DER SPIEGEL: „Putin-Versteher“ und „Assad-Verteidiger“ – Das Sündenregister des Armin Laschet

Veröffentlicht am: 28. Januar 2021

Vorsicht! Der neue CDU-Vorsitzende gehört zur Riege jener Politiker, die man eher in Teilen der SPD, Linkspartei oder allenfalls in der Ost-CDU findet: „Gern gewillt, Putins Regime gegen Kritik im Zweifel zu verteidigen.“ Warnt eindringlich der SPIEGEL.

von Leo Ensel

Das kommt davon, wenn man nicht mehr Spiegel Online liest! Wer sich schlau der kontinuierlichen Stimmungsmache durch die Qualitätsmedien zu entziehen sucht, wird irgendwann weltfremd und verpasst die entscheidenden Trends.

„Ein jegliches hat seine Zeit“1, heißt es bereits im Alten Testament – und niemand weiß das besser als die Journalist*innen in den Redaktionen der Leitmedien. Nicht nur für das Hoch-, auch für das Nieder-, gar Abschreiben eines Politikers darf der rechte Zeitpunkt auf keinen Fall verpasst werden, und dabei muss man der Konkurrenz stets eine Nasenlänge voraus sein!

Bei Armin Laschet begann der Spiegel – sicher ist sicher! – damit bereits drei Tage vor dessen offizieller Ernennung zum neuen CDU-Parteivorsitzenden. Diesmal hatte Mathieu von Rohr2 die Ehre, sich als Trendsetter betätigen und ‚volles Rohr‘ auf den möglichen Kanzlerkandidaten ballern zu dürfen. Und nun raten Sie mal, als wen der Leiter des Auslandsressorts beim Hamburger Nachrichtenmagazin den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen scharfsinnig entlarvt hat! – Na?

Ja, das auch! Aber Laschet ist, man höre und staune, nicht etwa nur ein Putin-Versteher, sondern – das tödliche Verdikt ist noch steigerungsfähig – auch noch ein Assad-Verteidiger! Starker Tobak und es wird einem schwarz vor den Augen bei dem Gedanken, dass dieses als gemütlicher Landesvater getarnte Polit-U-Boot in nicht allzu ferner Zukunft auch noch die Geschicke des zweitwichtigsten NATO-Staates lenken könnte.

Assad- und Putin-Fürsprecher“

Schauen wir uns das von Herrn von Rohr akribisch recherchierte Sündenregister etwas genauer an:

Schon im September 2014 nahm es sich Laschet im Tagesspiegel3 heraus, nicht den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, sondern „den totalitären Dschihadismus und hier im Besonderen die Bewegung ‚Islamischer Staat‘“ als „derzeit größte Bedrohung für Frieden und Freiheit in der Welt“ zu bezeichnen. Syrien unter Assad sei zwar ein autoritärer Staat, habe aber religiöse Vielfalt in einem Ausmaß zugelassen, dass Christen, Schiiten, Alawiten und Juden Luft zum Atmen gehabt hätten. „Wäre Assad – wie von einigen westlichen Staaten zeitweise beabsichtigt – gestürzt, stünde der IS heute in Damaskus, unweit der Grenze zu Israel.“ Einen Monat zuvor hatte er bereits via Twitter die markige Formulierung des damaligen US-Außenministers John Kerry ISIL must be destroyed/will be crushed“ frech pariert4: Yes, Mr Kerry. But You supported ISIS and Al Nusra against President Assad in Syria. And they are financed by Qatar and Saudi-Arabia.“ Fraglos provokante Thesen!

Und als sei dies nicht skandalös genug, legte der heutige CDU-Vorsitzende ein Jahr später, nach dem Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrieg nochmal nach und twitterte5: Warum ist Einsatz Russlands gegen den IS ‚beunruhigend‘, westliche Luftangriffe aber hilfreich? Lösung in Syrien gibt es nur mit Russland.“ Laschet äußerte obendrein im April 2018 Zweifel an – wie doch jeder weiß – „Assads Chemiewaffenattacke auf das von Rebellen kontrollierte Ost-Ghouta bei Damaskus“ (O-Ton von Rohr) und verstieg sich dabei, ebenfalls auf Twitter, zu der Bemerkung6: „Der IS scheint immer noch aktiv zu sein. Giftgas ist verabscheuungswürdig, egal wer es einsetzt.“ Kurz: Laschet hatte sich, laut Spiegel, „früh auf die Seite des Diktators Baschar al-Assad geschlagen.“

Damit war Laschets Sündenregister allerdings noch lange nicht komplett. Bezogen auf das Verhältnis zu Deutschlands großem Nachbarn im Osten habe er zu erkennen gegeben, dass man „mit Russland einfach nicht genug rede“ und sich zudem über einen „marktgängigen Anti-Putin-Populismus“ beschwert. Im Fall Skripal habe er ein weiteres Mal Zweifel, diesmal am Vorgehen des Westens, gesät, indem er twitterte7: „Wenn man fast alle NATO-Staaten zur Solidarität zwingt, sollte man dann nicht sichere Belege haben? Man kann zu Russland stehen wie man will, aber ich habe im Studium des Völkerrechts einen anderen Umgang der Staaten gelernt.“

Laschet: „Nicht schwarz-weiß denken, sondern Gemeinsamkeiten herausarbeiten!“

Unbegreiflicherweise hat Herr von Rohr jedoch bei seiner Suada gegen den neuen CDU-Vorsitzenden eine Reihe weiterer Todsünden übersehen. Diese Aufgabe übernahm für ihn, wenn auch aus anderer Perspektive, der Politologe Alexander Rahr8. Laschet habe bereits vor zwanzig Jahren als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments viel Sympathie für das Konzept des gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok gezeigt. Als Minister für Integration des Landes Nordrhein-Westfalen habe er einen wichtigen Dialog zwischen der russischen und der türkischen Diaspora organisiert. Und er habe auch nach Ausbruch des Ukrainekonflikts an Veranstaltungen wie dem Petersburger Dialog und der Jahresversammlung des Deutsch-Russischen Forums teilgenommen, wo er als Ehrengast – da hört sich doch alles auf! – „in einer wohltuend konstruktiven Sprache, ohne Russland-Bashing und ohne irgendwelche Anbiederung gegenüber Russland“ geredet habe. O-Ton Laschet: „Ich wünsche mir, dass wir nicht schwarz-weiß denken, sondern Gemeinsamkeiten herausarbeiten.“ Ähnlich habe er sich auch auch im Sommer 2019 als Gastgeber der Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz in seiner Heimatstadt Aachen geäußert.

Schließlich, und das haut dem Fass den Boden aus, verteidige Laschet auch noch den Bau von Nordstream II, „weil er sich als verantwortlicher Wirtschaftspolitiker nicht vorstellen kann, wie die deutsche Volkswirtschaft nach dem gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Atomenergie ohne den Brückenfaktor Erdgas, bis zum Jahre 2050, wenn Deutschland vollkommen klimaneutral werden möchte, funktionieren kann.“

Grüne: „Wir sind die schwärzeren Schwarzen!“

Letzteres war selbstverständlich auch von Rohr nicht entgangen. Dies näher auszuführen und markige Konsequenzen zu fordern, blieb zwei Tage später – zufälligerweise ebenfalls im Spiegel9 Grünen-Chefin Annalena Baerbock vorbehalten. „Diese Pipeline ist ein harter Angriff auf die Sicherheitsinteressen auch unserer osteuropäischen Nachbarn.“ Sie sei darauf ausgerichtet, die Ukraine vom Gastransit abzuschneiden, was geo- und sicherheitspolitisch „wirklich fatal“ sei, erregte10 sich die Dame mit Kanzlerinnenambitionen. Was Trump auf den letzten Metern nicht mehr geschafft hat, das wollen die Grünen doch noch vollenden.

Es habe sie „schon immer irritiert“, tönte Baerbock, „dass Armin Laschet eher sehr freundliche Töne“ in Richtung Moskau von sich gegeben habe – gleichzeitig aber als „großer Europäer“ gelten wolle. Ein fraglos schwer aufzulösender Widerspruch, hört doch Europa bekanntlich exakt an der Außengrenze der Europäischen Union auf!

Man sieht, der neue CDU-Vorsitzende ist ein unsicherer Kandidat. Einmal an die Macht gelangt – daran hatte schon von Rohr keinen Zweifel gelassen –, würde er „eine Abkehr von Deutschlands bisheriger Außenpolitik“, sprich: einen grandiosen transatlantischen Rohrkrepierer verursachen. Ist er doch „gern gewillt, Putins Regime gegen Kritik im Zweifel zu verteidigen.“ Mit einem Wort: Vor diesem Mann muss gewarnt werden! Laschet steht daher ab jetzt unter verschärfter Beobachtung.

Und so sehen wir denn Spiegel und Grüne in trauter Einheit im Kampf gegen eine vorsichtig pragmatischere Russlandpolitik. Motto: Getrennt agieren – vereint agitieren!

Autor: Leo Ensel

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Dr. Leo Ensel („Look at the other side!“) ist Konfliktforscher und interkultureller Trainer mit Schwerpunkt „Postsowjetischer Raum und Mittel-/Ost-Europa“. Veröffentlichungen zu den Themen „Angst und atomare Aufrüstung“, zur Sozialpsychologie der Wiedervereinigung sowie Studien über die Deutschlandbilder im postsowjetischen Raum. Im Neuen West-Ost-Konflikt gilt sein Hauptanliegen der Überwindung falscher Narrative, der Deeskalation und der Rekonstruktion des Vertrauens. – Der Autor legt Wert auf seine Unabhängigkeit. Er fühlt sich ausschließlich den genannten Themen und keinem nationalen Narrativ verpflichtet.