Chinas Präsident Xi Jinping mit Präsident Wladimir Putin 2019. (Bild: kremlin.ru / Public domain)

Dekret 229:

Das neue außenpolitische Planungsdokument der Russischen Föderation

Verteidigung von Existenz und freier Entwicklung mit allen verfügbaren Mitteln

Von Wolfgang Effenberger , veröffentlicht am: 1. Oktober 2023, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 13.04.2023 auf www.website.com unter der URL <https://apolut.net/verteidigung-von-existenz-und-freier-entwicklung-mit-allen-verfuegbaren-mitteln-von-wolfgang-effenberger/> veröffentlicht. Lizenz: Wolfgang Effenberger, Apolut, CC BY-NC-ND 4.0

Am 22. März 2023 verabschiedete sich der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in Moskau mit den Worten: „Jetzt gibt es Veränderungen, die es seit 100 Jahren nicht gegeben hat. Wenn wir zusammen sind, treiben wir diese Veränderungen voran.“ [1]

Welche Veränderungen kann er gemeint haben?

Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sich Xi und Putin festgelegt, die Welt in eine multipolare Zukunft zu führen.

Wenige Tage später, am 31. März 2023, unterzeichnete der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, das 42-seitige Dekret „Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation“ [2]. Dieses Dokument löst die außenpolitische Doktrin aus dem Jahr 2016 ab. Darin wird in sechs Kapiteln (mit insgesamt 76 Unterpunkten) eine gediegene Analyse vergangener und gegenwärtiger russischer Außenpolitik präsentiert. Sie umreißt die politisch angestrebten Ziele Russlands, wobei die Bezeichnung „multipolare Weltordnung“ (eine Begriffsverwendung für internationale Staatenbeziehungen, in denen die Machtverteilung das Kriterium für die Strukturbildung ist) mehrfach vorkommt, der Begriff „unipolare Weltordnung“ (bei der ein Staat alle anderen dominiert) hingegen kein einziges Mal.

Es lohnt sich also, dieses Strategie-Dokument der Russischen Föderation eingehender zu betrachten.

Im Kapitel I. (Allgemeine Bestimmungen) wird darauf verwiesen, dass dieses Dokument eine systemische Vision der nationalen Interessen der Russischen Föderation im Bereich der Außenpolitik und der Grundprinzipien sowie der strategischen Ziele der russischen Außenpolitik vermittelt. Es stützt sich auf die Verfassung der Russischen Föderation, auf die allgemein anerkannten Grundsätze und Normen des Völkerrechts sowie auf die internationalen Verträge der Russischen Föderation ab. Weiters wird an die unabhängige Staatlichkeit Russlands erinnert, die seit mehr als tausend Jahren währt, ebenso an das kulturelle Erbe der vorangegangenen Epoche, an die tiefen historischen Bindungen zwischen der traditionellen europäischen Kultur und den anderen eurasischen Kulturen. Darüber hinaus wird die generelle Bedeutung Russlands in der Welt aufgezeigt: seine immensen Ressourcen in allen Lebensbereichen, seinen Status als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, seine Rolle als Teilnehmer an den führenden zwischenstaatlichen Organisationen und Vereinigungen, seine Bedeutung als ernstzunehmende Atommacht, seinen Status als Nachfolger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (mit fortbestehender Rechtspersönlichkeit) sowie sein entscheidender Beitrag zum Sieg im Zweiten Weltkrieg und seiner aktiven Rolle bei der Gestaltung des gegenwärtigen Systems der internationalen Beziehungen.

Russlands unabhängige und multi-vektorale Außenpolitik wird von seinen nationalen Interessen und dem Bewusstsein seiner besonderen Verantwortung für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit auf globaler sowie regionaler Ebene geleitet:

„Die russische Außenpolitik ist friedlich, offen, berechenbar, konsequent und pragmatisch und beruht auf der Achtung der allgemein anerkannten Grundsätze und Normen des Völkerrechts und dem Wunsch nach einer gerechten internationalen Zusammenarbeit zur Lösung gemeinsamer Probleme und zur Förderung gemeinsamer Interessen“ [3],

wobei die Haltung Russlands gegenüber anderen Staaten und zwischenstaatlichen Vereinigungen davon abhängt, ob deren Politik gegenüber der Russischen Föderation konstruktiv, neutral oder feindlich ist.

Im Kapitel II. (Die Welt von heute: wichtige Trends und Entwicklungsperspektiven) wird festgehalten, dass die Zerstörung des Systems der Rüstungskontrollverträge durch die USA die strategische Stabilität untergräbt. [4]

Die völkerrechtswidrige Anwendung militärischer Gewalt und die Eskalation langwieriger bewaffneter Konflikte in einer Reihe von Regionen steigern das Risiko von Zusammenstößen auch unter Beteiligung von Atommächten und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit, dass solche Konflikte eskalieren und sich zu einem lokalen, regionalen oder globalen Krieg ausweiten.

„Als Antwort auf die unfreundlichen Aktionen des Westens beabsichtigt Russland, sein Recht auf Existenz und freie Entwicklung mit allen verfügbaren Mitteln zu verteidigen.“ [5] Hervorgehoben wird, dass die Mehrheit der Menschheit an konstruktiven Beziehungen zu Russland und an einer Stärkung der Position Russlands auf der internationalen Bühne als einflussreiche Weltmacht interessiert ist.

Dies eröffnet der Russischen Föderation ein breites Spektrum von Möglichkeiten für eine erfolgreiche Tätigkeit auf der internationalen Bühne.

Im Kapitel III (Punkt 15) wird das primäre Ziel der russischen Außenpolitik wie folgt beschrieben: „Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, der Souveränität, der Unabhängigkeit, der staatlichen und territorialen Integrität der Russischen Föderation vor jeglichem destruktiven äußeren Einfluss.“ [6]

Ohne Zweifel sind es die USA, die diesem Ziel entgegenwirken. Das wird im gegen-ständlichen Strategie-Dokument mehrfach angedeutet.

Die Frankfurter Rundschau titelte: „Putin erklärt Westen zur Bedrohung und nennt einen Hauptfeind“ [7]. Allen voran würden die Vereinigten Staaten von Amerika als „existenzielle“ Bedrohung eingestuft, da die USA ihre „globale Dominanz“ durch die Einschränkung der Souveränität von europäischen Staaten sichern wolle. Das wurde mit der Aussage des russischen Außenministers Sergej Lawrow untermauert: Die Bedrohung für Russland, durch Aktionen unfreundlicher Staaten sei existenzieller Natur [8].

In diesem Zusammenhang wurde auch der belarussische Staatspräsident Lukaschenko zitiert: „Das Ziel von Washington sei es, die Ressourcen jedes Landes zu plündern“. [9]

Patrick Diekmann, politischer Journalist für das Nachrichtenportal t-online, titelte: „Putin vergisst seinen Krieg“. Für Diekmann ist Putin das Sinnbild russischer Großmacht-Fantasien, der sich ein Traumschloss aus Papier gebaut hat. Die im Konzept niedergeschriebenen Ziele wirken auf Diekmann wie aus der Feder eines „Gernegroß“. An dieser Stelle sollte innegehalten, tief durchgeatmet und die Rede des damaligen US-Präsidenten Barack Obama vor den Kadetten der US-Militärakademie in Westpoint vors geistige Auge geholt werden:

Da alle vorausgegangenen Strategiepapiere (1994/2014) bis zum letzten Punkt und Komma umgesetzt worden sind, sollte man der neuen „Nationalen Verteidigungs-direktive“ vom 27. Oktober 2022 (fast gleicher Inhalt wie die von 2014 „Win in a Complex World 2020-2040“) größte Aufmerksamkeit schenken.

In Westpoint feierte am 28. Mai 2014 Friedensnobelpreisträger Obama vor applaudierenden Kadetten die Doktrin eines amerikanischen Exzeptionalismus. Demnach bilden die Vereinigten Staaten eine Art Vorbild für den Rest der Welt. Aufgrund ihrer kulturellen, historischen, politischen und religiösen Einzigartigkeit hätten sie sich gleichsam dem Auftrag und der Verpflichtung zu stellen, führende Ordnungsmacht zu sein: „Ich glaube an den amerikanischen Exzeptionalismus mit jeder Faser meines Seins“, tönte der US-Präsident vor den jungen Offiziersanwärtern.

„Was uns jedoch exzeptionell macht, ist nicht unsere Fähigkeit, uns über internationale Normen und den Rechtsstaat hinwegzusetzen, es ist unsere Bereitschaft, diese durch unsere Handlungen zu bekräftigen“ [10]

– Handlungen, die seit 1945 mehr als 20 Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Allein im 21. Jahrhundert wurden sieben Länder völlig oder teilweise zerstört und die damit verbundenen Flüchtlingsströme nehmen kein Ende.

„Grundlage waren u.a. die zwei unter demokratischen US-Präsidenten verfasste US-Strategiepapiere TRADOC 525-5 (unterzeichnet von Bill Clinton) und TRADOC 525-3-1 (2014 unterzeichnet von Barack Obama).

In TRADOC 525-5 „US-Konzept für die strategische Armee des 21. Jahrhundert“ vom 1. August 1994 wird eine neue „Dynamische Ära“, eine Welt im Übergang (Transition) beschrieben.

Abb. 1

Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert vollzieht sich über zwei Dekaden (von 1990 bis 2010) in vier Schritten: Aufruhr (Turmoil), Krise (Crisis), Konflikt (Conflict) und schließlich Krieg (War). Dieses „Drehbuch“ kam in nahezu allen Konfliktregionen (vom Irak bis zur Ukraine) zur Anwendung. Instrumente für die provozierten Umstürze sind die dynamischen Kräfte (Dynamic Forces at Work) mit dem Ziel der geostrategischen Ausrichtung. Für diese Politik wurde das Werkzeug „Operations Other Than War“ (OOTW) geschaffen:

Abb. 2

  • Civil Support (Zivile Unterstützung)
  • Desaster Relief (Katastrophenhilfe)
  • Peace Operations (Friedenseinsätze)
  • Counter Insurgency (Aufstandsbekämpfung)
  • Arms Control (Rüstungskontrolle)
  • Counter Terrorism (Bekämpfung terroristischer Aktivitäten)
  • Environmental Operations (Umweltbezogene Operationen)
  • Noncombatant Evacuation (Evakuierung von Personen aus Krisengebieten, die gemäß Genfer Konvention nicht berechtigt sind, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. [11]

Vor diesem Hintergrund bekommt die stolze Meldung über den Rekord des „US-Air-Mobility-Commands“, mit einer „C-17 Globemaster III“ am 15. August 2021 ins-gesamt 823 Menschen ausgeflogen zu haben, einen anderen Anstrich, vor allem weil vor allem junge, wehrfähige Menschen das Flugzeug füllen. [12] Die in OOTW angeführten Kriegseintrittsoptionen sind durchaus ernst zu nehmen. In der Abbildung 3 (Umfang der künftigen Maßnahmen) wird dieses Spektrum aufgezeigt:

Abb. 3

Von den Hilfsmaßnahmen in Somalia/Bosnien/Nordirland über den Kampf (gegen Infanterie) in Afghanistan bis hin zum Kampf zwischen komplexen, anpassungs-fähigen Kräften und gepanzerten Mech-Kräften wie im Irak (Operation „Desert Storm“).Im Herbst 2014 stellte der Befehlshaber des „U.S. Army Training and Doctrine Command“ (TRADOC), Vier-Sterne-General David. G. Perkins, das Nachfolgepapier „TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040“ vor.

Gen. David G. Perkins, commanding general (TRADOC). (Bild: U.S. Army / Wikimedia Commons / public domain)

In diesem Papier erhielten die US-Streitkräfte unter Punkt 2.4 (Harbingers of future conflict / Vorboten künftiger Konflikte) [13] den Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung „abzubauen“. Dieser Abbau erfolgt natürlich gemäß dem Strategiepapier mit der Anordnung von OOTW.

General Perkins führte dazu aus, dass „Win in a Complex World 2020-2040“ (Siegen in einer komplexen Welt) die Bedeutung einsatzbereiter Landstreitkräfte für den Schutz der Nation und die Sicherung der lebenswichtigen Interessen gegen entschlossen kämpfende Gegner in einem komplexen Umfeld („hybride“ Kriegsführung) steigt und jene grundlegenden Fähigkeiten erfordert, die das Heer zur Verhinderung von Kriegen und zur Gestaltung des Sicherheitsumfelds benötigt. TRADOC 525-3-1 soll die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und die Neutralen beeinflussen. [14] Während die Situation in Afghanistan eskalierte, gingen die Manöver vor Russlands Westgrenze weiter. Nach dem monatelangen Großmanöver „Defender Europe 21“ fand Anfang August 2021 in Georgien das Manöver „Agile Spirit“ statt. Daran nahmen über 2.500 Soldaten aus zwölf NATO-Mitgliedstaaten (Großbritannien, Deutschland, Spanien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Vereinigte Staaten, Türkei und Estland) sowie aus Aserbaidschan, Georgien und der Ukraine teil. Kommentar des US-Offiziers Ari Martin: „Während der Ausbildung mit unseren georgischen Partnern arbeiten wir an der Interoperabilität. Wir wollen zeigen, dass wir zusammenarbeiten können und dass wir gemeinsam stärker sind. Ich bin mir sicher, dass wir, so wie wir es heute getan haben, überall auf der Welt schnell unsere Kampfkraft einsetzen können.“ [15]

Wohin werden die europäischen „Ortskräfte“ fliehen können, wenn USA/NATO an dem lange vorbereiteten Krieg gegen Russland auch mit Truppen teilnehmen werden? Dann bleibt von Gesamteuropa nur noch eine Trümmerwüste.

Am 26. August 2009 wurde vom Verfasser dieses Artikels der Beitrag „Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan“ veröffentlicht. [16] Er endete mit der Feststellung: „Die Lage ist trostlos und die Aussicht gering, dass die Strategie zur Stabilisierung Afghanistans trotz ständig steigender Militärpräsenz Erfolg haben kann. [17] Müssen die gleichen leidvollen Erfahrungen, wie sie die Engländer im 19. und die Russen im 20. Jahrhundert machten, im 21. Jahrhundert wiederholt werden?“

Die deutsche Regierung sollte einmal Mut beweisen, nach dem Terroranschlag auf die Erdgas-Pipelines Nordstream 1/2 nüchtern Bilanz ziehen und ausschließlich auf einen „Dialog ohne Waffen“ setzen.

In seinem aufrüttelnden Artikel „Von Vietnam nach Afghanistan: Die USA lassen Wüsten zurück und nennen es Frieden“ ist Alfred de Zaya, ehemaliger UN-Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, mit den US-Strategen hart ins Gericht gegangen. Für ihn hätten die USA gar nicht erst in Afghanistan einmarschieren dürfen – genauso wenig in Vietnam, Laos, Kambodscha, Grenada [18], Nicaragua, Libyen und in Syrien. Seiner Meinung nach, „haben die USA Afghanistan gründlich destabilisiert, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Konflikt nun in einen Bürgerkrieg ausartet – eine anhaltende Tragödie für das leidgeprüfte afghanische Volk“ [19]. Die USA seien nie wirklich an „Nation Building“, sondern nur an Geopolitik interessiert gewesen. Sie wollen die Region kontrollieren und nur Klientel-Regierungen, keine unabhängigen Nationen.

De Zaya ist erstaunt, dass aus früheren US-Debakeln keine Lehren gezogen wurden. Er sieht auf der einen Seite in der Verwüstung Afghanistans eine Katastrophe für das afghanische Volk, auf der anderen Seite aber einen Glücksfall für den amerikanischen militärisch-industriellen und finanziellen Komplex: „Amerika braucht den permanenten Krieg, um die unersättliche Militärmaschinerie zu füttern, die Billionen-Dollar-Budgets erfordert. Es wäre besser, unsere Steuergelder für Konfliktprävention, Gesundheitsvorsorge, Bildung usw. zu verwenden.“ [20]

Für ihn sind die Länder, die sich an der gnadenlosen Bombardierung Afghanistans beteiligt haben, rechtlich und moralisch verpflichtet, dem afghanischen Volk Wiedergutmachung zu leisten. Weiters wünscht er sich, dass der Internationale Strafgerichtshof eine ehrliche Untersuchung der Verbrechen der USA und der NATO durchführt. Man kann nur hoffen, dass sich de Zayas Wünsche erfüllen. Mit dem Ausfliegen so genannter „Ortskräfte“ ist dem afghanischen Volk jedenfalls noch keine Gerechtigkeit widerfahren.

Bei den aktuellen Konflikten fällt auf, dass fast alle Krisenherde der Gegenwart entlang den Verwerfungslinien vor und während des ersten Weltkriegs verlaufen: Balkan, Nordafrika, Türkei, Osteuropa und bis nach Korea und China. Für den deutschen Philosophen Oswald Spengler (Untergang des Abendlandes) begann der Erste Weltkrieg bereits 1911 (mit der Besetzung marokkanischer Städte durch Frankreich, dem Angriff Italiens auf das Osmanische Reich in Tripolitanien, der Besetzung Koreas durch Japan und mit der von außen gesteuerten Revolution in China).

Der sowjetische Botschafter in London (1932-1943) I.M. Maiski hebt in seinen Memoiren die Ziele des Versailler Systems hervor. So sollten nach den Plänen seiner Schöpfer dreierlei dauerhaft garantiert werden. [21]

  1. unbedingte Herrschaft der britisch-französisch-amerikanischen Sieger-Koalition in Europa (die Oberschicht des amerikanischen Imperialismus träumte schon damals von der Weltherrschaft, wagte es aber noch nicht, dieses Ziel offen zu äußern);
  2. unbedingte Unterwerfung des besiegten Deutschlands unter die britisch-französisch-amerikanische Sieger-Koalition;
  3. Paria-Stellung für das revolutionäre Russland bis zum Zeitpunkt, da unser Land, wie die Führer der Koalition fest glaubten, unter den militärischen und wirtschaftlichen Schlägen der Entente zusammenbrechen und gezwungen sein würde, in den Schoß des Kapitalismus zurückzukehren.

 

Die Umsetzung dieser Ziele sollten gemäß Maiski durch zwei breite, sich zum Tal überschneidende „Cordon Sanitaire“ geschaffen werden:

„…den einen gegen Deutschland und den anderen gegen Sowjetrussland. Den Kordon gegen Sowjetrussland sah man als den wichtigeren an, denn die Machthaber Großbritanniens, Frankreichs und der USA waren der Meinung, dass die Oktober-Revolution für sie eine weitaus größere Gefahr darstellt als das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus. Deutschland sollte durch einen Staatenblock an seinen östlichen, westlichen und südlichen Grenzen in Ketten gehalten werden: durch Polen und die Kleine Entente (Tschechoslowakei, Rumänien, Jugoslawien, Griechenland) im Osten, durch Frankreich und Belgien – mit Unterstützung Großbritanniens – im Westen und durch Italien im Süden. Die Deutschland aufgebürdeten hohen Reparationen sollten nicht nur den Schaden wiedergutmachen, den die Siegermächte erlitten hatten, sondern auch den besiegten Feind wirtschaftlich ausbluten lassen. Mit unterschiedlicher Härte wurde eine ähnliche Politik auch gegen die Kriegsverbündeten Deutschlands angewandt: gegen Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei.“ [22]

Die Parallelen zur aktuellen Lage sind verblüffend. In ihrer gemeinsamen Erklärung vom 21. Juli 2021 bringen die Vereinigten Staaten und Deutschland ihre nachdrückliche Unterstützung der Drei-Meere-Initiative (Weiterentwicklung des „Cordon Sanitaire“) und ihrer Bemühungen zur Stärkung der Konnektivität von Infrastrukturen und der Energiesicherheit in Mittel- und Osteuropa zum Ausdruck. [23]

Mitgliedsstaaten der Drei-Meere-Initiative. Die Ukraine ist ein Partner Staat, de facto Mitglied. (Bild: JayCoop / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Bis heute werden die globalen Ziele einer sehr kleinen Geld- und Finanzelite aus den USA umgesetzt: Kardinal Murphy Farley, Erzbischof von New York kam am 26. Juli 1914 während des eucharistischen Weltkongresses in Lourdes zur Erkenntnis:

„Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden Business einzig und allein.“ [24] Heute lautet der Schlachtruf dieser Kreise „No Borders, No Nations“.

Der Kampf gegen die kontinentaleuropäischen Dynastien war umfassend erfolgreich:

Im November 1914 waren die Habsburger, die Romanows und die Hohenzollern Geschichte.

Und Winston Churchill stellte auch den Bezug zum Zweiten Weltkrieg her:

„Dieser Krieg wäre nie ausgebrochen, wenn wir nicht unter dem Druck der Amerikaner und neumodischer Gedankengänge die Habsburger aus Österreich-Ungarn und die Hohenzollern aus Deutschland vertrieben hätten. Indem wir in diesen Ländern ein Vakuum schufen, gaben wir dem Ungeheuer Hitler die Möglichkeit, aus der Tiefe der Gosse zum leeren Thron zu kriechen.“ [25]

Hätten sich die Vereinigten Staaten um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert, so Churchill vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, „wäre Frieden mit Deutschland geschlossen worden, und es hätte keinen Zusammenbruch in Russland gegeben, der Wegbereiter des Kommunismus war; keinen Zusammenbruch in Italien, dem der Faschismus folgte, und der Nationalsozialismus wäre in Deutschland nie an die Macht gekommen.“ [26]

Das exzeptionalistische Denken großer Teile der US-Elite – Nachfolger der imperialistischen Strategen und Profiteure der beiden Weltkriege – kam auch in der Senatsanhörung zum Ukrainekonflikt vom 28. Februar 2023 zum Vorschein:

Generalleutnant Keith Kellogg zum befragenden Senator Tom Cotton:

„Senator, ich glaube, wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und keine US-Truppen einsetzt, ist man auf dem Gipfel der Professionalität, denn wenn man die Ukrainer siegen lässt, ist ein strategischer Gegner vom Tisch und wir können uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, und das ist im Moment China. … Und wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“ [27] Und Senator Cotton antwortet: „Wir müssen meiner Meinung nach sicherstellen, dass Russland verliert. Wir müssen sicherstellen, dass die Ukrainer gewinnen. Warum hat… warum hat Deutschland nicht eingegriffen? Ich meine, das ist nicht – wissen Sie, ich weiß nicht, wie nah die ukrainische Grenze zu Deutschland ist. Aber warum hat Deutschland nicht seinen Teil zur tödlichen Hilfe beigetragen?“ Kelloggs Antwort:

Ich glaube, Deutschland spielt in Europa im Moment keine Rolle.“ [28]

Für Russland dürfte Deutschland inzwischen jeden Vertrauenskredit verspielt haben. In der gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands vom 21.7.2021 zur „Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele” versicherten die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ost-Ukraine im Rahmen des Normandie-Formats zu erreichen. „Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen.“ [29] Anschließend wurde weder die Regierung Merkel, noch die Regierung Scholz aktiv. Nur Lippenbekenntnisse? Vermutlich ja, denn am 7. Dezember 2022 ließ die ehemalige Kanzlerin im ZEIT-Interview wissen: „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“ [30] Minsk II scheint demnach ein reines Täuschungsmanöver gewesen zu sein, um in aller Ruhe die Ukraine aufzurüsten.

Im Kapitel III, Punkt 16/6 (Nationale Interessen) will die Russische Föderation gutnachbarschaftliche Beziehungen zu angrenzenden Staaten aufbauen und zur Verhinderung und Beseitigung von Spannungen und Konflikten auf deren Territorium beitragen, während die USA ihre Sicherheitsinteressen auf der ganzen Welt aggressiv durchsetzen. Dazu hatte US-Präsident George W. Bush sogar die Doktrin des „Präemptiven Kriegs“ (Angriffskrieg bei gefühlter Bedrohungslage – ähnlich dem Bethlehemer Kindermord im Jahre 0) verkündet.

In einem Schreiben vom 15. Dezember 2021 bat Putin die Vereinigten Staaten und die NATO um weitreichende Sicherheitsgarantien. Die Verhandlungen zogen sich hin und gingen schließlich aus wie das „Hornberger Schießen“.

Im Kapitel V, Punkt 59 (Schwerpunkte der Außenpolitik) beabsichtigt die Russische Föderation, ihre nationalen Interessen konsequent zu verteidigen, indem sie folgenden Aspekten Vorrang einräumt:

1) Verringerung und Neutralisierung der Bedrohungen für die Sicherheit, die territoriale Integrität, die Souveränität, die traditionellen geistigen und moralischen Werte und die sozioökonomische Entwicklung Russlands, seiner Verbündeten und Partner, die von unfreundlichen europäischen Staaten, der Nordatlantikvertrags-organisation, der Europäischen Union und dem Europa-Rat ausgehen;

2) Schaffung von Bedingungen für die Beendigung der unfreundlichen Handlungen der europäischen Staaten und ihrer Zusammenschlüsse, für eine vollständige Ablehnung des antirussischen Kurses … und für ihren Übergang zu einer langfristigen Politik der guten Nachbarschaft und der für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit mit Russland;

3) Schaffung eines neuen Modells der Koexistenz durch europäische Staaten, um die sichere, souveräne und fortschrittliche Entwicklung Russlands, seiner Verbündeten und Partner sowie einen dauerhaften Frieden im europäischen Teil Eurasiens zu gewährleisten…

Im Kapitel V, Punkt 62 werden die Vereinigten Staaten und andere angelsächsische Staaten als Hauptinspirator, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens angesehen, der Quelle großer Risiken für die Sicherheit der Russischen Föderation, den internationalen Frieden sowie eine ausgewogene, gerechte und fortschrittliche Entwicklung der Menschheit.

Die Russische Föderation beabsichtigt jedoch, Beziehungen zu anderen angelsächsischen Staaten aufzubauen, je nachdem, inwieweit diese bereit sind, ihren unfreundlichen Kurs gegenüber Russland aufzugeben und seine legitimen Interessen zu respektieren.

In den Punkten 5 und 8 geht das Strategie-Papier auf den Kolonialismus und Neo-Kolonialismus ein. Sie sind zu beenden und durch ein multipolares internationales System zu ersetzen, das die Bedingungen für die friedliche fortschreitende Entwicklung der Menschheit auf der Grundlage einer einigenden und konstruktiven Agenda gewährleistet.

BRICS-Staaten (dunkelblau: Mitglieder seit 2011; hellblau: Neue Mitglieder ab dem 1. Januar 2024). (Bild: Cflm001 / Wikimedia Commons / CC0)

Das kommt sicherlich im „Globalen Süden“ gut an. Nicht nur hier erkennen immer mehr Länder, dass sie als Verbündete des Biden-Regimes nicht mehr geschützt sind und schließen sich der BRICS-Allianz mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika an. Diese Schritte wirken sich verheerend auf die USA und ihre nationale Sicherheit aus.

Vor diesem Hintergrund warnte am 29.März 2023 Senator Marco Rubio (R-FL) in der Mittwoch-Ausgabe von „Hannity“ auf FOX News davor, dass die US-Sanktionen innerhalb der nächsten 5 Jahre wirkungslos werden, da die Länder, die mit China handeln, ihre eigene Währung anstelle des US-Dollars verwenden werden.

„Gerade heute hat Brasilien, das größte Land in der westlichen Hemisphäre südlich von uns, ein Handelsabkommen mit China abgeschlossen. Sie werden von nun an den Handel in ihrer eigenen Währung abwickeln, um den Dollar zu umgehen. Sie schaffen eine zweite Wirtschaft in der Welt, die völlig unabhängig von den Vereinigten Staaten ist.“ Und Rubio weiter: „In 5 Jahren werden wir nicht mehr über Sanktionen sprechen müssen, weil es so viele Länder geben wird, die in anderen Währungen als den Dollar handeln, dass wir nicht in der Lage sein werden, sie zu sanktionieren, während wir hier sitzen und uns auf einige der Verrücktheiten konzentrieren, die vor sich gehen – Leute, die im Grunde ihr Leben in diesem Land dafür einsetzen, dass es legal ist, Kinder zu verstümmeln und Drag-Shows in Schulen zu veranstalten. Sie setzen ihr Leben dafür ein, und wir haben eine andere Supermacht, die im Grunde genommen auf unsere Kosten die dominierende Weltmacht werden will, und diese Leute wollen sich nicht darauf konzentrieren.“ [31]

Anschließend verwies Rubio auf einen Beitrag in der Sendung The View, in dem es heißt, „dass unser Strafrechtssystem nicht besser ist als das, was China mit dem Völkermord an den uigurischen Muslimen macht. Wir sollten also besser aufwachen, oder wir werden in einer ganz anderen Welt leben, als wir es bisher gewohnt waren, und das wird schnell passieren“. [32]

Der Nachbar Mexiko rüttelt bereits an den Ketten des Dollar-Imperiums und sucht den Schulterschluss zu den BRICS-Staaten – der letzte folgenreiche Einmarsch der Yankees 1916 ist noch nicht vergessen! Mexiko hat von den USA gelernt und benutzt nun ebenfalls die Flüchtlinge als Waffe. Die unipolare Welt hat also erkennbare Risse bekommen.

Dank dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron sind nun noch einige hinzugekommen. Er hatte sich anlässlich seines vorösterlichen Peking-Besuchs dahingehend geäußert, dass Europa im Umgang mit China kein US-Vasall werden und deshalb seine Abhängigkeit von den USA reduzieren sollte.

Im politischen Berlin zeigt man sich entsetzt. Deutsche Politiker üben scharfe Kritik an Macrons China-Aussagen und finden sie „Naiv und gefährlich“.

Der SPIEGEL titelte „Von allen guten Geistern verlassen“ [33], ebenso die ZEIT: „Macron scheint von allen guten Geistern verlassen.“ [34]

Der in der transatlantischen Wolle gefärbte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, übrigens einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Organisation Atlantik-Brücke, verstieg sich gegenüber der Bild-Zeitung zu der anmaßenden Äußerung „Macron scheint von allen guten Geistern verlassen“ [35], womit er den Titel der ZÈIT wiedergab – oder war es umgekehrt? Sind doch zahlreiche Redakteure von Zeit (Josef Joffe etc.), SPIEGEL, FAZ, Süddeutsche und ARD/ZDF ebenfalls Mitglieder bei der Atlantik-Brücke.

Herr Röttgen scheint bisher erfolgreich verdrängt zu haben, dass die USA bei der Verfolgung ihrer geostrategischen Aktivitäten rund um den Globus immer vorrangig ihren eigenen Interessen, nicht aber den europäischen und schon gar nicht den deutschen dienen.

„America first“ gilt unter Biden genauso wie unter Trump.

Das lässt sich auch in der Ukraine vortrefflich beobachten, wo sich die USA in einer komfortablen Win-Situation befinden. Der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski bezeichnete in seinem Buch Die einzige Weltmacht die Europäer unverhohlen als Vasallen, die es enger an die USA zu binden gilt, um sie für den Kampf um die US-Vorherrschaft zu instrumentalisieren. Ähnlich äußerte sich auch Anfang Februar 2015 Stratfor-Gründer George Friedman auf dem Chicago Council on Global Affairs [36].

Vielleicht ist ja durch den Schulterschluss von Putin und Xi Jinping die in Putins Dekret anvisierte multipolare Weltordnung längst etabliert – und die transatlantischen Chorknaben wollen es einfach nicht wahrhaben.

Quellen:

[1] The Cradle, Pepe Escobar, „In Moscow, Xi and Putin bury Pax Americana“, am 22.03.2023, <https://thecradle.co/article-view/22818/columns>
[2] Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland, „The Concept of the Foreign Policy of the Russian Federation“, am 31.03.2023, <https://germany.mid.ru/de/aktuelles/pressemitteilungen/the_concept_of_the_foreign_policy_of_the_russian_federation/>
[3] Ebda.
[4] Am 13. Juni 2002 traten die USA vom ABM (Anti-Ballistic Missiles)-Vertrag zur Begrenzung von Raktenabwehrsytemen aus dem Jahr 1972 zurück.
Am 2. August 2019 setzten die USA Der INF-Vertrag (engl. Intermediate Range Nuclear Forces Treaty über die Vernichtung aller boden-/landgestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite außer Kraft. Wikipedia, „Kernwaffe“, <https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffe>
[5] Punkt 14 des Dekrets
[6] siehe [2]
[7] Frankfurter Rundschau, Lucas Maier, „„Beseitigung der Dominanz“: Putin erklärt Westen zur Bedrohung – und nennt einen Hauptfeind“, am 03.04.2023, <http://web.archive.org/web/20230403195325/https://www.fr.de/politik/krieg-news-russland-putin-erklaert-westen-usa-hauptfeind-lukaschenko-atomkrieg-ukraine-92185232.html>
[8] Alle Staaten, die Russland sanktionierten. Auf der Liste der unfreundlichen Staaten befinden sich keine lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten.
[9] siehe [7]
[10] Institute for Political Economy, Paul Craig Roberts, „What Obama Told Us At West Point“, am 02.06.2014, <https://www.paulcraigroberts.org/2014/06/02/obama-told-us-west-point-paul-craig-roberts/>
[11] Kombattanten sind nach Art. 43 Nr. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention von 1949 die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei und berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
[12] Air Mobility Command, „C-17 carrying passengers out of Afghanistan“, am 20.08.2021, < https://www.amc.af.mil/News/Article-Display/Article/2740472/c-17-carrying-passengers-out-of-afghanistan/>
[13]While the United States must assess new and emerging threats, many current operational callenges will exist into the future. Harbingers of future conflict include competing powers (e.g.,China and Russia), regional powers (e.g.Iran and the Democratic People’s Republic of Korea (DPRIC)), transnational terrorist networks (e.g.,a1 Qaida, its affiliates,`, and transnational criminals), and cyber threats.
U.S.Army, Seite nicht mehr aufrufbar: <https://usacac.army.mil/sites/default/files/publications/Army%200perating%20Concept%202014%20%28TP525-3-1%29.pdf>
[14] Rakuten kobo, Buch U.S. Army: „2020-2040 U.S. Army Operating Concept (AOC): Win in a Complex World – How Future Army Forces Prevent Conflict, Win Wars, Shape Security Environments, Tenets and Core Competencies“, <https://www.kobo.com/ww/en/ebook/2020-2040-u-s-army-operating-concept-aoc-win-in-a-complex-world-how-future-army-forces-prevent-conflict-win-wars-shape-security-environments-tenets-and-core-competencies>
[15] Euronews, Felix Weinert, „NATO-Manöver vor Russlands Haustür“, am 02.08.2021, <https://de.euronews.com/2021/08/02/nato-manover-vor-russlands-haustur>
[16] Neue Rheinische Zeitung, Wolfgang Effenberger, „Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan – Ursachen der „demokratischen Entwicklung““, am 21.09.2023 <http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14162>
[17] Vgl. Doering, Martina: Trostlose Lage in Pakistan und Afghanistan, in Berliner Zeitung vom 30. April 2009
[18] Als Grund für die vier Tage Krieg zu Luft, zu Lande, zu Wasser mit anschließender US-Invasion in Grenada (Operation Urgent Fury) wurde die durch einen Militärputsch hervorgerufene instabile Lage in Grenada sowie die Gefährdung von US-Bürgern im Land genannt. Später wurde aufgedeckt, dass die Premierministerin von Dominica, Mary Eugenia Charles, die die „Organisation Ostkaribischer Staaten“ (OECS) leitete, verdeckte CIA-Gelder für eine „geheime Operation“ erhalten hatte.
[19] Zitiert aus Zeit-Fragen vom 24. August 2021 Nr. 19/20, Seite 1
[20] Ebda.
[21] I.M. Maiski:  Memoiren eines sowjetischen Botschafters. Berlin 1984, S. 11-1
[22] Ebda.
[23] Auswärtiges Amt, „Gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“, am 21.07.2021, <https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074>
[24] Michael von Taube: „Der großen Katastrophe entgegen“, Leipzig 1937, S.379
[25] Zeit, „Churchill über die Deutschen“, <https://www.zeit.de/1965/05/churchill-ueber-die-deutschen/seite-3>
[26] Social Justice Magazin, 3. 7. 39, S. 4
[27] Alderson Court Reporting: Hearing to receive testemony on the conflict in  Ukraine 28-2-23 Washington D.C., S. 85 <www.aldersonreporting.com>
[28] Ebda
[29] siehe [23]
[30] World Socialist Web Site, Peter Schwarz, „Merkel: Minsk-Abkommen diente dazu, Zeit für die Aufrüstung der Ukraine zu gewinnen“, am 21.12.2022, <https://www.wsws.org/de/articles/2022/12/20/merk-d20.html>
[31] Real Clear Politics, Ian Schwartz, „Rubio: Adversaries Creating A Secondary Economy, Will Trade In Currencies Other Than The Dollar To Avoid Sanctions“, am 29.03.2023, <https://www.realclearpolitics.com/video/2023/03/29/rubio_adversaries_creating_a_secondary_economy_will_trade_in_currencies_other_than_the_dollar_to_avoid_sanctions.html>
[32] Ebda.
[33] Spiegel, „Deutsche Politiker üben scharfe Kritik an Macrons China-Aussagen“, am 11.04.2023, <https://www.spiegel.de/ausland/china-politik-scharfe-kritik-an-emmanuel-macron-nach-distanzierung-von-usa-a-61571aa0-5a38-443e-a371-cf0dc3813323>
[34] Ebda.
[35] Zeit, „“Macron scheint von allen guten Geistern verlassen““, am 11.04.2023, <https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-04/macron-eu-china-usa-kritik>
[36] Youtube, Chicago Council on Global Affairs, „George Friedman @The Chicago Council on Global Affairs 2015“,  <https://www.youtube.com/watch?v=fATq03kBs44>

Dekret 229:

Das neue außenpolitische Planungsdokument der Russischen Föderation

Von Wolfgang Effenberger , veröffentlicht am: 1. Oktober 2023, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 13.04.2023 auf www.website.com unter der URL <https://apolut.net/verteidigung-von-existenz-und-freier-entwicklung-mit-allen-verfuegbaren-mitteln-von-wolfgang-effenberger/> veröffentlicht. Lizenz: Wolfgang Effenberger, Apolut, CC BY-NC-ND 4.0

Chinas Präsident Xi Jinping mit Präsident Wladimir Putin 2019. (Bild: kremlin.ru / Public domain)

Verteidigung von Existenz und freier Entwicklung mit allen verfügbaren Mitteln

Am 22. März 2023 verabschiedete sich der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in Moskau mit den Worten: „Jetzt gibt es Veränderungen, die es seit 100 Jahren nicht gegeben hat. Wenn wir zusammen sind, treiben wir diese Veränderungen voran.“ [1]

Welche Veränderungen kann er gemeint haben?

Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sich Xi und Putin festgelegt, die Welt in eine multipolare Zukunft zu führen.

Wenige Tage später, am 31. März 2023, unterzeichnete der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, das 42-seitige Dekret „Konzept der Außenpolitik der Russischen Föderation“ [2]. Dieses Dokument löst die außenpolitische Doktrin aus dem Jahr 2016 ab. Darin wird in sechs Kapiteln (mit insgesamt 76 Unterpunkten) eine gediegene Analyse vergangener und gegenwärtiger russischer Außenpolitik präsentiert. Sie umreißt die politisch angestrebten Ziele Russlands, wobei die Bezeichnung „multipolare Weltordnung“ (eine Begriffsverwendung für internationale Staatenbeziehungen, in denen die Machtverteilung das Kriterium für die Strukturbildung ist) mehrfach vorkommt, der Begriff „unipolare Weltordnung“ (bei der ein Staat alle anderen dominiert) hingegen kein einziges Mal.

Es lohnt sich also, dieses Strategie-Dokument der Russischen Föderation eingehender zu betrachten.

Im Kapitel I. (Allgemeine Bestimmungen) wird darauf verwiesen, dass dieses Dokument eine systemische Vision der nationalen Interessen der Russischen Föderation im Bereich der Außenpolitik und der Grundprinzipien sowie der strategischen Ziele der russischen Außenpolitik vermittelt. Es stützt sich auf die Verfassung der Russischen Föderation, auf die allgemein anerkannten Grundsätze und Normen des Völkerrechts sowie auf die internationalen Verträge der Russischen Föderation ab. Weiters wird an die unabhängige Staatlichkeit Russlands erinnert, die seit mehr als tausend Jahren währt, ebenso an das kulturelle Erbe der vorangegangenen Epoche, an die tiefen historischen Bindungen zwischen der traditionellen europäischen Kultur und den anderen eurasischen Kulturen. Darüber hinaus wird die generelle Bedeutung Russlands in der Welt aufgezeigt: seine immensen Ressourcen in allen Lebensbereichen, seinen Status als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, seine Rolle als Teilnehmer an den führenden zwischenstaatlichen Organisationen und Vereinigungen, seine Bedeutung als ernstzunehmende Atommacht, seinen Status als Nachfolger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (mit fortbestehender Rechtspersönlichkeit) sowie sein entscheidender Beitrag zum Sieg im Zweiten Weltkrieg und seiner aktiven Rolle bei der Gestaltung des gegenwärtigen Systems der internationalen Beziehungen.

Russlands unabhängige und multi-vektorale Außenpolitik wird von seinen nationalen Interessen und dem Bewusstsein seiner besonderen Verantwortung für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit auf globaler sowie regionaler Ebene geleitet:

„Die russische Außenpolitik ist friedlich, offen, berechenbar, konsequent und pragmatisch und beruht auf der Achtung der allgemein anerkannten Grundsätze und Normen des Völkerrechts und dem Wunsch nach einer gerechten internationalen Zusammenarbeit zur Lösung gemeinsamer Probleme und zur Förderung gemeinsamer Interessen“ [3],

wobei die Haltung Russlands gegenüber anderen Staaten und zwischenstaatlichen Vereinigungen davon abhängt, ob deren Politik gegenüber der Russischen Föderation konstruktiv, neutral oder feindlich ist.

Im Kapitel II. (Die Welt von heute: wichtige Trends und Entwicklungsperspektiven) wird festgehalten, dass die Zerstörung des Systems der Rüstungskontrollverträge durch die USA die strategische Stabilität untergräbt. [4]

Die völkerrechtswidrige Anwendung militärischer Gewalt und die Eskalation langwieriger bewaffneter Konflikte in einer Reihe von Regionen steigern das Risiko von Zusammenstößen auch unter Beteiligung von Atommächten und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit, dass solche Konflikte eskalieren und sich zu einem lokalen, regionalen oder globalen Krieg ausweiten.

„Als Antwort auf die unfreundlichen Aktionen des Westens beabsichtigt Russland, sein Recht auf Existenz und freie Entwicklung mit allen verfügbaren Mitteln zu verteidigen.“ [5] Hervorgehoben wird, dass die Mehrheit der Menschheit an konstruktiven Beziehungen zu Russland und an einer Stärkung der Position Russlands auf der internationalen Bühne als einflussreiche Weltmacht interessiert ist.

Dies eröffnet der Russischen Föderation ein breites Spektrum von Möglichkeiten für eine erfolgreiche Tätigkeit auf der internationalen Bühne.

Im Kapitel III (Punkt 15) wird das primäre Ziel der russischen Außenpolitik wie folgt beschrieben: „Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, der Souveränität, der Unabhängigkeit, der staatlichen und territorialen Integrität der Russischen Föderation vor jeglichem destruktiven äußeren Einfluss.“ [6]

Ohne Zweifel sind es die USA, die diesem Ziel entgegenwirken. Das wird im gegen-ständlichen Strategie-Dokument mehrfach angedeutet.

Die Frankfurter Rundschau titelte: „Putin erklärt Westen zur Bedrohung und nennt einen Hauptfeind“ [7]. Allen voran würden die Vereinigten Staaten von Amerika als „existenzielle“ Bedrohung eingestuft, da die USA ihre „globale Dominanz“ durch die Einschränkung der Souveränität von europäischen Staaten sichern wolle. Das wurde mit der Aussage des russischen Außenministers Sergej Lawrow untermauert: Die Bedrohung für Russland, durch Aktionen unfreundlicher Staaten sei existenzieller Natur [8].

In diesem Zusammenhang wurde auch der belarussische Staatspräsident Lukaschenko zitiert: „Das Ziel von Washington sei es, die Ressourcen jedes Landes zu plündern“. [9]

Patrick Diekmann, politischer Journalist für das Nachrichtenportal t-online, titelte: „Putin vergisst seinen Krieg“. Für Diekmann ist Putin das Sinnbild russischer Großmacht-Fantasien, der sich ein Traumschloss aus Papier gebaut hat. Die im Konzept niedergeschriebenen Ziele wirken auf Diekmann wie aus der Feder eines „Gernegroß“. An dieser Stelle sollte innegehalten, tief durchgeatmet und die Rede des damaligen US-Präsidenten Barack Obama vor den Kadetten der US-Militärakademie in Westpoint vors geistige Auge geholt werden:

Da alle vorausgegangenen Strategiepapiere (1994/2014) bis zum letzten Punkt und Komma umgesetzt worden sind, sollte man der neuen „Nationalen Verteidigungs-direktive“ vom 27. Oktober 2022 (fast gleicher Inhalt wie die von 2014 „Win in a Complex World 2020-2040“) größte Aufmerksamkeit schenken.

In Westpoint feierte am 28. Mai 2014 Friedensnobelpreisträger Obama vor applaudierenden Kadetten die Doktrin eines amerikanischen Exzeptionalismus. Demnach bilden die Vereinigten Staaten eine Art Vorbild für den Rest der Welt. Aufgrund ihrer kulturellen, historischen, politischen und religiösen Einzigartigkeit hätten sie sich gleichsam dem Auftrag und der Verpflichtung zu stellen, führende Ordnungsmacht zu sein: „Ich glaube an den amerikanischen Exzeptionalismus mit jeder Faser meines Seins“, tönte der US-Präsident vor den jungen Offiziersanwärtern.

„Was uns jedoch exzeptionell macht, ist nicht unsere Fähigkeit, uns über internationale Normen und den Rechtsstaat hinwegzusetzen, es ist unsere Bereitschaft, diese durch unsere Handlungen zu bekräftigen“ [10]

– Handlungen, die seit 1945 mehr als 20 Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Allein im 21. Jahrhundert wurden sieben Länder völlig oder teilweise zerstört und die damit verbundenen Flüchtlingsströme nehmen kein Ende.

„Grundlage waren u.a. die zwei unter demokratischen US-Präsidenten verfasste US-Strategiepapiere TRADOC 525-5 (unterzeichnet von Bill Clinton) und TRADOC 525-3-1 (2014 unterzeichnet von Barack Obama).

In TRADOC 525-5 „US-Konzept für die strategische Armee des 21. Jahrhundert“ vom 1. August 1994 wird eine neue „Dynamische Ära“, eine Welt im Übergang (Transition) beschrieben.

Abb. 1

Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert vollzieht sich über zwei Dekaden (von 1990 bis 2010) in vier Schritten: Aufruhr (Turmoil), Krise (Crisis), Konflikt (Conflict) und schließlich Krieg (War). Dieses „Drehbuch“ kam in nahezu allen Konfliktregionen (vom Irak bis zur Ukraine) zur Anwendung. Instrumente für die provozierten Umstürze sind die dynamischen Kräfte (Dynamic Forces at Work) mit dem Ziel der geostrategischen Ausrichtung. Für diese Politik wurde das Werkzeug „Operations Other Than War“ (OOTW) geschaffen:

Abb. 2

  • Civil Support (Zivile Unterstützung)
  • Desaster Relief (Katastrophenhilfe)
  • Peace Operations (Friedenseinsätze)
  • Counter Insurgency (Aufstandsbekämpfung)
  • Arms Control (Rüstungskontrolle)
  • Counter Terrorism (Bekämpfung terroristischer Aktivitäten)
  • Environmental Operations (Umweltbezogene Operationen)
  • Noncombatant Evacuation (Evakuierung von Personen aus Krisengebieten, die gemäß Genfer Konvention nicht berechtigt sind, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. [11]

Vor diesem Hintergrund bekommt die stolze Meldung über den Rekord des „US-Air-Mobility-Commands“, mit einer „C-17 Globemaster III“ am 15. August 2021 ins-gesamt 823 Menschen ausgeflogen zu haben, einen anderen Anstrich, vor allem weil vor allem junge, wehrfähige Menschen das Flugzeug füllen. [12] Die in OOTW angeführten Kriegseintrittsoptionen sind durchaus ernst zu nehmen. In der Abbildung 3 (Umfang der künftigen Maßnahmen) wird dieses Spektrum aufgezeigt:

Abb. 3

Von den Hilfsmaßnahmen in Somalia/Bosnien/Nordirland über den Kampf (gegen Infanterie) in Afghanistan bis hin zum Kampf zwischen komplexen, anpassungs-fähigen Kräften und gepanzerten Mech-Kräften wie im Irak (Operation „Desert Storm“).Im Herbst 2014 stellte der Befehlshaber des „U.S. Army Training and Doctrine Command“ (TRADOC), Vier-Sterne-General David. G. Perkins, das Nachfolgepapier „TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040“ vor.

Gen. David G. Perkins, commanding general (TRADOC). (Bild: U.S. Army / Wikimedia Commons / public domain)

In diesem Papier erhielten die US-Streitkräfte unter Punkt 2.4 (Harbingers of future conflict / Vorboten künftiger Konflikte) [13] den Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung „abzubauen“. Dieser Abbau erfolgt natürlich gemäß dem Strategiepapier mit der Anordnung von OOTW.

General Perkins führte dazu aus, dass „Win in a Complex World 2020-2040“ (Siegen in einer komplexen Welt) die Bedeutung einsatzbereiter Landstreitkräfte für den Schutz der Nation und die Sicherung der lebenswichtigen Interessen gegen entschlossen kämpfende Gegner in einem komplexen Umfeld („hybride“ Kriegsführung) steigt und jene grundlegenden Fähigkeiten erfordert, die das Heer zur Verhinderung von Kriegen und zur Gestaltung des Sicherheitsumfelds benötigt. TRADOC 525-3-1 soll die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und die Neutralen beeinflussen. [14] Während die Situation in Afghanistan eskalierte, gingen die Manöver vor Russlands Westgrenze weiter. Nach dem monatelangen Großmanöver „Defender Europe 21“ fand Anfang August 2021 in Georgien das Manöver „Agile Spirit“ statt. Daran nahmen über 2.500 Soldaten aus zwölf NATO-Mitgliedstaaten (Großbritannien, Deutschland, Spanien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Vereinigte Staaten, Türkei und Estland) sowie aus Aserbaidschan, Georgien und der Ukraine teil. Kommentar des US-Offiziers Ari Martin: „Während der Ausbildung mit unseren georgischen Partnern arbeiten wir an der Interoperabilität. Wir wollen zeigen, dass wir zusammenarbeiten können und dass wir gemeinsam stärker sind. Ich bin mir sicher, dass wir, so wie wir es heute getan haben, überall auf der Welt schnell unsere Kampfkraft einsetzen können.“ [15]

Wohin werden die europäischen „Ortskräfte“ fliehen können, wenn USA/NATO an dem lange vorbereiteten Krieg gegen Russland auch mit Truppen teilnehmen werden? Dann bleibt von Gesamteuropa nur noch eine Trümmerwüste.

Am 26. August 2009 wurde vom Verfasser dieses Artikels der Beitrag „Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan“ veröffentlicht. [16] Er endete mit der Feststellung: „Die Lage ist trostlos und die Aussicht gering, dass die Strategie zur Stabilisierung Afghanistans trotz ständig steigender Militärpräsenz Erfolg haben kann. [17] Müssen die gleichen leidvollen Erfahrungen, wie sie die Engländer im 19. und die Russen im 20. Jahrhundert machten, im 21. Jahrhundert wiederholt werden?“

Die deutsche Regierung sollte einmal Mut beweisen, nach dem Terroranschlag auf die Erdgas-Pipelines Nordstream 1/2 nüchtern Bilanz ziehen und ausschließlich auf einen „Dialog ohne Waffen“ setzen.

In seinem aufrüttelnden Artikel „Von Vietnam nach Afghanistan: Die USA lassen Wüsten zurück und nennen es Frieden“ ist Alfred de Zaya, ehemaliger UN-Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, mit den US-Strategen hart ins Gericht gegangen. Für ihn hätten die USA gar nicht erst in Afghanistan einmarschieren dürfen – genauso wenig in Vietnam, Laos, Kambodscha, Grenada [18], Nicaragua, Libyen und in Syrien. Seiner Meinung nach, „haben die USA Afghanistan gründlich destabilisiert, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Konflikt nun in einen Bürgerkrieg ausartet – eine anhaltende Tragödie für das leidgeprüfte afghanische Volk“ [19]. Die USA seien nie wirklich an „Nation Building“, sondern nur an Geopolitik interessiert gewesen. Sie wollen die Region kontrollieren und nur Klientel-Regierungen, keine unabhängigen Nationen.

De Zaya ist erstaunt, dass aus früheren US-Debakeln keine Lehren gezogen wurden. Er sieht auf der einen Seite in der Verwüstung Afghanistans eine Katastrophe für das afghanische Volk, auf der anderen Seite aber einen Glücksfall für den amerikanischen militärisch-industriellen und finanziellen Komplex: „Amerika braucht den permanenten Krieg, um die unersättliche Militärmaschinerie zu füttern, die Billionen-Dollar-Budgets erfordert. Es wäre besser, unsere Steuergelder für Konfliktprävention, Gesundheitsvorsorge, Bildung usw. zu verwenden.“ [20]

Für ihn sind die Länder, die sich an der gnadenlosen Bombardierung Afghanistans beteiligt haben, rechtlich und moralisch verpflichtet, dem afghanischen Volk Wiedergutmachung zu leisten. Weiters wünscht er sich, dass der Internationale Strafgerichtshof eine ehrliche Untersuchung der Verbrechen der USA und der NATO durchführt. Man kann nur hoffen, dass sich de Zayas Wünsche erfüllen. Mit dem Ausfliegen so genannter „Ortskräfte“ ist dem afghanischen Volk jedenfalls noch keine Gerechtigkeit widerfahren.

Bei den aktuellen Konflikten fällt auf, dass fast alle Krisenherde der Gegenwart entlang den Verwerfungslinien vor und während des ersten Weltkriegs verlaufen: Balkan, Nordafrika, Türkei, Osteuropa und bis nach Korea und China. Für den deutschen Philosophen Oswald Spengler (Untergang des Abendlandes) begann der Erste Weltkrieg bereits 1911 (mit der Besetzung marokkanischer Städte durch Frankreich, dem Angriff Italiens auf das Osmanische Reich in Tripolitanien, der Besetzung Koreas durch Japan und mit der von außen gesteuerten Revolution in China).

Der sowjetische Botschafter in London (1932-1943) I.M. Maiski hebt in seinen Memoiren die Ziele des Versailler Systems hervor. So sollten nach den Plänen seiner Schöpfer dreierlei dauerhaft garantiert werden. [21]

  1. unbedingte Herrschaft der britisch-französisch-amerikanischen Sieger-Koalition in Europa (die Oberschicht des amerikanischen Imperialismus träumte schon damals von der Weltherrschaft, wagte es aber noch nicht, dieses Ziel offen zu äußern);
  2. unbedingte Unterwerfung des besiegten Deutschlands unter die britisch-französisch-amerikanische Sieger-Koalition;
  3. Paria-Stellung für das revolutionäre Russland bis zum Zeitpunkt, da unser Land, wie die Führer der Koalition fest glaubten, unter den militärischen und wirtschaftlichen Schlägen der Entente zusammenbrechen und gezwungen sein würde, in den Schoß des Kapitalismus zurückzukehren.

 

Die Umsetzung dieser Ziele sollten gemäß Maiski durch zwei breite, sich zum Tal überschneidende „Cordon Sanitaire“ geschaffen werden:

„…den einen gegen Deutschland und den anderen gegen Sowjetrussland. Den Kordon gegen Sowjetrussland sah man als den wichtigeren an, denn die Machthaber Großbritanniens, Frankreichs und der USA waren der Meinung, dass die Oktober-Revolution für sie eine weitaus größere Gefahr darstellt als das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus. Deutschland sollte durch einen Staatenblock an seinen östlichen, westlichen und südlichen Grenzen in Ketten gehalten werden: durch Polen und die Kleine Entente (Tschechoslowakei, Rumänien, Jugoslawien, Griechenland) im Osten, durch Frankreich und Belgien – mit Unterstützung Großbritanniens – im Westen und durch Italien im Süden. Die Deutschland aufgebürdeten hohen Reparationen sollten nicht nur den Schaden wiedergutmachen, den die Siegermächte erlitten hatten, sondern auch den besiegten Feind wirtschaftlich ausbluten lassen. Mit unterschiedlicher Härte wurde eine ähnliche Politik auch gegen die Kriegsverbündeten Deutschlands angewandt: gegen Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei.“ [22]

Die Parallelen zur aktuellen Lage sind verblüffend. In ihrer gemeinsamen Erklärung vom 21. Juli 2021 bringen die Vereinigten Staaten und Deutschland ihre nachdrückliche Unterstützung der Drei-Meere-Initiative (Weiterentwicklung des „Cordon Sanitaire“) und ihrer Bemühungen zur Stärkung der Konnektivität von Infrastrukturen und der Energiesicherheit in Mittel- und Osteuropa zum Ausdruck. [23]

Mitgliedsstaaten der Drei-Meere-Initiative. Die Ukraine ist ein Partner Staat, de facto Mitglied. (Bild: JayCoop / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Bis heute werden die globalen Ziele einer sehr kleinen Geld- und Finanzelite aus den USA umgesetzt: Kardinal Murphy Farley, Erzbischof von New York kam am 26. Juli 1914 während des eucharistischen Weltkongresses in Lourdes zur Erkenntnis:

„Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden Business einzig und allein.“ [24] Heute lautet der Schlachtruf dieser Kreise „No Borders, No Nations“.

Der Kampf gegen die kontinentaleuropäischen Dynastien war umfassend erfolgreich:

Im November 1914 waren die Habsburger, die Romanows und die Hohenzollern Geschichte.

Und Winston Churchill stellte auch den Bezug zum Zweiten Weltkrieg her:

„Dieser Krieg wäre nie ausgebrochen, wenn wir nicht unter dem Druck der Amerikaner und neumodischer Gedankengänge die Habsburger aus Österreich-Ungarn und die Hohenzollern aus Deutschland vertrieben hätten. Indem wir in diesen Ländern ein Vakuum schufen, gaben wir dem Ungeheuer Hitler die Möglichkeit, aus der Tiefe der Gosse zum leeren Thron zu kriechen.“ [25]

Hätten sich die Vereinigten Staaten um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert, so Churchill vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, „wäre Frieden mit Deutschland geschlossen worden, und es hätte keinen Zusammenbruch in Russland gegeben, der Wegbereiter des Kommunismus war; keinen Zusammenbruch in Italien, dem der Faschismus folgte, und der Nationalsozialismus wäre in Deutschland nie an die Macht gekommen.“ [26]

Das exzeptionalistische Denken großer Teile der US-Elite – Nachfolger der imperialistischen Strategen und Profiteure der beiden Weltkriege – kam auch in der Senatsanhörung zum Ukrainekonflikt vom 28. Februar 2023 zum Vorschein:

Generalleutnant Keith Kellogg zum befragenden Senator Tom Cotton:

„Senator, ich glaube, wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und keine US-Truppen einsetzt, ist man auf dem Gipfel der Professionalität, denn wenn man die Ukrainer siegen lässt, ist ein strategischer Gegner vom Tisch und wir können uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, und das ist im Moment China. … Und wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“ [27] Und Senator Cotton antwortet: „Wir müssen meiner Meinung nach sicherstellen, dass Russland verliert. Wir müssen sicherstellen, dass die Ukrainer gewinnen. Warum hat… warum hat Deutschland nicht eingegriffen? Ich meine, das ist nicht – wissen Sie, ich weiß nicht, wie nah die ukrainische Grenze zu Deutschland ist. Aber warum hat Deutschland nicht seinen Teil zur tödlichen Hilfe beigetragen?“ Kelloggs Antwort:

Ich glaube, Deutschland spielt in Europa im Moment keine Rolle.“ [28]

Für Russland dürfte Deutschland inzwischen jeden Vertrauenskredit verspielt haben. In der gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands vom 21.7.2021 zur „Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele” versicherten die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ost-Ukraine im Rahmen des Normandie-Formats zu erreichen. „Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen.“ [29] Anschließend wurde weder die Regierung Merkel, noch die Regierung Scholz aktiv. Nur Lippenbekenntnisse? Vermutlich ja, denn am 7. Dezember 2022 ließ die ehemalige Kanzlerin im ZEIT-Interview wissen: „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“ [30] Minsk II scheint demnach ein reines Täuschungsmanöver gewesen zu sein, um in aller Ruhe die Ukraine aufzurüsten.

Im Kapitel III, Punkt 16/6 (Nationale Interessen) will die Russische Föderation gutnachbarschaftliche Beziehungen zu angrenzenden Staaten aufbauen und zur Verhinderung und Beseitigung von Spannungen und Konflikten auf deren Territorium beitragen, während die USA ihre Sicherheitsinteressen auf der ganzen Welt aggressiv durchsetzen. Dazu hatte US-Präsident George W. Bush sogar die Doktrin des „Präemptiven Kriegs“ (Angriffskrieg bei gefühlter Bedrohungslage – ähnlich dem Bethlehemer Kindermord im Jahre 0) verkündet.

In einem Schreiben vom 15. Dezember 2021 bat Putin die Vereinigten Staaten und die NATO um weitreichende Sicherheitsgarantien. Die Verhandlungen zogen sich hin und gingen schließlich aus wie das „Hornberger Schießen“.

Im Kapitel V, Punkt 59 (Schwerpunkte der Außenpolitik) beabsichtigt die Russische Föderation, ihre nationalen Interessen konsequent zu verteidigen, indem sie folgenden Aspekten Vorrang einräumt:

1) Verringerung und Neutralisierung der Bedrohungen für die Sicherheit, die territoriale Integrität, die Souveränität, die traditionellen geistigen und moralischen Werte und die sozioökonomische Entwicklung Russlands, seiner Verbündeten und Partner, die von unfreundlichen europäischen Staaten, der Nordatlantikvertrags-organisation, der Europäischen Union und dem Europa-Rat ausgehen;

2) Schaffung von Bedingungen für die Beendigung der unfreundlichen Handlungen der europäischen Staaten und ihrer Zusammenschlüsse, für eine vollständige Ablehnung des antirussischen Kurses … und für ihren Übergang zu einer langfristigen Politik der guten Nachbarschaft und der für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit mit Russland;

3) Schaffung eines neuen Modells der Koexistenz durch europäische Staaten, um die sichere, souveräne und fortschrittliche Entwicklung Russlands, seiner Verbündeten und Partner sowie einen dauerhaften Frieden im europäischen Teil Eurasiens zu gewährleisten…

Im Kapitel V, Punkt 62 werden die Vereinigten Staaten und andere angelsächsische Staaten als Hauptinspirator, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens angesehen, der Quelle großer Risiken für die Sicherheit der Russischen Föderation, den internationalen Frieden sowie eine ausgewogene, gerechte und fortschrittliche Entwicklung der Menschheit.

Die Russische Föderation beabsichtigt jedoch, Beziehungen zu anderen angelsächsischen Staaten aufzubauen, je nachdem, inwieweit diese bereit sind, ihren unfreundlichen Kurs gegenüber Russland aufzugeben und seine legitimen Interessen zu respektieren.

In den Punkten 5 und 8 geht das Strategie-Papier auf den Kolonialismus und Neo-Kolonialismus ein. Sie sind zu beenden und durch ein multipolares internationales System zu ersetzen, das die Bedingungen für die friedliche fortschreitende Entwicklung der Menschheit auf der Grundlage einer einigenden und konstruktiven Agenda gewährleistet.

BRICS-Staaten (dunkelblau: Mitglieder seit 2011; hellblau: Neue Mitglieder ab dem 1. Januar 2024). (Bild: Cflm001 / Wikimedia Commons / CC0)

Das kommt sicherlich im „Globalen Süden“ gut an. Nicht nur hier erkennen immer mehr Länder, dass sie als Verbündete des Biden-Regimes nicht mehr geschützt sind und schließen sich der BRICS-Allianz mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika an. Diese Schritte wirken sich verheerend auf die USA und ihre nationale Sicherheit aus.

Vor diesem Hintergrund warnte am 29.März 2023 Senator Marco Rubio (R-FL) in der Mittwoch-Ausgabe von „Hannity“ auf FOX News davor, dass die US-Sanktionen innerhalb der nächsten 5 Jahre wirkungslos werden, da die Länder, die mit China handeln, ihre eigene Währung anstelle des US-Dollars verwenden werden.

„Gerade heute hat Brasilien, das größte Land in der westlichen Hemisphäre südlich von uns, ein Handelsabkommen mit China abgeschlossen. Sie werden von nun an den Handel in ihrer eigenen Währung abwickeln, um den Dollar zu umgehen. Sie schaffen eine zweite Wirtschaft in der Welt, die völlig unabhängig von den Vereinigten Staaten ist.“ Und Rubio weiter: „In 5 Jahren werden wir nicht mehr über Sanktionen sprechen müssen, weil es so viele Länder geben wird, die in anderen Währungen als den Dollar handeln, dass wir nicht in der Lage sein werden, sie zu sanktionieren, während wir hier sitzen und uns auf einige der Verrücktheiten konzentrieren, die vor sich gehen – Leute, die im Grunde ihr Leben in diesem Land dafür einsetzen, dass es legal ist, Kinder zu verstümmeln und Drag-Shows in Schulen zu veranstalten. Sie setzen ihr Leben dafür ein, und wir haben eine andere Supermacht, die im Grunde genommen auf unsere Kosten die dominierende Weltmacht werden will, und diese Leute wollen sich nicht darauf konzentrieren.“ [31]

Anschließend verwies Rubio auf einen Beitrag in der Sendung The View, in dem es heißt, „dass unser Strafrechtssystem nicht besser ist als das, was China mit dem Völkermord an den uigurischen Muslimen macht. Wir sollten also besser aufwachen, oder wir werden in einer ganz anderen Welt leben, als wir es bisher gewohnt waren, und das wird schnell passieren“. [32]

Der Nachbar Mexiko rüttelt bereits an den Ketten des Dollar-Imperiums und sucht den Schulterschluss zu den BRICS-Staaten – der letzte folgenreiche Einmarsch der Yankees 1916 ist noch nicht vergessen! Mexiko hat von den USA gelernt und benutzt nun ebenfalls die Flüchtlinge als Waffe. Die unipolare Welt hat also erkennbare Risse bekommen.

Dank dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron sind nun noch einige hinzugekommen. Er hatte sich anlässlich seines vorösterlichen Peking-Besuchs dahingehend geäußert, dass Europa im Umgang mit China kein US-Vasall werden und deshalb seine Abhängigkeit von den USA reduzieren sollte.

Im politischen Berlin zeigt man sich entsetzt. Deutsche Politiker üben scharfe Kritik an Macrons China-Aussagen und finden sie „Naiv und gefährlich“.

Der SPIEGEL titelte „Von allen guten Geistern verlassen“ [33], ebenso die ZEIT: „Macron scheint von allen guten Geistern verlassen.“ [34]

Der in der transatlantischen Wolle gefärbte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, übrigens einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Organisation Atlantik-Brücke, verstieg sich gegenüber der Bild-Zeitung zu der anmaßenden Äußerung „Macron scheint von allen guten Geistern verlassen“ [35], womit er den Titel der ZÈIT wiedergab – oder war es umgekehrt? Sind doch zahlreiche Redakteure von Zeit (Josef Joffe etc.), SPIEGEL, FAZ, Süddeutsche und ARD/ZDF ebenfalls Mitglieder bei der Atlantik-Brücke.

Herr Röttgen scheint bisher erfolgreich verdrängt zu haben, dass die USA bei der Verfolgung ihrer geostrategischen Aktivitäten rund um den Globus immer vorrangig ihren eigenen Interessen, nicht aber den europäischen und schon gar nicht den deutschen dienen.

„America first“ gilt unter Biden genauso wie unter Trump.

Das lässt sich auch in der Ukraine vortrefflich beobachten, wo sich die USA in einer komfortablen Win-Situation befinden. Der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski bezeichnete in seinem Buch Die einzige Weltmacht die Europäer unverhohlen als Vasallen, die es enger an die USA zu binden gilt, um sie für den Kampf um die US-Vorherrschaft zu instrumentalisieren. Ähnlich äußerte sich auch Anfang Februar 2015 Stratfor-Gründer George Friedman auf dem Chicago Council on Global Affairs [36].

Vielleicht ist ja durch den Schulterschluss von Putin und Xi Jinping die in Putins Dekret anvisierte multipolare Weltordnung längst etabliert – und die transatlantischen Chorknaben wollen es einfach nicht wahrhaben.

Quellen:

[1] The Cradle, Pepe Escobar, „In Moscow, Xi and Putin bury Pax Americana“, am 22.03.2023, <https://thecradle.co/article-view/22818/columns>
[2] Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland, „The Concept of the Foreign Policy of the Russian Federation“, am 31.03.2023, <https://germany.mid.ru/de/aktuelles/pressemitteilungen/the_concept_of_the_foreign_policy_of_the_russian_federation/>
[3] Ebda.
[4] Am 13. Juni 2002 traten die USA vom ABM (Anti-Ballistic Missiles)-Vertrag zur Begrenzung von Raktenabwehrsytemen aus dem Jahr 1972 zurück.
Am 2. August 2019 setzten die USA Der INF-Vertrag (engl. Intermediate Range Nuclear Forces Treaty über die Vernichtung aller boden-/landgestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite außer Kraft. Wikipedia, „Kernwaffe“, <https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffe>
[5] Punkt 14 des Dekrets
[6] siehe [2]
[7] Frankfurter Rundschau, Lucas Maier, „„Beseitigung der Dominanz“: Putin erklärt Westen zur Bedrohung – und nennt einen Hauptfeind“, am 03.04.2023, <http://web.archive.org/web/20230403195325/https://www.fr.de/politik/krieg-news-russland-putin-erklaert-westen-usa-hauptfeind-lukaschenko-atomkrieg-ukraine-92185232.html>
[8] Alle Staaten, die Russland sanktionierten. Auf der Liste der unfreundlichen Staaten befinden sich keine lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten.
[9] siehe [7]
[10] Institute for Political Economy, Paul Craig Roberts, „What Obama Told Us At West Point“, am 02.06.2014, <https://www.paulcraigroberts.org/2014/06/02/obama-told-us-west-point-paul-craig-roberts/>
[11] Kombattanten sind nach Art. 43 Nr. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention von 1949 die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei und berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
[12] Air Mobility Command, „C-17 carrying passengers out of Afghanistan“, am 20.08.2021, < https://www.amc.af.mil/News/Article-Display/Article/2740472/c-17-carrying-passengers-out-of-afghanistan/>
[13]While the United States must assess new and emerging threats, many current operational callenges will exist into the future. Harbingers of future conflict include competing powers (e.g.,China and Russia), regional powers (e.g.Iran and the Democratic People’s Republic of Korea (DPRIC)), transnational terrorist networks (e.g.,a1 Qaida, its affiliates,`, and transnational criminals), and cyber threats.
U.S.Army, Seite nicht mehr aufrufbar: <https://usacac.army.mil/sites/default/files/publications/Army%200perating%20Concept%202014%20%28TP525-3-1%29.pdf>
[14] Rakuten kobo, Buch U.S. Army: „2020-2040 U.S. Army Operating Concept (AOC): Win in a Complex World – How Future Army Forces Prevent Conflict, Win Wars, Shape Security Environments, Tenets and Core Competencies“, <https://www.kobo.com/ww/en/ebook/2020-2040-u-s-army-operating-concept-aoc-win-in-a-complex-world-how-future-army-forces-prevent-conflict-win-wars-shape-security-environments-tenets-and-core-competencies>
[15] Euronews, Felix Weinert, „NATO-Manöver vor Russlands Haustür“, am 02.08.2021, <https://de.euronews.com/2021/08/02/nato-manover-vor-russlands-haustur>
[16] Neue Rheinische Zeitung, Wolfgang Effenberger, „Versuch einer Analyse nach acht Jahren Krieg in Afghanistan – Ursachen der „demokratischen Entwicklung““, am 21.09.2023 <http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14162>
[17] Vgl. Doering, Martina: Trostlose Lage in Pakistan und Afghanistan, in Berliner Zeitung vom 30. April 2009
[18] Als Grund für die vier Tage Krieg zu Luft, zu Lande, zu Wasser mit anschließender US-Invasion in Grenada (Operation Urgent Fury) wurde die durch einen Militärputsch hervorgerufene instabile Lage in Grenada sowie die Gefährdung von US-Bürgern im Land genannt. Später wurde aufgedeckt, dass die Premierministerin von Dominica, Mary Eugenia Charles, die die „Organisation Ostkaribischer Staaten“ (OECS) leitete, verdeckte CIA-Gelder für eine „geheime Operation“ erhalten hatte.
[19] Zitiert aus Zeit-Fragen vom 24. August 2021 Nr. 19/20, Seite 1
[20] Ebda.
[21] I.M. Maiski:  Memoiren eines sowjetischen Botschafters. Berlin 1984, S. 11-1
[22] Ebda.
[23] Auswärtiges Amt, „Gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“, am 21.07.2021, <https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074>
[24] Michael von Taube: „Der großen Katastrophe entgegen“, Leipzig 1937, S.379
[25] Zeit, „Churchill über die Deutschen“, <https://www.zeit.de/1965/05/churchill-ueber-die-deutschen/seite-3>
[26] Social Justice Magazin, 3. 7. 39, S. 4
[27] Alderson Court Reporting: Hearing to receive testemony on the conflict in  Ukraine 28-2-23 Washington D.C., S. 85 <www.aldersonreporting.com>
[28] Ebda
[29] siehe [23]
[30] World Socialist Web Site, Peter Schwarz, „Merkel: Minsk-Abkommen diente dazu, Zeit für die Aufrüstung der Ukraine zu gewinnen“, am 21.12.2022, <https://www.wsws.org/de/articles/2022/12/20/merk-d20.html>
[31] Real Clear Politics, Ian Schwartz, „Rubio: Adversaries Creating A Secondary Economy, Will Trade In Currencies Other Than The Dollar To Avoid Sanctions“, am 29.03.2023, <https://www.realclearpolitics.com/video/2023/03/29/rubio_adversaries_creating_a_secondary_economy_will_trade_in_currencies_other_than_the_dollar_to_avoid_sanctions.html>
[32] Ebda.
[33] Spiegel, „Deutsche Politiker üben scharfe Kritik an Macrons China-Aussagen“, am 11.04.2023, <https://www.spiegel.de/ausland/china-politik-scharfe-kritik-an-emmanuel-macron-nach-distanzierung-von-usa-a-61571aa0-5a38-443e-a371-cf0dc3813323>
[34] Ebda.
[35] Zeit, „“Macron scheint von allen guten Geistern verlassen““, am 11.04.2023, <https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-04/macron-eu-china-usa-kritik>
[36] Youtube, Chicago Council on Global Affairs, „George Friedman @The Chicago Council on Global Affairs 2015“,  <https://www.youtube.com/watch?v=fATq03kBs44>