Das „Denkmal der Schande“ – Björn Höcke, der Aufschrei und die Logik

Veröffentlicht am: 14. November 2018

Der Völkermord an den Juden ist zweifellos die größte Schande der deutschen Geschichte. Aufgabe eines Mahnmals, das die Erinnerung an dieses dunkelste Kapitel wachhalten soll, kann es also nur sein, diese Schande präsent zu halten. Warum daher die Aufregung vor zwei Jahren?

von Leo Ensel

Spontane moralische Empörung sabotiert nicht selten jegliches logisches Denken. Kaum hatte vor nunmehr zwei Jahren der Vorsitzende der AFD Thüringen, Björn Höcke das Berliner Holocaustmahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, fegte ein Sturm der Entrüstung durch das Land, wie er nur noch von der Me-Too-Debatte übertroffen wurde. Seitdem ist das „Denkmal der Schande“ zum geflügelten Wort für wiedererstarke rechtsradikale Propaganda in Deutschland avanciert.

Nun ist Björn Höcke zweifellos ein unappetitlicher Zeitgenosse und die Worte „Holocaust“ und „Schande“ beinhalten jede Menge Dynamit. Zusammen ergibt das eine explosive Mischung. Aber warum die Aufregung?

Vom schandhaften Denkmal zum „Denkmal der Schande“

Dass dem schneidigen Rechtsextremen und Ex-Geschichtsoberstudienrat schlicht ein logischer Lapsus unterlaufen war, hatte in dem gesamten Empörungstrubel offenbar niemand bemerkt. Nicht einmal er selber.

Also, Logik für Dummies. Heute: Der Syllogismus.

Der Völkermord an den europäischen Juden ist die größte Schande der deutschen Geschichte. Ein Denkmal, das die Erinnerung an dieses Menschheitsverbrechen wachhalten soll, kann folglich auch nichts Anderes sein als ein – „Denkmal der Schande“! Des schändlichen Mordes an fast sechs Millionen jüdischen Männern, Frauen und Kindern. – Was denn bitte sonst?

Eigentlich hatte Höcke natürlich sagen wollen, es sei eine Schande, dass Deutsche im Herzen ihrer Hauptstadt dieses Mahnmal aufgebaut hätten. Das Holocaustdenkmal ist für ihn folglich ein schandhaftes Denkmal.

Hat er aber nicht gesagt!

Dass er statt dessen – und zwar völlig zutreffend – vom „Denkmal der Schande“ gesprochen hat, kann man wahlweise als Freud‘sche Fehlleistung bezeichnen oder Hegels berühmte List der Vernunft dafür verantwortlich machen. Der anschließende Erregungstsunami war demnach nichts Anderes als ein peinlicher Ausdruck kollektiver Kopflosigkeit.

Halten wir also fest: Das Holocaustmahnmal, da hat Björn Höcke völlig recht, ist und bleibt ein „Denkmal der Schande“.

Und das ist gut so!

PS:

Sowenig es schändlich ist, das Holocaustmahnmal im Herzen Berlins errichtet zu haben, sowenig kann dieses allerdings Anlass für deutschen Sündenstolz sein. Nichts peinlicher daher als die Bemerkung des Historikers Eberhard Jäckel zum fünften Jahrestag der Einweihung, das Holocaustmahnmal sei „ein Denkmal, um das uns andere Völker beneiden“!

An Unverschämtheit grenzende Gedankenlosigkeit gibt es nicht nur auf Seiten der Rechten!

Autor: Leo Ensel

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Dr. Leo Ensel („Look at the other side!“) ist Konfliktforscher und interkultureller Trainer mit Schwerpunkt „Postsowjetischer Raum und Mittel-/Ost-Europa“. Veröffentlichungen zu den Themen „Angst und atomare Aufrüstung“, zur Sozialpsychologie der Wiedervereinigung sowie Studien über die Deutschlandbilder im postsowjetischen Raum. Im Neuen West-Ost-Konflikt gilt sein Hauptanliegen der Überwindung falscher Narrative, der Deeskalation und der Rekonstruktion des Vertrauens. – Der Autor legt Wert auf seine Unabhängigkeit. Er fühlt sich ausschließlich den genannten Themen und keinem nationalen Narrativ verpflichtet.