Karte vom Jemen. (Karte: Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Das Jemen-Russland-Rätsel

Sanaa bemüht sich eifrig um eine Zusammenarbeit mit Moskau, um seine erstaunlichen militärischen Erfolge auf den wirtschaftlichen und diplomatischen Bereich auszuweiten. Während der Handel mit Russland ein wesentlicher Faktor sein kann, um die Auswirkungen der Belagerung des Jemen abzumildern, sieht Sanaa die Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten auch als „goldene Gelegenheit“, um dauerhafte Sicherheit am Persischen Golf zu schaffen.

Von Pepe Escobar , veröffentlicht am: 11. August 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 12.07.2024 auf www.thecradle.co unter der URL <https://thecradle.co/articles/the-yemen-russia-riddle> veröffentlicht. Lizenz: Pepe Escobar, The Cradle, CC BY-NC-ND 4.0

Jemens herausragende strategische Leistungen zur Verteidigung Palästinas und seine immer wichtiger werdende Rolle in der westasiatischen Achse des Widerstands, nimmt die Konturen einer epischen Odyssee an – die von der globalen Mehrheit genau beobachtet wird.

Als ob die beispiellose Demütigung der US-Marine im Bab al-Mandab und im Roten Meer nicht schon genug wäre, hat Ansarallah ein israelisches Schiff mit einer Hatem-2 Hyperschallrakete ins Visier genommen [1] – ein bemerkenswerter Fortschritt in der einheimischen Technologie-Entwicklung.

Diese erstaunlichen strategisch-militärischen Fortschritte Ansarallahs haben gleichzeitig den weiter schwelenden, nicht beendeten Krieg und die 2015 von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – mit der üblichen Unterstützung der USA und des Vereinigten Königreichs – begonnene Blockade gegen Jemen wiederbelebt.

Riad hasst den jemenitischen Widerstand wie die Pest und unterstützt eine „Anti-Ansarallah-Regierung“ in Aden, statt Sanaa, der anerkannten Hauptstadt des Jemens. Diese Anti-Ansarallah-Regierung wird mehr oder weniger auch von der „regelbasierten internationalen Ordnung“ anerkannt. In Wahrheit sitzt diese Regierung jedoch in einem Luxushotel in Riad.

Ansarallah hat sich sehr bemüht, einen Gefangenenaustausch auszuhandeln, bei dem gefangene saudische Piloten gegen inhaftierte Hamas-Mitglieder in Saudi-Arabien ausgetauscht werden [2]. Riad hat sich nicht nur geweigert, sondern auch damit gedroht, dass vom Ausland eingehende und ins Ausland abgehende Banküberweisungen des Jemen blockiert und der internationale Flughafen und die Seehäfen von Sanaa geschlossen werden würden.

Die Antwort Ansarallahs war eindeutig: Wenn das jemenitische Bankwesen blockiert wird, würde man das saudi-arabische Bankensystem zerstören. Wenn der Flughafen von Sanaa angegriffen wird, würde dasselbe mit den saudischen Flughäfen geschehen.

Der Krieg, der nie endete, ist also plötzlich und auf bedrohliche Weise wieder im Gange. Für Ansarallah wäre es kein Problem, die saudi-arabische Ölproduktion als Vergeltung für eine vollständige Blockade ins Visier zu nehmen – angesichts ihrer bereits gezeigten Fähigkeiten im Umgang mit brandneuen Raketen und Marinedrohnen. Die Folgen für die globalen Ölmärkte wären katastrophal.

Zwei Delegationen kommen nach Moskau…

Der Jemen stellt den klassischen Fall eines starken Widerstandsakteurs im Kontext der entstehenden multipolaren, multi-nodalen Welt dar [3]. Das wirft die Frage auf, wo der multipolare/multi-nodale Champion Russland steht, wenn es um den Kampf im Jemen geht.

Das bringt uns zu dem faszinierenden Fall zweier jemenitischer Delegationen, die kürzlich Moskau besuchten.

Eine von ihnen, angeführt von einem hochrangigen Ansarallah-Vertreter, traf sich in Moskau mit Michail Bogdanow, dem Sondergesandten des russischen Präsidenten für den Nahen Osten (Westasien) und Afrika.

Sie sprachen nicht nur über den anhaltenden Völkermord in Gaza, sondern auch über das, was Ansarallah als „amerikanisch-britische Aggression gegen den Jemen“ bezeichnet. Eine Anspielung auf die laufenden westlichen Marineoperationen im Roten Meer, mit denen seit Monaten – erfolglos [4] – versucht wird, jemenitische Operationen gegen israelische und mit Israel assoziierte Schiffe zu vereiteln. Eine Vergeltungsbelagerung, wenn man so will.

Die Jemeniten versicherten den Russen, dass ihre Seeoperationen „keine Bedrohung für die internationale Schifffahrt darstellen oder gegen irgendjemanden gerichtet sind, sondern der Unterstützung des palästinensischen Volkes dienen und eine Reaktion auf die amerikanischen und britischen Luftangriffe auf den Jemen sind“. Ansarallah lobte Russlands Verständnis und drückte Dankbarkeit aus, für

„Russlands Position gegen die amerikanisch-britische Aggression gegen den Jemen und seine Unterstützung für den humanitären und politischen Prozess in unserem Land. Wir haben auch die Ergebnisse der Deeskalationsbemühungen zwischen Jemen und den Angreiferländern erörtert und die Notwendigkeit einer umfassenden Lösung hervorgehoben, die die Einheit und Souveränität Jemens gewährleistet.”

All dies betrifft die jemenitische Delegation für den politischen Prozess, wie man sie nennen könnte. Während sie im Oman auf ihre russischen Visa warteten, kreuzten sich ihre Wege mit einer anderen jemenitischen Gruppe, die man als Geoökonomische Delegation bezeichnen könnte.

Diese Delegation wurde von Dr. Fouad al-Ghaffari angeführt, dem Sonderberater des Ministerpräsidenten Dr. Abdulaziz Saleh bin Habtoor und seiner Nationalen Heilsregierung in Sanaa.

Habtoor ist ein führender jemenitischer Intellektueller und der Autor des bemerkenswerten Buches Undeterred: Yemen in the Face of Decisive Storm (Jemen im Angesicht des entscheidenden Sturms), in dem er die wichtigsten Details des 2015 begonnenen Krieges beleuchtet, der „von einer feindlichen Koalition aus 17 Ländern“ mit voller Unterstützung der USA und der EU begonnen wurde und mit Luft-, See- und Landblockaden einherging.

In dem Buch erläutert der Premierminister den Beginn des Wirtschaftskriegs, als die jemenitische Zentralbank nach Aden verlegt wurde; den biologischen Krieg, der zu einem schrecklichen Ausbruch der Cholera im ganzen Land führte; und wie die Arabische Liga gekauft und bezahlt wurde. Er betont, dass „dies der erste Krieg in der Geschichte ist, in dem alle reichen arabischen Länder unter dem Schutzschirm des mächtigsten imperialistischen Landes, in einer unheiligen Koalition gegen das ärmste Land auf der arabischen Halbinsel zusammenstehen.“

Dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei. Der Jemen leidet extrem. Das Gespenst einer großen Hungersnot ist noch nicht verschwunden. Der Schwerpunkt der Delegation von Dr. Ghaffari musste daher eindeutig humanitär sein und sich auf die Ernährungssicherheit konzentrieren.

Er sprach mit The Cradle und erzählte, was der Jemen sich vom russischen Landwirtschaftsministerium erhofft:

„Wir müssen Lebensmittel exportieren und aus Russland importieren. Wir sollten eine Schifffahrtslinie zwischen Russland und dem Jemen im Hafen von Hodeidah einrichten. Letzten Monat war eine andere jemenitische Delegation in China. Es gab gute Kontakte. Und jetzt wird ein Abkommen ausgearbeitet. Ich bin als Berater des Premierministers hierher gekommen, um parallel zum russischen BRICS-Vorsitz darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, eine Verbindung zwischen uns und Russland im Bereich der Landwirtschaft – und der Ernährungssicherheit – aufzubauen. Wir brauchen in all diesen Bereichen russisches Fachwissen. Wir haben im Jemen spezielle Produkte, die wir exportieren wollen – und jetzt kämpfen wir gegen einen Boykott durch die USA und den Westen. Wir wollen russische Produkte anstelle von Produkten aus Europa.“

Ghaffari fügt hinzu: „Einige russische Produkte kommen zwar in den Jemen, aber nicht direkt. Sie kommen aus den Golfstaaten oder afrikanischen Ländern. Aber nicht als russische Produkte. Im Jemen gibt es keine russischen Produkte. Jetzt, nach 96 Jahren russisch-jemenitischer Beziehungen, betrachtet sich der Jemen als einen guten Akteur in unserer Region. Es ist an der Zeit, dass sich die BRICS zusammentun – und sich gegen das US-Modell zur Wehr setzen“.

Dr Fouad al-Ghaffari, der die Delegation in Moskau anführte, ist Sonderberater für den Ministerpräsidenten des Jemen für die Koordinierung mit BRICS. (Screenshot: Schiller Institute / Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=ZRDgTc2vHg4)

Jemens BRICS-Vorstoß

Dr. Ghaffari erklärt weiter, woran die mögliche geoökonomische Integration des Jemens scheitert:

„Wir haben gute Signale bei Kontakten mit Offiziellen erhalten, und der jemenitische Premierminister begrüßt das. Das Ziel ist es, ein Abkommen mit Moskau zu schließen. Wir haben eine Vision. Wir wollen diese Vision, wie die Eisenbahn den Norden und den Süden zusammenbringen kann, erläutern. Das erinnert uns an das Projekt der Russischen Eisenbahnen vor 15 Jahren. Wir bringen Öl-, Gas- und Agrarinvestitionen in die Seehäfen. Vielleicht könnte der Jemen das in 50 Jahren allein schaffen, aber mit guter Hilfe können wir es in ein oder zwei Jahren schaffen.“

Er berichtet, dass in Moskau auch eine lange Diskussion über den Wunsch des Jemen stattgefunden hat, sich um die Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten zu bewerben – und über die damit verbundenen Fallstricke:

„Wir arbeiten im Jemen seit 10 Jahren eng mit den BRICS zusammen, weil wir an diese Vision glauben und wir die Chance sehen, Mitglied zu werden. Ich bin der einzige Berater des Premierministers in Sachen BRICS-Förderung. Wir wollen mit BRICS zusammenarbeiten. Wir haben jetzt eine einmalige Gelegenheit.“

Das Büro des Premierministers in Sanaa hat Briefe an das russische Außenministerium geschickt, in denen es seinen Wunsch nach einem BRICS-Beitritt zum Ausdruck bringt. Wenn sich diese Kontakte entwickeln, könnte Moskau Sanaa sicherlich einladen, um als Beobachter am BRICS-Gipfel im Oktober in Kasan teilzunehmen.

Aber: Stellen die neuesten BRICS-Mitglieder, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, ein unmittelbares Hindernis für den Beitritt Jemens zu diesem multipolaren Machtzentrum dar?

Ghaffari scheint das nicht so zu sehen und verbindet Jemens BRICS-Vorstoß mit der Schaffung von „Sicherheit am Golf. Die Emirate und die Saudis sind jetzt in BRICS. BRICS könnte uns alle zusammenführen.“

Die Delegation von Dr. Ghaffari besuchte Russland also mit mehreren Zielen: die Möglichkeit der Gründung eines gemeinsamen Agrarunternehmens zu prüfen, Import- und Exportmöglichkeiten sowie Versandmethoden zu erörtern, die Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS-Strategie für wirtschaftliche Partnerschaft in der Landwirtschaft zu diskutieren, sich über die russischen Erfahrungen mit dem Boykott westlicher Produkte zu informieren; die Besonderheiten jemenitischer Produkte zu besprechen, insbesondere Kaffee, Honig und Baumwolle, um sie auf dem russischen Markt einzuführen und den Bau eines jemenitischen Staudamms zu erörtern.

Hinzu kommt ein wichtiges diplomatisches Ziel: die Möglichkeit auszuloten, ob ein jemenitischer Vertreter am bevorstehenden BRICS-Gipfel teilnehmen kann. „Wir stehen an der Seite Russlands. Russland sollte sich ein vollständiges Bild davon machen, was im Jemen passiert. Wenn der Jemen nicht am Gipfel teilnimmt, würde etwas in der Region fehlen.“

Moskau, Peking und Teheran würden dem sicherlich zustimmen. Aber dann ruft die knallharte geopolitische Realität. Die Russische Föderation, die gezwungen ist, das äußerst heikle geopolitische Gleichgewicht zwischen Iran und Saudi-Arabien innerhalb der BRICS zu wahren, ist möglicherweise noch weit davon entfernt, das Jemen-Rätsel zu lösen.

Quellen:

[1] The Cradle, „Yemen shows off hypersonic missile in Arab Sea op“, am 27.06.2024, <https://thecradle.co/articles/yemen-shows-off-hypersonic-missile-in-arab-sea-op>
[2] The Cradle, „Saudi-Yemen prisoner exchange talks ‘indefinitely delayed’“, am 04.01.2024, <https://thecradle.co/articles-id/17709>
[3] Free21, Pepe Escobar, „Warum der SCO-Gipfel in Kasachstan ein Game-Changer ist“, am 01.08.2024, <https://free21.org/warum-der-sco-gipfel-in-kasachstan-ein-game-changer-ist/>
[4] The Cradle, Khalil Nasrallah, „Yemen strikes back, targeting the USS Eisenhower“, am 03.06.2024, <https://thecradle.co/articles/yemen-strikes-back-targeting-the-uss-eisenhower>

Das Jemen-Russland-Rätsel

Von Pepe Escobar , veröffentlicht am: 11. August 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 12.07.2024 auf www.thecradle.co unter der URL <https://thecradle.co/articles/the-yemen-russia-riddle> veröffentlicht. Lizenz: Pepe Escobar, The Cradle, CC BY-NC-ND 4.0

Karte vom Jemen. (Karte: Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Sanaa bemüht sich eifrig um eine Zusammenarbeit mit Moskau, um seine erstaunlichen militärischen Erfolge auf den wirtschaftlichen und diplomatischen Bereich auszuweiten. Während der Handel mit Russland ein wesentlicher Faktor sein kann, um die Auswirkungen der Belagerung des Jemen abzumildern, sieht Sanaa die Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten auch als „goldene Gelegenheit“, um dauerhafte Sicherheit am Persischen Golf zu schaffen.

Jemens herausragende strategische Leistungen zur Verteidigung Palästinas und seine immer wichtiger werdende Rolle in der westasiatischen Achse des Widerstands, nimmt die Konturen einer epischen Odyssee an – die von der globalen Mehrheit genau beobachtet wird.

Als ob die beispiellose Demütigung der US-Marine im Bab al-Mandab und im Roten Meer nicht schon genug wäre, hat Ansarallah ein israelisches Schiff mit einer Hatem-2 Hyperschallrakete ins Visier genommen [1] – ein bemerkenswerter Fortschritt in der einheimischen Technologie-Entwicklung.

Diese erstaunlichen strategisch-militärischen Fortschritte Ansarallahs haben gleichzeitig den weiter schwelenden, nicht beendeten Krieg und die 2015 von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – mit der üblichen Unterstützung der USA und des Vereinigten Königreichs – begonnene Blockade gegen Jemen wiederbelebt.

Riad hasst den jemenitischen Widerstand wie die Pest und unterstützt eine „Anti-Ansarallah-Regierung“ in Aden, statt Sanaa, der anerkannten Hauptstadt des Jemens. Diese Anti-Ansarallah-Regierung wird mehr oder weniger auch von der „regelbasierten internationalen Ordnung“ anerkannt. In Wahrheit sitzt diese Regierung jedoch in einem Luxushotel in Riad.

Ansarallah hat sich sehr bemüht, einen Gefangenenaustausch auszuhandeln, bei dem gefangene saudische Piloten gegen inhaftierte Hamas-Mitglieder in Saudi-Arabien ausgetauscht werden [2]. Riad hat sich nicht nur geweigert, sondern auch damit gedroht, dass vom Ausland eingehende und ins Ausland abgehende Banküberweisungen des Jemen blockiert und der internationale Flughafen und die Seehäfen von Sanaa geschlossen werden würden.

Die Antwort Ansarallahs war eindeutig: Wenn das jemenitische Bankwesen blockiert wird, würde man das saudi-arabische Bankensystem zerstören. Wenn der Flughafen von Sanaa angegriffen wird, würde dasselbe mit den saudischen Flughäfen geschehen.

Der Krieg, der nie endete, ist also plötzlich und auf bedrohliche Weise wieder im Gange. Für Ansarallah wäre es kein Problem, die saudi-arabische Ölproduktion als Vergeltung für eine vollständige Blockade ins Visier zu nehmen – angesichts ihrer bereits gezeigten Fähigkeiten im Umgang mit brandneuen Raketen und Marinedrohnen. Die Folgen für die globalen Ölmärkte wären katastrophal.

Zwei Delegationen kommen nach Moskau…

Der Jemen stellt den klassischen Fall eines starken Widerstandsakteurs im Kontext der entstehenden multipolaren, multi-nodalen Welt dar [3]. Das wirft die Frage auf, wo der multipolare/multi-nodale Champion Russland steht, wenn es um den Kampf im Jemen geht.

Das bringt uns zu dem faszinierenden Fall zweier jemenitischer Delegationen, die kürzlich Moskau besuchten.

Eine von ihnen, angeführt von einem hochrangigen Ansarallah-Vertreter, traf sich in Moskau mit Michail Bogdanow, dem Sondergesandten des russischen Präsidenten für den Nahen Osten (Westasien) und Afrika.

Sie sprachen nicht nur über den anhaltenden Völkermord in Gaza, sondern auch über das, was Ansarallah als „amerikanisch-britische Aggression gegen den Jemen“ bezeichnet. Eine Anspielung auf die laufenden westlichen Marineoperationen im Roten Meer, mit denen seit Monaten – erfolglos [4] – versucht wird, jemenitische Operationen gegen israelische und mit Israel assoziierte Schiffe zu vereiteln. Eine Vergeltungsbelagerung, wenn man so will.

Die Jemeniten versicherten den Russen, dass ihre Seeoperationen „keine Bedrohung für die internationale Schifffahrt darstellen oder gegen irgendjemanden gerichtet sind, sondern der Unterstützung des palästinensischen Volkes dienen und eine Reaktion auf die amerikanischen und britischen Luftangriffe auf den Jemen sind“. Ansarallah lobte Russlands Verständnis und drückte Dankbarkeit aus, für

„Russlands Position gegen die amerikanisch-britische Aggression gegen den Jemen und seine Unterstützung für den humanitären und politischen Prozess in unserem Land. Wir haben auch die Ergebnisse der Deeskalationsbemühungen zwischen Jemen und den Angreiferländern erörtert und die Notwendigkeit einer umfassenden Lösung hervorgehoben, die die Einheit und Souveränität Jemens gewährleistet.”

All dies betrifft die jemenitische Delegation für den politischen Prozess, wie man sie nennen könnte. Während sie im Oman auf ihre russischen Visa warteten, kreuzten sich ihre Wege mit einer anderen jemenitischen Gruppe, die man als Geoökonomische Delegation bezeichnen könnte.

Diese Delegation wurde von Dr. Fouad al-Ghaffari angeführt, dem Sonderberater des Ministerpräsidenten Dr. Abdulaziz Saleh bin Habtoor und seiner Nationalen Heilsregierung in Sanaa.

Habtoor ist ein führender jemenitischer Intellektueller und der Autor des bemerkenswerten Buches Undeterred: Yemen in the Face of Decisive Storm (Jemen im Angesicht des entscheidenden Sturms), in dem er die wichtigsten Details des 2015 begonnenen Krieges beleuchtet, der „von einer feindlichen Koalition aus 17 Ländern“ mit voller Unterstützung der USA und der EU begonnen wurde und mit Luft-, See- und Landblockaden einherging.

In dem Buch erläutert der Premierminister den Beginn des Wirtschaftskriegs, als die jemenitische Zentralbank nach Aden verlegt wurde; den biologischen Krieg, der zu einem schrecklichen Ausbruch der Cholera im ganzen Land führte; und wie die Arabische Liga gekauft und bezahlt wurde. Er betont, dass „dies der erste Krieg in der Geschichte ist, in dem alle reichen arabischen Länder unter dem Schutzschirm des mächtigsten imperialistischen Landes, in einer unheiligen Koalition gegen das ärmste Land auf der arabischen Halbinsel zusammenstehen.“

Dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei. Der Jemen leidet extrem. Das Gespenst einer großen Hungersnot ist noch nicht verschwunden. Der Schwerpunkt der Delegation von Dr. Ghaffari musste daher eindeutig humanitär sein und sich auf die Ernährungssicherheit konzentrieren.

Er sprach mit The Cradle und erzählte, was der Jemen sich vom russischen Landwirtschaftsministerium erhofft:

„Wir müssen Lebensmittel exportieren und aus Russland importieren. Wir sollten eine Schifffahrtslinie zwischen Russland und dem Jemen im Hafen von Hodeidah einrichten. Letzten Monat war eine andere jemenitische Delegation in China. Es gab gute Kontakte. Und jetzt wird ein Abkommen ausgearbeitet. Ich bin als Berater des Premierministers hierher gekommen, um parallel zum russischen BRICS-Vorsitz darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, eine Verbindung zwischen uns und Russland im Bereich der Landwirtschaft – und der Ernährungssicherheit – aufzubauen. Wir brauchen in all diesen Bereichen russisches Fachwissen. Wir haben im Jemen spezielle Produkte, die wir exportieren wollen – und jetzt kämpfen wir gegen einen Boykott durch die USA und den Westen. Wir wollen russische Produkte anstelle von Produkten aus Europa.“

Ghaffari fügt hinzu: „Einige russische Produkte kommen zwar in den Jemen, aber nicht direkt. Sie kommen aus den Golfstaaten oder afrikanischen Ländern. Aber nicht als russische Produkte. Im Jemen gibt es keine russischen Produkte. Jetzt, nach 96 Jahren russisch-jemenitischer Beziehungen, betrachtet sich der Jemen als einen guten Akteur in unserer Region. Es ist an der Zeit, dass sich die BRICS zusammentun – und sich gegen das US-Modell zur Wehr setzen“.

Dr Fouad al-Ghaffari, der die Delegation in Moskau anführte, ist Sonderberater für den Ministerpräsidenten des Jemen für die Koordinierung mit BRICS. (Screenshot: Schiller Institute / Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=ZRDgTc2vHg4)

Jemens BRICS-Vorstoß

Dr. Ghaffari erklärt weiter, woran die mögliche geoökonomische Integration des Jemens scheitert:

„Wir haben gute Signale bei Kontakten mit Offiziellen erhalten, und der jemenitische Premierminister begrüßt das. Das Ziel ist es, ein Abkommen mit Moskau zu schließen. Wir haben eine Vision. Wir wollen diese Vision, wie die Eisenbahn den Norden und den Süden zusammenbringen kann, erläutern. Das erinnert uns an das Projekt der Russischen Eisenbahnen vor 15 Jahren. Wir bringen Öl-, Gas- und Agrarinvestitionen in die Seehäfen. Vielleicht könnte der Jemen das in 50 Jahren allein schaffen, aber mit guter Hilfe können wir es in ein oder zwei Jahren schaffen.“

Er berichtet, dass in Moskau auch eine lange Diskussion über den Wunsch des Jemen stattgefunden hat, sich um die Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten zu bewerben – und über die damit verbundenen Fallstricke:

„Wir arbeiten im Jemen seit 10 Jahren eng mit den BRICS zusammen, weil wir an diese Vision glauben und wir die Chance sehen, Mitglied zu werden. Ich bin der einzige Berater des Premierministers in Sachen BRICS-Förderung. Wir wollen mit BRICS zusammenarbeiten. Wir haben jetzt eine einmalige Gelegenheit.“

Das Büro des Premierministers in Sanaa hat Briefe an das russische Außenministerium geschickt, in denen es seinen Wunsch nach einem BRICS-Beitritt zum Ausdruck bringt. Wenn sich diese Kontakte entwickeln, könnte Moskau Sanaa sicherlich einladen, um als Beobachter am BRICS-Gipfel im Oktober in Kasan teilzunehmen.

Aber: Stellen die neuesten BRICS-Mitglieder, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, ein unmittelbares Hindernis für den Beitritt Jemens zu diesem multipolaren Machtzentrum dar?

Ghaffari scheint das nicht so zu sehen und verbindet Jemens BRICS-Vorstoß mit der Schaffung von „Sicherheit am Golf. Die Emirate und die Saudis sind jetzt in BRICS. BRICS könnte uns alle zusammenführen.“

Die Delegation von Dr. Ghaffari besuchte Russland also mit mehreren Zielen: die Möglichkeit der Gründung eines gemeinsamen Agrarunternehmens zu prüfen, Import- und Exportmöglichkeiten sowie Versandmethoden zu erörtern, die Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS-Strategie für wirtschaftliche Partnerschaft in der Landwirtschaft zu diskutieren, sich über die russischen Erfahrungen mit dem Boykott westlicher Produkte zu informieren; die Besonderheiten jemenitischer Produkte zu besprechen, insbesondere Kaffee, Honig und Baumwolle, um sie auf dem russischen Markt einzuführen und den Bau eines jemenitischen Staudamms zu erörtern.

Hinzu kommt ein wichtiges diplomatisches Ziel: die Möglichkeit auszuloten, ob ein jemenitischer Vertreter am bevorstehenden BRICS-Gipfel teilnehmen kann. „Wir stehen an der Seite Russlands. Russland sollte sich ein vollständiges Bild davon machen, was im Jemen passiert. Wenn der Jemen nicht am Gipfel teilnimmt, würde etwas in der Region fehlen.“

Moskau, Peking und Teheran würden dem sicherlich zustimmen. Aber dann ruft die knallharte geopolitische Realität. Die Russische Föderation, die gezwungen ist, das äußerst heikle geopolitische Gleichgewicht zwischen Iran und Saudi-Arabien innerhalb der BRICS zu wahren, ist möglicherweise noch weit davon entfernt, das Jemen-Rätsel zu lösen.

Quellen:

[1] The Cradle, „Yemen shows off hypersonic missile in Arab Sea op“, am 27.06.2024, <https://thecradle.co/articles/yemen-shows-off-hypersonic-missile-in-arab-sea-op>
[2] The Cradle, „Saudi-Yemen prisoner exchange talks ‘indefinitely delayed’“, am 04.01.2024, <https://thecradle.co/articles-id/17709>
[3] Free21, Pepe Escobar, „Warum der SCO-Gipfel in Kasachstan ein Game-Changer ist“, am 01.08.2024, <https://free21.org/warum-der-sco-gipfel-in-kasachstan-ein-game-changer-ist/>
[4] The Cradle, Khalil Nasrallah, „Yemen strikes back, targeting the USS Eisenhower“, am 03.06.2024, <https://thecradle.co/articles/yemen-strikes-back-targeting-the-uss-eisenhower>