2024: Eine neue multipolare Weltordnung entsteht

Dieses Paper wurde im Dezember 2023 an der Universität Wien präsentiert. Darin wird Material aus meinem Artikel im Bulletin of Peace Proposals (später Security Dialogue) aus dem Dezember 1991: „Bush's Brave New World: A New World Order – A New Military Strategy“, in dem ich die Vision der USA von einer unipolaren Weltordnung vorstelle, verwendet. Ich verwende auch Material aus einem Artikel und einem Buchkapitel mit dem Titel „US Strategy for a New World Order“, in dem die multipolare gegenüber der unipolaren Weltordnung erörtert wird (präsentiert auf dem Ersten Xiangshan Forum, China Association for Military Science, 2006; und in einer gekürzten Version auf der Konferenz „Trialogue21“ des U.S. East-West Institute & Chinas Institute of International Studies in Washington, 2008). Der zweite Abschnitt dieses Papers stützt sich auf meinen Artikel von 2023 auf Substack „Did Russia violate International Law?“; einen Artikel und ein Buchkapitel über Unipolarität und einen „Proto-Weltstaat“ (präsentiert auf dem Dritten Xiangshan Forum 2010) sowie einen Bericht für das Norwegian Peacebuilding Centre NOREF von Dezember 2014: „Chinas Denken über Frieden und Sicherheit“ („China’s thinking on peace and security“) [1]. Ich werde diesen letzten Artikel als Anhang zu diesem Artikel veröffentlichen.

Von Published On: 25. Februar 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am TT.MM.JJJJ auf www.olatunander.substack.com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/2024-an-emerging-multipolar-world> veröffentlicht. Lizenz: Ola Tunander, Free21, CC BY-NC-ND 4.0

US-Präsident George H.W. Bush und Michail Gorbatschow unterzeichnen am 1. Juni 1990 ein Abkommen über die Beendigung der Produktion chemischer Waffen und den Beginn der Vernichtung ihrer jeweiligen Bestände. (Bild: George H.W. Bush Presidential Library / public domain)

Von der Bipolarität zur Unipolarität

Nachdem der Zweite Weltkrieg Europa gespalten hatte, stand die Sowjetunion den Vereinigten Staaten und Westeuropa gegenüber. Und diese bipolare Weltordnung dominierte den Kalten Krieg bis 1989. Nach dem Fall der Berliner Mauer war die Bipolarität vorbei. Einige Wissenschaftler begannen sofort von einer „neuen multipolaren Welt“ zu sprechen, in der die wirtschaftliche Macht eine bedeutendere Rolle spielen würde als die militärische Macht, aber in einem berühmten Artikel in Foreign Affairs 1990-91 argumentierte der neokonservative US-Analyst Charles Krauthammer, dass dies eine Illusion sei. Einige Akademiker hatten von Japan und Deutschland/Europa, China und einer geschwächten Sowjetunion/Russland neben den USA als den neuen Säulen einer neuen multipolaren Weltordnung gesprochen, aber „seit die ersten Schüsse in Kuwait fielen“, haben sich die wirtschaftlichen Mächte „Deutschland und Japan […] im Allgemeinen unter den Tisch verkrochen“, schrieb Krauthammer [2]. Als der Krieg begann, unterwarfen sich diese Mächte sofort der US-Herrschaft. Nach Krauthammer enthüllte der Krieg die wirkliche Machtstruktur der neuen Welt, es gab nur „eine einzige erstklassige Macht“ auf der globalen Bühne: die Vereinigten Staaten.

Krauthammers Artikel „The Unipolar Moment“ („Der unipolare Moment“) von 1991 wurde zum Manifest für die neue neokonservative Elite, die Washington seit drei Jahrzehnten dominiert. Dies war die führende Sicherheitselite in den USA und bald darauf auch in Europa. Für die Neokonservativen war die USA der globale Hegemon, und Krauthammer fährt fort [3]:

„‚Europa qualifiziert sich noch nicht einmal als Akteur auf der Weltbühne, was uns mit der wahren geopolitischen Struktur der Nachkriegswelt, die durch die Golfkrise scharf in den Fokus gerückt wurde, zurücklässt: ein einziger Pol der Weltmacht, der aus den Vereinigten Staaten an der Spitze des industriellen Westens besteht. Vielleicht ist es genauer zu sagen, die Vereinigten Staaten und dahinter der Westen […] Der Irak, der unbeabsichtigt die unipolare Struktur der heutigen Welt enthüllt hat, kann nicht aufhören, sich darüber zu beschweren. […] Es wird viel von einer neuen multipolaren Welt und dem Versprechen der Vereinten Nationen als Garant einer neuen Nachkriegsordnung geredet. Aber das ist eine Fehlinterpretation von Ursache und Wirkung, hier also den Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen garantieren nichts. Abgesehen von einer formalen Bedeutung kann man kaum sagen, dass sie existieren. Kollektive Sicherheit? Im Golf hätte sich ohne das Führen, Anspornen, Bestechen und Erpressen der Vereinigten Staaten niemand gerührt.“

Nach der militärischen Konfrontation des Kalten Krieges, eigentlich schon im September 1989, präsentierte der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der USA, Admiral William Crowe, ein neues strategisches Konzept [4]. Ein globaler Krieg mit den Sowjets war nicht mehr das wichtigste Element, die USA begannen, sich auf „regionale Notfälle“ vorzubereiten. Ein Jahr später sagte Verteidigungsminister Dick Cheney, dass man sich nun auf „regionale Notfälle“ wie „die Bedrohung des Persischen Golfs“ konzentriere. In Cheyneys „Entwurf eines Leitfadens zur Verteidigungsplanung“ aus dem April 1992 heißt es, die US-Verteidigungsstrategie solle „das Entstehen eines neuen Rivalen verhindern“ und „jede feindliche Macht daran hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter abgesicherter Kontrolle ausreichen würden, globale Macht zu erlangen“ [6]. Die Kontrolle über den Persischen Golf wurde als entscheidend angesehen, um den Ölfluss nach China, Europa und Japan zu kontrollieren und zu verhindern, dass sie sich zu Rivalen der Vereinigten Staaten entwickeln. Die USA sollten alleine handeln, „wenn kollektive Maßnahmen nicht koordiniert werden können“, so das Dokument [7]. Crowes Nachfolger als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs, General Colin Powell, sagte [8]: „Wir haben nicht mehr den Luxus, für eine Bedrohung planen zu können. Wir planen jetzt eine Supermacht zu sein. Wir sind der wichtigste Akteur auf der Weltbühne, mit weltweiter Verantwortung, mit weltweiten Interessen.“ Ab Mitte der 1990er Jahre führten die US-Special Forces 2000-3000 Einsätze durch [9], einschließlich Ausbildungsmissionen und verdeckter Operationen in mehr als 130 Ländern pro Jahr. Teams der US-Special Forces waren für jeweils einen Kontinent zuständig. Sie konnten überall auf der Welt agieren. Die Vereinigten Staaten waren kein Nationalstaat mehr. Sie waren, ähnlich wie die Vereinten Nationen, eine globale Organisation, jedoch mit „einer supranationalen politisch-militärischen Behörde”, die laut Krauthammer „einzelne Staaten bestach und erpresste“. Die USA waren eine Macht, die weltweit militärische Kräfte verdeckt einsetzte. „Wir sind die einzige Supermacht“, sagte Powell.

Amerikanische Militäranalysten begannen, von einer „unipolaren Weltordnung“ zu sprechen. Die USA waren „der Schwerpunkt des industriellen Westens“ der einzige Pol der Weltmacht . Es hätte eine multipolarere Welt geben können, weil alle Wirtschaftsmächte unterschiedliche Interessen hatten, aber als der Krieg im Golf begann, mussten sich alle der militärischen Macht beugen. Dies ist die Lektion, die die neokonservative Elite der USA aus dem Golfkrieg von 1991 gezogen hat. Cheneys enger Berater Paul Wolfowitz sagte, dass wir gelernt haben, dass die Russen überhaupt nichts unternommen haben [10]. Sie griffen nicht ein. Wir könnten und sollten Krieg gegen einen Staat nach dem anderen führen, um diese Regimes zu stürzen, die zu Moskau gehört hatten. Das war seine Schlussfolgerung. Und später in den 1990er Jahren drängten er und seine Kollegen, einen Krieg gegen den Irak im Rahmen des „Project for a New American Century“ (PNAC) zu führen[11]. Ab 2000 argumentierte die neokonservative Elite in einem Dokument „Rebuilding America’s Defenses“ („Wiederaufbau der amerikanischen Verteidigung“), dass die notwendige militärische Transformation „wahrscheinlich lange dauern wird, es sei denn, es gibt ein katastrophales und beschleunigendes Ereignis“ [12].

Nach Meinung dieser Elite eröffneten die Ereignisse am 11. September 2001 die Möglichkeit, einen Krieg gegen den Irak zu führen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte Stunden nach der Katastrophe, dass sie den Irak bombardieren sollten [13] (weil es keine „nennenswerten Ziele“ in Afghanistan gäbe , die einen Marschflugkörper wert seien). Der ehemalige Oberbefehlshaber der alliierten NATO Streitkräfte in Europa, General Wesley Clark, sagte, dass die endgültige Entscheidung, Krieg gegen den Irak zu führen, bereits zehn Tage nach dem 11. September getroffen wurde [14]. Einige Wochen später beschloss Rumsfeld, auch „Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und schließlich Iran auszuschalten“ [15]. Die Vereinigten Staaten wollten aus zwei Gründen in fünf Jahren sieben Kriege (mit Afghanistan acht) führen: Erstens gab es eine „günstige Gelegenheit“ („window of opportunity“). Militärkräfte sollten nicht zur Abschreckung, sondern zum Angriff auf andere Staaten eingesetzt werden, wie es Wolfowitz bereits zehn Jahre zuvor gesagt hatte. Zweites sollten die USA weiter einen Krieg nach dem anderen führen, um die anderen Wirtschaftsmächte dazu zu bringen sich wieder „unter dem Tisch zu verstecken“, um Krauthammers Worte zu verwenden. Die Vorherrschaft der USA, die fast 50 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben tätigten, konnten nicht in politischen Einfluss umgewandelt werden, wenn es keine Krieg oder Drohungen mit Kriegen gab. Die Vorherrschaft des Krieges war die Grundlage für die unipolare Weltordnung der USA, die Pax Americana. Die USA erklärten nun Unipolarität und permanenten Krieg, „den Krieg gegen den Terror“ (The War on Terror), als die Welt der Zukunft.

Zu dieser Zeit dominierte die Idee einer unipolaren Weltordnung, einer Pax Americana, die Republikanische Partei der USA, aber weitgehend auch die Demokratische Partei. Bill Odom – ehemaliger Direktor der National Security Agency und ehemaliger Militärberater von Zbigniew Brzezinski, der wiederum stellvertretender nationaler Sicherheitsberaters von US-Präsident Carter gewesen war – beschrieb die Vereinigten Staaten als eine „supranationale politisch-militärische Autorität“, eine Art „Imperium“ [17]. Diese Art des Denkens war vielen Europäern fremd. Im Gegensatz zum amerikanischen Liberalismus glaubten europäische politische Führer zwar vor vielen Jahrzehnten ebenfalls an Machtpolitik und Krieg als politisches Instrument („Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“). Aber in den frühen 2000ern definierten sich die Europäer überwiegend als friedliebend, während die USA mit der Planung eines Krieges mit dem Irak beschäftigt waren. 2003 stoppten die Europäer – die Deutschen und die Franzosen – den Versuch der USA, den Weltsicherheitsrat als Legitimation für den US-Krieg gegen den Irak zu nutzen. Die Amerikaner waren schockiert. Es gab immer noch europäischen Widerstand gegen die unipolare Weltordnung. Der amerikanische neokonservative Ideologe Robert Kagan sagte [18]: „Amerikaner und Europäer haben die Plätze getauscht – und die Ansichten. Das liegt zum Teil daran, dass sich […] die Machtverhältnisse dramatisch verschoben haben“. Und er fährt fort: „Powell und Rumsfeld haben [trotz ihrer Unterschiede] mehr gemeinsam als Powell und die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und sogar Großbritanniens.“ Europäer und Amerikaner leben auf verschiedenen Planeten. Die Europäer kommen von der Venus und die Amerikaner vom Mars, argumentierte er.

Kagan betonte den Unterschied: während des Kosovo-Krieges 1999 wurden 99 % der zu zerstörenden Ziele von US-Geheimdiensten geliefert, während das Vereinigte Königreich – als die größte europäische Streitkraft – nur 4 % der Flugzeuge und 4 % der abgeworfenen Bomben beisteuerte [19]. Europa konzentrierte sich nicht mehr auf militärische, sondern auf zivile Angelegenheiten. Dies kann jedoch, nach meiner Meinung, nicht nur durch die militärische Schwäche Europas erklärt werden. Die jüngere Geschichte der wirtschaftlich-politischen Integration Europas innerhalb der EU – als Versöhnungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg – unterscheidet sich stark von der US-Erfahrung. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion waren die europäischen Staaten damit beschäftigt, Integration und Koordination von Regierungspolitiken und politischen Kulturen (einschließlich der ehemaligen osteuropäischen Länder) voranzutreiben, um eine mögliche Wiederbelebung von Nationalismus und Militarismus zu vermeiden. Tatsächlich bestand das Ziel des EU-Projekts darin, die Logik von Nationalismus, Hass und Krieg zu überwinden. Seit dem Verlust des „sowjetischen Gegenübers“ als äußere Bedrohung im Jahr 1989 musste Europa, wie Ole Wæver es nennt, ein „neues Gegenüber“ finden [20]: seine eigene nationalistische und militaristische Vergangenheit. Der Zweite Weltkrieg lehrte die Europäer, dass sie Nationalismus und Krieg durch wirtschaftliche und politische Integration überwinden mussten, während die „Zweite Weltkriegs-Lektion“ der US-Präsidenten war, dass sie Kriege führen mussten, um „böse Herrscher“ zu bekämpfen und Kriege zu amerikanischen Bedingungen zu beenden. Wahrscheinlich spielten diese unterschiedlichen Erfahrungen eine prägende Rolle für ihre jeweilige Politikstrategie nach dem Fall der Berliner Mauer. In den USA haben Präsidenten Rhetorik und Täuschung verwendet, um eine skeptische Bevölkerung von der „Notwendigkeit“ eines Krieges zu überzeugen, während die Europäer versucht haben Kriege zu vermeiden, die als gefährlich nahe an den eigenen Heimatländern wahrgenommen wurden.

BRICS-Gipfel 2014 in Brasilien mit von links nach rechts: Wladimir Putin, Narendra Modi, Dilma Rousseff, Xi Jinping und Jacob Zuma. (Foto: President of Russia / Kreml / public domain)

Die russische und chinesische Antwort

Für Moskau war die kriegerische Rhetorik von Präsident George W. Bush nicht nur widerwärtig, wie für die Europäer, sondern auch besorgniserregend. Als Bush im Februar 2004 erklärte: „Ich bin ein Kriegspräsident. Ich treffe hier im Oval Office Entscheidungen in außenpolitischen Angelegenheiten, bei denen ich an Krieg denke“ [21], erinnerten seine Worte die Europäer an ihre eigene dunkle Geschichte. Für die Russen war diese dunkle Geschichte noch besorgniserregender, da sie dies an den Angriff Nazi-Deutschlands und den Tod von 25 Millionen sowjetischer Bürger iim 2. Weltkrieg erinnerte. Auf einer Militärkonferenz des Xiangshan Forums im Jahr 2010 schüchterte ein sehr prominenter US-Neokonservativer seine chinesische und internationale Zuhörerschaft (mich eingeschlossen) mit den Worten ein: „Ich habe an drei Kriegen teilgenommen, und es hat mir Spaß gemacht.“ Eine von den US-Neokonservativen ins Leben gerufene Pax Americana, als Machtapparat der US Neokonservativen, war ein Imperium, von einem Kriegerstaat angeführt, dessen Ziel Kriegführung war, ähnlich wie beim schwedischen König Karl XII. im 18. Jahrhundert (Anm. der Redaktion: In Skandinavien als Dauerkriege führender König berühmtberüchtigt, mit dem Schweden die Rolle als Großmacht einbüßte) oder Napoleon im 19. Jahrhundert.

Die amerikanische Forderung nach einer NATO-Erweiterung mit der Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn ab 1999 und noch mehr Staaten ab 2004 wurde von Russland als zunehmend bedrohlich empfunden. Alle westlichen Führer hatten Präsident Michail Gorbatschow 1990-91 versprochen, dass die NATO sich nicht nach Osten über Westdeutschland hinaus ausdehnen würde [22]. Das war die Bedingung für den Abzug von 350.000 sowjetischen Soldaten aus Ostdeutschland und für die Wiedervereinigung Deutschlands. Ein Dokument von 1991 aus diesen Verhandlungen über das 2+4-Abkommen (die beiden Deutschlands plus Frankreich, Großbritannien, USA und Russland), fasste den Fall für Mitteleuropa zusammen [23]: „Wir können nicht […] die Mitgliedschaft in der NATO für Polen und die anderen anbieten.“ [24] Und der Vertreter der USA sagte: „Die NATO sollte sich weder formal noch informell nach Osten ausdehnen.“ Wie der Historiker des Wilson Center, Joshua Shifrinson, schreibt [25]: Die Bush-Administration habe in ihren Gesprächen mit Gorbatschow „eine kooperative Fassade“ aufgesetzt, während sie hinter den Kulissen auf eine westliche Expansion gedrängt habe. Und schon Ende 1989 sagte der nationale Sicherheitsberater Brent Scowcroft, die USA sollten sich „zwischen Deutschland und Russland in Mitteleuropa“ positionieren. Die USA sollten die NATO erweitern. Mit anderen Worten: Die Bush-Administration sollte die Situation ausnutzen, obwohl sie alle Gorbatschow das Gegenteil versprochen hatten.

Ab den frühen 2000er Jahren brachen die USA und die westlichen Länder definitiv mit ihrer Vereinbarung mit Gorbatschow von 1990-91. 2004 zwang die vom Westen unterstützte „Orange Revolution“ die Ukraine zu Neuwahlen, bei denen ein gewählter Präsident aus der Ostukraine durch einen Präsidenten aus dem Westen ersetzt wurde. Als die USA ab 2008 eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO forderten, war die Zusammenarbeit Russlands mit dem Westen endgültig gestorben. Laut dem damaligen US-Botschafter in Moskau, dem aktuellen CIA-Direktor William Burns, sagte jeder in Russland, nicht nur Wladimir Putin, dass die NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine eine „rote Linie“ sei [26]. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ebenfalls: [27] „[Aus Putins] Perspektive wäre eine Ausweitung der NATO auf die Ukraine eine Kriegserklärungʻ“. Jeder wusste, dass es auf Krieg hinauslief: „[Es] ist die leuchtendste aller roten Linien“, wie Burns seiner Außenministerin Condoleezza Rice schrieb [28]. Bereits 2008 bezeichnete der Außenminister Sergej Lawrow die Ausweitung der NATO auf die Ukraine als eine „militärische Bedrohung“ [29]. Dies würde zu einem ukrainischen Bürgerkrieg führen. Russland müsse intervenieren, um die russischsprachige Bevölkerung im Osten zu retten. Dies würde „die USA und Russland in eine klassischen Konfrontation bringen“.

Henry Kissinger schlug eine „finnische Lösung“ mit einer neutralen Ukraine vor [30], aber die neokonservative Elite in Washington wollte Russland zwingen, sich dem unipolaren US-System anzupassen. Washington wusste, dass ein ukrainischer Beitritt zur NATO fast sicher zu einem Krieg führen würde. Es hatte nichts damit zu tun, wer in Moskau die Führung hatte, aber die Neokonservativen glaubten, dass sie die Situation managen könnten. Wenn Putin nun von einem „existenziellen“ Krieg spricht, liegt das daran, dass die Ukraine kurz davor steht, zu einem militärischen Brückenkopf der USA an der Türschwelle zu Moskau zu werden. Die USA könnten einen Schlag gegen das „Herz Russlands“ führen. Es ist genau so als würde der Südosten der Vereinigten Staaten mit Texas, Louisiana, Florida die Unabhängigkeit ausrufen und von Russland bewaffnet werden. Das würde Washington niemals akzeptieren. Die USA verlagerten ihre Positionen mit neuen Waffensystemen Schritt für Schritt immer näher an Moskau heran. Für Russland wäre es schwierig, sich zu verteidigen. Ein einzelner Schritt kann keine militärische Reaktion legitimieren, aber insgesamt bedeutet dies einen erheblichen geopolitischen Wandel. Es ist eine „Salami-Taktik“ [31], ähnlich wie die israelische in den besetzten Gebieten. Mit jeder neuen Siedlung erobert Israel mehr und mehr palästinensisches Land, bis es fast kein Palästina mehr gibt. Das entspricht auch der US-Strategie gegenüber China. Die USA sagen, sie erkennen Chinas „Ein-China-Politik“ an, erlauben aber gleichzeitig hochrangigen US-Beamten den Besuch Taiwans und heißen Taiwans Präsidenten in den USA willkommen, als ob Taiwan ein unabhängiger Staat wäre. Mehrere kleine Schritte führen letztlich zu vollendeten Tatsachen.

Die unipolare Weltordnung, wie sie bereits in dem von den Neokonservativen verfassten Dokument von 1992 definiert wurde, sollte „die Entstehung eines neuen Rivalen verhindern“. Jeder potenzielle Rivale sollte in die Schranken gewiesen werden, und die USA haben systematisch mit Europa, Russland und China bearbeitet. In Europa zwangen Terroranschläge die Menschen, Freiheit gegen Sicherheit einzutauschen. Die Angst vor Bombenanschlägen hat einen enormen psychologischen Einfluss, der die Menschen dazu bringt, sich um Schutz bittend an den Staat zu wenden. Und die überwältigende Hegemonie der USA im Bereich der Geheimdienste ermöglichte es, durch „Hintertüren“ in die europäischen Staaten einzudringen. US- und britische Dienste beschuldigten Russland der Vergiftung von Agenten und des Abschusses des malaysischen Flugzeugs MH17 über der Ukraine. In den Medien erschien Russland nun als „böses Imperium“ und Europa suchte instinktiv bei die USA Schutz. In nur wenigen Jahren hatten die USA Europa diszipliniert und bearbeiteten gleichzeitig Russland und China. Die USA setzten sie unter Druck, indem sie rechtsgerichtete Kräfte unterstützten, um Konflikte in der benachbarten Ukraine und in Japan zu provozieren. Ab 2013 wurde die US-Politik für die Ukraine von Kagans Ehefrau, der stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland dominiert. Sie leitete den gewaltsamen Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 ein, der den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch und seinen Premierminister Asarow zwang, das Land zu verlassen. Ein neuer Premierminister wurde nach den Anweisungen von Nuland ernannt (die Tonaufnahme ihrer Anweisungen [32] (Anm. der Red: „Fuck the EU“ und „Yats is our man“, Kagan bestimmte wer ukrainischer Präsident werden würde) wurde sogar von der BBC [33] veröffentlicht). Es ging darum, „Russland zu schwächen“ und zu zwingen, die Vorherrschaft sowie die unipolare Weltordnung der USA zu akzeptieren. Die gleiche US-Politik, die die US-Regierung an ihrer östlichen Peripherie, in der Ukraine, vorantrieb, wurde auch im Pazifik in Japan gegen China durchgeführt. Und das mehr oder weniger zur gleichen Zeit. Die USA sprachen nicht mehr von China als „verantwortungsbewussten Akteur“ auf der Weltbühne, sondern eher von einem zukünftigen Rivalen [34]. Die USA würden nicht akzeptieren, dass China ein wirtschaftlicher Konkurrent werden würde, der mit Nachbarstaaten ohne Erlaubnis der USA zusammenarbeiten würde.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. (Foto: Wikiweeki / Wikimedia Commons / CC BY 4.0)

Im Anhang zu diesem Artikel (Anm. der Redaktion: demnächst auf Webseite von free21.org) schreibe ich, dass die japanische Regierung von Yukio Hatoyama im Jahr 2009 – die erste Regierung, die von der Demokratischen Partei (Japans eher linken Partei) gebildet wurde – engere Beziehungen zu China angekündigt hatte, einschließlich einer Vertiefung der Verteidigungsbeziehungen. Japan würde sich weniger auf seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verlassen. Premierminister Hatoyama hatte die in Japan populäre Forderung der Insel Okinawa unterstützt, die US-Militärbasis dort zu schließen. In den USA war Hatoyama jedoch nicht wohlgelitten, und er musste im Juni 2010 zurücktreten, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Basis zu schließen oder zu verlegen. Drei Monate später wurde ein Zusammenstoß zwischen einem chinesischen Fischereiboot und einem japanischen Küstenschutzschiff im umstrittenen Gebiet der Diaoyu/Senkaku-Inseln (nordöstlich von Taiwan) zu einem riesigen Medienereignis. Die Medien behaupteten, das chinesische Boot habe das japanische Schiff gerammt. (die Videoaufnahmen zeigen eher das Gegenteil). Der Vorfall wurde als wichtige chinesische Einmischung dargestellt, obwohl Vorfälle mit Fischerbooten, die in das umstrittene Gebiet eindrangen, eine lange Vorgeschichte hatten. Dieser Vorfall wurde jedoch genutzt, um eine Kampagne zu starten, die auf eine sino-japanische Spaltung zielte. Kurz darauf vereinbarte eine chinesisch-japanische Verteidigungsministerkonferenz, dass dieser Vorfall die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht stören sollte, aber die Medien schürten nationalistische Hysterie und hetzten Nationalisten in beiden Ländern gegeneinander auf. US-Außenministerin Hillary Clinton goss Öl ins Feuer und bestätigte, dass die Inseln unter den Sicherheitsvertrag der USA zur Verteidigung Japans fielen, etwas, was die USA zuvor nie erklärt hatten, um die Beziehungen zu China nicht zu belasten. Ähnlich wie die USA 2014 eine extrem rechtsgerichtete ukrainische Elite benutzten, um gegen die gewählte ukrainische Regierung und gegen Russland zu mobilisieren, benutzten die USA eine rechtsgerichtete japanische Elite, um gegen die japanische Regierung und gegen China zu mobilisieren.

Ab 2010, aber noch mehr ab 2014, sorgten die USA in der Realität dafür, dass Russland und China damit begannen zusammenzuarbeiten und nach Alternativen zur unipolaren Weltordnung der USA zu suchen. Beide Länder waren zu groß, um sich zu einer engen Allianz zu entwickeln, aber sie beschlossen, ihre Streitkräfte auszubauen und ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zu verstärken. 2014 initiierten sie eine Neue Entwicklungsbank (New Development Bank), und kurz darauf begannen sie in lokalen Währungen statt über den US Dollar zu handeln. Der Wert des US-Dollars war seit Mitte der 1970er Jahre davon abhängig, im internationalen Handel als Reservewährung genutzt zu werden, vor allem aber als „Petrodollar“. Nachdem die Vereinigten Staaten 1974 den Goldstandard abschaffen mussten, überzeugte US-Außenminister Henry Kissinger Saudi-Arabien und dann die OPEC, ihr Öl in US-Dollar zu handeln. So steigerte er die globale Nachfrage nach der US-Währung und zwang die OPEC-Länder, ihre Gewinne in US-Schatzanleihen zu investieren. Der „Petrodollar“ war „eine der mächtigsten Kräfte, die den US-Anleihenmarkt und den Dollar antreiben“, schrieb Reuters [35]. Dies ermöglichte es den Vereinigten Staaten, Dollarscheine zu drukken, ohne dass es zu einer Inflation kam. In der Praxis bedeutete dies außerdem, dass die USA die Kosten für ihre vielen Kriege durch das Drukken von Dollarscheinen decken konnten. Als einige ölproduzierende Staaten den „Petrodollar“ verlassen wollten, „beunruhigte“ dies die Vereinigten Staaten. Es ist auffällig, dass wenige Jahre nachdem Saddam Hussein erklärt hatte, dass sein Land nicht mehr „mit der Währung des Feindes” handeln werde, der Irak von den USA besetzt wurde [36]. Libyen wurde angegriffen, kurz nachdem klar wurde, dass Muammar Gaddafi einen afrikanischen Dinar (basierend auf einer großen Menge Gold und Silber) als Konkurrenz zum Dollar, Euro und Yuan einführen würde [37]. Ab 2024 werden jedoch die BRICS-Länder neue Staaten wie den Iran, Saudi-Arabien, die Emirate, Ägypten und Äthiopien umfassen, die in lokalen Währungen handeln werden, um den „Petrodollar“ überflüssig zu machen. Das unter Vermittlung Chinas ausgehandelte Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien im März 2023 [38] und ihre Aufnahme bei den BRICS ab Januar 2024 werden die globale Politik verändern. Die laufende Entdollarisierung wird die globale Hegemonie der USA in Frage stellen. Vor einigen Jahren sagte mir ein US-Unterhändler und sehr bekannter Neokonservativer, der Verhandlungen mir Russland führte, dass die Russen die wahre Stärke der USA nicht verstehen würden: „Wir kontrollieren die Massenmedien, und wir kontrollieren das Finanzsystem“. Jahre später im Jahr 2024 müssen wir hinzufügen: Die Russen verstehen es mittlerweile. Sie werden sich nicht länger den US-Medien und dem Finanzsystem unterwerfen. BRICS hat viel mehr Einwohner als der Westen, und in naher Zukunft wird es die Hälfte des addierten weltweiten Bruttoinlandsproduktes stellen. Die unipolare Weltordnung mit „den Vereinigten Staaten als Vormacht des industriellen Westens“ wird nicht länger „die wahre geopolitische Struktur“ der Welt sein, um die Worte von Krauthammer zu zitieren, die er vor 30 Jahren verwendete.

Eine aufstrebende Multipolarität

Langfristig werden die BRICS-Länder wohl nicht die andere Säule neben den USA darstellen. Es wird höchstwahrscheinlich keine neue bipolare Weltordnung geben – „Der Westen gegen den Rest“ („The West against the rest“), um Samuel Huntington zu zitieren [39], aus seinem New York Times-Artikel von 1993 [40]. Diese Länder werden verschiedene Pole in einer aufstrebenden multipolaren Weltordnung darstellen, die auf einen multilateralen Dialog in den Vereinten Nationen setzt – was Krauthammer 1991 als „Illusion“ bezeichnet hatte. Die BRICS-Länder beanspruchen die Vorherrschaft in der UN und beim Völkerrecht, während der nun weniger Bedeutung besitzende unipolare Westen einer von den USA initiierten „regelbasierten Internationalen Ordnung“ [41] folgt. Letztere stützt sich in erster Linie auf US-Institutionen und weltweiten Einfluss. Es ist der Versuch, die globale Unipolarität wiederherzustellen, die nun wie Sand durch die Finger rinnt. Wir erleben eine internationale Teilung, einen Konflikt, zwischen den westlichen Ländern (einschließlich Australien), die alle von einer „regelbasierten Ordnung“ sprechen, und den BRICS-Ländern (oder dem Globalen Süden), die sich auf das Völkerrecht berufen. Die BRICS-Länder könnten 2024 eine starke Kraft werden, die sich der von den USA geführten unipolaren Struktur der Welt entgegenstellt. Es könnte zunächst eine neue Bipolarität geben, wie von Huntington vorhergesagt. Das aufstrebende China und die BRICS könnten in Konfrontation mit dem untergehenden unipolaren Westen stehen, und wenn wir die „Thukydides-Falle“ [42] als eine realistische Analyse akzeptieren, könnte die herrschende US-Macht versucht sein, China anzugreifen, ähnlich wie Sparta im fünften Jahrhundert v. Chr. Athen angegriffen hat. Aber darauf werde ich hier nicht näher eingehen.

Während der Druck der USA auf China und Russland, insbesondere ab 2014, sie erst als Staaten und dann im Rahmen von BRICS zusammenarbeiten ließen, drängten die USA auf das Konzept einer „regelbasierten Internationalen Ordnung” als „Rechtsrahmen“, um russische und chinesische Vetos im UN-Sicherheitsrat zu umgehen. Die USA haben viele internationale Abkommen nicht unterzeichnet „multilaterale Verträge, die ein wesentliches Merkmal des Völkerrechts darstellen“ [43] (z.B. das Seerechtsübereinkommen, sie sind nicht Mitglied des Menschenrechtsrates oder des Internationalen Strafgerichtshofes.) Die USA haben immer nur selektiv Völkerrecht und UN-Sicherheitsratsbeschlüsse akzeptiert und oft versucht, dissidente Staaten durch Wirtschaftssanktionen zu isolieren und sie letztlich zu zwingen, einen von den USA inszenierten Regimewechsel zu akzeptieren. Gemäß der UN-Charta dürfen Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt werden, nicht einseitig von einem Staat oder einer Gruppe von Staaten beschlossen werden, sondern müssen vom UN-Sicherheitsrat gebilligt werden, in dem Russland und China ihr Veto erheben können. Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt werden, sind, um den UN-Sonderberichterstatter Alfred de Zayas zu zitieren, „vergleichbar mit der mittelalterlichen Belagerung von Städten, mit der Absicht, sie zur Kapitulation zu zwingen. Sanktionen des 21. Jahrhunderts sollen nicht nur eine Stadt, sondern ein ganzes, souveränes Land in die Knie zwingen.“ [44] Als die USA in den 1990er Jahren Sanktionen gegen den Irak verhängten, bewirkte dies Hunger und den Tod von einer halben Million Kindern. 1996 fragte ein Journalist die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, nach diesen toten Kindern: „Ist es den Preis wert?“ Albright antwortete: „Es ist eine schwierige Entscheidung, aber wir glauben, es ist den Preis wert.“ [45] US-Sanktionen sind eine Form der Kriegsführung, die gegen die UN-Charta verstößt, und die USA mussten deshalb eigene, neue Regeln aufstellen, eine „regelbasierte Internationale Ordnung”, die selektiven Gebrauch von Völkerrecht und der UN-Charta macht [46].

US-Verteidigungsminister Jim Mattis sprach im Juni 2017 von „regelbasierter Ordnung” [47], aber vor allem in den letzten Jahren wurde dieses Konzept in der gesamten westlichen Welt als Ersatz für das Völkerrecht verwendet. Der aktuelle Krieg in der Ukraine scheint eine Manifestation dieses Konflikts zu sein. Jetzt stellt sich die neue multipolare Ordnung der „regelbasierten Ordnung“ der USA ihrer Unipolarität der 1990er Jahre entgegen.

Während der Kulturrevolution in China mussten alle politischen Akteure die Worte des Vorsitzenden Mao zitieren, um Loyalität und Unterwerfung zu demonstrieren. Auf ähnliche Weise zitieren heute westliche Führer und Sicherheitsanalysten die Worte der Vereinigten Staaten und Präsident Bidens über „Russlands unprovozierten Angriff“ und der „vollständigen Invasion“ (was Unsinn ist; siehe unten). Im Jahr 2022 sprach Joe Biden in der New York Times von einer „regelbasierten Internationalen Ordnung“ [48]. Und ebenfalls in einer Pressekonferenz [49]. In der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA vom Oktober 2022 sagte Biden [50]: „Die regelbasierte Ordnung muss der Grundstein für globalen Frieden und Wohlstand bleiben.“ Auf der folgenden Atlantic Committee-Konferenz in Oslo im Februar 2023 [51] sprachen alle Hauptredner, einschließlich des Premierministers und des Staatssekretärs für Verteidigung sowie des stellvertretenden NATO-Generalsekretärs, von einer „regelbasierten Ordnung“ oder „regelbasierten Weltordnung“. Länder wie Norwegen hatten früher der UN und dem Völkerrecht Vorrang eingeräumt, aber jetzt haben sie sich der Sprache der USA unterworfen, die eine selektive Anwendung des Völkerrechts bedeutet, was man auch als „Doppelmoral“ bezeichnen kann. Das hat solche Dimensionen erreicht, dass politische Führer in China und Russland Schwierigkeiten haben, mit ihren westlichen Kollegen zu sprechen. Während des Kalten Krieges konnten ranghohe Politiker trotz der sehr unterschiedlichen Ideologien miteinander sprechen, ohne die andere Seite zu beleidigen, aber heute sind die Mediensprache und die politische Sprache voller Beleidigungen, was jede substantielle Unterhaltung unmöglich macht.

Heute wird weithin anerkannt, dass alle westlichen Spitzenführer Präsident Gorbatschow versprochen hatten, die NATO nicht nach Osten zu erweitern (um Polen und andere Staaten), und dass diese Versprechen in den Protokollen der Treffen dokumentiert wurden. Aber wichtige Politiker des Westens behaupten jetzt, dass es mündliche Versprechen waren, die nie in einem bindenden Vertrag niedergelegt worden seien. „Der Westen hat keinen Vertrag verletzt“, sagen sie. Aber das entspricht nicht dem Völkerrecht. Im Wiener Übereinkommen über das Vertragsrecht der Verträge von 1969 ist festgelegt, dass „mündliche Vereinbarungen zwar selten sind, [aber] die gleiche bindende Kraft wie schriftliche Verträge haben können“ [52]. Die American Society of International Law erklärte 1997, dass „nach dem Gewohnheitsrecht des Völkerrechts mündliche Vereinbarungen nicht weniger verbindlich sind [als ein formeller Vertrag], wobei ihre Inhalte möglicherweise weniger einfach nachweisbar sind“ [53]. Mit anderen Worten, man müsste Notizen von Gesprächen oder Treffen haben, die diese mündlichen Vereinbarungen nachweisen. Der US-Senat schreibt 2001 in „Verträge und andere internationale Abkommen“ [54] (für den Ausschuss für Außenbeziehungen), dass „es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob eine Regelung mündlich oder schriftlich gemacht wird“. Mehrere Autoren beziehen sich auf „den Fall Ostgrönland“ [55]. Der norwegische Außenminister hatte 1919 seinem dänischen Amtskollegen (in einem Notizbuch aufgezeichnet) versprochen, dass Norwegen gegen die dänische Souveränität über Ostgrönland keine Einwände erheben würde. Dies überzeugte den Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag 1933 (14 Jahre später) davon, dass die mündliche Erklärung des norwegischen Außenministers „jenseits aller Zweifel […] für dieses Land verbindlich“ war [56]. Ein mündliches Versprechen eines Außenministers oder Premierministers an seinen Kollegen in einem anderen Land bindet diese Minister und diese Länder. Beide Seiten ziehen es oft vor, einen formellen Vertrag zu unterzeichnen, aber die mündliche Erklärung ist „nicht weniger verbindlich“.

Das bedeutet, dass die NATO-Osterweiterung über Westdeutschland hinaus ab 1999 eine Verletzung einer international anerkannten Vereinbarung und eine Verletzung des Völkerrechts war, aber die westlichen Länder entschieden sich, das anders zu werten. Sie behaupten, dass die NATO das Recht hatte und immer noch hat, ihr Territorium zu erweitern. Gemäß der NATO und gemäß der von den USA initiierten „regelbasierten Internationalen Ordnung“ hat jeder einzelne Staat das Recht, Waffen zu stationieren und Allianzen einzugehen, wie es ihm gefällt, während die UN-Charta festlegt, dass jeder Staat für eine friedliche internationale Ordnung arbeiten soll und kein Recht hat, andere Staaten zu bedrohen [57]: Die Sicherheit eines einzelnen Staates kann nicht auf Kosten anderer gewährleistet werden. Dies bedeutet, dass ein Staat nicht nur auf seine eigene Sicherheit achten kann, sondern auch die Sicherheitsinteressen anderer berücksichtigen muss. Man muss auf die „gemeinsame Sicherheit“ schauen. Und es scheint mir, dass es beim aktuellen Krieg in der Ukraine um dieses unterschiedliche Verständnis von Völkerrecht, Sicherheitspolitik und Weltordnung geht.

Einige Experten argumentieren, dass die entstehende multipolare Weltordnung weniger stabil sein wird als die bipolare Ordnung des Kalten Krieges und die unipolare Ordnung der 1990er und späteren Jahre. In der multipolaren Welt können Staaten der einen oder überstaatlichen Ordnung beitreten und Allianzzugehörigkeiten ändern. Dies kann das Machtgleichgewicht zwischen verschiedenen Akteuren verändern und die globale Stabilität stören. Das ist wahr, solange es scharfe Konflikte zwischen diesen Staaten gibt. Wenn man jedoch den multilateralen Rahmen der UN akzeptiert, können solche Verschiebungen von Allianzzugehörigkeiten gut bewältigt werden. Wir wissen, dass die bipolare Welt des Kalten Krieges mehrmals kurz vor einem massiven Atomkrieg stand. Und die unipolare Ordnung der 1990er Jahre basierte tatsächlich auf permanenten Kriegen der USA. Die Stabilität des globalen Systems hängt also nicht primär davon ab, ob die Weltordnung bipolar, unipolar oder multipolar ist, sondern vielmehr davon, ob man die UN-Charta akzeptiert oder nicht: ob man „wirksame kollektive Maßnahmen zur Verhinderung und Beseitigung von Bedrohungen des Friedens ergreifen wird“, um die Charta zu zitieren. Man muss auf die Anwendung von Gewalt verzichten, aber ebenso wichtig ist, auf Drohungen mit Gewalt, einschließlich Drohungen durch Stationierungen von Militärkräften zu verzichten. [58].

Einige Experten argumentieren, dass der zunehmende Einfluss eines autoritären Chinas und Russlands die Meinungsfreiheit einschränken würde. Diese Argumentation unterschätzt jedoch die Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Westen. Fast jeder westliche Journalist hat von einer „russischen Invasion” gesprochen, mit dem Ziel, die gesamte Ukraine zu „erobern“, während jeder ernsthafte Akademiker, der die militärische Fähigkeiten Russlands und das russische strategisches Denken studiert hat, weiß, dass die russische Mobilisierung begrenzt war, Russland seine Luftwaffe und Marine nur sehr begrenzt eingesetzt hat und die kleine Streitmacht, die Russland eingesetzt hat, ein deutliches Signal an den Westen war, dass sie nicht vorhatten, die komplette Ukraine zu erobern. [59]. Der Ausdruck „Invasion” war nichts als Propaganda. Und bereits frühzeitig wurde klar, dass Russland den Krieg gewinnen würde. Russland hatte den Krieg als „existenziell“ definiert (es ging nicht um Gebietsansprüche) [60]. Darüber hinaus verfügt Russland über eine überwältigende Feuerkraft und hat meist mehr Ukrainer getötet als umgekehrt. Russland ließ die Ukrainer in die Offensive gehen, damit sie noch höhere Verluste hatten. Und Russland hat viel mehr Einwohner als die Ukraine. Es war absehbar unmöglich für die Ukraine, den Krieg zu gewinnen, aber im Westen konnte man nicht darüber sprechen. Die Propaganda des „Familienunternehmens Kagan“ (Institute for the Study of War) [61] hat die westlichen Medien dominiert. Eine ernsthafte Analyse oder gar Dissens war unmöglich. Wenn es um wirklich wichtige Themen geht, wird im Westen nicht offener als in Russland oder sogar China berichtet, eher im Gegenteil. Wichtige Neokonservative behaupteten sogar, dass sie die westlichen Massenmedien kontrollieren können (siehe oben). Eine multipolare Ordnung würde uns wenigstens erlauben, eine Vielfalt von Ansichten zu hören und unterschiedliche Standpunkte aus verschiedenen Teilen der Welt vorgestellt zu bekommen, was einen echten Dialog ermöglichen würde.

Nachdem die Bipolarität des Kalten Krieges verschwunden war, begannen die US-Neokonservativen von einer „unipolaren Weltordnung“ zu sprechen. Die USA wurden als der einzige Pol der Weltmacht „als Führung des industriellen Westens“ beschrieben. Jetzt, im Jahr 2024, sind weder Russland noch China bereit, sich der „Führung“ der USA zu unterwerfen und die BRICS-Länder sind weder bereit, dem Massenmedien- und Finanzsystem der USA noch ihrer „regelbasierten Ordnung“ zu gehorchen. „Mehr als 40 Länder haben bisher Interesse bekundet, den BRICS beizutreten“, sagte der südafrikanische Vorsitzende 2023 [62]. Ein Großteil des globalen Südens stellt sich gegen den westlichen Hochmut aus dem Norden. Die BRICS-Länder werden weiter auf der Anwendung des internationalen Rechts bestehen. Wir erleben jetzt, im Jahr 2024, eine „tektonische Plattenverschiebung“, eine neue geopolitische Spaltung. Die aktuellen Kriege scheinen Ausdruck dieser Spaltung zu sein.

Quellen:

[1] NOREF (Norwegian Peacbuilding Resource Centre), Ola Tunander, „China’s thinking on peace
and security“, Dezember 2014, <https://www.files.ethz.ch/isn/186912/49075a73f3a016de640ad3503c7755e0.pdf>
[2] JSTOR, Foreign Affairs vol. 70, no. 1, 1990, pp. 23–33, Charles Krauthammer, „The Unipolar Moment.“, <https://doi.org/10.2307/20044692>, Abgerufen 16.01.2024,
<https://www.jstor.org/stable/20044692?origin=JSTOR-pdf>
[3] siehe [2]
[4] PRIO, Ola Tunander, „Bush’s Brave New World A New World Order — A New Military Strategy“, Bulletin of Peace Proposals, 22(4), 355-368, SAGE Publications, 1991, <https://www.jstor.org/stable/44481588> ; <https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/096701069102200402>
[5] The National Security Archive, „”Prevent the Reemergence of a New Rival”“, <https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb245/>
[6] The National Security Archive, Principal Deputy Under Secretary of Defense, „FY 94-99 Defense Planning Guidance Sections for Comment“, am 18.02.1992 <https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb245/doc03_full.pdf>
[7] siehe [5]
[8] The Washington Post, Don Oberdorfer, „STRATEGY FOR SOLO SUPERPOWER“, am 19.05.1991, <https://www.washingtonpost.com/archive/politics/1991/05/19/strategy-for-solo-superpower/e540321a-0505-4eda-9370-53d9a32a11bb/>
[9] U.S.-Verteidigungsministerium, „SPECIAL OPERATIONS FORCES“, <https://web.archive.org/web/20040127145401/http://www.dod.gov/execsec/adr95/sof_5.html> ;  „SPECIAL OPERATIONS FORCES – Chapter 22“, <http://www.dod.gov/execsec/adr96/chapt_22.html>
[10] Youtube, FORA.tv, „Wes Clark – America’s Foreign Policy “Coup”“, 2007, <https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=TY2DKzastu8>
[11] Project for the New American Century, „Statement of Principles“, am 03.06.1997, <https://web.archive.org/web/20050205041635/http://www.newamericancentury.org/statementofprinciples.htm>
[12] Project for the New American Century, Donald Kagan, Gary Schmitt und Thomas Donnelly, „Rebuilding Americas Defenses“, am 01.09.2000, <https://archive.org/details/RebuildingAmericasDefenses>
[13] Amazon, Richard A. Clarke, „Against All Enemies: Inside America’s War on Terror“, Free Press; Reprint Edition, 352 Seiten, 21.09.2004, <https://www.amazon.com/Against-All-Enemies-Inside-Americas/dp/0743260457>
[14] siehe [10]
[15] Youtube, Democracy Now!, „General Wesley Clark Interview“, 15.06.2020, <https://www.youtube.com/watch?v=WeQ9jAqdN1I>
[16] SIPRI, Petter Stålenheim, Catalina Perdomo und Elisabeth Sköns, „5. Military expenditure “, <https://www.sipri.org/sites/default/files/YB08 175 05.pdf>
[17] Amazon, <https://www.amazon.com/Americas-Inadvertent-Empire-William-Odom/dp/0300100698>
[18] Amazon, William E. Odom und Robert Dujarric, „America’s Inadvertent Empire“, Yale University Press; American First Edition, 304 Seiten, 10.03.2004, <https://www.amazon.com/Paradise-Power-America-Europe-World/dp/1400034183>
[19] siehe [18]
[20] Ole Wæver, European Security Identities 2000. in JP Burgess & Ola Tunander (eds), European Security Identities: Contested Understandings of EU and NATO. PRIO, Oslo, PRIO report, no. 2, vol. 2000, pp. 29-56., 2000, <https://politicalscience.ku.dk/research/groups/regroup/?pure=en%2Fpublications%2Feuropean-security-identities-2000(59860c40-74c8-11db-bee9-02004c4f4f50)%2Fexport.html>
[21] BBC, „Bush sets case as ‘war president’“, am 08.02.2004, <http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/3470139.stm>
[22] The National Security Archive, Svetlana Savranskaya und Tom Blanton, „NATO Expansion: What Gorbachev Heard“, am 12.12.2017, <https://nsarchive.gwu.edu/briefing-book/russia-programs/2017-12-12/nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early>
[23] X, Declassified UK, „Der Spiegel machte einen Fund in britischen Archiven aus dem hervor geht, dass der Westen 1991 „während der Verhandlungen deutlich gemacht hat, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen werden“, den Fluss, der durch Deutschland fließt. Die Vereinbarung, dass mittel- und osteuropäische Länder der Nato beitreten, sei „inakzeptabel“.“, am 21.02.2022, <https://twitter.com/declassifiedUK/status/1495725360952094720/photo/1>
[24] OpinioJuris, Julia Emtseva and Paul Emtsev, „Why 2+4 Does Not Always Add Up: In Search of NATO’s Non-Enlargement Promises“, am 11.03.2022, <http://opiniojuris.org/2022/03/11/why-24-does-not-always-add-up-in-search-of-natos-non-enlargement-promises/>
[25] Harvard Kennedy School, Belfer Center, Joshua R. Itzkowitz Shifrinson,  Quarterly Journal: International Security, „Deal or No Deal? The End of the Cold War and the U.S. Offer to Limit NATO Expansion“, Frühjahr 2016 <https://www.belfercenter.org/publication/deal-or-no-deal-end-cold-war-and-us-offer-limit-nato-expansion>
[26] Wikileaks, Cable: „NYET MEANS NYET: RUSSIA’S NATO ENLARGEMENT REDLINES“, 01.02.2008, <https://wikileaks.org/plusd/cables/08MOSCOW265_a.html>
[27] Deutsche Welle, Alistair Walsh und Rina Goldenberg, „Angela Merkel opens up on Ukraine, Putin and her legacy“, am 07.06.2022 <https://www.dw.com/en/angela-merkel-opens-up-on-ukraine-putin-and-her-legacy/a-62052345>
[28] Amazon, William J Burns, „The Back Channel: A Memoir of American Diplomacy and the Case for Its Renewal“,  Random House; Illustrated Edition, 512 Seiten, am 12.03.2019, <https://www.amazon.com/Back-Channel-American-Diplomacy-Renewal/dp/0525508864>
[29] siehe [26]
[30] The Washington Post, Henry A. Kissinger, „How the Ukraine crisis ends“, am 05.03.2014 <https://www.washingtonpost.com/opinions/henry-kissinger-to-settle-the-ukraine-crisis-start-at-the-end/2014/03/05/46dad868-a496-11e3-8466-d34c451760b9_story.html>
[31] Substack, Ola Tunander, „Did Russia violate International Law? Part I“, am 05.10.2023, <https://olatunander.substack.com/p/did-russia-violate-international>
[32] The Guardian, „‘Fuck the EU’: US diplomat Victoria Nuland’s phonecall leaked – video“, am 07.02.2014, <https://www.theguardian.com/world/video/2014/feb/07/eu-us-diplomat-victoria-nuland-phonecall-leaked-video>
[33] BBC, „Ukraine crisis: Transcript of leaked Nuland-Pyatt call“, am 07.02.2014, <https://www.bbc.com/news/world-europe-26079957>
[34] U.S. Department of State, Robert B. Zoellick, „Whither China: From Membership to Responsibility?“, am 21.09.2005, <https://2001-2009.state.gov/s/d/former/zoellick/rem/53682.htm>
[35] Reuters, Jamie McGeever, „Commentary: The waning power of the petrodollar“, am 13.07.2017, <https://www.reuters.com/article/usa-bonds-petrodollars-idUSL8N1K14NT/>
[36] Time, William Dowell, „Foreign Exchange: Saddam Turns His Back on Greenbacks“, am 13.11.2000, <https://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,998512,00.html>
[37] Wikileaks, „Hillary Clinton Email Archive“, E-Mail von Sydney Blumenthal an Hillary Clinton, 01.04.2011, Subject: „H: FRANCE’S CLIENT & Q’S GOLD. SID“, <https://wikileaks.org/clinton-emails/emailid/6528>
[38] Reuters, Phil Stewart und Michelle Nichols, „China role in Saudi, Iran deal a tricky test for U.S.“, am 12.03.2023, <https://www.reuters.com/world/china-role-saudi-iran-deal-tricky-test-us-2023-03-10/>
[39] Amazon, Samuel P. Huntington, „The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“, Simon & Schuster; Later Printing Edition, am 01.01.1996, <https://www.amazon.com/Samuel-Huntington-Clash-Civilizations-Remaking/dp/B009CIF5TC>
[40] The New York Times, Samuel P. Huntington, „The Coming Clash of Civilizations Or, the West Against the Rest“, am 06.06.1993, <https://www.nytimes.com/1993/06/06/opinion/the-coming-clash-of-civilizations-or-the-west-against-the-rest.html>
[41] Cambridge University Press, John Dugard, „The choice before us: International law or a ‘rules-based international order’?“, Leiden Journal of International Law, Volume 36 , Issue 2 , Juni 2023 , pp. 223 – 232 DOI: <https://doi.org/10.1017/S0922156523000043>, <https://www.cambridge.org/core/journals/leiden-journal-of-international-law/article/choice-before-us-international-law-or-a-rulesbased-international-order/7BEDE2312FDF9D6225E16988FD18BAF0>
[42] Harvard Kennedy School, Belfer Center, „Thucydides’s Trap“, <https://www.belfercenter.org/thucydides-trap/overview-thucydides-trap>
[43] siehe [41]
[44] Alfred de Zayas’ Human Rights Corner, Alfred de Zayas, „UNILATERAL SANCTIONS AND INTERNATIONAL LAW“, am 27.06.2019, <https://dezayasalfred.wordpress.com/2019/06/30/unilateral-sanctions-and-international-law/>
[45] Youtube, Middle East Eye, „Remembering the legacy of Madeleine Albright in Iraq“, am 24.03.2022, <https://www.youtube.com/watch?v=1T5JRVR53Eo>
[46] siehe [41]
[47] U.S. Department of Defense, Jim Mattis, Transcript: „Remarks by Secretary Mattis at Shangri-La Dialogue“, am 03.06.2017, <https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript/Article/1201780/remarks-by-secretary-mattis-at-shangri-la-dialogue/>
[48] The New York Times, Joseph R. Biden Jr., „President Biden: What America Will and Will Not Do in Ukraine“, am 31.05.2022, <https://www.nytimes.com/2022/05/31/opinion/biden-ukraine-strategy.html>
[49] Weißes Haus, „Remarks by President Biden in Press Conference | Madrid, Spain“, am 30.06.2022, <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2022/06/30/remarks-by-president-biden-in-press-conference-madrid-spain/>
[50] Weißes Haus, „NATIONAL SECURITY STRATEGY“, am 12.10.2022, <https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2022/10/Biden-Harris-Administrations-National-Security-Strategy-10.2022.pdf>
[51] Den norske Atlanterhavskomité, The Norwegian Atlantic Committee, „Leangkollen Security Conference 2023“, am 10.02.2023, <https://www.atlanterhavskomiteen.no/arrangement/leangkollen-sikkerhetskonferanse-2023>
[52] United Nations Treaty Collection, „Definitions“, <https://treaties.un.org/Pages/overview.aspx?path=overview/definition/page1_en.xml>
[53] American Society of International Law, insights, Vol. 2 Issue: 4, Frederic L. Kirigis, „Treaties as Binding International Obligation“, am 14.05.1997, <https://www.asil.org/insights/volume/2/issue/4/treaties-binding-international-obligation>
[54] U.S. Government Publishing Office, „TREATIES AND OTHER INTERNATIONAL AGREEMENTS: THE ROLE OF THE UNITED STATES SENATE“, Janauar 2001, <https://www.govinfo.gov/content/pkg/CPRT-106SPRT66922/html/CPRT-106SPRT66922.htm>
[55] Question of International Law, Jean D´Aspremont, „The International Court of Justice and tacit conventionality“, am 15.06.2015 <http://www.qil-qdi.org/the-international-court-of-justice-and-tacit-conventionality/>
[56] Permanent Court of International Justice, FASCICULE No 53, „LEGAL STATUS OF EASTERN GREENLAND “, 05.04.1933, <https://www.icj-cij.org/sites/default/files/permanent-court-of-international-justice/serie_AB/AB_53/01_Groenland_Oriental_Arret.pdf>
[57] siehe [31]
[58] siehe [31]
[59] siehe [31]
[60] Consortium News, „Text of Putin’s Announcement of Military Action“, am 01.03.2022, <https://consortiumnews.com/2022/03/01/text-of-putins-announcement-of-military-action/>
[61] Institute for the Study of War, „DR. KIMBERLY KAGAN“, <https://www.understandingwar.org/press-media/staff-bios/dr-kimberly-kagan>
[62] RT, „Russia outlines future vision for BRICS“, am 26.12.2023 <https://web.archive.org/web/20240115065610/https://www.rt.com/news/589679-russia-outlines-brics-vision/>

2024: Eine neue multipolare Weltordnung entsteht

Dieses Paper wurde im Dezember 2023 an der Universität Wien präsentiert. Darin wird Material aus meinem Artikel im Bulletin of Peace Proposals (später Security Dialogue) aus dem Dezember 1991: „Bush's Brave New World: A New World Order – A New Military Strategy“, in dem ich die Vision der USA von einer unipolaren Weltordnung vorstelle, verwendet. Ich verwende auch Material aus einem Artikel und einem Buchkapitel mit dem Titel „US Strategy for a New World Order“, in dem die multipolare gegenüber der unipolaren Weltordnung erörtert wird (präsentiert auf dem Ersten Xiangshan Forum, China Association for Military Science, 2006; und in einer gekürzten Version auf der Konferenz „Trialogue21“ des U.S. East-West Institute & Chinas Institute of International Studies in Washington, 2008). Der zweite Abschnitt dieses Papers stützt sich auf meinen Artikel von 2023 auf Substack „Did Russia violate International Law?“; einen Artikel und ein Buchkapitel über Unipolarität und einen „Proto-Weltstaat“ (präsentiert auf dem Dritten Xiangshan Forum 2010) sowie einen Bericht für das Norwegian Peacebuilding Centre NOREF von Dezember 2014: „Chinas Denken über Frieden und Sicherheit“ („China’s thinking on peace and security“) [1]. Ich werde diesen letzten Artikel als Anhang zu diesem Artikel veröffentlichen.

Von Published On: 25. Februar 2024Kategorien: Gesellschaft & Geschichte

Dieser Text wurde zuerst am TT.MM.JJJJ auf www.olatunander.substack.com unter der URL <https://olatunander.substack.com/p/2024-an-emerging-multipolar-world> veröffentlicht. Lizenz: Ola Tunander, Free21, CC BY-NC-ND 4.0

US-Präsident George H.W. Bush und Michail Gorbatschow unterzeichnen am 1. Juni 1990 ein Abkommen über die Beendigung der Produktion chemischer Waffen und den Beginn der Vernichtung ihrer jeweiligen Bestände. (Bild: George H.W. Bush Presidential Library / public domain)

Von der Bipolarität zur Unipolarität

Nachdem der Zweite Weltkrieg Europa gespalten hatte, stand die Sowjetunion den Vereinigten Staaten und Westeuropa gegenüber. Und diese bipolare Weltordnung dominierte den Kalten Krieg bis 1989. Nach dem Fall der Berliner Mauer war die Bipolarität vorbei. Einige Wissenschaftler begannen sofort von einer „neuen multipolaren Welt“ zu sprechen, in der die wirtschaftliche Macht eine bedeutendere Rolle spielen würde als die militärische Macht, aber in einem berühmten Artikel in Foreign Affairs 1990-91 argumentierte der neokonservative US-Analyst Charles Krauthammer, dass dies eine Illusion sei. Einige Akademiker hatten von Japan und Deutschland/Europa, China und einer geschwächten Sowjetunion/Russland neben den USA als den neuen Säulen einer neuen multipolaren Weltordnung gesprochen, aber „seit die ersten Schüsse in Kuwait fielen“, haben sich die wirtschaftlichen Mächte „Deutschland und Japan […] im Allgemeinen unter den Tisch verkrochen“, schrieb Krauthammer [2]. Als der Krieg begann, unterwarfen sich diese Mächte sofort der US-Herrschaft. Nach Krauthammer enthüllte der Krieg die wirkliche Machtstruktur der neuen Welt, es gab nur „eine einzige erstklassige Macht“ auf der globalen Bühne: die Vereinigten Staaten.

Krauthammers Artikel „The Unipolar Moment“ („Der unipolare Moment“) von 1991 wurde zum Manifest für die neue neokonservative Elite, die Washington seit drei Jahrzehnten dominiert. Dies war die führende Sicherheitselite in den USA und bald darauf auch in Europa. Für die Neokonservativen war die USA der globale Hegemon, und Krauthammer fährt fort [3]:

„‚Europa qualifiziert sich noch nicht einmal als Akteur auf der Weltbühne, was uns mit der wahren geopolitischen Struktur der Nachkriegswelt, die durch die Golfkrise scharf in den Fokus gerückt wurde, zurücklässt: ein einziger Pol der Weltmacht, der aus den Vereinigten Staaten an der Spitze des industriellen Westens besteht. Vielleicht ist es genauer zu sagen, die Vereinigten Staaten und dahinter der Westen […] Der Irak, der unbeabsichtigt die unipolare Struktur der heutigen Welt enthüllt hat, kann nicht aufhören, sich darüber zu beschweren. […] Es wird viel von einer neuen multipolaren Welt und dem Versprechen der Vereinten Nationen als Garant einer neuen Nachkriegsordnung geredet. Aber das ist eine Fehlinterpretation von Ursache und Wirkung, hier also den Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen garantieren nichts. Abgesehen von einer formalen Bedeutung kann man kaum sagen, dass sie existieren. Kollektive Sicherheit? Im Golf hätte sich ohne das Führen, Anspornen, Bestechen und Erpressen der Vereinigten Staaten niemand gerührt.“

Nach der militärischen Konfrontation des Kalten Krieges, eigentlich schon im September 1989, präsentierte der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der USA, Admiral William Crowe, ein neues strategisches Konzept [4]. Ein globaler Krieg mit den Sowjets war nicht mehr das wichtigste Element, die USA begannen, sich auf „regionale Notfälle“ vorzubereiten. Ein Jahr später sagte Verteidigungsminister Dick Cheney, dass man sich nun auf „regionale Notfälle“ wie „die Bedrohung des Persischen Golfs“ konzentriere. In Cheyneys „Entwurf eines Leitfadens zur Verteidigungsplanung“ aus dem April 1992 heißt es, die US-Verteidigungsstrategie solle „das Entstehen eines neuen Rivalen verhindern“ und „jede feindliche Macht daran hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter abgesicherter Kontrolle ausreichen würden, globale Macht zu erlangen“ [6]. Die Kontrolle über den Persischen Golf wurde als entscheidend angesehen, um den Ölfluss nach China, Europa und Japan zu kontrollieren und zu verhindern, dass sie sich zu Rivalen der Vereinigten Staaten entwickeln. Die USA sollten alleine handeln, „wenn kollektive Maßnahmen nicht koordiniert werden können“, so das Dokument [7]. Crowes Nachfolger als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs, General Colin Powell, sagte [8]: „Wir haben nicht mehr den Luxus, für eine Bedrohung planen zu können. Wir planen jetzt eine Supermacht zu sein. Wir sind der wichtigste Akteur auf der Weltbühne, mit weltweiter Verantwortung, mit weltweiten Interessen.“ Ab Mitte der 1990er Jahre führten die US-Special Forces 2000-3000 Einsätze durch [9], einschließlich Ausbildungsmissionen und verdeckter Operationen in mehr als 130 Ländern pro Jahr. Teams der US-Special Forces waren für jeweils einen Kontinent zuständig. Sie konnten überall auf der Welt agieren. Die Vereinigten Staaten waren kein Nationalstaat mehr. Sie waren, ähnlich wie die Vereinten Nationen, eine globale Organisation, jedoch mit „einer supranationalen politisch-militärischen Behörde”, die laut Krauthammer „einzelne Staaten bestach und erpresste“. Die USA waren eine Macht, die weltweit militärische Kräfte verdeckt einsetzte. „Wir sind die einzige Supermacht“, sagte Powell.

Amerikanische Militäranalysten begannen, von einer „unipolaren Weltordnung“ zu sprechen. Die USA waren „der Schwerpunkt des industriellen Westens“ der einzige Pol der Weltmacht . Es hätte eine multipolarere Welt geben können, weil alle Wirtschaftsmächte unterschiedliche Interessen hatten, aber als der Krieg im Golf begann, mussten sich alle der militärischen Macht beugen. Dies ist die Lektion, die die neokonservative Elite der USA aus dem Golfkrieg von 1991 gezogen hat. Cheneys enger Berater Paul Wolfowitz sagte, dass wir gelernt haben, dass die Russen überhaupt nichts unternommen haben [10]. Sie griffen nicht ein. Wir könnten und sollten Krieg gegen einen Staat nach dem anderen führen, um diese Regimes zu stürzen, die zu Moskau gehört hatten. Das war seine Schlussfolgerung. Und später in den 1990er Jahren drängten er und seine Kollegen, einen Krieg gegen den Irak im Rahmen des „Project for a New American Century“ (PNAC) zu führen[11]. Ab 2000 argumentierte die neokonservative Elite in einem Dokument „Rebuilding America’s Defenses“ („Wiederaufbau der amerikanischen Verteidigung“), dass die notwendige militärische Transformation „wahrscheinlich lange dauern wird, es sei denn, es gibt ein katastrophales und beschleunigendes Ereignis“ [12].

Nach Meinung dieser Elite eröffneten die Ereignisse am 11. September 2001 die Möglichkeit, einen Krieg gegen den Irak zu führen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte Stunden nach der Katastrophe, dass sie den Irak bombardieren sollten [13] (weil es keine „nennenswerten Ziele“ in Afghanistan gäbe , die einen Marschflugkörper wert seien). Der ehemalige Oberbefehlshaber der alliierten NATO Streitkräfte in Europa, General Wesley Clark, sagte, dass die endgültige Entscheidung, Krieg gegen den Irak zu führen, bereits zehn Tage nach dem 11. September getroffen wurde [14]. Einige Wochen später beschloss Rumsfeld, auch „Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und schließlich Iran auszuschalten“ [15]. Die Vereinigten Staaten wollten aus zwei Gründen in fünf Jahren sieben Kriege (mit Afghanistan acht) führen: Erstens gab es eine „günstige Gelegenheit“ („window of opportunity“). Militärkräfte sollten nicht zur Abschreckung, sondern zum Angriff auf andere Staaten eingesetzt werden, wie es Wolfowitz bereits zehn Jahre zuvor gesagt hatte. Zweites sollten die USA weiter einen Krieg nach dem anderen führen, um die anderen Wirtschaftsmächte dazu zu bringen sich wieder „unter dem Tisch zu verstecken“, um Krauthammers Worte zu verwenden. Die Vorherrschaft der USA, die fast 50 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben tätigten, konnten nicht in politischen Einfluss umgewandelt werden, wenn es keine Krieg oder Drohungen mit Kriegen gab. Die Vorherrschaft des Krieges war die Grundlage für die unipolare Weltordnung der USA, die Pax Americana. Die USA erklärten nun Unipolarität und permanenten Krieg, „den Krieg gegen den Terror“ (The War on Terror), als die Welt der Zukunft.

Zu dieser Zeit dominierte die Idee einer unipolaren Weltordnung, einer Pax Americana, die Republikanische Partei der USA, aber weitgehend auch die Demokratische Partei. Bill Odom – ehemaliger Direktor der National Security Agency und ehemaliger Militärberater von Zbigniew Brzezinski, der wiederum stellvertretender nationaler Sicherheitsberaters von US-Präsident Carter gewesen war – beschrieb die Vereinigten Staaten als eine „supranationale politisch-militärische Autorität“, eine Art „Imperium“ [17]. Diese Art des Denkens war vielen Europäern fremd. Im Gegensatz zum amerikanischen Liberalismus glaubten europäische politische Führer zwar vor vielen Jahrzehnten ebenfalls an Machtpolitik und Krieg als politisches Instrument („Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“). Aber in den frühen 2000ern definierten sich die Europäer überwiegend als friedliebend, während die USA mit der Planung eines Krieges mit dem Irak beschäftigt waren. 2003 stoppten die Europäer – die Deutschen und die Franzosen – den Versuch der USA, den Weltsicherheitsrat als Legitimation für den US-Krieg gegen den Irak zu nutzen. Die Amerikaner waren schockiert. Es gab immer noch europäischen Widerstand gegen die unipolare Weltordnung. Der amerikanische neokonservative Ideologe Robert Kagan sagte [18]: „Amerikaner und Europäer haben die Plätze getauscht – und die Ansichten. Das liegt zum Teil daran, dass sich […] die Machtverhältnisse dramatisch verschoben haben“. Und er fährt fort: „Powell und Rumsfeld haben [trotz ihrer Unterschiede] mehr gemeinsam als Powell und die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und sogar Großbritanniens.“ Europäer und Amerikaner leben auf verschiedenen Planeten. Die Europäer kommen von der Venus und die Amerikaner vom Mars, argumentierte er.

Kagan betonte den Unterschied: während des Kosovo-Krieges 1999 wurden 99 % der zu zerstörenden Ziele von US-Geheimdiensten geliefert, während das Vereinigte Königreich – als die größte europäische Streitkraft – nur 4 % der Flugzeuge und 4 % der abgeworfenen Bomben beisteuerte [19]. Europa konzentrierte sich nicht mehr auf militärische, sondern auf zivile Angelegenheiten. Dies kann jedoch, nach meiner Meinung, nicht nur durch die militärische Schwäche Europas erklärt werden. Die jüngere Geschichte der wirtschaftlich-politischen Integration Europas innerhalb der EU – als Versöhnungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg – unterscheidet sich stark von der US-Erfahrung. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion waren die europäischen Staaten damit beschäftigt, Integration und Koordination von Regierungspolitiken und politischen Kulturen (einschließlich der ehemaligen osteuropäischen Länder) voranzutreiben, um eine mögliche Wiederbelebung von Nationalismus und Militarismus zu vermeiden. Tatsächlich bestand das Ziel des EU-Projekts darin, die Logik von Nationalismus, Hass und Krieg zu überwinden. Seit dem Verlust des „sowjetischen Gegenübers“ als äußere Bedrohung im Jahr 1989 musste Europa, wie Ole Wæver es nennt, ein „neues Gegenüber“ finden [20]: seine eigene nationalistische und militaristische Vergangenheit. Der Zweite Weltkrieg lehrte die Europäer, dass sie Nationalismus und Krieg durch wirtschaftliche und politische Integration überwinden mussten, während die „Zweite Weltkriegs-Lektion“ der US-Präsidenten war, dass sie Kriege führen mussten, um „böse Herrscher“ zu bekämpfen und Kriege zu amerikanischen Bedingungen zu beenden. Wahrscheinlich spielten diese unterschiedlichen Erfahrungen eine prägende Rolle für ihre jeweilige Politikstrategie nach dem Fall der Berliner Mauer. In den USA haben Präsidenten Rhetorik und Täuschung verwendet, um eine skeptische Bevölkerung von der „Notwendigkeit“ eines Krieges zu überzeugen, während die Europäer versucht haben Kriege zu vermeiden, die als gefährlich nahe an den eigenen Heimatländern wahrgenommen wurden.

BRICS-Gipfel 2014 in Brasilien mit von links nach rechts: Wladimir Putin, Narendra Modi, Dilma Rousseff, Xi Jinping und Jacob Zuma. (Foto: President of Russia / Kreml / public domain)

Die russische und chinesische Antwort

Für Moskau war die kriegerische Rhetorik von Präsident George W. Bush nicht nur widerwärtig, wie für die Europäer, sondern auch besorgniserregend. Als Bush im Februar 2004 erklärte: „Ich bin ein Kriegspräsident. Ich treffe hier im Oval Office Entscheidungen in außenpolitischen Angelegenheiten, bei denen ich an Krieg denke“ [21], erinnerten seine Worte die Europäer an ihre eigene dunkle Geschichte. Für die Russen war diese dunkle Geschichte noch besorgniserregender, da sie dies an den Angriff Nazi-Deutschlands und den Tod von 25 Millionen sowjetischer Bürger iim 2. Weltkrieg erinnerte. Auf einer Militärkonferenz des Xiangshan Forums im Jahr 2010 schüchterte ein sehr prominenter US-Neokonservativer seine chinesische und internationale Zuhörerschaft (mich eingeschlossen) mit den Worten ein: „Ich habe an drei Kriegen teilgenommen, und es hat mir Spaß gemacht.“ Eine von den US-Neokonservativen ins Leben gerufene Pax Americana, als Machtapparat der US Neokonservativen, war ein Imperium, von einem Kriegerstaat angeführt, dessen Ziel Kriegführung war, ähnlich wie beim schwedischen König Karl XII. im 18. Jahrhundert (Anm. der Redaktion: In Skandinavien als Dauerkriege führender König berühmtberüchtigt, mit dem Schweden die Rolle als Großmacht einbüßte) oder Napoleon im 19. Jahrhundert.

Die amerikanische Forderung nach einer NATO-Erweiterung mit der Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn ab 1999 und noch mehr Staaten ab 2004 wurde von Russland als zunehmend bedrohlich empfunden. Alle westlichen Führer hatten Präsident Michail Gorbatschow 1990-91 versprochen, dass die NATO sich nicht nach Osten über Westdeutschland hinaus ausdehnen würde [22]. Das war die Bedingung für den Abzug von 350.000 sowjetischen Soldaten aus Ostdeutschland und für die Wiedervereinigung Deutschlands. Ein Dokument von 1991 aus diesen Verhandlungen über das 2+4-Abkommen (die beiden Deutschlands plus Frankreich, Großbritannien, USA und Russland), fasste den Fall für Mitteleuropa zusammen [23]: „Wir können nicht […] die Mitgliedschaft in der NATO für Polen und die anderen anbieten.“ [24] Und der Vertreter der USA sagte: „Die NATO sollte sich weder formal noch informell nach Osten ausdehnen.“ Wie der Historiker des Wilson Center, Joshua Shifrinson, schreibt [25]: Die Bush-Administration habe in ihren Gesprächen mit Gorbatschow „eine kooperative Fassade“ aufgesetzt, während sie hinter den Kulissen auf eine westliche Expansion gedrängt habe. Und schon Ende 1989 sagte der nationale Sicherheitsberater Brent Scowcroft, die USA sollten sich „zwischen Deutschland und Russland in Mitteleuropa“ positionieren. Die USA sollten die NATO erweitern. Mit anderen Worten: Die Bush-Administration sollte die Situation ausnutzen, obwohl sie alle Gorbatschow das Gegenteil versprochen hatten.

Ab den frühen 2000er Jahren brachen die USA und die westlichen Länder definitiv mit ihrer Vereinbarung mit Gorbatschow von 1990-91. 2004 zwang die vom Westen unterstützte „Orange Revolution“ die Ukraine zu Neuwahlen, bei denen ein gewählter Präsident aus der Ostukraine durch einen Präsidenten aus dem Westen ersetzt wurde. Als die USA ab 2008 eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO forderten, war die Zusammenarbeit Russlands mit dem Westen endgültig gestorben. Laut dem damaligen US-Botschafter in Moskau, dem aktuellen CIA-Direktor William Burns, sagte jeder in Russland, nicht nur Wladimir Putin, dass die NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine eine „rote Linie“ sei [26]. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ebenfalls: [27] „[Aus Putins] Perspektive wäre eine Ausweitung der NATO auf die Ukraine eine Kriegserklärungʻ“. Jeder wusste, dass es auf Krieg hinauslief: „[Es] ist die leuchtendste aller roten Linien“, wie Burns seiner Außenministerin Condoleezza Rice schrieb [28]. Bereits 2008 bezeichnete der Außenminister Sergej Lawrow die Ausweitung der NATO auf die Ukraine als eine „militärische Bedrohung“ [29]. Dies würde zu einem ukrainischen Bürgerkrieg führen. Russland müsse intervenieren, um die russischsprachige Bevölkerung im Osten zu retten. Dies würde „die USA und Russland in eine klassischen Konfrontation bringen“.

Henry Kissinger schlug eine „finnische Lösung“ mit einer neutralen Ukraine vor [30], aber die neokonservative Elite in Washington wollte Russland zwingen, sich dem unipolaren US-System anzupassen. Washington wusste, dass ein ukrainischer Beitritt zur NATO fast sicher zu einem Krieg führen würde. Es hatte nichts damit zu tun, wer in Moskau die Führung hatte, aber die Neokonservativen glaubten, dass sie die Situation managen könnten. Wenn Putin nun von einem „existenziellen“ Krieg spricht, liegt das daran, dass die Ukraine kurz davor steht, zu einem militärischen Brückenkopf der USA an der Türschwelle zu Moskau zu werden. Die USA könnten einen Schlag gegen das „Herz Russlands“ führen. Es ist genau so als würde der Südosten der Vereinigten Staaten mit Texas, Louisiana, Florida die Unabhängigkeit ausrufen und von Russland bewaffnet werden. Das würde Washington niemals akzeptieren. Die USA verlagerten ihre Positionen mit neuen Waffensystemen Schritt für Schritt immer näher an Moskau heran. Für Russland wäre es schwierig, sich zu verteidigen. Ein einzelner Schritt kann keine militärische Reaktion legitimieren, aber insgesamt bedeutet dies einen erheblichen geopolitischen Wandel. Es ist eine „Salami-Taktik“ [31], ähnlich wie die israelische in den besetzten Gebieten. Mit jeder neuen Siedlung erobert Israel mehr und mehr palästinensisches Land, bis es fast kein Palästina mehr gibt. Das entspricht auch der US-Strategie gegenüber China. Die USA sagen, sie erkennen Chinas „Ein-China-Politik“ an, erlauben aber gleichzeitig hochrangigen US-Beamten den Besuch Taiwans und heißen Taiwans Präsidenten in den USA willkommen, als ob Taiwan ein unabhängiger Staat wäre. Mehrere kleine Schritte führen letztlich zu vollendeten Tatsachen.

Die unipolare Weltordnung, wie sie bereits in dem von den Neokonservativen verfassten Dokument von 1992 definiert wurde, sollte „die Entstehung eines neuen Rivalen verhindern“. Jeder potenzielle Rivale sollte in die Schranken gewiesen werden, und die USA haben systematisch mit Europa, Russland und China bearbeitet. In Europa zwangen Terroranschläge die Menschen, Freiheit gegen Sicherheit einzutauschen. Die Angst vor Bombenanschlägen hat einen enormen psychologischen Einfluss, der die Menschen dazu bringt, sich um Schutz bittend an den Staat zu wenden. Und die überwältigende Hegemonie der USA im Bereich der Geheimdienste ermöglichte es, durch „Hintertüren“ in die europäischen Staaten einzudringen. US- und britische Dienste beschuldigten Russland der Vergiftung von Agenten und des Abschusses des malaysischen Flugzeugs MH17 über der Ukraine. In den Medien erschien Russland nun als „böses Imperium“ und Europa suchte instinktiv bei die USA Schutz. In nur wenigen Jahren hatten die USA Europa diszipliniert und bearbeiteten gleichzeitig Russland und China. Die USA setzten sie unter Druck, indem sie rechtsgerichtete Kräfte unterstützten, um Konflikte in der benachbarten Ukraine und in Japan zu provozieren. Ab 2013 wurde die US-Politik für die Ukraine von Kagans Ehefrau, der stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland dominiert. Sie leitete den gewaltsamen Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 ein, der den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch und seinen Premierminister Asarow zwang, das Land zu verlassen. Ein neuer Premierminister wurde nach den Anweisungen von Nuland ernannt (die Tonaufnahme ihrer Anweisungen [32] (Anm. der Red: „Fuck the EU“ und „Yats is our man“, Kagan bestimmte wer ukrainischer Präsident werden würde) wurde sogar von der BBC [33] veröffentlicht). Es ging darum, „Russland zu schwächen“ und zu zwingen, die Vorherrschaft sowie die unipolare Weltordnung der USA zu akzeptieren. Die gleiche US-Politik, die die US-Regierung an ihrer östlichen Peripherie, in der Ukraine, vorantrieb, wurde auch im Pazifik in Japan gegen China durchgeführt. Und das mehr oder weniger zur gleichen Zeit. Die USA sprachen nicht mehr von China als „verantwortungsbewussten Akteur“ auf der Weltbühne, sondern eher von einem zukünftigen Rivalen [34]. Die USA würden nicht akzeptieren, dass China ein wirtschaftlicher Konkurrent werden würde, der mit Nachbarstaaten ohne Erlaubnis der USA zusammenarbeiten würde.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. (Foto: Wikiweeki / Wikimedia Commons / CC BY 4.0)

Im Anhang zu diesem Artikel (Anm. der Redaktion: demnächst auf Webseite von free21.org) schreibe ich, dass die japanische Regierung von Yukio Hatoyama im Jahr 2009 – die erste Regierung, die von der Demokratischen Partei (Japans eher linken Partei) gebildet wurde – engere Beziehungen zu China angekündigt hatte, einschließlich einer Vertiefung der Verteidigungsbeziehungen. Japan würde sich weniger auf seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verlassen. Premierminister Hatoyama hatte die in Japan populäre Forderung der Insel Okinawa unterstützt, die US-Militärbasis dort zu schließen. In den USA war Hatoyama jedoch nicht wohlgelitten, und er musste im Juni 2010 zurücktreten, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Basis zu schließen oder zu verlegen. Drei Monate später wurde ein Zusammenstoß zwischen einem chinesischen Fischereiboot und einem japanischen Küstenschutzschiff im umstrittenen Gebiet der Diaoyu/Senkaku-Inseln (nordöstlich von Taiwan) zu einem riesigen Medienereignis. Die Medien behaupteten, das chinesische Boot habe das japanische Schiff gerammt. (die Videoaufnahmen zeigen eher das Gegenteil). Der Vorfall wurde als wichtige chinesische Einmischung dargestellt, obwohl Vorfälle mit Fischerbooten, die in das umstrittene Gebiet eindrangen, eine lange Vorgeschichte hatten. Dieser Vorfall wurde jedoch genutzt, um eine Kampagne zu starten, die auf eine sino-japanische Spaltung zielte. Kurz darauf vereinbarte eine chinesisch-japanische Verteidigungsministerkonferenz, dass dieser Vorfall die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht stören sollte, aber die Medien schürten nationalistische Hysterie und hetzten Nationalisten in beiden Ländern gegeneinander auf. US-Außenministerin Hillary Clinton goss Öl ins Feuer und bestätigte, dass die Inseln unter den Sicherheitsvertrag der USA zur Verteidigung Japans fielen, etwas, was die USA zuvor nie erklärt hatten, um die Beziehungen zu China nicht zu belasten. Ähnlich wie die USA 2014 eine extrem rechtsgerichtete ukrainische Elite benutzten, um gegen die gewählte ukrainische Regierung und gegen Russland zu mobilisieren, benutzten die USA eine rechtsgerichtete japanische Elite, um gegen die japanische Regierung und gegen China zu mobilisieren.

Ab 2010, aber noch mehr ab 2014, sorgten die USA in der Realität dafür, dass Russland und China damit begannen zusammenzuarbeiten und nach Alternativen zur unipolaren Weltordnung der USA zu suchen. Beide Länder waren zu groß, um sich zu einer engen Allianz zu entwickeln, aber sie beschlossen, ihre Streitkräfte auszubauen und ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zu verstärken. 2014 initiierten sie eine Neue Entwicklungsbank (New Development Bank), und kurz darauf begannen sie in lokalen Währungen statt über den US Dollar zu handeln. Der Wert des US-Dollars war seit Mitte der 1970er Jahre davon abhängig, im internationalen Handel als Reservewährung genutzt zu werden, vor allem aber als „Petrodollar“. Nachdem die Vereinigten Staaten 1974 den Goldstandard abschaffen mussten, überzeugte US-Außenminister Henry Kissinger Saudi-Arabien und dann die OPEC, ihr Öl in US-Dollar zu handeln. So steigerte er die globale Nachfrage nach der US-Währung und zwang die OPEC-Länder, ihre Gewinne in US-Schatzanleihen zu investieren. Der „Petrodollar“ war „eine der mächtigsten Kräfte, die den US-Anleihenmarkt und den Dollar antreiben“, schrieb Reuters [35]. Dies ermöglichte es den Vereinigten Staaten, Dollarscheine zu drukken, ohne dass es zu einer Inflation kam. In der Praxis bedeutete dies außerdem, dass die USA die Kosten für ihre vielen Kriege durch das Drukken von Dollarscheinen decken konnten. Als einige ölproduzierende Staaten den „Petrodollar“ verlassen wollten, „beunruhigte“ dies die Vereinigten Staaten. Es ist auffällig, dass wenige Jahre nachdem Saddam Hussein erklärt hatte, dass sein Land nicht mehr „mit der Währung des Feindes” handeln werde, der Irak von den USA besetzt wurde [36]. Libyen wurde angegriffen, kurz nachdem klar wurde, dass Muammar Gaddafi einen afrikanischen Dinar (basierend auf einer großen Menge Gold und Silber) als Konkurrenz zum Dollar, Euro und Yuan einführen würde [37]. Ab 2024 werden jedoch die BRICS-Länder neue Staaten wie den Iran, Saudi-Arabien, die Emirate, Ägypten und Äthiopien umfassen, die in lokalen Währungen handeln werden, um den „Petrodollar“ überflüssig zu machen. Das unter Vermittlung Chinas ausgehandelte Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien im März 2023 [38] und ihre Aufnahme bei den BRICS ab Januar 2024 werden die globale Politik verändern. Die laufende Entdollarisierung wird die globale Hegemonie der USA in Frage stellen. Vor einigen Jahren sagte mir ein US-Unterhändler und sehr bekannter Neokonservativer, der Verhandlungen mir Russland führte, dass die Russen die wahre Stärke der USA nicht verstehen würden: „Wir kontrollieren die Massenmedien, und wir kontrollieren das Finanzsystem“. Jahre später im Jahr 2024 müssen wir hinzufügen: Die Russen verstehen es mittlerweile. Sie werden sich nicht länger den US-Medien und dem Finanzsystem unterwerfen. BRICS hat viel mehr Einwohner als der Westen, und in naher Zukunft wird es die Hälfte des addierten weltweiten Bruttoinlandsproduktes stellen. Die unipolare Weltordnung mit „den Vereinigten Staaten als Vormacht des industriellen Westens“ wird nicht länger „die wahre geopolitische Struktur“ der Welt sein, um die Worte von Krauthammer zu zitieren, die er vor 30 Jahren verwendete.

Eine aufstrebende Multipolarität

Langfristig werden die BRICS-Länder wohl nicht die andere Säule neben den USA darstellen. Es wird höchstwahrscheinlich keine neue bipolare Weltordnung geben – „Der Westen gegen den Rest“ („The West against the rest“), um Samuel Huntington zu zitieren [39], aus seinem New York Times-Artikel von 1993 [40]. Diese Länder werden verschiedene Pole in einer aufstrebenden multipolaren Weltordnung darstellen, die auf einen multilateralen Dialog in den Vereinten Nationen setzt – was Krauthammer 1991 als „Illusion“ bezeichnet hatte. Die BRICS-Länder beanspruchen die Vorherrschaft in der UN und beim Völkerrecht, während der nun weniger Bedeutung besitzende unipolare Westen einer von den USA initiierten „regelbasierten Internationalen Ordnung“ [41] folgt. Letztere stützt sich in erster Linie auf US-Institutionen und weltweiten Einfluss. Es ist der Versuch, die globale Unipolarität wiederherzustellen, die nun wie Sand durch die Finger rinnt. Wir erleben eine internationale Teilung, einen Konflikt, zwischen den westlichen Ländern (einschließlich Australien), die alle von einer „regelbasierten Ordnung“ sprechen, und den BRICS-Ländern (oder dem Globalen Süden), die sich auf das Völkerrecht berufen. Die BRICS-Länder könnten 2024 eine starke Kraft werden, die sich der von den USA geführten unipolaren Struktur der Welt entgegenstellt. Es könnte zunächst eine neue Bipolarität geben, wie von Huntington vorhergesagt. Das aufstrebende China und die BRICS könnten in Konfrontation mit dem untergehenden unipolaren Westen stehen, und wenn wir die „Thukydides-Falle“ [42] als eine realistische Analyse akzeptieren, könnte die herrschende US-Macht versucht sein, China anzugreifen, ähnlich wie Sparta im fünften Jahrhundert v. Chr. Athen angegriffen hat. Aber darauf werde ich hier nicht näher eingehen.

Während der Druck der USA auf China und Russland, insbesondere ab 2014, sie erst als Staaten und dann im Rahmen von BRICS zusammenarbeiten ließen, drängten die USA auf das Konzept einer „regelbasierten Internationalen Ordnung” als „Rechtsrahmen“, um russische und chinesische Vetos im UN-Sicherheitsrat zu umgehen. Die USA haben viele internationale Abkommen nicht unterzeichnet „multilaterale Verträge, die ein wesentliches Merkmal des Völkerrechts darstellen“ [43] (z.B. das Seerechtsübereinkommen, sie sind nicht Mitglied des Menschenrechtsrates oder des Internationalen Strafgerichtshofes.) Die USA haben immer nur selektiv Völkerrecht und UN-Sicherheitsratsbeschlüsse akzeptiert und oft versucht, dissidente Staaten durch Wirtschaftssanktionen zu isolieren und sie letztlich zu zwingen, einen von den USA inszenierten Regimewechsel zu akzeptieren. Gemäß der UN-Charta dürfen Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt werden, nicht einseitig von einem Staat oder einer Gruppe von Staaten beschlossen werden, sondern müssen vom UN-Sicherheitsrat gebilligt werden, in dem Russland und China ihr Veto erheben können. Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt werden, sind, um den UN-Sonderberichterstatter Alfred de Zayas zu zitieren, „vergleichbar mit der mittelalterlichen Belagerung von Städten, mit der Absicht, sie zur Kapitulation zu zwingen. Sanktionen des 21. Jahrhunderts sollen nicht nur eine Stadt, sondern ein ganzes, souveränes Land in die Knie zwingen.“ [44] Als die USA in den 1990er Jahren Sanktionen gegen den Irak verhängten, bewirkte dies Hunger und den Tod von einer halben Million Kindern. 1996 fragte ein Journalist die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, nach diesen toten Kindern: „Ist es den Preis wert?“ Albright antwortete: „Es ist eine schwierige Entscheidung, aber wir glauben, es ist den Preis wert.“ [45] US-Sanktionen sind eine Form der Kriegsführung, die gegen die UN-Charta verstößt, und die USA mussten deshalb eigene, neue Regeln aufstellen, eine „regelbasierte Internationale Ordnung”, die selektiven Gebrauch von Völkerrecht und der UN-Charta macht [46].

US-Verteidigungsminister Jim Mattis sprach im Juni 2017 von „regelbasierter Ordnung” [47], aber vor allem in den letzten Jahren wurde dieses Konzept in der gesamten westlichen Welt als Ersatz für das Völkerrecht verwendet. Der aktuelle Krieg in der Ukraine scheint eine Manifestation dieses Konflikts zu sein. Jetzt stellt sich die neue multipolare Ordnung der „regelbasierten Ordnung“ der USA ihrer Unipolarität der 1990er Jahre entgegen.

Während der Kulturrevolution in China mussten alle politischen Akteure die Worte des Vorsitzenden Mao zitieren, um Loyalität und Unterwerfung zu demonstrieren. Auf ähnliche Weise zitieren heute westliche Führer und Sicherheitsanalysten die Worte der Vereinigten Staaten und Präsident Bidens über „Russlands unprovozierten Angriff“ und der „vollständigen Invasion“ (was Unsinn ist; siehe unten). Im Jahr 2022 sprach Joe Biden in der New York Times von einer „regelbasierten Internationalen Ordnung“ [48]. Und ebenfalls in einer Pressekonferenz [49]. In der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA vom Oktober 2022 sagte Biden [50]: „Die regelbasierte Ordnung muss der Grundstein für globalen Frieden und Wohlstand bleiben.“ Auf der folgenden Atlantic Committee-Konferenz in Oslo im Februar 2023 [51] sprachen alle Hauptredner, einschließlich des Premierministers und des Staatssekretärs für Verteidigung sowie des stellvertretenden NATO-Generalsekretärs, von einer „regelbasierten Ordnung“ oder „regelbasierten Weltordnung“. Länder wie Norwegen hatten früher der UN und dem Völkerrecht Vorrang eingeräumt, aber jetzt haben sie sich der Sprache der USA unterworfen, die eine selektive Anwendung des Völkerrechts bedeutet, was man auch als „Doppelmoral“ bezeichnen kann. Das hat solche Dimensionen erreicht, dass politische Führer in China und Russland Schwierigkeiten haben, mit ihren westlichen Kollegen zu sprechen. Während des Kalten Krieges konnten ranghohe Politiker trotz der sehr unterschiedlichen Ideologien miteinander sprechen, ohne die andere Seite zu beleidigen, aber heute sind die Mediensprache und die politische Sprache voller Beleidigungen, was jede substantielle Unterhaltung unmöglich macht.

Heute wird weithin anerkannt, dass alle westlichen Spitzenführer Präsident Gorbatschow versprochen hatten, die NATO nicht nach Osten zu erweitern (um Polen und andere Staaten), und dass diese Versprechen in den Protokollen der Treffen dokumentiert wurden. Aber wichtige Politiker des Westens behaupten jetzt, dass es mündliche Versprechen waren, die nie in einem bindenden Vertrag niedergelegt worden seien. „Der Westen hat keinen Vertrag verletzt“, sagen sie. Aber das entspricht nicht dem Völkerrecht. Im Wiener Übereinkommen über das Vertragsrecht der Verträge von 1969 ist festgelegt, dass „mündliche Vereinbarungen zwar selten sind, [aber] die gleiche bindende Kraft wie schriftliche Verträge haben können“ [52]. Die American Society of International Law erklärte 1997, dass „nach dem Gewohnheitsrecht des Völkerrechts mündliche Vereinbarungen nicht weniger verbindlich sind [als ein formeller Vertrag], wobei ihre Inhalte möglicherweise weniger einfach nachweisbar sind“ [53]. Mit anderen Worten, man müsste Notizen von Gesprächen oder Treffen haben, die diese mündlichen Vereinbarungen nachweisen. Der US-Senat schreibt 2001 in „Verträge und andere internationale Abkommen“ [54] (für den Ausschuss für Außenbeziehungen), dass „es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob eine Regelung mündlich oder schriftlich gemacht wird“. Mehrere Autoren beziehen sich auf „den Fall Ostgrönland“ [55]. Der norwegische Außenminister hatte 1919 seinem dänischen Amtskollegen (in einem Notizbuch aufgezeichnet) versprochen, dass Norwegen gegen die dänische Souveränität über Ostgrönland keine Einwände erheben würde. Dies überzeugte den Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag 1933 (14 Jahre später) davon, dass die mündliche Erklärung des norwegischen Außenministers „jenseits aller Zweifel […] für dieses Land verbindlich“ war [56]. Ein mündliches Versprechen eines Außenministers oder Premierministers an seinen Kollegen in einem anderen Land bindet diese Minister und diese Länder. Beide Seiten ziehen es oft vor, einen formellen Vertrag zu unterzeichnen, aber die mündliche Erklärung ist „nicht weniger verbindlich“.

Das bedeutet, dass die NATO-Osterweiterung über Westdeutschland hinaus ab 1999 eine Verletzung einer international anerkannten Vereinbarung und eine Verletzung des Völkerrechts war, aber die westlichen Länder entschieden sich, das anders zu werten. Sie behaupten, dass die NATO das Recht hatte und immer noch hat, ihr Territorium zu erweitern. Gemäß der NATO und gemäß der von den USA initiierten „regelbasierten Internationalen Ordnung“ hat jeder einzelne Staat das Recht, Waffen zu stationieren und Allianzen einzugehen, wie es ihm gefällt, während die UN-Charta festlegt, dass jeder Staat für eine friedliche internationale Ordnung arbeiten soll und kein Recht hat, andere Staaten zu bedrohen [57]: Die Sicherheit eines einzelnen Staates kann nicht auf Kosten anderer gewährleistet werden. Dies bedeutet, dass ein Staat nicht nur auf seine eigene Sicherheit achten kann, sondern auch die Sicherheitsinteressen anderer berücksichtigen muss. Man muss auf die „gemeinsame Sicherheit“ schauen. Und es scheint mir, dass es beim aktuellen Krieg in der Ukraine um dieses unterschiedliche Verständnis von Völkerrecht, Sicherheitspolitik und Weltordnung geht.

Einige Experten argumentieren, dass die entstehende multipolare Weltordnung weniger stabil sein wird als die bipolare Ordnung des Kalten Krieges und die unipolare Ordnung der 1990er und späteren Jahre. In der multipolaren Welt können Staaten der einen oder überstaatlichen Ordnung beitreten und Allianzzugehörigkeiten ändern. Dies kann das Machtgleichgewicht zwischen verschiedenen Akteuren verändern und die globale Stabilität stören. Das ist wahr, solange es scharfe Konflikte zwischen diesen Staaten gibt. Wenn man jedoch den multilateralen Rahmen der UN akzeptiert, können solche Verschiebungen von Allianzzugehörigkeiten gut bewältigt werden. Wir wissen, dass die bipolare Welt des Kalten Krieges mehrmals kurz vor einem massiven Atomkrieg stand. Und die unipolare Ordnung der 1990er Jahre basierte tatsächlich auf permanenten Kriegen der USA. Die Stabilität des globalen Systems hängt also nicht primär davon ab, ob die Weltordnung bipolar, unipolar oder multipolar ist, sondern vielmehr davon, ob man die UN-Charta akzeptiert oder nicht: ob man „wirksame kollektive Maßnahmen zur Verhinderung und Beseitigung von Bedrohungen des Friedens ergreifen wird“, um die Charta zu zitieren. Man muss auf die Anwendung von Gewalt verzichten, aber ebenso wichtig ist, auf Drohungen mit Gewalt, einschließlich Drohungen durch Stationierungen von Militärkräften zu verzichten. [58].

Einige Experten argumentieren, dass der zunehmende Einfluss eines autoritären Chinas und Russlands die Meinungsfreiheit einschränken würde. Diese Argumentation unterschätzt jedoch die Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Westen. Fast jeder westliche Journalist hat von einer „russischen Invasion” gesprochen, mit dem Ziel, die gesamte Ukraine zu „erobern“, während jeder ernsthafte Akademiker, der die militärische Fähigkeiten Russlands und das russische strategisches Denken studiert hat, weiß, dass die russische Mobilisierung begrenzt war, Russland seine Luftwaffe und Marine nur sehr begrenzt eingesetzt hat und die kleine Streitmacht, die Russland eingesetzt hat, ein deutliches Signal an den Westen war, dass sie nicht vorhatten, die komplette Ukraine zu erobern. [59]. Der Ausdruck „Invasion” war nichts als Propaganda. Und bereits frühzeitig wurde klar, dass Russland den Krieg gewinnen würde. Russland hatte den Krieg als „existenziell“ definiert (es ging nicht um Gebietsansprüche) [60]. Darüber hinaus verfügt Russland über eine überwältigende Feuerkraft und hat meist mehr Ukrainer getötet als umgekehrt. Russland ließ die Ukrainer in die Offensive gehen, damit sie noch höhere Verluste hatten. Und Russland hat viel mehr Einwohner als die Ukraine. Es war absehbar unmöglich für die Ukraine, den Krieg zu gewinnen, aber im Westen konnte man nicht darüber sprechen. Die Propaganda des „Familienunternehmens Kagan“ (Institute for the Study of War) [61] hat die westlichen Medien dominiert. Eine ernsthafte Analyse oder gar Dissens war unmöglich. Wenn es um wirklich wichtige Themen geht, wird im Westen nicht offener als in Russland oder sogar China berichtet, eher im Gegenteil. Wichtige Neokonservative behaupteten sogar, dass sie die westlichen Massenmedien kontrollieren können (siehe oben). Eine multipolare Ordnung würde uns wenigstens erlauben, eine Vielfalt von Ansichten zu hören und unterschiedliche Standpunkte aus verschiedenen Teilen der Welt vorgestellt zu bekommen, was einen echten Dialog ermöglichen würde.

Nachdem die Bipolarität des Kalten Krieges verschwunden war, begannen die US-Neokonservativen von einer „unipolaren Weltordnung“ zu sprechen. Die USA wurden als der einzige Pol der Weltmacht „als Führung des industriellen Westens“ beschrieben. Jetzt, im Jahr 2024, sind weder Russland noch China bereit, sich der „Führung“ der USA zu unterwerfen und die BRICS-Länder sind weder bereit, dem Massenmedien- und Finanzsystem der USA noch ihrer „regelbasierten Ordnung“ zu gehorchen. „Mehr als 40 Länder haben bisher Interesse bekundet, den BRICS beizutreten“, sagte der südafrikanische Vorsitzende 2023 [62]. Ein Großteil des globalen Südens stellt sich gegen den westlichen Hochmut aus dem Norden. Die BRICS-Länder werden weiter auf der Anwendung des internationalen Rechts bestehen. Wir erleben jetzt, im Jahr 2024, eine „tektonische Plattenverschiebung“, eine neue geopolitische Spaltung. Die aktuellen Kriege scheinen Ausdruck dieser Spaltung zu sein.

Quellen:

[1] NOREF (Norwegian Peacbuilding Resource Centre), Ola Tunander, „China’s thinking on peace
and security“, Dezember 2014, <https://www.files.ethz.ch/isn/186912/49075a73f3a016de640ad3503c7755e0.pdf>
[2] JSTOR, Foreign Affairs vol. 70, no. 1, 1990, pp. 23–33, Charles Krauthammer, „The Unipolar Moment.“, <https://doi.org/10.2307/20044692>, Abgerufen 16.01.2024,
<https://www.jstor.org/stable/20044692?origin=JSTOR-pdf>
[3] siehe [2]
[4] PRIO, Ola Tunander, „Bush’s Brave New World A New World Order — A New Military Strategy“, Bulletin of Peace Proposals, 22(4), 355-368, SAGE Publications, 1991, <https://www.jstor.org/stable/44481588> ; <https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/096701069102200402>
[5] The National Security Archive, „”Prevent the Reemergence of a New Rival”“, <https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb245/>
[6] The National Security Archive, Principal Deputy Under Secretary of Defense, „FY 94-99 Defense Planning Guidance Sections for Comment“, am 18.02.1992 <https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb245/doc03_full.pdf>
[7] siehe [5]
[8] The Washington Post, Don Oberdorfer, „STRATEGY FOR SOLO SUPERPOWER“, am 19.05.1991, <https://www.washingtonpost.com/archive/politics/1991/05/19/strategy-for-solo-superpower/e540321a-0505-4eda-9370-53d9a32a11bb/>
[9] U.S.-Verteidigungsministerium, „SPECIAL OPERATIONS FORCES“, <https://web.archive.org/web/20040127145401/http://www.dod.gov/execsec/adr95/sof_5.html> ;  „SPECIAL OPERATIONS FORCES – Chapter 22“, <http://www.dod.gov/execsec/adr96/chapt_22.html>
[10] Youtube, FORA.tv, „Wes Clark – America’s Foreign Policy “Coup”“, 2007, <https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=TY2DKzastu8>
[11] Project for the New American Century, „Statement of Principles“, am 03.06.1997, <https://web.archive.org/web/20050205041635/http://www.newamericancentury.org/statementofprinciples.htm>
[12] Project for the New American Century, Donald Kagan, Gary Schmitt und Thomas Donnelly, „Rebuilding Americas Defenses“, am 01.09.2000, <https://archive.org/details/RebuildingAmericasDefenses>
[13] Amazon, Richard A. Clarke, „Against All Enemies: Inside America’s War on Terror“, Free Press; Reprint Edition, 352 Seiten, 21.09.2004, <https://www.amazon.com/Against-All-Enemies-Inside-Americas/dp/0743260457>
[14] siehe [10]
[15] Youtube, Democracy Now!, „General Wesley Clark Interview“, 15.06.2020, <https://www.youtube.com/watch?v=WeQ9jAqdN1I>
[16] SIPRI, Petter Stålenheim, Catalina Perdomo und Elisabeth Sköns, „5. Military expenditure “, <https://www.sipri.org/sites/default/files/YB08 175 05.pdf>
[17] Amazon, <https://www.amazon.com/Americas-Inadvertent-Empire-William-Odom/dp/0300100698>
[18] Amazon, William E. Odom und Robert Dujarric, „America’s Inadvertent Empire“, Yale University Press; American First Edition, 304 Seiten, 10.03.2004, <https://www.amazon.com/Paradise-Power-America-Europe-World/dp/1400034183>
[19] siehe [18]
[20] Ole Wæver, European Security Identities 2000. in JP Burgess & Ola Tunander (eds), European Security Identities: Contested Understandings of EU and NATO. PRIO, Oslo, PRIO report, no. 2, vol. 2000, pp. 29-56., 2000, <https://politicalscience.ku.dk/research/groups/regroup/?pure=en%2Fpublications%2Feuropean-security-identities-2000(59860c40-74c8-11db-bee9-02004c4f4f50)%2Fexport.html>
[21] BBC, „Bush sets case as ‘war president’“, am 08.02.2004, <http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/3470139.stm>
[22] The National Security Archive, Svetlana Savranskaya und Tom Blanton, „NATO Expansion: What Gorbachev Heard“, am 12.12.2017, <https://nsarchive.gwu.edu/briefing-book/russia-programs/2017-12-12/nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early>
[23] X, Declassified UK, „Der Spiegel machte einen Fund in britischen Archiven aus dem hervor geht, dass der Westen 1991 „während der Verhandlungen deutlich gemacht hat, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen werden“, den Fluss, der durch Deutschland fließt. Die Vereinbarung, dass mittel- und osteuropäische Länder der Nato beitreten, sei „inakzeptabel“.“, am 21.02.2022, <https://twitter.com/declassifiedUK/status/1495725360952094720/photo/1>
[24] OpinioJuris, Julia Emtseva and Paul Emtsev, „Why 2+4 Does Not Always Add Up: In Search of NATO’s Non-Enlargement Promises“, am 11.03.2022, <http://opiniojuris.org/2022/03/11/why-24-does-not-always-add-up-in-search-of-natos-non-enlargement-promises/>
[25] Harvard Kennedy School, Belfer Center, Joshua R. Itzkowitz Shifrinson,  Quarterly Journal: International Security, „Deal or No Deal? The End of the Cold War and the U.S. Offer to Limit NATO Expansion“, Frühjahr 2016 <https://www.belfercenter.org/publication/deal-or-no-deal-end-cold-war-and-us-offer-limit-nato-expansion>
[26] Wikileaks, Cable: „NYET MEANS NYET: RUSSIA’S NATO ENLARGEMENT REDLINES“, 01.02.2008, <https://wikileaks.org/plusd/cables/08MOSCOW265_a.html>
[27] Deutsche Welle, Alistair Walsh und Rina Goldenberg, „Angela Merkel opens up on Ukraine, Putin and her legacy“, am 07.06.2022 <https://www.dw.com/en/angela-merkel-opens-up-on-ukraine-putin-and-her-legacy/a-62052345>
[28] Amazon, William J Burns, „The Back Channel: A Memoir of American Diplomacy and the Case for Its Renewal“,  Random House; Illustrated Edition, 512 Seiten, am 12.03.2019, <https://www.amazon.com/Back-Channel-American-Diplomacy-Renewal/dp/0525508864>
[29] siehe [26]
[30] The Washington Post, Henry A. Kissinger, „How the Ukraine crisis ends“, am 05.03.2014 <https://www.washingtonpost.com/opinions/henry-kissinger-to-settle-the-ukraine-crisis-start-at-the-end/2014/03/05/46dad868-a496-11e3-8466-d34c451760b9_story.html>
[31] Substack, Ola Tunander, „Did Russia violate International Law? Part I“, am 05.10.2023, <https://olatunander.substack.com/p/did-russia-violate-international>
[32] The Guardian, „‘Fuck the EU’: US diplomat Victoria Nuland’s phonecall leaked – video“, am 07.02.2014, <https://www.theguardian.com/world/video/2014/feb/07/eu-us-diplomat-victoria-nuland-phonecall-leaked-video>
[33] BBC, „Ukraine crisis: Transcript of leaked Nuland-Pyatt call“, am 07.02.2014, <https://www.bbc.com/news/world-europe-26079957>
[34] U.S. Department of State, Robert B. Zoellick, „Whither China: From Membership to Responsibility?“, am 21.09.2005, <https://2001-2009.state.gov/s/d/former/zoellick/rem/53682.htm>
[35] Reuters, Jamie McGeever, „Commentary: The waning power of the petrodollar“, am 13.07.2017, <https://www.reuters.com/article/usa-bonds-petrodollars-idUSL8N1K14NT/>
[36] Time, William Dowell, „Foreign Exchange: Saddam Turns His Back on Greenbacks“, am 13.11.2000, <https://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,998512,00.html>
[37] Wikileaks, „Hillary Clinton Email Archive“, E-Mail von Sydney Blumenthal an Hillary Clinton, 01.04.2011, Subject: „H: FRANCE’S CLIENT & Q’S GOLD. SID“, <https://wikileaks.org/clinton-emails/emailid/6528>
[38] Reuters, Phil Stewart und Michelle Nichols, „China role in Saudi, Iran deal a tricky test for U.S.“, am 12.03.2023, <https://www.reuters.com/world/china-role-saudi-iran-deal-tricky-test-us-2023-03-10/>
[39] Amazon, Samuel P. Huntington, „The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“, Simon & Schuster; Later Printing Edition, am 01.01.1996, <https://www.amazon.com/Samuel-Huntington-Clash-Civilizations-Remaking/dp/B009CIF5TC>
[40] The New York Times, Samuel P. Huntington, „The Coming Clash of Civilizations Or, the West Against the Rest“, am 06.06.1993, <https://www.nytimes.com/1993/06/06/opinion/the-coming-clash-of-civilizations-or-the-west-against-the-rest.html>
[41] Cambridge University Press, John Dugard, „The choice before us: International law or a ‘rules-based international order’?“, Leiden Journal of International Law, Volume 36 , Issue 2 , Juni 2023 , pp. 223 – 232 DOI: <https://doi.org/10.1017/S0922156523000043>, <https://www.cambridge.org/core/journals/leiden-journal-of-international-law/article/choice-before-us-international-law-or-a-rulesbased-international-order/7BEDE2312FDF9D6225E16988FD18BAF0>
[42] Harvard Kennedy School, Belfer Center, „Thucydides’s Trap“, <https://www.belfercenter.org/thucydides-trap/overview-thucydides-trap>
[43] siehe [41]
[44] Alfred de Zayas’ Human Rights Corner, Alfred de Zayas, „UNILATERAL SANCTIONS AND INTERNATIONAL LAW“, am 27.06.2019, <https://dezayasalfred.wordpress.com/2019/06/30/unilateral-sanctions-and-international-law/>
[45] Youtube, Middle East Eye, „Remembering the legacy of Madeleine Albright in Iraq“, am 24.03.2022, <https://www.youtube.com/watch?v=1T5JRVR53Eo>
[46] siehe [41]
[47] U.S. Department of Defense, Jim Mattis, Transcript: „Remarks by Secretary Mattis at Shangri-La Dialogue“, am 03.06.2017, <https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript/Article/1201780/remarks-by-secretary-mattis-at-shangri-la-dialogue/>
[48] The New York Times, Joseph R. Biden Jr., „President Biden: What America Will and Will Not Do in Ukraine“, am 31.05.2022, <https://www.nytimes.com/2022/05/31/opinion/biden-ukraine-strategy.html>
[49] Weißes Haus, „Remarks by President Biden in Press Conference | Madrid, Spain“, am 30.06.2022, <https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2022/06/30/remarks-by-president-biden-in-press-conference-madrid-spain/>
[50] Weißes Haus, „NATIONAL SECURITY STRATEGY“, am 12.10.2022, <https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2022/10/Biden-Harris-Administrations-National-Security-Strategy-10.2022.pdf>
[51] Den norske Atlanterhavskomité, The Norwegian Atlantic Committee, „Leangkollen Security Conference 2023“, am 10.02.2023, <https://www.atlanterhavskomiteen.no/arrangement/leangkollen-sikkerhetskonferanse-2023>
[52] United Nations Treaty Collection, „Definitions“, <https://treaties.un.org/Pages/overview.aspx?path=overview/definition/page1_en.xml>
[53] American Society of International Law, insights, Vol. 2 Issue: 4, Frederic L. Kirigis, „Treaties as Binding International Obligation“, am 14.05.1997, <https://www.asil.org/insights/volume/2/issue/4/treaties-binding-international-obligation>
[54] U.S. Government Publishing Office, „TREATIES AND OTHER INTERNATIONAL AGREEMENTS: THE ROLE OF THE UNITED STATES SENATE“, Janauar 2001, <https://www.govinfo.gov/content/pkg/CPRT-106SPRT66922/html/CPRT-106SPRT66922.htm>
[55] Question of International Law, Jean D´Aspremont, „The International Court of Justice and tacit conventionality“, am 15.06.2015 <http://www.qil-qdi.org/the-international-court-of-justice-and-tacit-conventionality/>
[56] Permanent Court of International Justice, FASCICULE No 53, „LEGAL STATUS OF EASTERN GREENLAND “, 05.04.1933, <https://www.icj-cij.org/sites/default/files/permanent-court-of-international-justice/serie_AB/AB_53/01_Groenland_Oriental_Arret.pdf>
[57] siehe [31]
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[60] Consortium News, „Text of Putin’s Announcement of Military Action“, am 01.03.2022, <https://consortiumnews.com/2022/03/01/text-of-putins-announcement-of-military-action/>
[61] Institute for the Study of War, „DR. KIMBERLY KAGAN“, <https://www.understandingwar.org/press-media/staff-bios/dr-kimberly-kagan>
[62] RT, „Russia outlines future vision for BRICS“, am 26.12.2023 <https://web.archive.org/web/20240115065610/https://www.rt.com/news/589679-russia-outlines-brics-vision/>