Symbolfoto, erstellt durch DallE. Gemeinfrei

Nord Stream-Pipeline:

Versicherer weigern sich, für die Schäden aufzukommen

Die Weigerung der Nord Stream-Versicherer, für Schäden an der sabotierten Pipeline aufzukommen, basiert laut einem Völkerrechtler auf zweifelhaften rechtlichen Grundlagen. Lloyd's of London und die auf den Bermudas ansässige Arch Insurance lehnen die Forderung der Nord Stream AG in Höhe von 400 Millionen Euro ab. Sie argumentieren, dass ihre Policen die Unterwasserexplosionen von 2022 – durch die die Erdgaspipelines in der Ostsee auseinandergerissen wurden – nicht abdecken, da der Schaden von einer „Regierung“ verursacht wurde. Aber „das Argument der beklagten Versicherer ist prima facie (lat.: „den ersten Anschein nach“, Anm. d. Red.) irrelevant“, sagt ein Experte für Seerecht.

Von Jeffrey Brodsky , veröffentlicht am: 13. Juni 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 30.04.2024 auf www.covertactionmagazine.com unter der URL <https://covertactionmagazine.com/2024/04/30/nord-stream-insurers-refusal-to-pony-up-for-damages-to-sabotaged-pipeline-is-based-on-dubious-legal-grounds-according-to-international-law-scholar> veröffentlicht. Lizenz: Jeffrey Brodsky, Covert Action Magazine, CC BY-NC-ND 4.0

Die Nord Stream AG hat im vergangenen Monat beim High Court (Oberstes Gericht von England und Wales, Anm. d. Red.) eine 400 Millionen Euro Klage gegen Lloyd’s of London und Arch Insurance eingereicht. Diese hatten sich geweigert, eine Entschädigung für die Unterwassersprengungen zu zahlen, durch die die Nord Stream 1-Pipeline zerfetzt wurde – die auf dem Meeresboden der Ostsee verlaufend Erdgas von Russland nach Deutschland transportierte.

Die schriftliche Klage-Erwiderung, die im Namen von Lloyd’s of London und der auf den Bermudas ansässigen Arch Insurance eingereicht wurde [1], wurde letzte Woche von dem schwedischen Ingenieur Erik Andersson veröffentlicht [2] – der die einzige private Untersuchungsexpedition (an der ich auch teilnahm) zu allen vier Explosionsorten der Nord Stream-Pipelines leitete. Darin heißt es, dass sich die „Beklagten unter anderem auf die Tatsache berufen werden, dass die Explosionsschäden nur von einer Regierung oder auf deren Anweisung hin verursacht werden konnten (oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit verursacht wurden).“

Said Mahmoudi, ein Rechtswissenschaftler mit Fachkenntnissen in den Bereichen Seerecht, internationales Umweltrecht, internationale Gewaltanwendung, internationale Organisationen und Staatenimmunität, hält die Position der beklagten Versicherer für „unbegründet“.

„Das Argument der beklagten Versicherer ist prima facie irrelevant, wenn man nicht beweisen kann, dass der Schaden von einer namentlich genannten Regierung verursacht wurde, welche direkt in einen Krieg in dem Gebiet verwickelt war“, sagte Dr. Mahmoudi. „Die Beweislast liegt in diesem Fall meines Erachtens bei den Beklagten.“

Wer die Nord Stream-Sabotage verübt hat, die für den größten industriellen Sabotageakt der Geschichte steht und als das dringlichste geopolitische Rätsel des Jahrhunderts gilt, ist von großer Bedeutung für eine künftige Gerichtsentscheidung. Die ersten Berichte in den Mainstream-Medien machten Russland verantwortlich – ohne dafür Beweise vorzulegen.

Der leitende Staatsanwalt des schwedischen Ermittlungsverfahrens nannte die Behauptung einer russischen Verantwortung für die Sabotage „unlogisch“ [3]. Deutsche Ermittler schlossen aus, dass russische Schiffe, die in der Umgebung des Tatortes gesichtet wurden, etwas mit dem Vorfall zu tun hatten [4]. Auch bei unserer eigenen, unabhängigen Expedition zu den Explosionsorten konnten wir in den Unterwasserdrohnenfotos, Videos und Sonaraufnahmen nicht den kleinsten Hinweis für eine russische Täterschaft entdecken [5, 6].

In der weiteren Berichterstattung wurde entweder den USA oder der Ukraine die Verantwortung zugeschrieben. Außerdem gibt es eine weitere Theorie, wonach das Vereinigte Königreich dahinterstecken könnte [7]. Seymour Hersh, der erfahrene Investigativjournalist, berichtete, dass Taucher der US-Marine in einer von Präsident Joe Biden angeordneten CIA-Operation die Bomben an den Pipelines angebracht haben [8]. Eine ebenso ausführliche Berichterstattung in deutschen Medien behauptet, den mutmaßlichen Geldgeber und die scheinbaren Mitglieder einer sechsköpfigen Besatzung aus „Pro-Ukrainern“ identifiziert zu haben, die den Sprengstoff angeblich auf einer 15-Meter-Sportjacht namens An­dromeda transportierten [9].

Sollten die USA oder das Vereinigte Königreich nachweislich schuldig sein, werden sich die Versicherer vor Gericht wohl durchsetzen. Bisher wurde jedoch nicht darüber berichtet, ob die Versicherer gezwungen wären, für die Schäden aus den Explosionen aufzukommen, wenn die Ukraine die Tat begangen hätte. Der Kläger (die Nord-Stream AG, Anm. d. Red.) könnte argumentieren, dass das kleine Team pro-ukrainischer Agenten aus Abtrünnigen besteht und nicht speziell von einer Regierung mit der Sprengung der Pipelines beauftragt wurde (Anm. d. Red.: Das bedeutet, dass sie es als Terrorismus einstufen lassen wollen, damit die Versicherer zahlen müssen).

In mindestens zwei Artikeln der Washington Post [10], die häufig als PR-Firma für die nationalen Sicherheits- und Geheimdienste der USA fungiert, wird jedoch behauptet, dass die „Angreifer keine abtrünnigen Agenten waren“, sondern, dass „die Beteiligten direkt General Walerij Saluschnyj, dem ranghöchsten ukrainischen Militär (der jetzt Botschafter in Großbritannien ist), Bericht erstatteten [11]. Er wurde damit beauftragt, um sicher zu gehen, dass der Präsident des Landes, Wolodymyr Selenskyj, nichts über die Operation weiß.“ (Kursivschrift hinzugefügt.)

Die möglichen pro-ukrainischen Saboteure waren der Post zufolge also weder abtrünnig noch auf eigene Faust unterwegs. Wenn der Präsident eines Nationalstaates, in diesem Fall der Präsident der Ukraine, angeblich nichts von dem Anschlag wusste, würde das Gericht dann entscheiden, dass „der Explosionsschaden nur … von einer Regierung oder auf deren Befehl hin verursacht worden sein kann“ – oder würde das Gericht entscheiden, dass die Sabotage nicht von der Regierung angeordnet wurde, sondern lediglich grünes Licht durch den ranghöchsten Militäroffizier dieses Landes bekommen hätte, jedoch nicht vom Präsidenten?

Bislang wurde nicht berichtet, wie die Antwort ausfällt. Dr. Mahmoudis Einordnung:

„Wenn dies zutrifft und das Gericht akzeptiert, dass die Explosionen von einem hochrangigen ukrainischen Militäroffizier angeordnet und organisiert wurden, auch ohne Wissen des Präsidenten, dann ist der Schaden der Ukraine zuzuschreiben, und der Staat Ukraine wäre für den Schaden verantwortlich. Die Unkenntnis Selenskyjs über diese Operation hat keinen Einfluss auf die Frage der staatlichen Verantwortung.“

Ein weiterer faszinierender Aspekt des Prozesses ist die Frage der Sanktionen gegen die Pipelines. „Für den Fall, dass die beklagten Versicherer zur Zahlung einer Entschädigung und/oder eines Schadensersatzes verpflichtet werden“, heißt es in dem Schriftsatz der Verteidigung, „stellen sich die Beklagten die Frage, ob eine solche Zahlung durch etwaige Wirtschaftssanktionen verboten wäre, die zu dem Zeitpunkt eventuell noch in Kraft sind, wenn eine solche Zahlung zu leisten wäre.“

Daraus ergeben sich Fragen: Wenn man zukünftige Sanktionen gegen Nord Stream 1 verhängt, selbst wenn diese Sanktionen erst nach dem Prozess in Kraft treten, könnten die Versicherer dann aus dem Schneider sein?

Dr. Mahmoudi erklärt: „In einem solchen Fall kann der Gerichtsbeschluss aufgrund der neuen Sanktionen vorerst nicht vollstreckt werden, aber das Gericht kann immer noch eine Entschädigung beschließen, die gezahlt wird, wenn die Sanktionen in der Zukunft aufgehoben werden.“

Dass das Gericht entscheiden kann, dass die beklagten Versicherer die Entschädigungsverpflichtungen aus der Police erfüllen müssen, sobald etwaige künftige Sanktionen aufgehoben werden, wurde bisher nicht berichtet.

Nord Stream Logo (Bild: Pjotr Mahhonin / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Die Versicherer könnten jedoch versuchen, sich zu schützen, indem sie spätere Sanktionen als Vorwand nutzen, um die Zahlungen zu umgehen. Wie aus einem durchgesickerten Dokument der Biden-Regierung hervorgeht, zogen 2021 16 Versicherungsunternehmen ihre Unterstützung für Nord Stream 2 zurück [12]. Offenbar wurden die Versicherer von den USA unter Druck gesetzt. Sie drohten, „Unternehmen zu untersuchen, die an potenziell sanktionswürdigen Aktivitäten beteiligt sind“. Sowohl Lloyd’s of London als auch Arch Insurance sind als Unternehmen aufgeführt, die vor den Drohungen zurückschreckten [13].

Das derzeitige rechtliche und geopolitische Umfeld der von den USA geführten, „regelbasierten“ globalen Ordnung könnte für die Angeklagten günstig sein: Der Westen sanktioniert Nord Stream 2, so dass es keinen Versicherungsschutz mehr hat, und zerstört es anschließend zusammen mit seiner Zwillingspipeline, Nord Stream 1. Bevor ein Gerichtsurteil ergeht, bei dem riesige westliche Versicherer bis zu 400 Millionen Euro zahlen müssten, könnte der Westen dann rückwirkend auch Nord Stream 1 sanktionieren.

Gleichzeitig ist die Dynamik des Prozesses für den Westen potenziell unangenehm. Es scheint, dass zwei gingantisch große westliche Versicherer rechtlich gezwungen sein werden, erhebliche Entschädigungen zu zahlen, wenn sie nicht nachweisen können, dass die Nord Stream-Sabotage von einer Regierung angeordnet und ausgeführt wurde. Der Schriftsatz der beklagten Versicherer verweist auf den russisch-ukrainischen Krieg, erwähnt aber nicht die Möglichkeit russischer Selbst-Sabotage. Dies könnte als Eingeständnis gewertet werden, dass nicht Russland, sondern ein westlicher Staat der Täter dieses Anschlags war.

Da die Versicherungspolice offenbar „Terrorismus“, nicht aber „Krieg“ abdeckt, wäre eine Entschädigung des Klägers nur möglich, wenn der Anschlag als ersteres eingestuft wird. Aber auch wenn die Versicherung nur Terrorismus abdeckt, muss unterschieden werden, ob ein Staat beteiligt ist oder nicht.

„Selbst wenn es sich bei der Sabotage um einen terroristischen Akt handelt, kann hinter der Tat ein Staat oder eine Privatunternehmung stecken“, so Dr. Mahmoudi. „Wenn es eine Privatunternehmung war, wäre die Versicherungsgesellschaft die einzige Quelle für die Entschädigung der Schäden; wenn ein Staat für den terroristischen Akt verantwortlich ist, sind theoretisch sowohl die Versicherungsgesellschaft als auch der Staat rechtlich zu Schadensersatz verpflichtet.“

Sowohl der Beklagte als auch der Kläger in diesem Fall scheinen zu argumentieren, dass die Verpflichtung, nachzuweisen, dass der Angriff von einer Regierung angeordnet wurde, bei der anderen Partei liegt. In der Regel liegt die Beweislast dafür, dass eine Versicherungspolice gilt und daher Schäden abdeckt, beim Versicherten.

Der Kläger argumentiert dagegen, dass es der Beklagte ist, der beweisen muss, dass die Police den Schaden nicht deckt. Dafür beruft sich der Kläger auf die Bestimmung, dass „im Falle eines Auslegungskonflikts zwischen den Allgemeinen Bedingungen und den spezifischen Versicherungsbedingungen … die weitestmögliche Auslegung zugunsten des Versicherten immer Vorrang haben sollte“, heißt es im Schriftsatz des Klägers [14].

Dr. Mahmoudi bestätigt dies:

„Die normale Reihenfolge der Beweisführung, wie der Schaden entstanden ist, ist in solchen Fällen nicht anwendbar. Es handelt sich nicht um versichertes Gepäck, das während einer Flugreise beschädigt wird und der Geschädigte beweisen muss, dass der Schaden vorher nicht vorhanden war, sondern während der Reise entstanden ist. Es ist der Versicherer, der beweisen muss, dass eine der Ausnahmen des Versicherungsvertrags zutrifft, nicht umgekehrt.“

Die beklagten Versicherer bestreiten, dass es einen Unterschied zwischen einer „eigenständigen Machtstruktur“ und „der Regierung“ gibt, und argumentieren, dass sie nicht zahlungspflichtig sind, weil die Täter auf jeden Fall einer Regierung unterstanden. Es scheint darüber hinaus äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, für die Anwälte der Versicherten zu beweisen zu sein, dass der Angriff auf Anweisung einer „eigenständigen Machtstruktur“ und nicht einer Regierung geplant und durchgeführt wurde.

Selbst wenn es gelänge, einen Richter davon zu überzeugen, dass die Saboteure nur im Auftrag einer „eigenständigen Machtstruktur“ handelten, hätte dies keinen Einfluss auf ein bevorstehendes Gerichtsurteil, so Dr. Mahmouds Verständnis der Anwendung des Völkerrechts auf diesen Fall, worüber bisher noch nicht berichtet wurde.

„Es gibt keinen Unterschied zwischen ,eigenständiger Machtstrukturʻ und ,der Regierungʻ in diesem Zusammenhang“, so Dr. Mahmoudi. „Sie sind ein und dasselbe und unterscheiden sich als solche von privaten und kommerziellen Handlungen/Agenten.“

Dass es im Zusammenhang mit der Klage keine rechtliche Unterscheidung zwischen „eigenständiger Machtstruktur“ und „der Regierung“ gibt, wurde bisher noch nicht berichtet.

Die Nord Stream AG ist kein rein russisches Unternehmen, sondern ein internationales Konsortium, an dem neben deutschen, französischen und niederländischen Energieunternehmen auch die russische Gazprom mit 51% beteiligt ist. Mit anderen Worten: Um eine gigantische Entschädigungsverpflichtung zu vermeiden, wird man die westlichen Versicherer wahrscheinlich zum Nachweis verpflichten, dass eine westliche Nation kritische Infrastruktur im Wert von rund 10 Milliarden Euro zerstört hat – die zu 49% westlichen Unternehmen gehört.

Deutschland ist eines von drei Ländern, die die Sabotage untersuchen. Zwei deutsche Energieunternehmen waren an Nord Stream 1 beteiligt. (Schweden und Dänemark sind die beiden anderen Länder, aber beide haben ihre Untersuchungen im Februar eingestellt, ohne den Täter zu entlarven. [15])

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Versicherer in diesem Szenario, bei dem die beklagten Versicherer die Verantwortung für den Angriff nachweisen müssen, um vor Gericht zu bestehen? Können sie Deutschland, Schweden und/oder Dänemark verklagen, weil sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen des Sabotageakts nicht offengelegt haben? Und kann der Kläger die gleichen Länder ebenfalls verklagen, weil sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zurückhalten?

Es wurde bisher nicht berichtet, ob die Antwort „Nein“ lautet.

Dazu sagte Dr. Mahmoudi: „Keiner dieser Staaten ist rechtlich verpflichtet, die Ergebnisse seiner Untersuchungen offenzulegen. Der Streit zwischen der Nord Stream AG und der Versicherungsgesellschaft ist rein kommerzieller Natur, auch wenn der Kläger hauptsächlich staatlich ist.“

Was ist mit den Anlegern? Könnten die Anleger, die möglicherweise Milliarden verloren haben, eines oder alle der drei untersuchenden Länder verklagen?

Laut Dr. Mahmoudi ist die Antwort auf diese „interessante rechtliche Frage“ alles andere als eindeutig. Er zitiert das Fallrecht für Präzedenzfälle, bezeichnete jedoch alle rechtlichen Schritte als „ferne Möglichkeit“ für Investoren und beschrieb sie als „langwieriges und unsicheres Verfahren“.

Dr. Mahmoudi fährt fort: „Ein Staat, dessen Bürger Mehrheitsaktionäre eines Unternehmens sind, kann einen anderen Staat vor dem Internationalen Gerichtshof verklagen, der für große finanzielle Verluste dieser Bürger infolge einer nationalen Entscheidung, welche gegen das Völkerrecht verstößt, verantwortlich ist“.

Einige Bedingungen müssen erfüllt sein. Ein Staat muss sich bereit erklären, seinen Staatsangehörigen das Klagerecht zu gewähren, und dieser Schutz kann nur den eigenen Staatsbürgern gewährt werden, ohne dass der Staat dazu verpflichtet wäre. „Die Bürger Deutschlands, Schwedens und Dänemarks können sich also nicht auf diese Möglichkeit berufen“, so Dr. Mahmoudi.

Er fügte hinzu: „Normalerweise sind Staaten zurückhaltend, sich in solch kostspielige und ressourcenintensive Streitigkeiten einzumischen – zum Wohle ihrer eigenen Staatsangehörigen.“

Dennoch spiegelt der Rechtsstreit zwischen der Nord Stream AG und den westlichen Versicherern die enormen Irreführungen, die die Nord Stream-Sabotage insgesamt umgeben, wider. Für Dänemark, Schweden und Deutschland wäre es demütigend zuzugeben, dass der Täter entweder die USA oder die Ukraine ist oder beide gemeinsam handelten. Und sollte eines der drei untersuchenden Länder die Sabotage der Ukraine zuschreiben, käme dies einem Eingeständnis gleich, dass das Land, welches sie im Konflikt mit Russland unterstützen, eine Kriegshandlung gegen sie begangen hat.

Würden die Vereinigten Staaten als Täter ausgemacht werden, würde dies bedeuten, dass der angebliche Garant der europäischen Sicherheit einen Angriff auf seine eigenen Protektorate verübt hat. Die Wahrheit zu sagen, wäre beschämend.

Quellen:

[1] Dropbox, Klageerwiderung der Beklagten Versicherungen <https://www.dropbox.com/scl/fi/y8ezf3pjdjpp2npp7fpog/2024-04-08-Nord-Stream-v-1-LIC-and-2-Arch-CL-2024-000094-Defence.pdf?rlkey=tpptejx0c9d7c2ncjposv9l9a&e=1&dl=0>
[2] X, Nutzerprofil Erkperk am 16.04.2024 <https://twitter.com/Erkperk/status/1780295791476605061>
[3] The New York Times, „Intelligence Suggests Pro-Ukrainian Group Sabotaged Pipelines, U.S. Officials Say“ von  <https://www.nytimes.com/2023/03/07/us/politics/nord-stream-pipeline-sabotage-ukraine.html>
[4] Expressen.se, „Misstänkta spåren från sabotaget mot Nord Stream“ von Mattias Carlsson <https://www.expressen.se/nyheter/misstankta-sparen-fran-sabotaget-mot-nord-stream/>
[5] Substack, Jeffrey Brodsky „Lab Analysis Does Not Detect Explosives Used in Nord Stream Sabotage. Did Someone Clean Up the Crime Scene?“ am 03.08.2023 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/lab-analysis-does-not-detect-explosives>
[6] Substack, Jeffrey Brodsky „What Is and What Isn’t Known About the Nord Stream Sabotage*“ am 30.1.2023 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/what-is-and-what-isnt-known-about>
[7] The Nordic Times, „Independent investigator: Elements of UK government behind Nord Stream attacks“ von Redaktionsteam am 13.02.2024 <https://nordictimes.com/world/independent-investigator-elements-of-uk-government-behind-nord-stream-attacks/>
[8] Substack, Seymour Hersh, „How America Took Out The Nord Stream Pipeline“ am 08.02.2023 <https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream>
[9] Zeit Online, „Who Blew up Nord Stream?“ von Luisa Hommerich, Holger Stark und Fritz Zimmermann am 26.09.2023 <https://www.zeit.de/politik/2023-09/nord-stream-pipelines-attack-anniversary-english>
[10] The Washington Post, „Ukrainian military officer coordinated Nord Stream pipeline attack“ von Shane Harris und Isabelle Khurshudyan  am 11.11.2023 <https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/11/11/nordstream-bombing-ukraine-chervinsky/>
[11] The Washington Post, „U.S. had intelligence of detailed Ukrainian plan to attack Nord Stream pipeline“ von Shane Harris und Souad Mekhennet am 06.06.2023 <https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/06/06/nord-stream-pipeline-explosion-ukraine-russia/>
[12] Reuters, „Exclusive: Baker Hughes, AXA Group, 16 others quit Nord Stream 2 pipeline – U.S.“ von Timothy Gardner am 24.02.2021 <https://www.reuters.com/article/idUSKBN2AO280/>
[13] i-law, 15 INSURERS WITHDRAW SUPPORT FOR NORD STREAM PIPELINE <https://www.i-law.com/ilaw/doc/view.htm?id=416538>
[14] Dropbox, Klageschrift des Klägers „Nord Stream AG“ <https://www.dropbox.com/scl/fi/bwzuufsq60caem7mwp4n8/CL-2024-000094-Amended-Particulars-of-Claim.pdf?rlkey=fn490p6gx8zhwie2nla31i77f&e=1&dl=0>
[15] Substack, Jeffrey Brodsky „As Denmark and Sweden Close Their Nord Stream Probes, the Countries’ Politicians Abet the Cover-Up*“ am 05-03.2024 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/as-denmark-and-sweden-close-their>

Nord Stream-Pipeline:

Versicherer weigern sich, für die Schäden aufzukommen

Von Jeffrey Brodsky , veröffentlicht am: 13. Juni 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 30.04.2024 auf www.covertactionmagazine.com unter der URL <https://covertactionmagazine.com/2024/04/30/nord-stream-insurers-refusal-to-pony-up-for-damages-to-sabotaged-pipeline-is-based-on-dubious-legal-grounds-according-to-international-law-scholar> veröffentlicht. Lizenz: Jeffrey Brodsky, Covert Action Magazine, CC BY-NC-ND 4.0

Symbolfoto, erstellt durch DallE. Gemeinfrei

Die Weigerung der Nord Stream-Versicherer, für Schäden an der sabotierten Pipeline aufzukommen, basiert laut einem Völkerrechtler auf zweifelhaften rechtlichen Grundlagen. Lloyd's of London und die auf den Bermudas ansässige Arch Insurance lehnen die Forderung der Nord Stream AG in Höhe von 400 Millionen Euro ab. Sie argumentieren, dass ihre Policen die Unterwasserexplosionen von 2022 – durch die die Erdgaspipelines in der Ostsee auseinandergerissen wurden – nicht abdecken, da der Schaden von einer „Regierung“ verursacht wurde. Aber „das Argument der beklagten Versicherer ist prima facie (lat.: „den ersten Anschein nach“, Anm. d. Red.) irrelevant“, sagt ein Experte für Seerecht.

Die Nord Stream AG hat im vergangenen Monat beim High Court (Oberstes Gericht von England und Wales, Anm. d. Red.) eine 400 Millionen Euro Klage gegen Lloyd’s of London und Arch Insurance eingereicht. Diese hatten sich geweigert, eine Entschädigung für die Unterwassersprengungen zu zahlen, durch die die Nord Stream 1-Pipeline zerfetzt wurde – die auf dem Meeresboden der Ostsee verlaufend Erdgas von Russland nach Deutschland transportierte.

Die schriftliche Klage-Erwiderung, die im Namen von Lloyd’s of London und der auf den Bermudas ansässigen Arch Insurance eingereicht wurde [1], wurde letzte Woche von dem schwedischen Ingenieur Erik Andersson veröffentlicht [2] – der die einzige private Untersuchungsexpedition (an der ich auch teilnahm) zu allen vier Explosionsorten der Nord Stream-Pipelines leitete. Darin heißt es, dass sich die „Beklagten unter anderem auf die Tatsache berufen werden, dass die Explosionsschäden nur von einer Regierung oder auf deren Anweisung hin verursacht werden konnten (oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit verursacht wurden).“

Said Mahmoudi, ein Rechtswissenschaftler mit Fachkenntnissen in den Bereichen Seerecht, internationales Umweltrecht, internationale Gewaltanwendung, internationale Organisationen und Staatenimmunität, hält die Position der beklagten Versicherer für „unbegründet“.

„Das Argument der beklagten Versicherer ist prima facie irrelevant, wenn man nicht beweisen kann, dass der Schaden von einer namentlich genannten Regierung verursacht wurde, welche direkt in einen Krieg in dem Gebiet verwickelt war“, sagte Dr. Mahmoudi. „Die Beweislast liegt in diesem Fall meines Erachtens bei den Beklagten.“

Wer die Nord Stream-Sabotage verübt hat, die für den größten industriellen Sabotageakt der Geschichte steht und als das dringlichste geopolitische Rätsel des Jahrhunderts gilt, ist von großer Bedeutung für eine künftige Gerichtsentscheidung. Die ersten Berichte in den Mainstream-Medien machten Russland verantwortlich – ohne dafür Beweise vorzulegen.

Der leitende Staatsanwalt des schwedischen Ermittlungsverfahrens nannte die Behauptung einer russischen Verantwortung für die Sabotage „unlogisch“ [3]. Deutsche Ermittler schlossen aus, dass russische Schiffe, die in der Umgebung des Tatortes gesichtet wurden, etwas mit dem Vorfall zu tun hatten [4]. Auch bei unserer eigenen, unabhängigen Expedition zu den Explosionsorten konnten wir in den Unterwasserdrohnenfotos, Videos und Sonaraufnahmen nicht den kleinsten Hinweis für eine russische Täterschaft entdecken [5, 6].

In der weiteren Berichterstattung wurde entweder den USA oder der Ukraine die Verantwortung zugeschrieben. Außerdem gibt es eine weitere Theorie, wonach das Vereinigte Königreich dahinterstecken könnte [7]. Seymour Hersh, der erfahrene Investigativjournalist, berichtete, dass Taucher der US-Marine in einer von Präsident Joe Biden angeordneten CIA-Operation die Bomben an den Pipelines angebracht haben [8]. Eine ebenso ausführliche Berichterstattung in deutschen Medien behauptet, den mutmaßlichen Geldgeber und die scheinbaren Mitglieder einer sechsköpfigen Besatzung aus „Pro-Ukrainern“ identifiziert zu haben, die den Sprengstoff angeblich auf einer 15-Meter-Sportjacht namens An­dromeda transportierten [9].

Sollten die USA oder das Vereinigte Königreich nachweislich schuldig sein, werden sich die Versicherer vor Gericht wohl durchsetzen. Bisher wurde jedoch nicht darüber berichtet, ob die Versicherer gezwungen wären, für die Schäden aus den Explosionen aufzukommen, wenn die Ukraine die Tat begangen hätte. Der Kläger (die Nord-Stream AG, Anm. d. Red.) könnte argumentieren, dass das kleine Team pro-ukrainischer Agenten aus Abtrünnigen besteht und nicht speziell von einer Regierung mit der Sprengung der Pipelines beauftragt wurde (Anm. d. Red.: Das bedeutet, dass sie es als Terrorismus einstufen lassen wollen, damit die Versicherer zahlen müssen).

In mindestens zwei Artikeln der Washington Post [10], die häufig als PR-Firma für die nationalen Sicherheits- und Geheimdienste der USA fungiert, wird jedoch behauptet, dass die „Angreifer keine abtrünnigen Agenten waren“, sondern, dass „die Beteiligten direkt General Walerij Saluschnyj, dem ranghöchsten ukrainischen Militär (der jetzt Botschafter in Großbritannien ist), Bericht erstatteten [11]. Er wurde damit beauftragt, um sicher zu gehen, dass der Präsident des Landes, Wolodymyr Selenskyj, nichts über die Operation weiß.“ (Kursivschrift hinzugefügt.)

Die möglichen pro-ukrainischen Saboteure waren der Post zufolge also weder abtrünnig noch auf eigene Faust unterwegs. Wenn der Präsident eines Nationalstaates, in diesem Fall der Präsident der Ukraine, angeblich nichts von dem Anschlag wusste, würde das Gericht dann entscheiden, dass „der Explosionsschaden nur … von einer Regierung oder auf deren Befehl hin verursacht worden sein kann“ – oder würde das Gericht entscheiden, dass die Sabotage nicht von der Regierung angeordnet wurde, sondern lediglich grünes Licht durch den ranghöchsten Militäroffizier dieses Landes bekommen hätte, jedoch nicht vom Präsidenten?

Bislang wurde nicht berichtet, wie die Antwort ausfällt. Dr. Mahmoudis Einordnung:

„Wenn dies zutrifft und das Gericht akzeptiert, dass die Explosionen von einem hochrangigen ukrainischen Militäroffizier angeordnet und organisiert wurden, auch ohne Wissen des Präsidenten, dann ist der Schaden der Ukraine zuzuschreiben, und der Staat Ukraine wäre für den Schaden verantwortlich. Die Unkenntnis Selenskyjs über diese Operation hat keinen Einfluss auf die Frage der staatlichen Verantwortung.“

Ein weiterer faszinierender Aspekt des Prozesses ist die Frage der Sanktionen gegen die Pipelines. „Für den Fall, dass die beklagten Versicherer zur Zahlung einer Entschädigung und/oder eines Schadensersatzes verpflichtet werden“, heißt es in dem Schriftsatz der Verteidigung, „stellen sich die Beklagten die Frage, ob eine solche Zahlung durch etwaige Wirtschaftssanktionen verboten wäre, die zu dem Zeitpunkt eventuell noch in Kraft sind, wenn eine solche Zahlung zu leisten wäre.“

Daraus ergeben sich Fragen: Wenn man zukünftige Sanktionen gegen Nord Stream 1 verhängt, selbst wenn diese Sanktionen erst nach dem Prozess in Kraft treten, könnten die Versicherer dann aus dem Schneider sein?

Dr. Mahmoudi erklärt: „In einem solchen Fall kann der Gerichtsbeschluss aufgrund der neuen Sanktionen vorerst nicht vollstreckt werden, aber das Gericht kann immer noch eine Entschädigung beschließen, die gezahlt wird, wenn die Sanktionen in der Zukunft aufgehoben werden.“

Dass das Gericht entscheiden kann, dass die beklagten Versicherer die Entschädigungsverpflichtungen aus der Police erfüllen müssen, sobald etwaige künftige Sanktionen aufgehoben werden, wurde bisher nicht berichtet.

Nord Stream Logo (Bild: Pjotr Mahhonin / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Die Versicherer könnten jedoch versuchen, sich zu schützen, indem sie spätere Sanktionen als Vorwand nutzen, um die Zahlungen zu umgehen. Wie aus einem durchgesickerten Dokument der Biden-Regierung hervorgeht, zogen 2021 16 Versicherungsunternehmen ihre Unterstützung für Nord Stream 2 zurück [12]. Offenbar wurden die Versicherer von den USA unter Druck gesetzt. Sie drohten, „Unternehmen zu untersuchen, die an potenziell sanktionswürdigen Aktivitäten beteiligt sind“. Sowohl Lloyd’s of London als auch Arch Insurance sind als Unternehmen aufgeführt, die vor den Drohungen zurückschreckten [13].

Das derzeitige rechtliche und geopolitische Umfeld der von den USA geführten, „regelbasierten“ globalen Ordnung könnte für die Angeklagten günstig sein: Der Westen sanktioniert Nord Stream 2, so dass es keinen Versicherungsschutz mehr hat, und zerstört es anschließend zusammen mit seiner Zwillingspipeline, Nord Stream 1. Bevor ein Gerichtsurteil ergeht, bei dem riesige westliche Versicherer bis zu 400 Millionen Euro zahlen müssten, könnte der Westen dann rückwirkend auch Nord Stream 1 sanktionieren.

Gleichzeitig ist die Dynamik des Prozesses für den Westen potenziell unangenehm. Es scheint, dass zwei gingantisch große westliche Versicherer rechtlich gezwungen sein werden, erhebliche Entschädigungen zu zahlen, wenn sie nicht nachweisen können, dass die Nord Stream-Sabotage von einer Regierung angeordnet und ausgeführt wurde. Der Schriftsatz der beklagten Versicherer verweist auf den russisch-ukrainischen Krieg, erwähnt aber nicht die Möglichkeit russischer Selbst-Sabotage. Dies könnte als Eingeständnis gewertet werden, dass nicht Russland, sondern ein westlicher Staat der Täter dieses Anschlags war.

Da die Versicherungspolice offenbar „Terrorismus“, nicht aber „Krieg“ abdeckt, wäre eine Entschädigung des Klägers nur möglich, wenn der Anschlag als ersteres eingestuft wird. Aber auch wenn die Versicherung nur Terrorismus abdeckt, muss unterschieden werden, ob ein Staat beteiligt ist oder nicht.

„Selbst wenn es sich bei der Sabotage um einen terroristischen Akt handelt, kann hinter der Tat ein Staat oder eine Privatunternehmung stecken“, so Dr. Mahmoudi. „Wenn es eine Privatunternehmung war, wäre die Versicherungsgesellschaft die einzige Quelle für die Entschädigung der Schäden; wenn ein Staat für den terroristischen Akt verantwortlich ist, sind theoretisch sowohl die Versicherungsgesellschaft als auch der Staat rechtlich zu Schadensersatz verpflichtet.“

Sowohl der Beklagte als auch der Kläger in diesem Fall scheinen zu argumentieren, dass die Verpflichtung, nachzuweisen, dass der Angriff von einer Regierung angeordnet wurde, bei der anderen Partei liegt. In der Regel liegt die Beweislast dafür, dass eine Versicherungspolice gilt und daher Schäden abdeckt, beim Versicherten.

Der Kläger argumentiert dagegen, dass es der Beklagte ist, der beweisen muss, dass die Police den Schaden nicht deckt. Dafür beruft sich der Kläger auf die Bestimmung, dass „im Falle eines Auslegungskonflikts zwischen den Allgemeinen Bedingungen und den spezifischen Versicherungsbedingungen … die weitestmögliche Auslegung zugunsten des Versicherten immer Vorrang haben sollte“, heißt es im Schriftsatz des Klägers [14].

Dr. Mahmoudi bestätigt dies:

„Die normale Reihenfolge der Beweisführung, wie der Schaden entstanden ist, ist in solchen Fällen nicht anwendbar. Es handelt sich nicht um versichertes Gepäck, das während einer Flugreise beschädigt wird und der Geschädigte beweisen muss, dass der Schaden vorher nicht vorhanden war, sondern während der Reise entstanden ist. Es ist der Versicherer, der beweisen muss, dass eine der Ausnahmen des Versicherungsvertrags zutrifft, nicht umgekehrt.“

Die beklagten Versicherer bestreiten, dass es einen Unterschied zwischen einer „eigenständigen Machtstruktur“ und „der Regierung“ gibt, und argumentieren, dass sie nicht zahlungspflichtig sind, weil die Täter auf jeden Fall einer Regierung unterstanden. Es scheint darüber hinaus äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, für die Anwälte der Versicherten zu beweisen zu sein, dass der Angriff auf Anweisung einer „eigenständigen Machtstruktur“ und nicht einer Regierung geplant und durchgeführt wurde.

Selbst wenn es gelänge, einen Richter davon zu überzeugen, dass die Saboteure nur im Auftrag einer „eigenständigen Machtstruktur“ handelten, hätte dies keinen Einfluss auf ein bevorstehendes Gerichtsurteil, so Dr. Mahmouds Verständnis der Anwendung des Völkerrechts auf diesen Fall, worüber bisher noch nicht berichtet wurde.

„Es gibt keinen Unterschied zwischen ,eigenständiger Machtstrukturʻ und ,der Regierungʻ in diesem Zusammenhang“, so Dr. Mahmoudi. „Sie sind ein und dasselbe und unterscheiden sich als solche von privaten und kommerziellen Handlungen/Agenten.“

Dass es im Zusammenhang mit der Klage keine rechtliche Unterscheidung zwischen „eigenständiger Machtstruktur“ und „der Regierung“ gibt, wurde bisher noch nicht berichtet.

Die Nord Stream AG ist kein rein russisches Unternehmen, sondern ein internationales Konsortium, an dem neben deutschen, französischen und niederländischen Energieunternehmen auch die russische Gazprom mit 51% beteiligt ist. Mit anderen Worten: Um eine gigantische Entschädigungsverpflichtung zu vermeiden, wird man die westlichen Versicherer wahrscheinlich zum Nachweis verpflichten, dass eine westliche Nation kritische Infrastruktur im Wert von rund 10 Milliarden Euro zerstört hat – die zu 49% westlichen Unternehmen gehört.

Deutschland ist eines von drei Ländern, die die Sabotage untersuchen. Zwei deutsche Energieunternehmen waren an Nord Stream 1 beteiligt. (Schweden und Dänemark sind die beiden anderen Länder, aber beide haben ihre Untersuchungen im Februar eingestellt, ohne den Täter zu entlarven. [15])

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Versicherer in diesem Szenario, bei dem die beklagten Versicherer die Verantwortung für den Angriff nachweisen müssen, um vor Gericht zu bestehen? Können sie Deutschland, Schweden und/oder Dänemark verklagen, weil sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen des Sabotageakts nicht offengelegt haben? Und kann der Kläger die gleichen Länder ebenfalls verklagen, weil sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zurückhalten?

Es wurde bisher nicht berichtet, ob die Antwort „Nein“ lautet.

Dazu sagte Dr. Mahmoudi: „Keiner dieser Staaten ist rechtlich verpflichtet, die Ergebnisse seiner Untersuchungen offenzulegen. Der Streit zwischen der Nord Stream AG und der Versicherungsgesellschaft ist rein kommerzieller Natur, auch wenn der Kläger hauptsächlich staatlich ist.“

Was ist mit den Anlegern? Könnten die Anleger, die möglicherweise Milliarden verloren haben, eines oder alle der drei untersuchenden Länder verklagen?

Laut Dr. Mahmoudi ist die Antwort auf diese „interessante rechtliche Frage“ alles andere als eindeutig. Er zitiert das Fallrecht für Präzedenzfälle, bezeichnete jedoch alle rechtlichen Schritte als „ferne Möglichkeit“ für Investoren und beschrieb sie als „langwieriges und unsicheres Verfahren“.

Dr. Mahmoudi fährt fort: „Ein Staat, dessen Bürger Mehrheitsaktionäre eines Unternehmens sind, kann einen anderen Staat vor dem Internationalen Gerichtshof verklagen, der für große finanzielle Verluste dieser Bürger infolge einer nationalen Entscheidung, welche gegen das Völkerrecht verstößt, verantwortlich ist“.

Einige Bedingungen müssen erfüllt sein. Ein Staat muss sich bereit erklären, seinen Staatsangehörigen das Klagerecht zu gewähren, und dieser Schutz kann nur den eigenen Staatsbürgern gewährt werden, ohne dass der Staat dazu verpflichtet wäre. „Die Bürger Deutschlands, Schwedens und Dänemarks können sich also nicht auf diese Möglichkeit berufen“, so Dr. Mahmoudi.

Er fügte hinzu: „Normalerweise sind Staaten zurückhaltend, sich in solch kostspielige und ressourcenintensive Streitigkeiten einzumischen – zum Wohle ihrer eigenen Staatsangehörigen.“

Dennoch spiegelt der Rechtsstreit zwischen der Nord Stream AG und den westlichen Versicherern die enormen Irreführungen, die die Nord Stream-Sabotage insgesamt umgeben, wider. Für Dänemark, Schweden und Deutschland wäre es demütigend zuzugeben, dass der Täter entweder die USA oder die Ukraine ist oder beide gemeinsam handelten. Und sollte eines der drei untersuchenden Länder die Sabotage der Ukraine zuschreiben, käme dies einem Eingeständnis gleich, dass das Land, welches sie im Konflikt mit Russland unterstützen, eine Kriegshandlung gegen sie begangen hat.

Würden die Vereinigten Staaten als Täter ausgemacht werden, würde dies bedeuten, dass der angebliche Garant der europäischen Sicherheit einen Angriff auf seine eigenen Protektorate verübt hat. Die Wahrheit zu sagen, wäre beschämend.

Quellen:

[1] Dropbox, Klageerwiderung der Beklagten Versicherungen <https://www.dropbox.com/scl/fi/y8ezf3pjdjpp2npp7fpog/2024-04-08-Nord-Stream-v-1-LIC-and-2-Arch-CL-2024-000094-Defence.pdf?rlkey=tpptejx0c9d7c2ncjposv9l9a&e=1&dl=0>
[2] X, Nutzerprofil Erkperk am 16.04.2024 <https://twitter.com/Erkperk/status/1780295791476605061>
[3] The New York Times, „Intelligence Suggests Pro-Ukrainian Group Sabotaged Pipelines, U.S. Officials Say“ von  <https://www.nytimes.com/2023/03/07/us/politics/nord-stream-pipeline-sabotage-ukraine.html>
[4] Expressen.se, „Misstänkta spåren från sabotaget mot Nord Stream“ von Mattias Carlsson <https://www.expressen.se/nyheter/misstankta-sparen-fran-sabotaget-mot-nord-stream/>
[5] Substack, Jeffrey Brodsky „Lab Analysis Does Not Detect Explosives Used in Nord Stream Sabotage. Did Someone Clean Up the Crime Scene?“ am 03.08.2023 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/lab-analysis-does-not-detect-explosives>
[6] Substack, Jeffrey Brodsky „What Is and What Isn’t Known About the Nord Stream Sabotage*“ am 30.1.2023 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/what-is-and-what-isnt-known-about>
[7] The Nordic Times, „Independent investigator: Elements of UK government behind Nord Stream attacks“ von Redaktionsteam am 13.02.2024 <https://nordictimes.com/world/independent-investigator-elements-of-uk-government-behind-nord-stream-attacks/>
[8] Substack, Seymour Hersh, „How America Took Out The Nord Stream Pipeline“ am 08.02.2023 <https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream>
[9] Zeit Online, „Who Blew up Nord Stream?“ von Luisa Hommerich, Holger Stark und Fritz Zimmermann am 26.09.2023 <https://www.zeit.de/politik/2023-09/nord-stream-pipelines-attack-anniversary-english>
[10] The Washington Post, „Ukrainian military officer coordinated Nord Stream pipeline attack“ von Shane Harris und Isabelle Khurshudyan  am 11.11.2023 <https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/11/11/nordstream-bombing-ukraine-chervinsky/>
[11] The Washington Post, „U.S. had intelligence of detailed Ukrainian plan to attack Nord Stream pipeline“ von Shane Harris und Souad Mekhennet am 06.06.2023 <https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/06/06/nord-stream-pipeline-explosion-ukraine-russia/>
[12] Reuters, „Exclusive: Baker Hughes, AXA Group, 16 others quit Nord Stream 2 pipeline – U.S.“ von Timothy Gardner am 24.02.2021 <https://www.reuters.com/article/idUSKBN2AO280/>
[13] i-law, 15 INSURERS WITHDRAW SUPPORT FOR NORD STREAM PIPELINE <https://www.i-law.com/ilaw/doc/view.htm?id=416538>
[14] Dropbox, Klageschrift des Klägers „Nord Stream AG“ <https://www.dropbox.com/scl/fi/bwzuufsq60caem7mwp4n8/CL-2024-000094-Amended-Particulars-of-Claim.pdf?rlkey=fn490p6gx8zhwie2nla31i77f&e=1&dl=0>
[15] Substack, Jeffrey Brodsky „As Denmark and Sweden Close Their Nord Stream Probes, the Countries’ Politicians Abet the Cover-Up*“ am 05-03.2024 <https://jeffreyabrodsky.substack.com/p/as-denmark-and-sweden-close-their>