Jemen, Saanas Altstad. (Foto: Pepe Escobar)
Von Sanaa nach Saada – Jemen in Kriegszeiten
SAADA, Nordwestjemen – Es ist Mittwoch, der 26. März, 14 Uhr und ich stehe während des Ramadans auf einem verlassenen Boulevard in Saada, Stille, umgeben von Bergen, und schaue auf ein Straßenschild, das mir anzeigt, dass die saudische Grenze nur zwei Autostunden entfernt ist.
Wir erreichten den Nordwesten des Jemens – die Geburtsstätte der Ansarallah-Bewegung – in einem Konvoi weißer Toyota-SUVs, nicht wirklich ein Konvoi, sondern eher ein Täuschungsmanöver, denn aus ernsten Sicherheitsgründen fuhren sie nie zusammen über die landschaftlich spektakuläre Autobahn.
Wir waren eine kleine Gruppe von etwa 12 Personen aus Ost und West, die die vorangegangenen Tage in der Hauptstadt Sanaa im Rahmen einer Konferenz zu Palästina mit dem Titel „Du bist nicht allein“ verbrachten. Wie unsere freundlichen Gastgeber betonten, durchbrachen wir tatsächlich – physisch – als erste ausländische Besucher seit Jahren, die westlich-arabische Blockade des Jemen.
Zur Gruppe gehörten der ehemalige irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi, Prof. Ma Xiaolin, ein wunderbarer Mann, ein Hui (chinesischer Muslim) aus der Provinz Ningxia und Dekan eines Instituts für Studien des Mittelmeerraums im High-Tech-Zentrum Hangzhou; der führende malaysische Forscher Aminurraasyid Yatiban, der während der Konferenz einen beeindruckenden Vortrag über die Militarisierung der Archäologie in al-Quds hielt; Nelson Mandelas Enkel, Mandla; und das irische Powerduo Mike Wallace und Clare Daly, die früher im Europäischen Parlament tätig waren.
In Sanaa wurde uns gesagt, dass wir um 3 Uhr morgens „ein Klopfen an der Tür“ erwarten sollten. In der gemächlichen jemenitischen Zeitrechnung bedeutete dies: 5 Uhr morgens, mit Abreise eine Stunde später. Es gab keine weiteren Informationen. Wir reisten nur mit der Kleidung, die wir am Leib trugen, ohne Ladegerät für Smartphones, ohne Zahnbürste, ohne alles. Erst in Saada erfuhren wir, dass wir die Nacht in der Stadt verbringen würden. Ohne jegliches Internet.
Es dauerte eine Weile, bis uns klar wurde, warum wir genau zu diesem Zeitpunkt dort waren – alles Teil einer sorgfältigen Sicherheitsoperation. Das war kein Zufall: Am Tag zuvor, dem 25. März, jährte sich zum zehnten Mal der erste Angriff der sprichwörtlichen „Koalition“ der Willigen – verschiedene arabische Staaten, außer Oman – auf den Jemen, angeführt von Saudi-Arabien und dem Weißen Haus unter Obama und Biden, die „aus dem Hintergrund die Führungsrolle“ inne hatten.
Später am Nachmittag erfuhren wir, dass in den letzten 10 Jahren nicht weniger als 45.000 Gebäude im gesamten Jemen, insbesondere im Gouvernement Saada, getroffen worden waren; und jetzt mit direkter Unterstützung des von Trump 2.0 geführten Pentagons, das, wie die geschmacklose Signal-Saga enthüllte, einen Krieg gegen Ansarallah und den Jemen vom Zaun brach, „um eine Botschaft zu senden“.
Wir sahen die „Botschaft“ eingeprägt in einem im Bau befindlichen Krebskrankenhaus in Saada, dessen Finanzierung enorme Anstrengungen erforderte und das nun – nur zwei Tage vor unserem Besuch – durch CENTCOM-Bomben (CENTCOM = Central Command, Zentralkommando der Vereinigten Staaten, Anm. d. Red.) dem Erdboden gleichgemacht wurde. Wir sammelten Fragmente amerikanischer Bomben, einige mit Herstellernamen und Vertragsnummer, die von jemenitischen Teams analysiert werden sollen. Eine nicht explodierte Bombe lag im Inneren des zerstörten Krankenhauses.

In der Altstadt von Saana. (Foto: Pepe Escobar)
In direktem Zusammenhang mit dem zehn Jahre andauernden Krieg besuchten wir auch den Ort, an dem 2018 ein Schulbus von einem saudischen Luftangriff getroffen wurde: Alle 42 Kinder starben, wie die in einem ihrer Handys gefundenen Beweise inmitten der Trümmer belegen. Sie alle sind auf einem kleinen Märtyrerfriedhof begraben.
Nachts wurde mir gesagt, dass ich gegen 4 Uhr morgens mit einem weiteren „Klopfen an der Tür“ rechnen solle. Einige von uns erwarteten tatsächlich das Unmögliche: ein persönliches Treffen mit dem Anführer von Ansarallah, Abdul Malik Badr al-Din al-Houthi, der im Gouvernement Saada lebt. Aber das wäre ein unvorstellbares Sicherheitsrisiko gewesen, da er jetzt das oberste Ziel von CENTCOM für einen „Enthauptungsschlag“ in ganz Westasien ist.
Jemen: die Herkunft aller Araber
Um die Komplexität des Jemen zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit der Funktionsweise des Regierungssystems befassen. Es ist wie ein Dreieck aufgebaut.
An der Spitze des Dreiecks steht der Anführer, Abdul Malik al-Houthi, der jüngere Bruder des verstorbenen Hussein al-Houthi, des ersten Anführers von Ansarallah, einer vielschichtigen religiös-politisch-militärischen Bewegung, die sich hauptsächlich aus Zaiditen, einem Zweig der Schiiten, zusammensetzt.
Direkt darunter sitzt Präsident Mahdi Muhammad al Mashad.
An den beiden anderen Ecken des Dreiecks befinden sich auf der einen Seite die 9 Mitglieder des Hohen Politischen Rates, der dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig ist: Wir haben 4 von ihnen getroffen. Auf der anderen Seite haben wir das Parlament, das in der Tat Vorrang vor dem Premierminister hat. Und dann die Institutionen der Regierung, mit Vorrang für das Justizsystem.
In Saada sagte mir ein Geheimdienstspezialist unmissverständlich, dass „die eigentliche Macht hier liegt“, nicht in Sanaa: ein direkter Hinweis auf den Anführer Abdul Malik al-Houthi.
Nach einigen Tagen, in denen wir tief in den Jemen eingetaucht sind, begann die ganze Kraft des Landes – und die Stärke und der Charakter seiner Menschen – einen Sinn zu ergeben. Die Heilige Kaaba (zentrales Heiligtum des Islam in Mekka, Anm. d. Red.) wurde von einem jemenitischen „Tuba“ (König) verkleidet. Eine ihrer Ecken wird „die jemenitische Ecke“ genannt – eine historische Ehre für alle Jemeniten.
Der Jemen ist der Ausgangspunkt der gesamten arabischen Migrationsbewegungen; von den ersten semitischen Migrationsbewegungen durch das infolge des Zusammenbruchs des großen Staudamms von Marib zerbrochene Saba (die Königin von Saba wurde übrigens in Sanaa geboren), bis hin zu den Armeen, die den Islam auf der ganzen Welt verbreiteten, von Afrika bis Mesopotamien, Indien und Südostasien.
Der Jemen wurde von den beiden größten Königinnen der islamischen Welt regiert: Bilkis von Saba und Arwa vom Sulayhid-Staat. Der Prophet Mohammed erwähnte in mehr als 45 authentischen Hadithen den Jemen und die Jemeniten.
Kurz gesagt: Der Jemen ist der Ursprung aller Araber. Kein Wunder, dass sich die geschmacklosen wahhabitischen Emporkömmlinge in einer Kultur unter dem Nullpunkt suhlen und Geiseln eines schlechten Bling-Bling-Geschmacks sind, die den Jemen mit aller Macht hassen, insbesondere seit der jemenitischen Vereinigung von 1990.
Jemeniten waren die ersten, die in jemenitisch-arabischen Buchstaben schrieben – die Buchstaben von Musnad, der antiken südarabischen Schrift. Sie dokumentierten ihre eigene Geschichte, damit sie in Zukunft nicht verzerrt wird, so wie die heutigen Jemeniten ihre Geschichte der Plünderung durch die westliche Oligarchie und ihre verabscheuungswürdigen Stellvertreter der arabischen Regime dokumentieren.
Die ureigene Macht des Jemen stellt eine enorme Bedrohung für den Turbokapitalismus dar, der als Plünderungsunternehmen konfiguriert ist. Kein Wunder, dass der seit zehn Jahren andauernde Krieg eine Litanei aus mobilisierten takfiri-Schlägern, Söldnern, korrupten Übergangsregierungen und einer schändlichen, von den Vereinten Nationen unterstützten Koalition hervorgebracht hat, die darauf abzielt, die Jemeniten durch Bombardierungen und Aushungern zur Unterwerfung zu zwingen, wie es in Isa Blumis bemerkenswertem Buch „Destroying Yemen: What Chaos in Arabia Tells Us About The World“ dokumentiert ist.
Trump 2.0 stellt eine logische Schlussfolgerung des Prozesses dar; in den eigenen Worten des „Friedensstifters“ werden diese „Barbaren vernichtet“. Die globalisierte Finanzoligarchie hat nur noch eine Möglichkeit die Reichtümer des Jemen zu plündern: Sie muss das Land zerstören.
„Ethisch und spirituell“ für Palästina kämpfen
Wir saßen gerade entspannt im Dewanya unseres Hotels in Sanaa, tranken Tee und warteten auf die tägliche Fernsehansprache des Anführers Abdul Malik al-Houthi an die Nation, als er plötzlich unangekündigt den Raum betrat. Wir waren sprachlos: Es war niemand anderes als Yahya Saree, der Sprecher der jemenitischen Streitkräfte, der laut Prof. Ma in China ein Superstar ist – eigentlich in der gesamten Globalen Mehrheit.
Damit ist er ein erstaunliches Sicherheitsrisiko eingegangen: eine Gruppe von Ausländern in einem bekannten Hotel im Zentrum von Sanaa zu besuchen. Als würde er CENTCOM persönlich herausfordern, nicht nur virtuell über soziale Medien, wie er es jeden Tag tut. Yahya Saree schüttelte uns die Hand, hielt eine kurze Rede und machte seinen Standpunkt glasklar: „Wir im Jemen haben uns aus moralischer und religiöser Verantwortung heraus entschieden, diese Position zur Unterstützung und Solidarität mit den Palästinensern einzunehmen.“
In einem privaten Gespräch mit Mohammed Ali al-Houthi, einem Mitglied des Hohen Politischen Rates und ehemaligen Vorsitzenden des Revolutionskomitees, fragte ich ihn, ob der Jemen diplomatische Bemühungen mit Russland und China unternehme. Die Antwort, in blumigem Arabisch mit mehreren Metaphern – die in der Übersetzung verloren gingen – und einem übermäßigen Lächeln, war unbezahlbar: Ja.
Wir hatten auch das Privileg, mindestens zwei Stunden mit Prof. Dr. Abdulaziz Saleh bin Habtoor zu verbringen, einem Mitglied des Hohen Politischen Rates, ehemaligen Premierminister, Hauptorganisator der Konferenz „You are Not Alone“ („Du bist nicht allein“) und einem herausragenden jemenitischen Intellektuellen der alten Schule.
Prof. bin Habtoor ist auch der Autor des Buches „Undeterred: Yemen in the Face of Decisive Storm“, das 2017 vom Sprachenzentrum der Universität Sanaa in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde und ein Must-Read ist.
Er erzählte uns, wie unsere kleine Gruppe „die seit zehn Jahren andauernde Blockade des Jemen durchbrochen hat“. Und wie der Kampf für Palästina „ethisch und spirituell“ geführt werden muss: „Ausländer denken, dass die Houthis größer sind als der Widerstand selbst. Es gibt tatsächlich mehr Menschen in Ansarallah als Ansarallah selbst.“ In den Souks (der Begriff bezeichnet das Marktviertel einer arabischen Stadt und den Handel selbst, Anm. d. Red.) von Saada und Sanaa hören wir regelmäßig, dass „der ganze Jemen Houthi ist“.
Prof. bin Habtoor fasste die Macht der Houthis in drei Vektoren zusammen: Führung/Anleitung, „Mobilisierung des Volkes“ und „aus der Geschichte abgeleitete Widerstandsfähigkeit“. Und er verglich die „Saudis, die seit 1967 versuchen uns zu bekämpfen“, mit der tatsächlichen „Befreiung Jemens, die erst 2016 erreicht wurde“.
Die militärische Macht der Houthis hat sich seit der „technischen Zusammenarbeit“ während des Kalten Krieges, als jemenitische Top-Studenten ihre Fähigkeiten in der UdSSR und in China verfeinerten, und „einer guten militärischen Verbindung zu Ägypten vor Sadat“, stark weiter entwickelt.

Die pulsierende Altstadt von Saana. (Foto: Pepe Escobar)
Prof. bin Habtoor bemerkte auch, dass Beirut, Bagdad und Kairo früher „große Kulturzentren“ waren; kein Wunder, dass sie alle von westlichen Geiern und ihren Stellvertretern angegriffen wurden. Jetzt ist der „Bezugspunkt“ der arabischen Welt zum billigen, geschmacklosen Bling-Bling am Persischen Golf herabgewürdigt worden.
Dies ergänzte eine scharfe Analyse des ehemaligen irakischen Premierministers Mahdi, der lobte, dass „der Jemen kulturell und wirtschaftlich befreit wurde und autark und unabhängig vom Weltsystem ist“, obwohl er einen enormen Preis dafür gezahlt hat. Der ehemalige bolivianische Außenminister Fernando Huanacuni, der Evo Morales sehr nahe steht, lieferte den entscheidenden Punkt: „Wir drehen uns im Kreis“ – weil alle Entwicklungsmodelle mit Neokolonialismus verbunden sind. Wir „brauchen ein neues – transkontinentales – Modell“, da „wir in Lateinamerika und Westasien denselben Kampf führen.“
„Es wird Überraschungen geben“
Was auch immer die verschiedenen Handlanger, die in einem Signal-Chat – vollgestopft mit CIA-Hintertüren – den „Jemen bombardieren“-Nachrichten austauschen, sich erträumen mögen, der Jemen wird nicht zerbrechen. Dennoch hat das Pentagon mindestens vier strategische Tarnkappenbomber vom Typ B-2A nach Diego Garcia im Indischen Ozean geschickt. Zusammen mit den vier B-52H, die sich bereits auf der Basis befinden, sowie KC-135-Tank- und C-17-Transportflugzeugen als Unterstützung ist das Pentagon definitiv darauf aus, dem Jemen langfristig die Hölle von oben zu bescheren.
Erst am Sonntagabend wurden zivile Gebäude (meine Hervorhebung) in Sanaa nicht weniger als 13 Mal bombardiert. Die US-Geheimdienstinformationen vor Ort im Jemen sind ein Witz.
Der Clown von Fox News, der sich als Chef des Pentagon ausgibt, hat der USS Harry Truman – die nun regelmäßig von den jemenitischen Streitkräften ins Visier genommen wird – befohlen, noch einen weiteren Monat im Roten Meer zu bleiben. Die USS Carl Vinson-Flugzeugträgerkampfgruppe, die zuvor im asiatisch-pazifischen Raum stationiert war, ist am vergangenen Freitag nach Westasien aufgebrochen.
Es ist also durchaus möglich, dass die US-Marine bald zwei Flugzeugträgerkampfgruppen – mit Hunderten von Kampfjets – auf beiden Seiten der Meerenge Bab al-Mandab stationiert hat. Die jemenitischen Streitkräfte zucken nicht einmal mit der Wimper.
Im Gegenteil. Zunächst warnten sie alle Fluggesellschaften, dass der „als Ben-Gurion-Flughafen bekannte“ Flughafen in Tel Aviv für den Flugverkehr nicht mehr sicher sei – und dies auch so lange so bleiben werde, bis der Völkermord in Gaza gestoppt sei, womit de facto eine Luftblockade über Israel verhängt wurde.
Dann intensivierten sie ihre Drohnen-Angriffe auf mehrere Kriegsschiffe der USS Harry Truman.
Selbst als B-2-Bomber einen unterirdischen Raketenkomplex der jemenitischen Streitkräfte mit verheerenden bunkerbrechenden Bomben angriffen, konnten sie ihn nicht zerstören: Nur die Eingänge stürzten ein.
In Sanaa ist es selbstverständlich, dass Mitglieder des Hohen Politischen Rates keine Militärgeheimnisse preisgeben können, insbesondere nicht gegenüber Ausländern. Aber ich habe am vergangenen Freitag von einem hochrangigen Provinzgouverneur erfahren, dass „es Überraschungen geben wird“.
Das passt gut zu der Ankündigung von Anführer Abdul Malik al-Houthi auf X, dass „es eine bevorstehende Überraschung bezüglich der Entwicklung der militärischen Fähigkeiten Jemens gibt, die die Vereinigten Staaten überraschen könnte. Sie könnte nach ihrem Einsatz enthüllt werden, da Taten vor Worten kommen werden.“
Das könnte mit einer hochrangigen Quelle im Oberkommando der jemenitischen Streitkräfte zusammenhängen, die angab, dass sie das E-2-Kommando- und Kontrollflugzeug der USS Harry Truman ins Visier genommen hätten, wodurch der Flugzeugträger sein Kommunikationssystem verloren habe. Bisher herrscht im Pentagon tosende Stille.
Natürlich erwartet niemand, dass das Team Trump 2.0 versteht, was der Prophet Mohammed selbst im 7. Jahrhundert unmissverständlich gesagt hat: „Der Glaube ist jemenitisch, das Gesetz ist jemenitisch und die Weisheit ist jemenitisch“.
Sie werden auch die beiden wichtigsten Gebote des Arab Fight Club nicht verstehen. Regel Nummer eins: Leg dich nicht mit dem Jemen an. Regel Nummer zwei: Leg dich NICHT mit dem Jemen an.
Dieser Text wurde zuerst am 31.03.2025 auf www.sputnikglobe.com unter der URL <https://sputnikglobe.com/20250331/pepe-escobar-from-sanaa-to-saada–yemen-during-wartime-1121717925.html> veröffentlicht. Lizenz: Pepe Escobar, Sputnik Globe, CC BY-NC-ND 4.0