Euronews berichtet über das Urteil des IGH gegen Israel. (Screenshot: euronews, https://www.youtube.com/watch?v=JiyarzOc3XY)

Das Urteil des IGH

Am 19. Juli 2024, fällte der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein längst fälliges Urteil. Es stellte fest: Die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete ist rechtswidrig.

Von Nirit Sommerfeld , veröffentlicht am: 15. August 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 20.07.2024 auf www.steadyhq.com unter der URL <https://steadyhq.com/de/briefe-von-nirit/posts/52bbd289-2086-4b8d-b1b7-a6f487a36cc1> veröffentlicht. Lizenz: Nirit Sommerfeld, Briefe von Nirit, CC BY-NC-ND 4.0

„No naa ned!“, würde man in Österreich sagen: Klar ist diese Besatzung rechtswidrig! Jeder vernunftbegabte Mensch mit ein wenig Ahnung der Verhältnisse vor Ort in Israel-Palästina weiß das längst. Was also ist die Überraschung bei diesem Urteil, wieso könnte man es gar als historisch bezeichnen?

Überraschend, oder besser gesagt bemerkenswert ist die Klarheit, mit der das Gericht feststellt, dass die illegale israelische Besatzung des Westjordanlandes und Ostjerusalems (!) Apartheid darstellt. Zudem erklärte der Internationale Gerichtshof die israelischen Siedlungen in diesen Gebieten für illegal und forderte in einem Gutachten, dass Israel für die Besetzung Entschädigung leisten und seine Siedlungen auflösen müsse. Das Gericht spricht von De-facto-Annexion, systematischer Diskriminierung und Segregation. Auch sei der Gazastreifen trotz des Rückzugs Israels aus der Enklave im Jahr 2005 faktisch unter israelischer Besatzung. Laut dem Urteil verstößt Israel gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention; die Staaten der Welt müssten dafür Sorge tragen, dass Israels Handeln unterbunden werde.

Die weitere, eher bittere Überraschung ist, dass dieses Urteil nicht rechtsbindend ist. An diesem Punkt verstehe ich die Welt wieder einmal nicht. Wir Menschen treffen Vereinbarungen wie die Charta der Menschenrechte, das Römische Statut, die Genfer Konvention, installieren internationale Gerichtshöfe — aber wenn dann ein Urteil fällt, ist es nicht rechtsbindend. Andererseits lehrt die Erfahrung mit Israel: Ob etwas international rechtsbindend ist oder nicht, juckt handelnde israelische Politiker nicht die Bohne. Auch Anweisungen aus dem Weißen Haus, der EU oder (rechtsverbindliche) Resolutionen der UNO werden und wurden von israelischen Regierungen aller Couleur stets ignoriert, wenn es nicht den (scheinbar) eigenen Interessen Israels dient, vornehmlich der Sicherheit des Landes (abgesehen von anderen, meist wirtschaftlichen Interessen). Leider haben alle israelischen Regierungen dabei übersehen, dass Israel immer unsicherer wird, je härter der Staat und die von ihm geschützten und geförderten Siedler gegen die Palästinenser vorgehen. Den vorläufigen, grauenvollen Tiefpunkt dieser Unsicherheit mussten Hunderte von Menschen in Israels „Envelope“ am 7. Oktober mit ihrem Leben bezahlen; Tausende sind innerhalb Israels binnenvertrieben, das gesamte Land ist nach wie vor wie unter Schock. Hinzu kommt die permanente Propaganda, die Israels Bevölkerung davon überzeugt sein lässt, dass im Gazastreifen nur „Terroristen“ getötet werden und ihr Militär nach wie vor „die moralischste Armee der Welt“ ist, sehr eindrücklich beschrieben im jüngsten Kommentar von Gideon Levy in Haaretz [1] (hier in deutscher Übersetzung: [2]).

Ich schließe mich der Forderung der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem an, zitiert in der FAZ [3]:

„Die internationale Gemeinschaft muss Israel dazu zwingen, die Besatzung zu beenden. Sie muss dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen — strafrechtliche, diplomatische und wirtschaftliche.

Dies wäre ein wahrer, ein menschlicher Freundschaftsdienst der Staaten dieser Welt: an allen friedliebenden Israelis (wenn sie denn eines Tages aus ihrem Sieges-Taumel-Trauma-Albtraum erwachen), an allen Palästinensern, am gesamten Nahen Osten und seinen Bewohnern. Und schließlich auch am Rest der Welt.Es ist an der Zeit.

Das Urteil des IGH

Von Nirit Sommerfeld , veröffentlicht am: 15. August 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 20.07.2024 auf www.steadyhq.com unter der URL <https://steadyhq.com/de/briefe-von-nirit/posts/52bbd289-2086-4b8d-b1b7-a6f487a36cc1> veröffentlicht. Lizenz: Nirit Sommerfeld, Briefe von Nirit, CC BY-NC-ND 4.0

Euronews berichtet über das Urteil des IGH gegen Israel. (Screenshot: euronews, https://www.youtube.com/watch?v=JiyarzOc3XY)

Am 19. Juli 2024, fällte der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein längst fälliges Urteil. Es stellte fest: Die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete ist rechtswidrig.

„No naa ned!“, würde man in Österreich sagen: Klar ist diese Besatzung rechtswidrig! Jeder vernunftbegabte Mensch mit ein wenig Ahnung der Verhältnisse vor Ort in Israel-Palästina weiß das längst. Was also ist die Überraschung bei diesem Urteil, wieso könnte man es gar als historisch bezeichnen?

Überraschend, oder besser gesagt bemerkenswert ist die Klarheit, mit der das Gericht feststellt, dass die illegale israelische Besatzung des Westjordanlandes und Ostjerusalems (!) Apartheid darstellt. Zudem erklärte der Internationale Gerichtshof die israelischen Siedlungen in diesen Gebieten für illegal und forderte in einem Gutachten, dass Israel für die Besetzung Entschädigung leisten und seine Siedlungen auflösen müsse. Das Gericht spricht von De-facto-Annexion, systematischer Diskriminierung und Segregation. Auch sei der Gazastreifen trotz des Rückzugs Israels aus der Enklave im Jahr 2005 faktisch unter israelischer Besatzung. Laut dem Urteil verstößt Israel gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention; die Staaten der Welt müssten dafür Sorge tragen, dass Israels Handeln unterbunden werde.

Die weitere, eher bittere Überraschung ist, dass dieses Urteil nicht rechtsbindend ist. An diesem Punkt verstehe ich die Welt wieder einmal nicht. Wir Menschen treffen Vereinbarungen wie die Charta der Menschenrechte, das Römische Statut, die Genfer Konvention, installieren internationale Gerichtshöfe — aber wenn dann ein Urteil fällt, ist es nicht rechtsbindend. Andererseits lehrt die Erfahrung mit Israel: Ob etwas international rechtsbindend ist oder nicht, juckt handelnde israelische Politiker nicht die Bohne. Auch Anweisungen aus dem Weißen Haus, der EU oder (rechtsverbindliche) Resolutionen der UNO werden und wurden von israelischen Regierungen aller Couleur stets ignoriert, wenn es nicht den (scheinbar) eigenen Interessen Israels dient, vornehmlich der Sicherheit des Landes (abgesehen von anderen, meist wirtschaftlichen Interessen). Leider haben alle israelischen Regierungen dabei übersehen, dass Israel immer unsicherer wird, je härter der Staat und die von ihm geschützten und geförderten Siedler gegen die Palästinenser vorgehen. Den vorläufigen, grauenvollen Tiefpunkt dieser Unsicherheit mussten Hunderte von Menschen in Israels „Envelope“ am 7. Oktober mit ihrem Leben bezahlen; Tausende sind innerhalb Israels binnenvertrieben, das gesamte Land ist nach wie vor wie unter Schock. Hinzu kommt die permanente Propaganda, die Israels Bevölkerung davon überzeugt sein lässt, dass im Gazastreifen nur „Terroristen“ getötet werden und ihr Militär nach wie vor „die moralischste Armee der Welt“ ist, sehr eindrücklich beschrieben im jüngsten Kommentar von Gideon Levy in Haaretz [1] (hier in deutscher Übersetzung: [2]).

Ich schließe mich der Forderung der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem an, zitiert in der FAZ [3]:

„Die internationale Gemeinschaft muss Israel dazu zwingen, die Besatzung zu beenden. Sie muss dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen — strafrechtliche, diplomatische und wirtschaftliche.

Dies wäre ein wahrer, ein menschlicher Freundschaftsdienst der Staaten dieser Welt: an allen friedliebenden Israelis (wenn sie denn eines Tages aus ihrem Sieges-Taumel-Trauma-Albtraum erwachen), an allen Palästinensern, am gesamten Nahen Osten und seinen Bewohnern. Und schließlich auch am Rest der Welt.Es ist an der Zeit.