01/2025

Magazin

Grönland on the rocks

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Macht und Recht

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Donald Trump beginnt seine Amtsperiode mit einem Feuerwerk präsidentieller Erlasse und Ankündigungen. Man kann seine Aktivitäten auch als unkontrolliertes Abbrennen von Knallfröschen im Wohnzimmer bezeichnen, die Beurteilung hängt von der Perspektive ab. Trump will Grönland kaufen oder erobern, den Panamakanal heim ins Reich holen, Biden und Blinken die Sicherheitsstufe entziehen, Kanada zum Bundesstaat machen, Südafrika sanktionieren, weil es mit seiner Anklage gegen Netanyahu und Israel vor dem Internationalen Staatsgerichtshof erfolgreich war und Gaza in ein US-Immobilienprojekt umwandeln. Dort sollen Luxuswohnungen am Meer entstehen – nach dem Genozid an etwa einer halben Million Palästinenser und der Abschiebung von 1,7 Millionen überlebenden Einwohnern in umliegende Länder. Trump behauptete, dass „alle seinen Gaza-Plan lieben“. Diese Behauptung überlebte den Realitätscheck nicht einmal 24 Stunden. Mittlerweile ist seine Pressesprecherin in Sachen Gaza wieder zurückgerudert.

Wie regiert die US-Bevölkerung der USA auf Trumps Ankündigungen und Erlasse?

Nach einer Umfrage des TV-Senders CBS ist sie zufrieden mit Trumps Führungsstil. 69% nennen Trump hart, 63% energisch, 60% fokussiert, 58% effektiv. 54% befürworten seinen Umgang mit Israel und der Hamas, 53% bewerten ihn als Präsident positiv, 64% loben seinen Plan, US-Militär an die mexikanische Grenze zu verlegen, 70% sagen, dass er seine Wahlversprechen einhält.

Make America great again – unter diesem Leitsatz ist Trump angetreten. Möglicherweise werden die USA durch Trumps Politik räumlich größer. Aber großartig, bewundert, zum weltweiten Sehnsuchtsort, werden sie so nicht wieder.

Wir wissen, dass im Weißen Haus der dort gerne zitierte Satz aus dem Melierdialog des Thukydides gilt, des ersten Historikers der westlichen Welt. „Die Starken tun, was sie wollen, die Schwachen erleiden, was sie müssen.“ Das ist der Kern der „Regelbasierten Ordnung des Westens“. Bereits der Begriff beweist, dass man die Herrschaft des Rechts nicht akzeptieren will, weswegen man eine wohlklingende Verschleierung des Grundsatzes: „Macht erzeugt Recht“ verwendet Die Herrschaft des Rechts aber ist der kategorische Gegenentwurf zum „Recht des Stärkeren“.

Die Herrschaft des Rechts wird gegenwärtig nicht vom Westen, sondern vom Globalen Süden und den BRICS Staaten eingefordert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow schrieb gerade in seinem Aufsatz „Die UN-Charta als Grundlage einer multipolaren Welt“: „Ein Ergebnis der Verhandlungen (in Yalta und Potsdam, Anm. der Red) war die Schaffung der Vereinten Nationen und die Genehmigung der UN-Charta, die bis heute die Hauptquelle des Völkerrechts bleibt. Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten legte die Grundlage für das Yalta-Potsdam-System: Keiner kann sich auf seine Dominanz berufen, da alle formal gleich sind, unabhängig von Territorium, Bevölkerung, militärischen Fähigkeiten oder anderen Merkmalen.“

Die schlichte Wahrheit ist: Die Heimat der Vernunft und des Willens zur Herrschaft des Rechts ist nicht mehr der Westen. Die UN-Charta muss heute gegen dessen Politik und gegen dessen Hegemon durchgesetzt werden.

Die Gretchenfrage für Deutswchland lautet: Auf welche Seite sollen wir uns in diesem Konflikt stellen? Was meinen Sie?

Ihr Dirk Pohlmann, Chefredakteur Free21

Inhalt der Ausgabe

  • Great Game in der Arktis

    Der neue US-Präsident Donald Trump erklärte am Tag seiner Amtseinführung, dass es nötig sei, Grönland den USA hinzuzufügen und schloss auch den Einsatz des Militärs nicht aus. Sich Grönland einzuverleiben, sei laut Trump für die USA nicht nur aus nationalen Sicherheitsgründen eine Notwendigkeit, sondern wegen der dort herumfahrenden russischen und chinesischen ...weiterlesen

  • Der US-Dollar als Waffe

    Das wäre in der US-Politik nichts Neues. Ich vermute allerdings, dass das Hudsonsche Gesetz unter Trump seinen Höhepunkt erreicht: Jede Aktion der USA, die andere Länder angreift, neigt dazu, nach hinten loszugehen und am Ende mindestens doppelt so hohe Kosten für die amerikanische Politik zu verursachen. Wir haben erlebt, dass es ...weiterlesen

  • Das Jahr des Zeloten

    Bevor ich nun auf die Kavalkade des glupschäugigen Fanatismus eingehe, die dieses Jahr umfasste, möchte ich ein paar Worte zum Fanatismus sagen. Denn ich verstehe ihn. Ich verstehe die Anziehungskraft. Wir leben in chaotischen und verwirrenden Zeiten. Wir werden von Moment zu Moment mit widersprüchlichen Erzählungen, Fakten, Fiktionen, haltlosen Anschuldigungen, Unterstellungen, ...weiterlesen

  • Wie man die Linke in den Krieg lockt… – oder: „Antiimperialismus“ und „Decolonize Russia!“

    „Die Linke“, wenn man das mal so unstatthaft verallgemeinern darf, war in ihrer Gesamtheit nie pazifistisch. Im Gegenteil: Dezidiert pazifistische Positionen wurden nicht selten mit Hohn und Spott übergossen. Aber es gab zu allen Zeiten immer wieder große Persönlichkeiten, die zumindest gegen bestimmte Kriege unmissverständlich und wortgewaltig Position bezogen – und diesen Antikriegseinsatz ...weiterlesen

  • Journalismus im 21. Jahrhundert

    Tiefgreifender Wandel Journalisten müssen einen tiefgreifenden Wandel durchmachen, um den Herausforderungen und Hoffnungen unserer Zeit gerecht zu werden. Um es mit einem Begriff zu umschreiben, dem ich noch einige hinzufügen möchte, müssen sich Journalisten multipolar aufstellen, wenn sie ihren Augenblick, unseren Augenblick, in der Geschichte widerspiegeln sollen. Die Aufgabe des Journalisten ...weiterlesen

  • Wie die USA und Israel Syrien zerstörten … und es Frieden nannten

    In den berühmten Zeilen des römischen Historikers Tacitus heißt es: „Unter falschen Vorwänden zu plündern, zu morden und zu besetzen, nennen sie Imperium; und eine Wüste zu hinterlassen, nennen sie Frieden.“ In unserer Zeit sind es Israel und die USA, die eine Wüste schaffen und sie Frieden nennen. Die Geschichte ist ...weiterlesen

  • Imperiale Hybris in Syrien – und deren Folgen

    In gewisser Hinsicht war der Zusammenbruch vorhersehbar. Dass Assad seit einigen Jahren von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten beeinflusst wurde, war bekannt. Sie hatten ihn gedrängt, mit dem Iran und Russland zu brechen und sich dem Westen zuzuwenden. Seit etwa 3 bis 4 Jahren hatte er einen solchen Schritt vorsichtig ...weiterlesen

  • Die Hälfte möchte sterben

    Inmitten unerbittlicher israelischer Angriffe im Gaza-Streifen, die enorme physische und psychische Zerstörungen anrichten, ist in dieser Woche ein Bericht veröffentlicht worden. Danach glauben fast alle Kinder in der umkämpften palästinensischen Enklave, dass ihr Tod unmittelbar bevorsteht – und beinahe die Hälfte von ihnen will sterben. [1] Das in Gaza ansässige „Community ...weiterlesen

  • Unbequeme Wahrheiten

    Der vorliegende Artikel befasst sich mit den Realitäten in der Ukraine. Der Blickwinkel der Betrachtungen ist ein ukrainischer. Beim Lesen werden die Leser erstaunt feststellen, dass es ukrainische Sichtweisen gibt, die sie in der deutschsprachigen Mainstreamwelt nicht einmal andeutungsweise finden. Dabei entsprechen diese dem Denken eines sehr relevanten Teils der Bevölkerung ...weiterlesen

  • Olof Palme – Der Mord, das Motiv und die Vertuschung

    Der „Dissident Club of Stockholm“ traf sich mit dem emeritierten Professor Ola Tunander und dem Autor Gunnar Wall, um über die Ermordung des schwedischen Premierministers Olof Palme am 28. Februar 1986 zu sprechen. Ola Tunander ist eine führende Autorität auf den Gebieten psychologische Kriegsführung, verdeckte Operationen, politische Morde und dergleichen. Gunnar ...weiterlesen

  • „Through the Eyes of Love“: Ein anderer Blick auf die internationale Politik

    Aber warum ist gerade dieser Song über die Liebe so beliebt? Die Antwort darauf gibt uns das Lied selbst, denn darin heißt es: Der Blick „durch die Augen der Liebe“ lässt uns „die Wahrheit erkennen“. Nun widerspricht diese Idee allerdings der vorherrschenden Politik der internationalen Beziehungen. Danach sollen wir der Tatsache ...weiterlesen