Symbolbild (kleinerda / Fotocommunity / CC BY-NC-ND 4.0)

Russland braucht eine neue Strategie

Ich bin ein Deutscher, der Sympathien für Russland und Interesse daran hat, dass Konflikte friedlich gelöst werden, insbesondere dass der dritte Weltkrieg nicht voll ausbricht. Dies veranlasst mich zu schreiben. Ich habe keinerlei Verständnis für die Kriegstreiber in der NATO, ihre verantwortungslosen Eskalationen und die endlose Kette von Lügen, welche die westliche Propaganda zur Rechtfertigung des Krieges gegen Russland produziert. Was die Ursachen des Konfliktes betrifft, stimme ich also weitestgehend mit der russischen Sicht der Dinge überein.

Von Rational Peacekeeper Pseudonym , veröffentlicht am: 29. September 2024, Kategorien: Krieg & Frieden

Lizenz: Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Allerdings gebietet eine rationale Sicht der Dinge auch, die bisherigen Ergebnisse der „Speziellen Militäroperation“, aus der leider ein Krieg geworden ist, ehrlich zu evaluieren. Dies legt eine Änderung der bisherigen Strategie nahe, die weiteren Schaden von Russland abwenden und das Risiko einer weltweiten Eskalation minimieren soll.

Beginnen wir mit den ursprünglichen Zielen und den bisherigen Resultaten.

1. Entnazifizierung

Leider wurde hier nicht viel erreicht. Das Kiewer Regime agiert verbrecherischer als je zuvor und die westlichen Länder wurden mit einer Russophobie vergiftet, welche die Beziehungen auf Jahrzehnte zerstört haben. Das Sähen von Hass zwischen den Völkern ist nicht Russlands Schuld, aber dennoch ein Resultat.

2. Entmilitarisierung

Es ist richtig, dass viele Waffen in der Ukraine zerstört wurden. Aber durch den ungebremsten Zustrom von neuen westlichen Waffen ist das Land damit mehr vollgepumpt als je zuvor, und zwar mit Waffen, die nicht nur moderner und gefährlicher sind, sondern auch erheblichen Schaden in Russland verursachen.

3. Verhinderung des NATO-Beitritts

Hier gibt es zwei Aspekte. Man will keine Grenze zur NATO, die nur 500 km von Moskau entfernt ist? Mit dem Beitritt von Schweden und Finnland ist die Grenze nun 100 km von Petersburg entfernt und 1300 km länger geworden. Soviel zur Geographie. Weiter, was bedeutet „NATO-Mitglied“? Ein Stück Papier, unterschrieben von Leuten, denen ohnehin nicht zu trauen ist? In der Realität ist die Ukraine längst Mitglied. Die Militärstrukturen sind in die NATO integriert, NATO-Waffen werden geliefert, NATO-Söldner und Ausbilder sind in der Ukraine, die NATO liefert Aufklärung, die Finanzierung sowieso. Wo ist der Unterschied? Man fürchtet den Beistand der NATO-Länder nach Artikel 5? Sie führen ja bereits Krieg gegen Russland.

4. Wirtschaftskrieg

Kein Ziel der SMO, aber ein Ergebnis. Russland wurden 300 Milliarden Dollar gestohlen, ein unfassbarer Betrag. Dazu kommen die Schäden an der Infrastruktur wie Nord Stream und in der Ölindustrie. Hat der Westen auch Kosten? Ja, aber sie sind auf zehnmal so vielen Schultern verteilt. Das Schöne am Krieg ist ja, dass er allen schadet außer den Profiteuren in der Energie- und Waffenindustrie. Dieser Gegner, der militärisch-industrielle Komplex der USA, ist strategisch gestärkt.

5. Ist das Weltkriegsrisiko geringer geworden?

Die Geschichte wird es zeigen, aber es fühlt sich wesentlich gefährlicher als die Kuba-Krise an. Russlands Frühwarnsysteme sind beschädigt, die Vorwarnzeiten sind geringer. Außerdem hat die SMO zum Aufblühen der westlichen Propaganda geführt. Russland hat Hass gewonnen, aber Respekt verloren, und der Westen offenbar die Angst vor Krieg.

6. Übergang zur multipolaren Weltordnung?

Eine schöne Theorie, aber nicht mehr. Nicht immer setzen sich die Guten durch, und die Sympathie afrikanischer Staatsoberhäupter wird wenig helfen, solange die USA technologisch im Vorsprung sind und man ihnen erlaubt, diesen Krieg weiterzuführen. Die weitere globale Entwicklung, insbesondere mit künstlicher Intelligenz, ist völlig unvorhersehbar.

7. Neue Territorien

Russland kann das als Gewinn sehen, obwohl der Wiederaufbau Geld kostet. Für den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung müsste aber wenigstens Odessa, Charkow, Saporischschja dazukommen. Dies bleibt unrealistisch, vor allem wenn man die Bevölkerung, die man schützen will, mit Bomben bewerfen müsste. Das weiß man seit den ersten Tagen des Krieges.

Gegen all dies kann man einwenden, dass die SMO noch nicht zu Ende ist, aber Ihre Ziele irgendwann erreicht werden. Die Einnahme von Mariupol, Severodonetzk und Lissitschansk gelang noch relativ schnell. Aber mit dem Zustrom der westlichen Waffen wurde sie so verlangsamt, die Rückschläge noch gar nicht eingerechnet, dass ein Ende des Krieges durch das stetige Vorrücken russischer Truppen völlig unrealistisch ist: rechnet man in Quadratkilometern pro Monat, würde das Erreichen der Kriegsziele mehr als 100 Jahre dauern. Natürlich kann man, wie optimistische Kommentatoren es seit zwei Jahren tun, von einem Zusammenbruch träumen. Aber die Unterstützung des Westens geht weiter und das Kiewer Regime kann das Rekrutierungsalter noch lange senken: bis zum letzten Ukrainer sind es noch viele blutige Jahre.

Fazit: Wenn eine Strategie nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, muss man sie ändern. Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten ist nach Albert Einstein die Definition von Wahnsinn. Nicht zufällig verachtete Einstein auch Krieg. Aber selbst eine nicht-pazifistische, rationale Sicht ergibt eindeutig: so wird der Krieg nicht beendet. Ein Fortdauern birgt unkalkulierbare Risiken, auch für Russland.

Die Grundfrage ist, ob man weiter Territorium unter Einsatz von Menschenleben erobern will. Braucht Russland mehr Quadratkilometer? Die meisten würden wohl bevorzugen, wenn ihre Angehörigen noch lebten. Wir müssen wieder zu den richtigen Maßstäben zurückfinden.

In diesem Sinne sollte eine Änderung der Strategie in drei Schritten erfolgen.

I. Keine Eroberung von Territorium mehr, die das Leben russischer Soldaten gefährdet. Das gilt sogar für den Oblast Kursk. Das mag bitter klingen, aber schließlich ist der Schaden durch die eigene Inkompetenz entstanden. Niemandem ist geholfen, wenn zu den Vertriebenen noch Tote kommen.

Diese Änderung sollte unbedingt klar kommuniziert werden. Das würde es dem Westen viel schwieriger machen, seine Lügen vom russischen Expansionsdrang aufrecht zu erhalten. Die Auseinandersetzung im Informationsraum hat Russland, angewidert von der westlichen Verlogenheit, bisher sträflich vernachlässigt. Aber nicht zu kommunizieren, ist schädlich und gefährlich.

In einem weiteren Schritt kann man auch darüber nachdenken, die Bombardierung ukrainischer Stellungen einzustellen, wenn von Ihnen keine Feindseligkeiten mehr ausgehen. Was bringt es, möglicherweise zwangsrekrutierte junge Kerle zu eliminieren?

Stattdessen sollten die Angriffe auf Waffensysteme, westliche Söldner und NATO-Militäreinrichtungen in der Ukraine intensiviert werden. Nur das tut den Aggressoren wirklich weh, tote Ukrainer sind Washington dagegen völlig egal. Werden die Angriffe auf Ukrainer eingestellt, stiegt vielleicht auch die Bereitschaft, bei der Informationsbeschaffung über NATO-Einrichtungen mit Russland zusammenzuarbeiten. Es sollte das Bewusstsein vermittelt werden, dass Russland gemeinsam mit vernünftigen Ukrainern gegen ein verbrecherisches Marionettenregime des Westens kämpft.

II. Vor dem dritten Schritt ist eine umfassende Informationsoffensive Russlands nötig. Die westlichen Regierungen agieren verantwortungslos und gegen die Interessen ihrer Länder, werden jedoch noch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt, die von korrupten und verlogenen Medien gehirngewaschen ist. Der Präsident müsste sich regelmäßig direkt an die Bevölkerungen des Westens wenden, gut synchronisiert in mehreren Sprachen und klarstellen, dass es sich um eine Verteidigung gegen eine NATO-Aggression handelt. Dabei müssen die Ziele des eigenen Handelns und die jeweils nächsten Schritte konkret benannt werden. Und natürlich müssen diesen Worten auch Taten folgen. Denn die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat überdeutlich gezeigt, dass abstrakte Warnungen von niemandem ernstgenommen werden.

III. Schließlich, und ich wiederhole, in dieser Reihenfolge, nach dem Einstellen eigener Eroberungen und ausreichender Kommunikation, muss sich Russland militärisch mehr gegen den eigentlichen Angreifer wehren. Ein absolutes Minimum dabei wäre der Abschuss von US-amerikanischen Drohnen über dem Schwarzen Meer, welche die nächsten Raketenangriffe vorbereiten. Auch im Westen müsste jeder halbwegs Vernunftbegabte dafür Verständnis aufbringen, einfach weil die NATO dort nichts verloren hat.

Ebenso kann niemand mit einem Rest von Gehirn – und davon gibt es sogar in Washington Leute – dies zum Vorwand nehmen, den dritten Weltkrieg zu beginnen. Vielmehr wird so eine angekündigte, begründete und berechtigte Reaktion Russlands die Falken endlich zur Reflexion bringen, mit welchem Feuer sie spielen. Es wäre ein erster Schritt, die verhängnisvolle Asymmetrie dieses Krieges aufzulösen: die NATO führt Krieg gegen Russland, aber Russland „nur“ gegen die Ukraine. Dies ähnelt einer psychologischen Übersprungshandlung: man nimmt nicht das eigentliche Problem in Angriff, sondern tut etwas, was scheinbar bequemer ist. Aber solange man dem Westen einen Poker ohne eigenen Einsatz erlaubt, bei dem die ganze Welt auf dem Spiel steht, werden die Kriegstreiber das Risiko weiter erhöhen.

Man muss nicht wie Karaganow den Einsatz von Atomwaffen fordern, aber seine Überlegungen haben eine wahre Grundlage.

Wenn nicht kleine Ventile russischer Gegenreaktion geöffnet werden, kommt es irgendwann zum großen Knall. Insofern muss sich Russland auch maßvolle, schrittweise, wohlbegründete und so kommunizierte Eskalationen vorbehalten.

Dazu gehören neben der Konzentration auf NATO-Waffenzentren in der Ukraine, auch irgendwann rein militärische Ziele in den NATO-Ländern selbst. Selbstverständlich nach der klaren Ansage: wir verteidigen uns gegen Eure Aggression, haltet euch von den Militäreinrichtungen fern. Wir bedauern jedes Opfer, aber Waffen, die gegen unser Land eingesetzt werden, werden wir kaputt machen. Das alles ist verständlich und, nimmt man nicht die Perspektive notorischer Lügner und Heuchler ein, sogar völkerrechtskonform.

Die Angst vor der Eskalation ist verständlich, aber alles andere ist Augenwischerei: wir befinden uns bereits im dritten Weltkrieg, und es geht nun darum, ihn nicht apokalyptisch zu entfesseln. Die Erfahrung seit 2022 zeigt eindeutig, dass die bisherige Strategie der Nicht-Reaktion die westlichen Führer zu Eskalationen ermutigt hat. Diese mögen ebenso hirn- wie verantwortungslos sein, aber es ist die traurige Realität.

Es gibt leider kein vorhersehbares Szenario für das Ende dieses Krieges. In absehbarer Zeit kann ihn keiner gewinnen, daher muss Russland zu einer Strategie übergehen, die es lange durchhalten kann: keine Offensive mehr, aber eine wirksame Defensive gegen den wahren Gegner.

Auch international würde man bei vernünftigen Staaten wie China, Indien oder auch Ungarn dafür Zustimmung bekommen. Und es wäre die wirksamste Waffe gegen das ukrainische Regime und die westlichen Kriegstreiber. Denn eines werden sie politisch sicher nicht überleben: ein Ende des Krieges und die nachfolgende Frage, wozu das alles gut gewesen sein soll.

Russland braucht eine neue Strategie

Von Rational Peacekeeper Pseudonym , veröffentlicht am: 29. September 2024, Kategorien: Krieg & Frieden

Lizenz: Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Symbolbild (kleinerda / Fotocommunity / CC BY-NC-ND 4.0)

Ich bin ein Deutscher, der Sympathien für Russland und Interesse daran hat, dass Konflikte friedlich gelöst werden, insbesondere dass der dritte Weltkrieg nicht voll ausbricht. Dies veranlasst mich zu schreiben. Ich habe keinerlei Verständnis für die Kriegstreiber in der NATO, ihre verantwortungslosen Eskalationen und die endlose Kette von Lügen, welche die westliche Propaganda zur Rechtfertigung des Krieges gegen Russland produziert. Was die Ursachen des Konfliktes betrifft, stimme ich also weitestgehend mit der russischen Sicht der Dinge überein.

Allerdings gebietet eine rationale Sicht der Dinge auch, die bisherigen Ergebnisse der „Speziellen Militäroperation“, aus der leider ein Krieg geworden ist, ehrlich zu evaluieren. Dies legt eine Änderung der bisherigen Strategie nahe, die weiteren Schaden von Russland abwenden und das Risiko einer weltweiten Eskalation minimieren soll.

Beginnen wir mit den ursprünglichen Zielen und den bisherigen Resultaten.

1. Entnazifizierung

Leider wurde hier nicht viel erreicht. Das Kiewer Regime agiert verbrecherischer als je zuvor und die westlichen Länder wurden mit einer Russophobie vergiftet, welche die Beziehungen auf Jahrzehnte zerstört haben. Das Sähen von Hass zwischen den Völkern ist nicht Russlands Schuld, aber dennoch ein Resultat.

2. Entmilitarisierung

Es ist richtig, dass viele Waffen in der Ukraine zerstört wurden. Aber durch den ungebremsten Zustrom von neuen westlichen Waffen ist das Land damit mehr vollgepumpt als je zuvor, und zwar mit Waffen, die nicht nur moderner und gefährlicher sind, sondern auch erheblichen Schaden in Russland verursachen.

3. Verhinderung des NATO-Beitritts

Hier gibt es zwei Aspekte. Man will keine Grenze zur NATO, die nur 500 km von Moskau entfernt ist? Mit dem Beitritt von Schweden und Finnland ist die Grenze nun 100 km von Petersburg entfernt und 1300 km länger geworden. Soviel zur Geographie. Weiter, was bedeutet „NATO-Mitglied“? Ein Stück Papier, unterschrieben von Leuten, denen ohnehin nicht zu trauen ist? In der Realität ist die Ukraine längst Mitglied. Die Militärstrukturen sind in die NATO integriert, NATO-Waffen werden geliefert, NATO-Söldner und Ausbilder sind in der Ukraine, die NATO liefert Aufklärung, die Finanzierung sowieso. Wo ist der Unterschied? Man fürchtet den Beistand der NATO-Länder nach Artikel 5? Sie führen ja bereits Krieg gegen Russland.

4. Wirtschaftskrieg

Kein Ziel der SMO, aber ein Ergebnis. Russland wurden 300 Milliarden Dollar gestohlen, ein unfassbarer Betrag. Dazu kommen die Schäden an der Infrastruktur wie Nord Stream und in der Ölindustrie. Hat der Westen auch Kosten? Ja, aber sie sind auf zehnmal so vielen Schultern verteilt. Das Schöne am Krieg ist ja, dass er allen schadet außer den Profiteuren in der Energie- und Waffenindustrie. Dieser Gegner, der militärisch-industrielle Komplex der USA, ist strategisch gestärkt.

5. Ist das Weltkriegsrisiko geringer geworden?

Die Geschichte wird es zeigen, aber es fühlt sich wesentlich gefährlicher als die Kuba-Krise an. Russlands Frühwarnsysteme sind beschädigt, die Vorwarnzeiten sind geringer. Außerdem hat die SMO zum Aufblühen der westlichen Propaganda geführt. Russland hat Hass gewonnen, aber Respekt verloren, und der Westen offenbar die Angst vor Krieg.

6. Übergang zur multipolaren Weltordnung?

Eine schöne Theorie, aber nicht mehr. Nicht immer setzen sich die Guten durch, und die Sympathie afrikanischer Staatsoberhäupter wird wenig helfen, solange die USA technologisch im Vorsprung sind und man ihnen erlaubt, diesen Krieg weiterzuführen. Die weitere globale Entwicklung, insbesondere mit künstlicher Intelligenz, ist völlig unvorhersehbar.

7. Neue Territorien

Russland kann das als Gewinn sehen, obwohl der Wiederaufbau Geld kostet. Für den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung müsste aber wenigstens Odessa, Charkow, Saporischschja dazukommen. Dies bleibt unrealistisch, vor allem wenn man die Bevölkerung, die man schützen will, mit Bomben bewerfen müsste. Das weiß man seit den ersten Tagen des Krieges.

Gegen all dies kann man einwenden, dass die SMO noch nicht zu Ende ist, aber Ihre Ziele irgendwann erreicht werden. Die Einnahme von Mariupol, Severodonetzk und Lissitschansk gelang noch relativ schnell. Aber mit dem Zustrom der westlichen Waffen wurde sie so verlangsamt, die Rückschläge noch gar nicht eingerechnet, dass ein Ende des Krieges durch das stetige Vorrücken russischer Truppen völlig unrealistisch ist: rechnet man in Quadratkilometern pro Monat, würde das Erreichen der Kriegsziele mehr als 100 Jahre dauern. Natürlich kann man, wie optimistische Kommentatoren es seit zwei Jahren tun, von einem Zusammenbruch träumen. Aber die Unterstützung des Westens geht weiter und das Kiewer Regime kann das Rekrutierungsalter noch lange senken: bis zum letzten Ukrainer sind es noch viele blutige Jahre.

Fazit: Wenn eine Strategie nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, muss man sie ändern. Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten ist nach Albert Einstein die Definition von Wahnsinn. Nicht zufällig verachtete Einstein auch Krieg. Aber selbst eine nicht-pazifistische, rationale Sicht ergibt eindeutig: so wird der Krieg nicht beendet. Ein Fortdauern birgt unkalkulierbare Risiken, auch für Russland.

Die Grundfrage ist, ob man weiter Territorium unter Einsatz von Menschenleben erobern will. Braucht Russland mehr Quadratkilometer? Die meisten würden wohl bevorzugen, wenn ihre Angehörigen noch lebten. Wir müssen wieder zu den richtigen Maßstäben zurückfinden.

In diesem Sinne sollte eine Änderung der Strategie in drei Schritten erfolgen.

I. Keine Eroberung von Territorium mehr, die das Leben russischer Soldaten gefährdet. Das gilt sogar für den Oblast Kursk. Das mag bitter klingen, aber schließlich ist der Schaden durch die eigene Inkompetenz entstanden. Niemandem ist geholfen, wenn zu den Vertriebenen noch Tote kommen.

Diese Änderung sollte unbedingt klar kommuniziert werden. Das würde es dem Westen viel schwieriger machen, seine Lügen vom russischen Expansionsdrang aufrecht zu erhalten. Die Auseinandersetzung im Informationsraum hat Russland, angewidert von der westlichen Verlogenheit, bisher sträflich vernachlässigt. Aber nicht zu kommunizieren, ist schädlich und gefährlich.

In einem weiteren Schritt kann man auch darüber nachdenken, die Bombardierung ukrainischer Stellungen einzustellen, wenn von Ihnen keine Feindseligkeiten mehr ausgehen. Was bringt es, möglicherweise zwangsrekrutierte junge Kerle zu eliminieren?

Stattdessen sollten die Angriffe auf Waffensysteme, westliche Söldner und NATO-Militäreinrichtungen in der Ukraine intensiviert werden. Nur das tut den Aggressoren wirklich weh, tote Ukrainer sind Washington dagegen völlig egal. Werden die Angriffe auf Ukrainer eingestellt, stiegt vielleicht auch die Bereitschaft, bei der Informationsbeschaffung über NATO-Einrichtungen mit Russland zusammenzuarbeiten. Es sollte das Bewusstsein vermittelt werden, dass Russland gemeinsam mit vernünftigen Ukrainern gegen ein verbrecherisches Marionettenregime des Westens kämpft.

II. Vor dem dritten Schritt ist eine umfassende Informationsoffensive Russlands nötig. Die westlichen Regierungen agieren verantwortungslos und gegen die Interessen ihrer Länder, werden jedoch noch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt, die von korrupten und verlogenen Medien gehirngewaschen ist. Der Präsident müsste sich regelmäßig direkt an die Bevölkerungen des Westens wenden, gut synchronisiert in mehreren Sprachen und klarstellen, dass es sich um eine Verteidigung gegen eine NATO-Aggression handelt. Dabei müssen die Ziele des eigenen Handelns und die jeweils nächsten Schritte konkret benannt werden. Und natürlich müssen diesen Worten auch Taten folgen. Denn die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat überdeutlich gezeigt, dass abstrakte Warnungen von niemandem ernstgenommen werden.

III. Schließlich, und ich wiederhole, in dieser Reihenfolge, nach dem Einstellen eigener Eroberungen und ausreichender Kommunikation, muss sich Russland militärisch mehr gegen den eigentlichen Angreifer wehren. Ein absolutes Minimum dabei wäre der Abschuss von US-amerikanischen Drohnen über dem Schwarzen Meer, welche die nächsten Raketenangriffe vorbereiten. Auch im Westen müsste jeder halbwegs Vernunftbegabte dafür Verständnis aufbringen, einfach weil die NATO dort nichts verloren hat.

Ebenso kann niemand mit einem Rest von Gehirn – und davon gibt es sogar in Washington Leute – dies zum Vorwand nehmen, den dritten Weltkrieg zu beginnen. Vielmehr wird so eine angekündigte, begründete und berechtigte Reaktion Russlands die Falken endlich zur Reflexion bringen, mit welchem Feuer sie spielen. Es wäre ein erster Schritt, die verhängnisvolle Asymmetrie dieses Krieges aufzulösen: die NATO führt Krieg gegen Russland, aber Russland „nur“ gegen die Ukraine. Dies ähnelt einer psychologischen Übersprungshandlung: man nimmt nicht das eigentliche Problem in Angriff, sondern tut etwas, was scheinbar bequemer ist. Aber solange man dem Westen einen Poker ohne eigenen Einsatz erlaubt, bei dem die ganze Welt auf dem Spiel steht, werden die Kriegstreiber das Risiko weiter erhöhen.

Man muss nicht wie Karaganow den Einsatz von Atomwaffen fordern, aber seine Überlegungen haben eine wahre Grundlage.

Wenn nicht kleine Ventile russischer Gegenreaktion geöffnet werden, kommt es irgendwann zum großen Knall. Insofern muss sich Russland auch maßvolle, schrittweise, wohlbegründete und so kommunizierte Eskalationen vorbehalten.

Dazu gehören neben der Konzentration auf NATO-Waffenzentren in der Ukraine, auch irgendwann rein militärische Ziele in den NATO-Ländern selbst. Selbstverständlich nach der klaren Ansage: wir verteidigen uns gegen Eure Aggression, haltet euch von den Militäreinrichtungen fern. Wir bedauern jedes Opfer, aber Waffen, die gegen unser Land eingesetzt werden, werden wir kaputt machen. Das alles ist verständlich und, nimmt man nicht die Perspektive notorischer Lügner und Heuchler ein, sogar völkerrechtskonform.

Die Angst vor der Eskalation ist verständlich, aber alles andere ist Augenwischerei: wir befinden uns bereits im dritten Weltkrieg, und es geht nun darum, ihn nicht apokalyptisch zu entfesseln. Die Erfahrung seit 2022 zeigt eindeutig, dass die bisherige Strategie der Nicht-Reaktion die westlichen Führer zu Eskalationen ermutigt hat. Diese mögen ebenso hirn- wie verantwortungslos sein, aber es ist die traurige Realität.

Es gibt leider kein vorhersehbares Szenario für das Ende dieses Krieges. In absehbarer Zeit kann ihn keiner gewinnen, daher muss Russland zu einer Strategie übergehen, die es lange durchhalten kann: keine Offensive mehr, aber eine wirksame Defensive gegen den wahren Gegner.

Auch international würde man bei vernünftigen Staaten wie China, Indien oder auch Ungarn dafür Zustimmung bekommen. Und es wäre die wirksamste Waffe gegen das ukrainische Regime und die westlichen Kriegstreiber. Denn eines werden sie politisch sicher nicht überleben: ein Ende des Krieges und die nachfolgende Frage, wozu das alles gut gewesen sein soll.