His Masters Voice – oder: Nordkorea im Bayerischen Hof
Veröffentlicht am: 25. Februar 2019
Das öffentliche Hochamt des amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence während der Münchner Sicherheitskonferenz auf seinen großen „Leader“ im Weißen Haus dürfte schwerlich von nordkoreanischen Parteitagen übertroffen werden. His masters voice lässt selbst Kim Yong Un vor Neid erblassen!
von Leo Ensel
Vergessen Sie Nordkorea, das war gestern! Auf der letzten Münchner Sicherheitskonferenz hat die Führungsmacht der westlichen Welt – die bekanntlich nicht nur alles kann, sondern das auch noch besser – unmissverständlich demonstriert, dass sie auch Nordkorea kann. Nur eben besser!
Dreißig Minuten lang zelebrierte Vizepräsident Mike Pence im überfüllten Konferenzsaal des „Bayerischen Hof“ ein wahres Hochamt1 amerikanischer Selbstbeweihräucherung und der Demut vor seinem Herrn, das alle drei nordkoreanischen Staatsführer der Kim-Dynastie weiß vor Neid hätte werden lassen. Ganze dreißigmal innerhalb einer halben Stunde erwähnte Pence voller Stolz und Ehrfurcht den Namen seines Großen Vorsitzenden. Sechzehnmal – also alle zwei Minuten – sprach er sinnigerweise wörtlich vom „Leader“.
Wohlgemerkt: Der amerikanische Vizepräsident sprach nicht vorm US-Senat oder dem Abgeordnetenhaus. Es handelte sich auch nicht um eine Pressekonferenz im Weißen Haus oder um eine Wahlkampfveranstaltung der Republikanischen Partei. Nein, Pence feierte seine Eloge auf Donald Trump im Ausland und zwar vor der „largest American delegation in the history of the Munich Security Conference“2.
Kurz: Die USA haben etwas geschafft, was kein kommunistischer Staat jemals fertig gebracht hat – den großen Parteitag nicht im Inland, sondern in einem Satellitenstaat durchzuführen!
Und wie allen geistig Beschränkten quollen his masters voice nicht nur die Superlative aus dem Munde – „We enacted the largest tax cuts and tax reforms in American history“ – Pence brachte auch das logische Kunststück fertig, selbst den Superlativ nochmals zu überbieten: „President Trump has taken decisive action to make the strongest military in the history of the world stronger still.“
Zugleich hielt sich der öffentliche Trumpverehrer an das bewährte Motto von Bertolt Brecht: „Die Zeiten der äußersten Unterdrückung sind meist Zeiten, wo viel von großen und hohen Dingen die Rede ist.“ Entsprechend beließ er es nicht bei den gängigen amerikanischen Weihrauchworten wie „Our values, freedom, history, culture, and memory“ oder der ehrfurchtgebietenden Schlussphrase von „those ancient words, that where the spirit of the Lord is, there’s liberty“ – auch Auschwitz musste selbstverständlich dafür herhalten, das „Evil“ in der gegenwärtigen Welt unüberbietbar auf den Punkt zu bringen.
In klarer deutscher Prosa bedeuteten Pence‘ Befehle an seine europäischen Satelliten freilich:
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Gebt zwei Prozent Eures Bruttoinlandsprodukts für Rüstung aus!
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Und davon 20 Prozent für Ausrüstung!
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Kündigt North Stream 2!
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Kauft keine Waffen von unseren Feinden!
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Hände weg von Huawei!
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Kündigt den Iran-Nuclear-Deal!
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Helft uns, Maduro zu stürzen!
Dumm nur, dass der erwartete donnernde Applaus meistens ausfiel (oder sich bestensfalls auf die amerikanische Delegation beschränkte) und Pence‘ gezielte Pointen regelmäßig ins Leere kippten! Mit einem zaghaften Unbehagen der Untergebenen in Europa hatte er offensichtlich doch nicht gerechnet.
Das war aber auch der einzige Wermutstropfen beim bemerkenswerten Münchner Auftritt des US-Vizepräsidenten. Die Regisseure im Hintergrund werden daraus lernen, sodass es durchaus möglich ist, dass the Great Leader Donald Trump letzte Woche in Hanoi seinem Kollegen aus Pjöngjang beim verpatzten Gipfel zumindest einschlägige Tips geben konnte, wie dieser die Lobhudeleien seiner dienstbeflissenen Lakaien im Heimatlande noch „greater“ inszenieren kann!
Die USA können eben auch Nordkorea. But bigger!