Trumps „militärische Option“ gegen Venezuela: Von außen oder von innen?

Von Frederico Füllgraf , veröffentlicht am: 31. August 2017, Kategorien:

Keine zwei Tage vergingen nach Trumps verbalem Muskelakt und US-Vizepräsident Mike Pence musste sich mit einer Eilvisite in vier lateinamerikanische Länder um eine Glättung der Wogen bemühen. In- und ausländische Beobachter warfen der US-Regierung vor, die wenige Tage zuvor, am 9. August, in Lima verabschiedete Erklärung von 17 lateinamerikanischen Regierungen – die der Regierung Nicolás Maduro den „Bruch der demokratischen Grundordnung“ bescheinigten – zu gefährden und Maduro politisch in die Hände zu spielen. 

 

Mit seiner Kampfansage belebt Trump das Gespenst der „Sicherheitsbedrohung durch Venezuela“ wieder, das Vorgänger Barack Obama bereits 2015 beschworen und zum Anlass für die ersten Sanktionen gegen hohe Beamte der Regierung Nicolás Maduro genommen hatte. Nach der vom CIA stur kolportierten US-Darstellung, handelt es sich jedoch nicht um feindliche Handlungen der venezolanischen Streitkräfte, sondern um eine „Sicherheitsbedrohung“ durch den Iran und der libanesischen Partei und Befreiungsorganisation Hisbollah von venezolanischem Boden aus. Beiden werfen die USA seit Jahren „terroristische“ Absichten gegen US-Ziele vor, die von Venezuela ermutigt würden – eine lächerliche Verschwörungstheorie, die jedoch rasch von der rechtsextremen Szene Lateinamerikas vereinnahmt wurde.

Trumps stümperhafte Außenpolitik

US-Präsident Donald Trumps Drohung, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro durch einen militärischen Überfall zu Sturz zu bringen, stieß unter Einschluss selbst konservativer Regierungen auf flächendeckende Ablehnung in Lateinamerika. Trumps verbaler Kraftakt war eine Reaktion auf die Wahl der verfassungsgebenden Versammlung und den Tod von 120 Menschen seit dem Aufflammen der Proteste zum Jahresbeginn in Venezuela, die von den internationalen Medien fälschlicherweise allein der Verantwortung der venezolanischen Regierung zugeordnet werden.

 

Trumps kaschierter Kriegsandrohung folgte schon zwei Tage später die diplomatische Feuerwehr-Mission von Vizepräsident Mike Pence, der mit Eilbesuchen in Kolumbien, Argentinien, Chile und Panama eine „friedliche Lösung“ der Krise in Venezuela beschwor und sich um die Korrektur von Trumps Fauxpas bemühte. Die Reise Pences war fällig.

 

Die Maduro-kritische Regierung Chiles, zum Beispiel, reagierte nicht etwa mit einer, wie üblich, diskreten, diplomatischen Note. Außenminister Heraldo Muñoz warnte Washington öffentlich. Mit Verweis auf die am 9. August in Lima von 17 lateinamerikanischen Regierungen verabschiedete Erklärung, womit der Regierung Venezuelas der „Bruch der demokratischen Grundordnung“ vorgeworfen wurde, mahnte Muñoz kurz und bündig auf Twitter:

 

„Mit Bekräftigung des vollen Wortlauts der Erklärung von Lima zu Venezuela weist Chile die Androhung einer militärischen Intervention gegen Venezuela zurück“.

 

Der deutlichen Abgrenzung von Trumps Säbelrasseln schlossen sich auch Kolumbien, Mexiko und Peru an, die zu den schärfsten Kritikern Maduros gehören. „Wir lehnen militärische Mittel und Gewaltanwendung im internationalen System ab“, erklärte Kolumbiens Außenministerium.

 

Zwar etwas verwässert, doch ähnlich lautete die Erklärung des von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay geführten südamerikanischen Gemeinsamen Marktes (Mercosur), der erst Anfang August Venezuela von der Mercosur-Mitgliedschaft suspendiert hatte.

 

„Die Länder des Mercosur sind der Meinung, dass der Dialog und die Diplomatie die einzigen akzeptablen Mittel zur Förderung der Demokratie sind.“

 

Selbst aus den eigenen Reihen musste Trump Kritik einstecken. „Der Kongress wird natürlich keinem Krieg in Venezuela zustimmen“, erklärte Ben Sasse, republikanischer Senator und einer der schärfsten innerparteilichen Kritiker des US-Präsidenten.

 

Die venezolanische Regierung fühlte ihre seit Jahren geäußerten Anklagen gegen eine militärische Intervention der USA bestätigt, reagierte dennoch überrascht. Verteidigungsminister Vladimir Padrino erklärte: „Das ist ein verrückter Akt, ein Akt des Extremismus“. Außenminister Jorge Arreaza protestierte:

 

„Das ist eine direkte Bedrohung des Friedens, der Stabilität, der Unabhängigkeit, der regionalen Einheit, der Souveränität und des Rechts auf Selbstbestimmung.“

 

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete Trumps Anspielung als „unakzeptabel“. „Wir sind uns über die Notwendigkeit einig, dass die Differenzen in Venezuela durch nationalen Dialog, ohne Druck von außen, friedlich überwunden werden – vom unakzeptablen Charakter der Androhung militärischer Intervention ganz zu schweigen“, erklärte Lawrow zu Reportern kurz nach einem Treffen in Moskau mit dem bolivianischen Außenminister Fernando Huanacuni Mamani.

„Argentinien führt den Kontinent”

Für Überraschung sorgte Pences Auftritt in Buenos Aires. Die USA würden „nicht tatenlos zusehen, während Venezuela versinkt“, erklärte der US-Außenminister in abgeschwächter Drohung. Die USA prüften „viele Optionen“, wiederholte Pence die Worte Trumps, fügte jedoch rasch hinzu, es solle „nichts unternommen werden ohne Konsens mit Lateinamerika“.

 

In Wahrheit kann von lateinamerikanischer Einstimmigkeit überhaupt nicht die Rede sein. Bolivien, Kuba, Ecuador, Nicaragua und El Salvador haben die Erklärung von Lima nicht unterzeichnet und selbst die Maduro-kritischen Mitte-Links-Regierungen Uruguays und Chiles wollen sich nicht zu unproduktiven Radikalmaßnahmen hinreißen lassen.

 

Trotz der traditionellen Führungsrolle Brasiliens auf dem Kontinent, doch angesichts der in Korruption und Justizskandalen versinkenden Regierung Michel Temer, übertrug Pence dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri – mit dem ihn und Donald Trump langjährige, gemeinsame Geschäftsbeziehungen auf dem New Yorker Immobilienmarkt verbinden – feierlich die Führungsrolle. „Wir glauben, dass Argentinien mit seiner gegenwärtigen Führung ein großartiges Beispiel auf diesem Kontinent ist. Die Fortschritte in Argentinien, seine Bemühung, seine führende Position in der Welt zurückzugewinnen, stehen in krassem Widerspruch zum Zusammenbruch in Venezuela. Es gibt hungernde Kinder jeden Tag dort“, erklärte Pence mit dem Brustton der Überzeugung, musste er doch die Wahrheit über die Rezession, die Arbeitslosigkeit und die bedrohlich ansteigende Auslandsverschuldung von 90 Milliarden Dollar dem politischen Imperativ der Stunde opfern. Macri reagierte begeistert. „Dies wird Investitionen bringen“, versprach er vorlaut den Medien.

Stratfor: „Die größte Bedrohung Venezuelas lauert im Lande selbst“

Indes spekulieren seit Jahresbeginn Analysten des schon im Irak-Krieg geheimdienstlich beauftragten Sicherheits- und Spionage-Unternehmens Stratfor, für den nicht wenige, ehemalige CIA-Agenten tätig sind, mit einem Aufstand der mittleren Ränge der venezolanischen Streitkräfte als ernstzunehmende Bedrohung für den Chavismus.

 

„Die Möglichkeit eines Staatsstreichs ist nicht die einzige Bedrohung für die Regierung. Der stetige militärische Widerstand könnte sie gegenüber der Opposition schwächen und seine Bemühungen zur Umschreibung der Verfassung erschweren“, ist auf der Stratfor-Plattform zu lesen. Mit Verweis auf die jüngste Meuterei in der Kaserne Paramacay rechnet Stratfor mit der Ausbreitung weiterer Aufstände, vor allem der mittleren Offiziersränge und der von ihnen direkt kommandierten Soldaten.

 

„Die offensichtliche Bedrohung für die Führung der venezolanischen Sicherheitsplaner ist die Möglichkeit, dass die gestohlenen Waffen gegen loyalistische Kräfte verwendet werden. Doch das würde nicht ausreichen, um die Macht der Regierung wirklich zu bedrohen. Eine weit verbreitete militärische Meuterei wäre es jedoch … und dann wäre die venezolanische Regierung in Schwierigkeiten.“

 

„Während die Inflation wächst, werden immer mehr einfache Militärs und ihre Familien von Nahrungsmittelknappheit und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen. Hochrangige Beamte in den Streitkräften sind vor der Wirtschaftskrise geschützt, doch Tausende von niedrigeren Rängen und ihre Familien sind es nicht. Die Einbußen in ihrem Lebensstandard könnten die Gefahr bedeuten, dass sie die Regierung offen herausfordern könnten, was deren Fähigkeit, ohne die Meinung der Bevölkerung oder ihrer politischen Gegner zu berücksichtigen, beeinträchtigen würde“, erwartet Stratfor und schlussfolgert:

 

„…Es könnte keine schlechtere Zeit für die venezolanische Regierung sein. Maduros Loyalisten versuchen, ein Nationales Verfassungskonvent einzusetzen, um die Verfassung zu ihren Gunsten umzuschreiben und die (Anm. F. F.: verzögerten Provinz- und Bürgermeister-) Wahlen weiter hinauszuzögern – zum Teil in der Hoffnung, dass die Ölpreise steigen und der Wirtschaft (und damit der Regierung) einen erforderlichen Aufschub geben könnten. Und die Regierung zählt auf die Unterstützung des Militärs. Wenn genug Angehörige des Militärs enttäuscht werden, kann die Möglichkeit eines Staatsstreichs nicht ausgeschlossen werden…“

 

Wie auch immer, das ist aber nicht die einzige Bedrohung durch ein unloyales Militär. Statt eines plötzlichen Putsches könnten militärische Abtrünnige, die nicht stark genug sind für einen endgültigen Sturz der Regierung, einen langwierigen Prozess des Verschleißes starten, entweder durch frontale Angriffe oder durch Provokationen“, schlussfolgert die Zukunftsvision von Stratfor.

 

Es ist nicht auszuschließen, dass die Förderung des Auseinanderbruchs der venezolanischen Streitkräfte schließlich eine der sybillinisch erwähnten „militärischen Optionen“ Donald Trumps, seiner Geheimdienste und Militärplaner ist.

 

Dieser Text wurde zuerst am 18.08.2017 auf den Nachdenkseiten unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=39680> veröffentlicht. Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0

Trumps „militärische Option“ gegen Venezuela: Von außen oder von innen?

Von Frederico Füllgraf , veröffentlicht am: 31. August 2017, Kategorien:

Keine zwei Tage vergingen nach Trumps verbalem Muskelakt und US-Vizepräsident Mike Pence musste sich mit einer Eilvisite in vier lateinamerikanische Länder um eine Glättung der Wogen bemühen. In- und ausländische Beobachter warfen der US-Regierung vor, die wenige Tage zuvor, am 9. August, in Lima verabschiedete Erklärung von 17 lateinamerikanischen Regierungen – die der Regierung Nicolás Maduro den „Bruch der demokratischen Grundordnung“ bescheinigten – zu gefährden und Maduro politisch in die Hände zu spielen. 

 

Mit seiner Kampfansage belebt Trump das Gespenst der „Sicherheitsbedrohung durch Venezuela“ wieder, das Vorgänger Barack Obama bereits 2015 beschworen und zum Anlass für die ersten Sanktionen gegen hohe Beamte der Regierung Nicolás Maduro genommen hatte. Nach der vom CIA stur kolportierten US-Darstellung, handelt es sich jedoch nicht um feindliche Handlungen der venezolanischen Streitkräfte, sondern um eine „Sicherheitsbedrohung“ durch den Iran und der libanesischen Partei und Befreiungsorganisation Hisbollah von venezolanischem Boden aus. Beiden werfen die USA seit Jahren „terroristische“ Absichten gegen US-Ziele vor, die von Venezuela ermutigt würden – eine lächerliche Verschwörungstheorie, die jedoch rasch von der rechtsextremen Szene Lateinamerikas vereinnahmt wurde.

Trumps stümperhafte Außenpolitik

US-Präsident Donald Trumps Drohung, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro durch einen militärischen Überfall zu Sturz zu bringen, stieß unter Einschluss selbst konservativer Regierungen auf flächendeckende Ablehnung in Lateinamerika. Trumps verbaler Kraftakt war eine Reaktion auf die Wahl der verfassungsgebenden Versammlung und den Tod von 120 Menschen seit dem Aufflammen der Proteste zum Jahresbeginn in Venezuela, die von den internationalen Medien fälschlicherweise allein der Verantwortung der venezolanischen Regierung zugeordnet werden.

 

Trumps kaschierter Kriegsandrohung folgte schon zwei Tage später die diplomatische Feuerwehr-Mission von Vizepräsident Mike Pence, der mit Eilbesuchen in Kolumbien, Argentinien, Chile und Panama eine „friedliche Lösung“ der Krise in Venezuela beschwor und sich um die Korrektur von Trumps Fauxpas bemühte. Die Reise Pences war fällig.

 

Die Maduro-kritische Regierung Chiles, zum Beispiel, reagierte nicht etwa mit einer, wie üblich, diskreten, diplomatischen Note. Außenminister Heraldo Muñoz warnte Washington öffentlich. Mit Verweis auf die am 9. August in Lima von 17 lateinamerikanischen Regierungen verabschiedete Erklärung, womit der Regierung Venezuelas der „Bruch der demokratischen Grundordnung“ vorgeworfen wurde, mahnte Muñoz kurz und bündig auf Twitter:

 

„Mit Bekräftigung des vollen Wortlauts der Erklärung von Lima zu Venezuela weist Chile die Androhung einer militärischen Intervention gegen Venezuela zurück“.

 

Der deutlichen Abgrenzung von Trumps Säbelrasseln schlossen sich auch Kolumbien, Mexiko und Peru an, die zu den schärfsten Kritikern Maduros gehören. „Wir lehnen militärische Mittel und Gewaltanwendung im internationalen System ab“, erklärte Kolumbiens Außenministerium.

 

Zwar etwas verwässert, doch ähnlich lautete die Erklärung des von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay geführten südamerikanischen Gemeinsamen Marktes (Mercosur), der erst Anfang August Venezuela von der Mercosur-Mitgliedschaft suspendiert hatte.

 

„Die Länder des Mercosur sind der Meinung, dass der Dialog und die Diplomatie die einzigen akzeptablen Mittel zur Förderung der Demokratie sind.“

 

Selbst aus den eigenen Reihen musste Trump Kritik einstecken. „Der Kongress wird natürlich keinem Krieg in Venezuela zustimmen“, erklärte Ben Sasse, republikanischer Senator und einer der schärfsten innerparteilichen Kritiker des US-Präsidenten.

 

Die venezolanische Regierung fühlte ihre seit Jahren geäußerten Anklagen gegen eine militärische Intervention der USA bestätigt, reagierte dennoch überrascht. Verteidigungsminister Vladimir Padrino erklärte: „Das ist ein verrückter Akt, ein Akt des Extremismus“. Außenminister Jorge Arreaza protestierte:

 

„Das ist eine direkte Bedrohung des Friedens, der Stabilität, der Unabhängigkeit, der regionalen Einheit, der Souveränität und des Rechts auf Selbstbestimmung.“

 

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete Trumps Anspielung als „unakzeptabel“. „Wir sind uns über die Notwendigkeit einig, dass die Differenzen in Venezuela durch nationalen Dialog, ohne Druck von außen, friedlich überwunden werden – vom unakzeptablen Charakter der Androhung militärischer Intervention ganz zu schweigen“, erklärte Lawrow zu Reportern kurz nach einem Treffen in Moskau mit dem bolivianischen Außenminister Fernando Huanacuni Mamani.

„Argentinien führt den Kontinent”

Für Überraschung sorgte Pences Auftritt in Buenos Aires. Die USA würden „nicht tatenlos zusehen, während Venezuela versinkt“, erklärte der US-Außenminister in abgeschwächter Drohung. Die USA prüften „viele Optionen“, wiederholte Pence die Worte Trumps, fügte jedoch rasch hinzu, es solle „nichts unternommen werden ohne Konsens mit Lateinamerika“.

 

In Wahrheit kann von lateinamerikanischer Einstimmigkeit überhaupt nicht die Rede sein. Bolivien, Kuba, Ecuador, Nicaragua und El Salvador haben die Erklärung von Lima nicht unterzeichnet und selbst die Maduro-kritischen Mitte-Links-Regierungen Uruguays und Chiles wollen sich nicht zu unproduktiven Radikalmaßnahmen hinreißen lassen.

 

Trotz der traditionellen Führungsrolle Brasiliens auf dem Kontinent, doch angesichts der in Korruption und Justizskandalen versinkenden Regierung Michel Temer, übertrug Pence dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri – mit dem ihn und Donald Trump langjährige, gemeinsame Geschäftsbeziehungen auf dem New Yorker Immobilienmarkt verbinden – feierlich die Führungsrolle. „Wir glauben, dass Argentinien mit seiner gegenwärtigen Führung ein großartiges Beispiel auf diesem Kontinent ist. Die Fortschritte in Argentinien, seine Bemühung, seine führende Position in der Welt zurückzugewinnen, stehen in krassem Widerspruch zum Zusammenbruch in Venezuela. Es gibt hungernde Kinder jeden Tag dort“, erklärte Pence mit dem Brustton der Überzeugung, musste er doch die Wahrheit über die Rezession, die Arbeitslosigkeit und die bedrohlich ansteigende Auslandsverschuldung von 90 Milliarden Dollar dem politischen Imperativ der Stunde opfern. Macri reagierte begeistert. „Dies wird Investitionen bringen“, versprach er vorlaut den Medien.

Stratfor: „Die größte Bedrohung Venezuelas lauert im Lande selbst“

Indes spekulieren seit Jahresbeginn Analysten des schon im Irak-Krieg geheimdienstlich beauftragten Sicherheits- und Spionage-Unternehmens Stratfor, für den nicht wenige, ehemalige CIA-Agenten tätig sind, mit einem Aufstand der mittleren Ränge der venezolanischen Streitkräfte als ernstzunehmende Bedrohung für den Chavismus.

 

„Die Möglichkeit eines Staatsstreichs ist nicht die einzige Bedrohung für die Regierung. Der stetige militärische Widerstand könnte sie gegenüber der Opposition schwächen und seine Bemühungen zur Umschreibung der Verfassung erschweren“, ist auf der Stratfor-Plattform zu lesen. Mit Verweis auf die jüngste Meuterei in der Kaserne Paramacay rechnet Stratfor mit der Ausbreitung weiterer Aufstände, vor allem der mittleren Offiziersränge und der von ihnen direkt kommandierten Soldaten.

 

„Die offensichtliche Bedrohung für die Führung der venezolanischen Sicherheitsplaner ist die Möglichkeit, dass die gestohlenen Waffen gegen loyalistische Kräfte verwendet werden. Doch das würde nicht ausreichen, um die Macht der Regierung wirklich zu bedrohen. Eine weit verbreitete militärische Meuterei wäre es jedoch … und dann wäre die venezolanische Regierung in Schwierigkeiten.“

 

„Während die Inflation wächst, werden immer mehr einfache Militärs und ihre Familien von Nahrungsmittelknappheit und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen. Hochrangige Beamte in den Streitkräften sind vor der Wirtschaftskrise geschützt, doch Tausende von niedrigeren Rängen und ihre Familien sind es nicht. Die Einbußen in ihrem Lebensstandard könnten die Gefahr bedeuten, dass sie die Regierung offen herausfordern könnten, was deren Fähigkeit, ohne die Meinung der Bevölkerung oder ihrer politischen Gegner zu berücksichtigen, beeinträchtigen würde“, erwartet Stratfor und schlussfolgert:

 

„…Es könnte keine schlechtere Zeit für die venezolanische Regierung sein. Maduros Loyalisten versuchen, ein Nationales Verfassungskonvent einzusetzen, um die Verfassung zu ihren Gunsten umzuschreiben und die (Anm. F. F.: verzögerten Provinz- und Bürgermeister-) Wahlen weiter hinauszuzögern – zum Teil in der Hoffnung, dass die Ölpreise steigen und der Wirtschaft (und damit der Regierung) einen erforderlichen Aufschub geben könnten. Und die Regierung zählt auf die Unterstützung des Militärs. Wenn genug Angehörige des Militärs enttäuscht werden, kann die Möglichkeit eines Staatsstreichs nicht ausgeschlossen werden…“

 

Wie auch immer, das ist aber nicht die einzige Bedrohung durch ein unloyales Militär. Statt eines plötzlichen Putsches könnten militärische Abtrünnige, die nicht stark genug sind für einen endgültigen Sturz der Regierung, einen langwierigen Prozess des Verschleißes starten, entweder durch frontale Angriffe oder durch Provokationen“, schlussfolgert die Zukunftsvision von Stratfor.

 

Es ist nicht auszuschließen, dass die Förderung des Auseinanderbruchs der venezolanischen Streitkräfte schließlich eine der sybillinisch erwähnten „militärischen Optionen“ Donald Trumps, seiner Geheimdienste und Militärplaner ist.

 

Dieser Text wurde zuerst am 18.08.2017 auf den Nachdenkseiten unter der URL <http://www.nachdenkseiten.de/?p=39680> veröffentlicht. Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0