die Menge wusste das auch.“
Innerhalb weniger Stunden ging die Nachricht von den Morden in Sharpeville um die Welt.
Andere Proteste überall im Land am 21. März 1960
Am Morgen des 21. März verließ Robert Sobukwe sein Haus in Mofolo, einem Vorort von Soweto [9], und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Polizeistation von Orlando. Unterwegs schlossen sich ihm kleine Gruppen von Menschen an. In Pretoria stellte sich eine kleine Gruppe von sechs Personen bei der Hercules-Polizeistation vor. Außerdem stellten sich weitere kleine Gruppen von PAC-Aktivisten auf Polizeistationen in Durban und East London vor. Die Polizei notierte sich jedoch lediglich die Namen der Demonstranten und nahm niemanden fest.
Als die Nachricht vom Massaker von Sharpeville Kapstadt erreichte, versammelte sich am 21. März 1960 gegen 17.00 Uhr eine Gruppe von 1.000 bis 5.000 Demonstranten an der Bushaltestelle Langa Flats. Damit widersetzten sie sich direkt dem landesweiten Verbot der Regierung, öffentliche Versammlungen und Zusammenkünfte von mehr als zehn Personen zuzulassen. Die Polizei forderte die Menge auf, die Versammlung innerhalb von 3 Minuten aufzulösen. Als sich die Demonstranten erneut versammelten, ging die Polizei mit Schlagstöcken, Tränengas und Schusswaffen auf sie los. Dabei wurden drei Menschen getötet und 26 weitere verletzt. Im Township Langa kam es zu Spannungen und Unruhen. Bei den darauf folgenden Ausschreitungen wurde ein Mitarbeiter der Zeitung Cape Times, Richard Lombard, von der randalierenden Menge getötet.
Lesen Sie mehr über die Proteste in Kapstadt [10].
Quellen:
[2] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Chief Albert John Mvumbi Luthuli”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/people/chief-albert-john-luthuli>
[3] sahistory.org.za, History of the Pan Africanist Congress <https://www.sahistory.org.za/topic/pan-africanist-congress-pac>, Maaba, BV, The PAC’s War against the State 1960-1963, in The Road to Democracy in South Africa: 1960-1970, pp258-266, Muendane, N.K. (1999) Focus: ‘Human Rights? Human Responsibilities’, Tribute, March.|Muller, Prof CFJ. (1981) 500 years: A History of South Africa. Third Revised and Illustrated Edition. Published by H. & R. Academia: Pretoria. p. 499, 500, Ndlovu, M.S (1998) The Soweto Uprising: Counter Memories of June 1976. Ravan Press
[4] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Johannesburg, Gauteng Province”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/places/johannesburg>
[5] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Robert Sobukwe”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/people/robert-mangaliso-sobukwe>
[6] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Eyewitness accounts of the Sharpeville massacre 1960″, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/eyewitness-accounts-sharpeville-massacre-1960>
[7] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Drum Magazine”, Datum unbekannt:
<https://www.sahistory.org.za/pages/artsmediaculture/arts/media/drum.htm>
[8] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Drum Magazine”, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/pages/artsmediaculture/arts/media/drum.htm>
[9] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Soweto, Johannesburg”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/places/soweto>
[10] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Growing social unrest: Community mobilisation, strikes and student protests in the Western Cape in the 1980s”, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/cape-town/growing-social-unrest-community-mobilisation-strikes-and-student-protests-western-cape-198>
Weitere Quellen: Referenzen
• Time Magazine, (1960), The Sharpeville Massacre, TIME magazine, <https://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,869441-3,00.html>online, 4 April|Apartheid Legislation in South Africa [online], Available at: africanhistory.about.com <https://africanhistory.about.com/library/bl/blsalaws.htm>, [accessed 10 March 2009]
• A short history of pass laws in South Africa [online], from South African History Online, Available at: www.sahistory.org.za <https://www.sahistory.org.za/south-africa-1806-1899/pass-laws-south-africa-1800-1994> [accessed 11 March 2009]
• Chaskalson, M (1986) The Road to Sharpeville <https://wiredspace.wits.ac.za/handle/10539/8519?show=full>, African Studies Seminar Series paper, Wits University, Available at: https://wiredspace.wits.ac.za <https://wiredspace.wits.ac.za/>, [Accessed on 2 March 2011]
Referenzen
• Cross, T “Afrikaner Nationalism, Anglo American and Iscor: formation of Highveld Steel and Vanadium Corporation, 1960-70 in Business History” <https://www.highbeam.com/doc/1G1-15631631.html>, 1 July 1994. Available at: <https://www.highbeam.com/> [Accessed on 2March 2011]
• David M. Sibeko (date unknown). The Sharpeville Massacre: Its historic significance in the struggle against apartheid <https://www.sahistory.org.za/archive/sharpeville-massacre-its-historic-significance-struggle-against-apartheid>. Article available from SAHO archive.
• Giliomee et al. (2007), New History of South Africa. Tafelberg Publishers: Cape Town. p. 334- 336|Historical Papers Archive of the University of the Witwatersrand [online] Accessed at: wits.ac.za and SAHA archive [link no longer available]
• New Age, 1 August 1957|Pan African Congress [online] Available at: <https://www.pac.org.za/>, [Accessed 5 March 2009]
• Pheko, M. (2000) Focus: ‘Lest We Forget Sharpeville’, The Sowetan, 20 March.
• Pogrund,B. (1997) Focus: ‘Prisoner 1’, Sunday Life, 23 March.
• Plaatjie, T. (1998) Focus: ‘Sharpeville Heroes Neglected’, The Sowetan, 20 March.|Reverend Ambrose Reeves (1966), The Sharpeville Massacre – A watershed in SouthAfrica <https://www.sahistory.org.za/archive/sharpeville-massacre-watershed-south-africa-reverend-ambrose-reeves>. Article available from SAHO archive.
• Sharpeville Massacre, The Origin of South Africa’s Human Rights Day [online], available at: africanhistory.about.com [accessed 10 March 2009]|Thloloe, J. (2000) Focus: ‘Lest We Forget’, Sunday World, 19 March.
Die Geschichte der Apartheid in Südafrika – Teil 3
Das Sharpeville-Massaker 1960
Dieser Text wurde im Jahr 2019 auf www.sahistory.org unter der URL <https://www.sahistory.org.za/article/sharpeville-massacre-21-march-1960> veröffentlicht. Lizenz: SAHO/South African History Online, CC BY-NC-SA
Särge derjenigen, die am diesjährigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung von der südafrikanischen Polizei getötet wurden, im Langa Township in Uitenhage. Dieser Tag wird jedes Jahr am Jahrestag des Massakers von Sharpeville am 21. März 1960 begangen. 1.März 1985.
(Foto: United Nations Photo, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)
Auf der Jahreskonferenz des Afrikanischen Nationalkongresses [1] (ANC), die am 16. Dezember 1959 in Durban stattfand, kündigte Chief Albert Luthuli [2], Generalpräsident des ANC an, dass 1960 das „Jahr des Passes“ werden würde. Der ANC plante eine erneute landesweite Kampagne, die mit einer Reihe von Groß-Aktionen am 31. März 1960 – dem Jahrestag der Anti-Pass-Kampagne von 1919 – starten sollte.
Eine Woche später hielt eine vom ANC abgespaltene Gruppe, der Pan Africanist Congress [3] (PAC), seine erste Konferenz in Johannesburg ab. 1960 begannen sowohl der ANC als auch der PAC fieberhaft ihre Mitglieder und die schwarzen Gemeinden auf die geplanten landesweiten Kampagnen vorzubereiten. Der PAC rief seine Anhänger dazu auf, ihre Ausweise am vorgesehenen Tag zu Hause zu lassen und sich auf Polizeistationen im ganzen Land zu versammeln, um sich verhaften zu lassen. Der Slogan der Kampagne lautete „KEINE KAUTION! KEINE VERTEIDIGUNG! KEINE ZWANGSSTRAFE!“ Das PAC argumentierte, dass die Gefängnisse überfüllt wären und die Wirtschaft zum Stillstand käme, wenn Tausende von Menschen verhaftet würden.
Obwohl Proteste erwartet wurden, konnte niemand die Konsequenzen und die Auswirkungen auf die südafrikanische Politik und die Weltpolitik vorhersehen. Ein Artikel mit dem Titel „PAC-Kampagne wird ein Test sein“, den Contact, die Zeitung der Liberalen Partei in der Ausgabe vom 19. März 1960 veröffentlichte, beschrieb die Vorbereitungen für die Kampagne [4]. Auf dieser Konferenz wurde angekündigt, dass die PAC ihre eigene Anti-Pass-Kampagne starten würde:
„Der Pan Africanist Congress wird in Kürze eine landesweite Kampagne für die vollständige Abschaffung der Pass-Gesetze starten. Das genaue Datum, an dem die Kampagne beginnen wird, ist noch unbekannt. Die Entscheidung darüber liegt beim PAC-Präsidenten, Herrn R.M. Sobukwe. Mitglieder sagen jedoch, dass die Kampagne in Kürze – innerhalb weniger Wochen‘ beginnen wird.“
Auf einer Pressekonferenz am Samstag, dem 19. März 1960, kündigte der PAC-Präsident Robert Sobukwe [5] an, dass der PAC am Montag, dem 21. März, mit einer Anti-Pass-Kampagne beginnen werde. Hier erklärte Sobukwe:
„Die Kampagne wurde am 18. März bekannt gegeben. Rundschreiben wurden gedruckt und an die Mitglieder der Organisation verteilt. Am 21. März, einem Montag, stellten sich die Mitglieder des Pan Africanist Congress gemäß einem von ihnen gefassten Beschluss bei verschiedenen Polizeistationen des Landes.“
Auf der Pressekonferenz betonte Sobukwe, dass die Kampagne im Geiste der absoluten Gewaltlosigkeit durchgeführt werden sollte und dass der PAC sie als ersten Schritt im Streben der Schwarzen nach völliger Unabhängigkeit und Freiheit bis 1963 betrachtete (Cape Times, 1960). Sobukwe verkündete daraufhin:
„Das afrikanische Volk hat uns seine ganze Zukunft anvertraut. Und wir haben geschworen, dass wir sie nicht in den Tod, sondern in ein Leben in Fülle führen werden. Meine Anweisungen lauten daher, dass unser Volk jetzt und kontinuierlich gelehrt werden muss, dass wir in diesem Feldzug absolute Gewaltlosigkeit einhalten werden.“
Am Morgen des 21. März 1960 zogen PAC-Mitglieder durch Sharpeville, weckten die Menschen und forderten sie auf, an der Demonstration teilzunehmen. Andere PAC-Mitglieder versuchten die Busfahrer daran zu hindern, ihren Dienst anzutreten, was dazu führte, dass die Bewohner von Sharpeville – die in Vereeniging arbeiteten – nicht zur Arbeit fahren konnten. Viele Menschen machten sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf den Weg zur Arbeit, aber einige wurden von PAC-Mitgliedern eingeschüchtert, welche drohten, ihre Ausweise zu verbrennen oder „Hand an sie zu legen“, wenn sie zur Arbeit gingen (Reverend Ambrose Reeves, 1966). Viele Menschen schlossen sich dem Protestmarsch jedoch freiwillig an.
Zeitgleich versammelten sich die örtlichen PAC-Führer zunächst auf einem Feld unweit der Polizeistation von Sharpeville. Als sich eine größere Menschenmenge bei ihnen versammelt hatte, zogen sie unter dem Gesang von Freiheitsliedern und dem Rufen der Kampagnen-Slogans „Izwe lethu“ (Unser Land), „Awaphele amapasti“ (Nieder mit den Pässen), „Sobukwe Sikhokhele“ (Führe uns Sobukwe) und „Vorwärts zur Unabhängigkeit, morgen die Vereinigten Staaten von Afrika“, zur Polizeistation.
Als die Demonstranten die Polizeistation von Sharpeville erreichten, stand ein großes Polizeiaufgebot davor, viele auf britischen Saracen-Panzerwagen. Herr Tsolo und andere Mitglieder des PAC-Vorstands setzten ihren Marsch fort – gemäß dem neuen PAC-Motto „Leaders in Front (Führer an der Spitze)“ – und baten den befehlshabenden weißen Polizisten, sie durchzulassen, damit sie sich selbst stellen könnten, weil sie sich weigerten, ihre Ausweise mitzuführen. Zunächst weigerte sich der Polizeikommandant, aber viel später, gegen 11.00 Uhr, wurden sie durchgelassen; das Singen von Freiheitsliedern ging weiter und die Parolen wurden mit noch größerer Lautstärke wiederholt. Journalisten, die aus anderen Gebieten herbeigeeilt waren, nachdem sie erfahren hatten, dass die Aktion ein voller Erfolg war, bestätigten, „dass die Stimmung in der Menge trotz des Gesangs und der Rufe eher festlich als aggressiv war“ (David M. Sibeko, 1976).
Um die Mittagszeit standen etwa 300 bewaffnete Polizisten einer Menschenmenge von etwa 5.000 Personen gegenüber. Um 13:15 Uhr begann ein kleines Handgemenge in der Nähe des Eingangs der Polizeistation. Ein Polizist wurde versehentlich umgestoßen, und die Menge begann, sich nach vorne zu bewegen, um zu sehen, was vor sich ging.
Um weitere Zeugenaussagen zum Massaker von Sharpeville zu lesen, klicken Sie auf die Registerkarte „Zeugenaussagen [6]“.
Nach Angaben der Polizei begannen die Demonstranten sie zu steinigen, woraufhin einer der Polizisten auf dem Dach eines gepanzerten Fahrzeugs ohne Vorwarnung in Panik geriet und das Feuer eröffnete. Seine Kollegen folgten ihm und begannen auch zu schießen. Die Schießerei dauerte etwa zwei Minuten und forderte 69 Tote und laut der offiziellen Untersuchung 180 Schwerverletzte. Die Polizisten waren offenbar nervös, nachdem kürzlich in Durban neun Polizisten erschossen worden waren.
Anders als anderswo am East Rand, wo die Polizei mit Schlagstöcken auf die Widerstandskämpfer losging, verwendete die Polizei in Sharpeville scharfe Munition. Augenzeugenberichte belegen, dass die Menschen nicht gewarnt und aufgefordert wurden, sich zu entfernen. Augenzeugenberichte und Beweise führten später zu einer offiziellen Untersuchung, die belegte, dass viele der Opfer flüchtende Menschen waren, denen in den Rücken geschossen wurde. Die Anwesenheit von gepanzerten Fahrzeugen und Kampfjets der Luftwaffe über dem Tatort deutete ebenfalls auf eine unnötige Provokation hin, zumal die Menge unbewaffnet und entschlossen war, einen gewaltfreien Protest zu veranstalten. Übereinstimmend mit einem Bericht von Humphrey Tyler, dem stellvertretenden Herausgeber der Zeitschrift Drum [7] [8]:
„Die Polizei hat behauptet, sie sei in großer Gefahr gewesen, weil die Menge sie mit Steinen beworfen habe. Doch nur drei Polizisten sollen von Steinen getroffen worden sein – und mehr als 200 Afrikaner wurden niedergeschossen. Die Polizei behauptet auch, dass die Menge mit ,grausamen Waffen‘ bewaffnet gewesen sei, welche auf dem Gelände lagen, nachdem sie geflohen waren.
Ich habe keine Waffen gesehen, obwohl ich sehr genau hingesehen und anschließend die Fotos vom Tatort studiert habe. Als ich dort war, sah ich unter den Leichen nur noch Schuhe, Hüte und ein paar Fahrräder. Die Menge gab mir keinen Grund, mich zu fürchten, obwohl ich mich ohne jedes Erkennungszeichen, welches mich schützen könnte, zwischen ihnen bewegte – ganz offensichtlich mit meiner weißen Haut. Ich glaube aber, dass die Polizei Angst hatte, und ich glaube, die Menge wusste das auch.“
Innerhalb weniger Stunden ging die Nachricht von den Morden in Sharpeville um die Welt.
Andere Proteste überall im Land am 21. März 1960
Am Morgen des 21. März verließ Robert Sobukwe sein Haus in Mofolo, einem Vorort von Soweto [9], und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Polizeistation von Orlando. Unterwegs schlossen sich ihm kleine Gruppen von Menschen an. In Pretoria stellte sich eine kleine Gruppe von sechs Personen bei der Hercules-Polizeistation vor. Außerdem stellten sich weitere kleine Gruppen von PAC-Aktivisten auf Polizeistationen in Durban und East London vor. Die Polizei notierte sich jedoch lediglich die Namen der Demonstranten und nahm niemanden fest.
Als die Nachricht vom Massaker von Sharpeville Kapstadt erreichte, versammelte sich am 21. März 1960 gegen 17.00 Uhr eine Gruppe von 1.000 bis 5.000 Demonstranten an der Bushaltestelle Langa Flats. Damit widersetzten sie sich direkt dem landesweiten Verbot der Regierung, öffentliche Versammlungen und Zusammenkünfte von mehr als zehn Personen zuzulassen. Die Polizei forderte die Menge auf, die Versammlung innerhalb von 3 Minuten aufzulösen. Als sich die Demonstranten erneut versammelten, ging die Polizei mit Schlagstöcken, Tränengas und Schusswaffen auf sie los. Dabei wurden drei Menschen getötet und 26 weitere verletzt. Im Township Langa kam es zu Spannungen und Unruhen. Bei den darauf folgenden Ausschreitungen wurde ein Mitarbeiter der Zeitung Cape Times, Richard Lombard, von der randalierenden Menge getötet.
Lesen Sie mehr über die Proteste in Kapstadt [10].
Quellen:
[2] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Chief Albert John Mvumbi Luthuli”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/people/chief-albert-john-luthuli>
[3] sahistory.org.za, History of the Pan Africanist Congress <https://www.sahistory.org.za/topic/pan-africanist-congress-pac>, Maaba, BV, The PAC’s War against the State 1960-1963, in The Road to Democracy in South Africa: 1960-1970, pp258-266, Muendane, N.K. (1999) Focus: ‘Human Rights? Human Responsibilities’, Tribute, March.|Muller, Prof CFJ. (1981) 500 years: A History of South Africa. Third Revised and Illustrated Edition. Published by H. & R. Academia: Pretoria. p. 499, 500, Ndlovu, M.S (1998) The Soweto Uprising: Counter Memories of June 1976. Ravan Press
[4] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Johannesburg, Gauteng Province”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/places/johannesburg>
[5] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Robert Sobukwe”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/people/robert-mangaliso-sobukwe>
[6] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Eyewitness accounts of the Sharpeville massacre 1960″, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/eyewitness-accounts-sharpeville-massacre-1960>
[7] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Drum Magazine”, Datum unbekannt:
<https://www.sahistory.org.za/pages/artsmediaculture/arts/media/drum.htm>
[8] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Drum Magazine”, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/pages/artsmediaculture/arts/media/drum.htm>
[9] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Soweto, Johannesburg”, Datum unbekannt: <http://www.sahistory.org.za/places/soweto>
[10] sahistory.org.za, History of the African National Congress, Red. „Growing social unrest: Community mobilisation, strikes and student protests in the Western Cape in the 1980s”, Datum unbekannt: <https://www.sahistory.org.za/cape-town/growing-social-unrest-community-mobilisation-strikes-and-student-protests-western-cape-198>
Weitere Quellen: Referenzen
• Time Magazine, (1960), The Sharpeville Massacre, TIME magazine, <https://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,869441-3,00.html>online, 4 April|Apartheid Legislation in South Africa [online], Available at: africanhistory.about.com <https://africanhistory.about.com/library/bl/blsalaws.htm>, [accessed 10 March 2009]
• A short history of pass laws in South Africa [online], from South African History Online, Available at: www.sahistory.org.za <https://www.sahistory.org.za/south-africa-1806-1899/pass-laws-south-africa-1800-1994> [accessed 11 March 2009]
• Chaskalson, M (1986) The Road to Sharpeville <https://wiredspace.wits.ac.za/handle/10539/8519?show=full>, African Studies Seminar Series paper, Wits University, Available at: https://wiredspace.wits.ac.za <https://wiredspace.wits.ac.za/>, [Accessed on 2 March 2011]
Referenzen
• Cross, T “Afrikaner Nationalism, Anglo American and Iscor: formation of Highveld Steel and Vanadium Corporation, 1960-70 in Business History” <https://www.highbeam.com/doc/1G1-15631631.html>, 1 July 1994. Available at: <https://www.highbeam.com/> [Accessed on 2March 2011]
• David M. Sibeko (date unknown). The Sharpeville Massacre: Its historic significance in the struggle against apartheid <https://www.sahistory.org.za/archive/sharpeville-massacre-its-historic-significance-struggle-against-apartheid>. Article available from SAHO archive.
• Giliomee et al. (2007), New History of South Africa. Tafelberg Publishers: Cape Town. p. 334- 336|Historical Papers Archive of the University of the Witwatersrand [online] Accessed at: wits.ac.za and SAHA archive [link no longer available]
• New Age, 1 August 1957|Pan African Congress [online] Available at: <https://www.pac.org.za/>, [Accessed 5 March 2009]
• Pheko, M. (2000) Focus: ‘Lest We Forget Sharpeville’, The Sowetan, 20 March.
• Pogrund,B. (1997) Focus: ‘Prisoner 1’, Sunday Life, 23 March.
• Plaatjie, T. (1998) Focus: ‘Sharpeville Heroes Neglected’, The Sowetan, 20 March.|Reverend Ambrose Reeves (1966), The Sharpeville Massacre – A watershed in SouthAfrica <https://www.sahistory.org.za/archive/sharpeville-massacre-watershed-south-africa-reverend-ambrose-reeves>. Article available from SAHO archive.
• Sharpeville Massacre, The Origin of South Africa’s Human Rights Day [online], available at: africanhistory.about.com [accessed 10 March 2009]|Thloloe, J. (2000) Focus: ‘Lest We Forget’, Sunday World, 19 March.