Die polare Seidenstraße und die geplanten Verkehrs- und Transportkorridore. (Karte: Statista)

Von Tobias Augenbraun | veröffentlicht am 18. Februar 2025, Kategorie: Gesellschaft & Geschichte

Great Game in der Arktis

Die Arktis ist zum geopolitischen Schlachtfeld geworden. Die Zusammenarbeit von Russland und China bei der Entwicklung neuer kürzerer Transportkorridore betrachtet die USA als Gefahr ihrer globalen Dominanz und militarisiert den Konflikt in der Arktis. Im hohen Norden hat das große Spiel begonnen.

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Der neue US-Präsident Donald Trump erklärte am Tag seiner Amtseinführung, dass es nötig sei, Grönland den USA hinzuzufügen und schloss auch den Einsatz des Militärs nicht aus. Sich Grönland einzuverleiben, sei laut Trump für die USA nicht nur aus nationalen Sicherheitsgründen eine Notwendigkeit, sondern wegen der dort herumfahrenden russischen und chinesischen Kriegsschiffe auch notwendig für die internationale Sicherheit, da Dänemark nicht in der Lage sei, diese Schiffe aufzuhalten [1]. Damit machte er auch deutlich, dass er die Entwicklung neuer russisch-chinesischer Verkehrs- und Transportkorridore als Bedrohung der nationalen Sicherheit sieht und diese über Grönland kontrollieren oder eindämmen will. In einem 45-minütigen Telefonat mit der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen machte Trump laut europäischen Offiziellen, die über das Telefonat gebrieft wurden, „aggressiv und konfrontativ“ deutlich, wie ernst es ihm mit Grönland sei. Laut Aussagen eines ehemaligen dänischen Offiziellen in der Financial Times drohte Donald Trump mit „gezielten Zöllen“ gegen Dänemark [2]. Am Tag des Telefonats sagte Premierministerin Frederiksen:

„Ohne Zweifel gibt es ein großes Interesse an Grönland und der Region. Auf Grundlage des heute stattgefundenen Gesprächs gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es um weniger geht als das, was öffentlich verlautbart wurde.“

Aber mit Grönland allein möchte sich Trump nicht zufriedengeben. Er würde auch gerne Kanada als 51. Staat an die USA angliedern. Um Verhandlungen zu erzwingen, hat Trump im Oval Office am 20.01.2025 angekündigt, dass die USA ab dem 1. Februar 25 % Zölle auf alle Handelswaren aus Kanada verhängen werden. Im letzten Jahr importierten die USA Güter im Wert von 418 Milliarden Dollar aus Kanada, was etwa 30 % aller in die USA importierten Güter entspricht. Da dies auch für Zuliefererteile gilt, werden auch die Produktionskosten steigen. Diese Kosten werden dann an die Kunden weitergeben. Otto-Normal-Bürger ist hierbei nicht der Gewinner. [3]

Das Angliedern von Kanada und Grönland würde die USA zu einer großen arktischen Nation machen. Dies hat natürlich mit dem Großmacht-Wettbewerb in der Arktis zu tun und ist die Fortführung der Politik der Vorgänger-Regierung, die auf Konfrontation mit Russland und China setzte. Die Russen kontrollieren mehr als die Hälfte der arktischen Region. Mit Grönland und Kanada wären die USA weniger auf ihre arktischen Verbündeten angewiesen, hätten ihr Territorium erweitert und könnten sich strategisch wichtige Ressourcen sichern. Aus acht Anrainerstaaten der Arktis macht man so sechs. Mit dem NATO-Beitritt von Finnland und Schweden sind alle Arktis-Anrainerstaaten bis auf Russland in der NATO.

Über verschiedene Verteidigungsabkommen haben die USA aber auch direkten Zugang zu 36 Militärbasen in den nordeuropäischen Ländern. Zwei Militärbasen befinden sich im hohen Norden Norwegens – Ramsund und Evenes. Norwegen arbeitet zusammen mit den USA und Großbritannien, die sich selbst als nahe gelegensten Nachbarn der Arktis betrachten, an einem neuen Air Command Center, um eine gemeinsame Nordische Luftwaffe zu führen. Island beheimatete während des Kalten Krieges auf der Kevlavik Air Base sowohl US-amerikanische-Truppen als auch NATO-Truppen. 2006 beendete man das Abkommen, um es 2016 wieder zu reaktivieren. In Schweden erhalten die USA Zugang zu 17 schwedischen Militärbasen, vier davon befinden sich im Hohen Norden. Über ein Abkommen mit Finnland erhalten US-Truppen Zugang zu 15 finnischen Militärbasen. Das finnische Magazin Yle berichtete, dass das Abkommen eine dauerhafte Präsenz der US-Truppen und einen Rahmen für US-Operationen schaffe [4]. [5]

Quelle: https://free21abo.de/produkt/amerikas-geheimes-establishment-eine-einfuehrung-in-den-skull-bones-orden/

China und Russland: Eine strategische Partnerschaft

Diese Militarisierung ist vor allem gegen Russland und China gerichtet, um die Entwicklung beider Staaten aufzuhalten. China ist mittlerweile zum großen Hauptfeind der USA aufgestiegen, der die globale Vorherrschaft der USA überall auf der Welt herausfordert – auch in der Arktis. Mit den US-Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges haben die USA selbst dafür gesorgt, dass sich Russland ausschließlich nach Osten wendet und eine strategische Partnerschaft mit China eingegangen ist. Die russisch-chinesischen Beziehungen waren nie enger.

Im Kalten Krieg war es noch US-Strategie, genau diese Kooperation zu verhindern. Die USA wollten nicht, dass China und die Sowjetunion zusammenarbeiten und versuchten sie voneinander zu „trennen“, damit man kein unzähmbares „Monster“ schaffe, das die USA hinter sich lasse. Die Entscheidung, Peking und Moskau voneinander zu trennen, wurde von der Regierung Nixon getroffen, der diese Sicht auch in Fernsehinterviews vertrat. Henry Kissinger und George Bush setzten diese Strategie dann um, wie der Historiker Anthony Sutton in seinem im Jahr 1983 geschriebenen Buch Amerikas geheimes Establishment darlegt, das bei Free21 in einer überarbeiteten deutschen Übersetzung erschienen ist [6]. Sutton beschreibt, wie die USA China mit Technologie und Know-How aufgebaut haben, um China als Supermacht gegen die Sowjetunion in Stellung zu bringen.

1972 besuchte US-Präsident Richard Nixon China, um eine Annäherung voranzutreiben. Der Spiegel berichtete damals [7]:

„Beinahe zwangsläufig, so schien es, und mit zunehmendem Tempo, führt die Interessenlage Washington und Peking zum Ausgleich: China braucht Entlastung vom sowjetischen Druck, um sich dem inneren Aufbau und der begonnenen Öffnung gegenüber der Welt widmen zu können. Amerika braucht Entlastung vom chinesischen Druck, um sich vom asiatischen Kontinent absetzen zu können und sich die Optionen in der künftigen tri- oder multipolaren Weltpolitik offenzuhalten. Washington könnte künftig in der Lage sein, sowohl mit Peking als auch mit Moskau diplomatische Deals und Kompromisse zu schließen, während der Spielraum zwischen Peking und Moskau aufgrund des roten Glaubensstreits begrenzt erscheint — so jedenfalls dürften Nixon und Kissinger es sehen. Ein Amerika, das mit China einen Dialog führt, könnte sein Gewicht in Europa, dem Nahen Osten oder sonst wo auf der Welt ungehindert zur Geltung bringen — so dürften die Russen es sehen.“

Die Strategie schien aufzugehen. China und die Sowjetunion entfernten sich immer weiter voneinander. Der Kreml nannte den „Maoismus eine der gefährlichsten opportunistischen und antileninistischen Strömungen …“.

Der Spiegel zitierte Radio Moskau mit den Worten: „Es wird immer klarer, dass die chinesische Führung objektiv für eine Allianz mit dem USA-Imperialismus eintritt, um die Sowjetunion und andere Länder der sozialistischen Gemeinschaft sowie die internationale kommunistische Bewegung anzugreifen.“

Anthony Sutton schreibt in seinem bereits erwähnten Buch, dass China bis 2000 zu einer Supermacht werde und scheint die aktuelle Situation zwischen den USA auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite vorauszusehen:

„Wie wird Moskaus Reaktion auf diese dialektische Herausforderung ausfallen? Selbst ohne die traditionelle russische Paranoia wäre verständlich, würden sie sich deshalb etwas unwohl fühlen. Und wer kann schon sagen, ob die chinesischen Kommunisten nach der Jahrtausendwende nicht ihren Frieden mit Moskau machen und ihre Kräfte zusammenlegen werden, um die Super-Supermacht auszuschalten – die Vereinigten Staaten.“

Und nun, im Jahre 2025, haben es die Vereinigten Staaten geschafft, China und Russland in eine nie da gewesene Kooperation zu treiben. Dies wird vor allem in der Arktis deutlich, wo die Zusammenarbeit stetig zunimmt. Russland und China wurden von den USA in eine strategische Partnerschaft getrieben, in der das beidseitige Handelsvolumen immer weiter steigt.

Die dunkle Linie zeigt die Größe der Übung Arctic Defender in Alaska. Die gelben Linien zeigen die Größenordnungen der Übungsräume für den Luftkampf.
Bild: Bundeswehr, abgerufen am 4.2.2025 – 16:38:45, https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5820438/ce6755825730755490863a2757df3cb4/karte-deu-uebungsraum-data.jpg

Sicherung der „regelbasierten Ordnung“ in der Arktis

Russlands arktische Regionen sind dicht besiedelt und zum Teil stark industrialisiert. Zusammen mit China, das sich selbst als arktisnahe Nation betrachtet, entwickelt Russland die Northern Sea Route (NSR), die Teil der „polaren Seidenstraße“ und somit ein Projekt der Belt and Road Initiative ist. Sie verbindet Asien und Europa miteinander. Diese Verbindung wird für einen Teil des Jahres für immer längere Zeit befahrbar, denn durch die 4-mal schnellere Erwärmung in der Arktis gegenüber dem Rest der Welt geht das Eis immer weiter zurück. Um die Route eisfrei zu halten, hat Russland die größte Flotte atomar betriebener Eisbrecher aufgebaut [8]. Die Chinesen haben ebenfalls 3 Eisbrecher, die in der Arktis zum Einsatz kommen [9]. Die NSR soll die Route durch den Suezkanal ersetzen und verkürzt die Transportzeit um 10-15 Tage. Diesen riesigen ökonomischen Vorteil für Russland und China wollen die USA nicht hinnehmen. Sie versuchen mit aller Macht, dies zu verhindern.

Geplant sind drei weitere Routen: die Nordwest Passage (NWP), die Transpolar Sea Route (TSR) und die Arctic Bridge Route (ABR). Die NWP verbindet den Pazifik und den Atlantik miteinander, benötigt allerdings auch im Sommer Eisbrecher, um die Route schiffbar zu halten. Die TSR und ABR bleiben vermutlich in den nächsten Jahrzehnten unbefahrbar, weshalb der Fokus vor allem auf der Entwicklung der Northern Sea Route liegt. [10]

Außer der ABR verlaufen alle Routen durch die Beringstraße zwischen Alaska (USA) und Russland. Wie Free21 bereits berichtete, wurde die Übung Arctic Defender unter Führung der Bundeswehr in Alaska durchgeführt, wobei der Bündnisfall der NATO gegen Russland geübt wurde. Dafür reiste der Verteidigungsminister Boris Pistorius nach Alaska und erzählte der versammelten Presse, wie wichtig es sei, Russland vor der eigenen Haustür in der Beringstraße abzuschrecken und Präsenz zu zeigen. [11]

Das ist ganz im Sinne der 2024 ausgearbeiteten Arktis-Strategie des US-Verteidigungsministeriums [12]. Darin wird deutlich, dass die USA vollkommen besessen von einer chinesischen Gefahr für die US-Hegemonie sind. Übungen wie Arctic Defender nehmen eine wichtige Rolle in der US-Strategie ein. Es gehe darum, Präsenz zu zeigen, zu zeigen, dass man zu militärischen Schritten greifen könnte.

Außerdem dient die Arktis laut US-Arktisstrategie 2024 „als Möglichkeit der Machtprojektion für Europa und ist entscheidend für die Verteidigung der atlantischen Seeverbindungen zwischen Nordamerika und Europa.“ Die einzigen, die von Transportkorridoren oder Seeverbindungen profitieren sollen, sind die USA.

In der Arktis geht es allerdings nicht nur um Verkehrs- und Transportkorridore, sondern es geht auch um Rohstoffe. Donald Trump unterschrieb eine Executive Order zur „Freilassung des außergewöhnlichen Ressourcenpotenzials Alaskas“ [13], um die Öl- und Gasförderung weiter auszubauen, aber auch andere wichtige strategische Rohstoffe abzubauen. Dies ist mit hohen Kosten und einem hohen Umweltrisiko verbunden [14]. Ob in Alaska wirklich viel mehr gefördert wird als bisher, hängt deshalb auch vom Ölpreis ab.

China ist an zwei Gasförderprojekten im arktischen Teil Russlands beteiligt – der Yamal LNG und der Arctic LNG 2 [15]. 80 Prozent der russischen Gasförderung, 20 Prozent der russischen Ölförderung und 40 Prozent der weltweiten Palladiumproduktion kommen aus der russischen Arktis. Die arktische Region macht für Russland etwa 10 % des BIP aus und ist für 20 % aller Exporte verantwortlich [16]. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist die russische Arktis außerdem reich an „Eisen, Bunt- und Edelmetallen sowie seltenen Metallen, Diamanten und Düngemittelrohstoffen“. Es gibt große Vorkommen an „Platingruppenmetallen, Diamanten, Apatit, Nickel, Seltenen Erden, Silber, Aluminium, Quecksilber, Antimon, Kupfer, Zinn, Wolfram, Gold und Kobalt“ [17]. Nun ist es möglich, die russischen Rohstoffe direkt über die NSR zu verschiffen.

Des Weiteren liegen laut US-Geological Survey in der Arktis ca. 12 % der weltweit noch nicht erschlossenen Ölreserven und etwa 32 % der weltweit noch nicht erschlossenen Gasreserven [18, 19]. Der Großteil dieser Reserven liegt in der arktischen Region Alaskas, im Barentssee Becken und in Westgrönland-Ostkanada. Es wird geschätzt, dass etwa 22 % aller unentdeckten und förderbaren Ressourcen der Welt in der Arktis liegen [20].

Grönland hat zwei riesige Seltene Erden-Vorkommen, die für die Entwicklung von Hochtechnologie essenziell sind. Beide liegen in Südgrönland. Das Erste ist das drittgrößte Seltene Erden-Feld der Welt, mit dem weltweit größten Vorkommen leichter Seltener Erden. Allerdings sind die dort vorkommenden Seltene Erden-Erze stark radioaktiv und das Feld ist mit 2,3 Mrd. Dollar Erschließungskosten das teuerste der Welt. Das zweite Feld hat das weltweit größte Vorkommen schwerer Seltener Erden [21]. Dazu kommen Vorkommen an Niob, Tantal, Gold, Eisen, Platingruppenmetalle, Blei, Zink und Molybdän [22]. Grönland besitzt außerdem zwei der weltweit größten Vorkommen an Nickel und Kobalt [23].

Kanada kann auf eine lange Bergbautradition zurückblicken. Sie entstand im 19. Jahrhundert, als nach Entdeckung der ersten Goldvorkommen in der nordamerikanischen Arktis ein Goldrausch ausbrach. Neben Gold wird auch Eisen, Blei, Zink, Kupfer, Diamanten und Edelmetalle abgebaut.

Durch das Abschmelzen des arktischen Eises werden diese Lagerstätten größtenteils erschließbar. Es ist ein Wettlauf um die strategischen Rohstoffe auf diesem Planeten entbrannt. Es geht nur darum, sich das größte Stück vom Kuchen zu sichern.

Die Rohstoffausbeutung und die Entwicklung der Northern Sea Route durch Russland und China waren auch die Treiber für die Aufstellung eines neuen US-Büros, das nur für die Arktis zuständig ist: The Arctic and Global Resilience Office. Dieses Büro setzt sich aus mehreren strategischen US-Kommandos zusammen: US-Northern Com­mand, European Command und Indo-Pacific Command (siehe Karte) [24]. Der nächste logische Schritt wäre die Aufstellung eines Arctic Command, das mit Personal aus diesen drei Kommandos gebildet wird. Die USA sind das einzige Land, das die Welt in militärische Kommandozonen aufteilt. Ein Zeichen für den Willen, die Welt zu beherrschen und der einzige Hegemon zu sein. Ein Imperium.

Die USA fürchten eine chinesische Dominanz durch neue Verkehrs- und Transportkorridore und wollen sich ein großes Stück vom Kuchen der fossilen Brennstoffe und strategisch wichtigen Rohstoffe sichern. Deshalb militarisieren sie die Arktis, um die „regelbasierte internationale Ordnung“ auch in der Arktis durchzusetzen [25]. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Interessen der USA. Erstens geht es um die Sicherung der US-Hegemonie durch Schwächung Russlands und Chinas, indem man z. B. die Verkehrs- und Transportwege versucht, unter Kontrolle zu bringen oder zumindest zu behindern. Zweitens geht es um Energiesicherheit, sprich: Sicherung der noch nicht erschlossenen Öl- und Gasfelder. Drittens geht es um die Sicherung strategisch wichtiger Rohstoffe wie Seltene Erden, die für neue Technologien unabdingbar sind. Es geht um riesige Profite, Einfluss und Macht.

(Karte: National Geospatial Intelligence Agency, Public Domain)

Die Gefährlichkeit des Kalten Krieges 2.0 am Beispiel Grönland

Im Kalten Krieg waren die wichtigsten strategischen Punkte in der Arktis: Grönland und Island. Die USA wollten ein „Vorbeischleichen“ der Sowjets in den Atlantik verhindern. Dafür errichteten sie in Grönland, das zum Königreich Dänemark gehört, die Thule Air Base (seit 2023: Pittuffik Space Base) und weitere US-Basen, auf denen seit 1951 amerikanische Soldaten stationiert sind. Die Amerikaner installierten auf der Thule Air Base ein Frühwarnradar, das vor ballistischen Raketen warnen soll und von NORAD überwacht wird. NORAD, das North American Aerospace Defense Command, wurde 1958 von Kanada und den USA ins Leben gerufen. Es wurde Teil des nuklearen Frühwarnsystems.

Aus strategischen Gründen ist Grönland sehr wichtig für die USA. Luftattacken der Russen müssten Grönland passieren, während die US-Amerikaner ihre Basen dort als Startpunkt für eigene Attacken gegen Russland nutzen könnten [26], so wie es General Curtis LeMay bereits Anfang 1956 tat.

Als Antwort auf den „Krieg der Worte“ des sowjetischen Führers Nikita Chruschtschow, also seine Forderung der „friedlichen Koexistenz“ der Systeme und seine Ambitionen, den Kapitalismus „einholen und überholen“ zu wollen, ließ General Curtis LeMay, damals Kommandeur des Strategic Air Command (SAC), fast tausend B-47 Bomber von Alaska und Grönland in Richtung Sowjetunion starten. Sie flogen über die Arktis direkt an die Grenze der Sowjetunion, um dann wieder umzudrehen. Die B-47 war ein mit Atombomben bestückbarer Bomber. Ob die Bomber Atombomben geladen hatten oder nicht, konnten die Sowjets nicht wissen, was für sie erschreckend gewesen sein muss, da sie von einem Erstschlag ausgehen mussten. Es war LeMays Versuch, einen Atomkrieg zu starten.

Am 21. März 1956 provozierte LeMay die Sowjets weiter und ließ umgebaute B-47-Bomber streng geheime Spionage-Missionen im Rahmen der Operation Home Run über die Arktis auf russisches Territorium und über die russische Tundra fliegen. Das Ziel war, die Sowjets zum Einschalten der Radare zu zwingen, um die Signale dann abzufangen und zur Analyse nach Hause zu schicken. Operation Home Run lief vom 21. März bis 10. Mai 1956 und es wurden 156 Missionen von der Thule Air Base auf das Territorium der Sowjetunion geflogen. Während die Operation lief, war die CIA besorgt darüber, dass LeMays aggressive Missionen zu einem nationalen Sicherheitsrisiko geworden sind. Der wissenschaftliche Berater empfahl US-Präsident Eisenhower, lieber U-2 Spionageflüge über der Sowjetunion durchzuführen. Als Curtis LeMay nach diesen gefährlichen Provokationen gegen die Sowjets gefragt wurde, antwortete er:

„Mit ein wenig mehr Glück hätten wir den 3. Weltkrieg starten können.“ [27]

1959 begannen die USA eine Erkundung des grönländischen Eises, um eine Untergrundbasis zu errichten, die sie Camp Century nannten [28]. Camp Century war eine Stadt, verborgen im Eis, mit eigener Kapelle, Laboratorien, Büros, Friseursalon, Wäscherei und Schlafsälen für Hunderte Menschen. Das ganze Camp wurde von einem Atomreaktor betrieben und wurde in der Öffentlichkeit als „nuklear betriebene Forschungsanlage“ beschrieben, in der in abgelegenen Gebieten geforscht wird. Als erster Schritt auf dem Weg zu einer Kolonie im All [29].

Tatsächlich war Camp Century Teil eines größeren Plans namens Operation Iceworm. Der Plan sah vor, im grönländischen Eis ein geheimes Tunnel-Netzwerk zu bohren und etwa 2.100 Raketensilos für ca. 600 Atomraketen zu errichten. Operation Iceworm wurde 1997 durch eine parlamentarische Untersuchung in Dänemark an die Öffentlichkeit gebracht [30]. Sie wussten allerdings nichts über Camp Century.

Die Eiskernbohrungen erreichten den Boden des Eisschildes im Jahr 1966, dem letzten Sommer, in dem Camp Century in Betrieb war. Die Eiskernforschung hat wichtige Informationen über das Klima der Vergangenheit geliefert, die bis in die Zwischeneiszeit des Eem zurückreichen.
(Foto: Af Ukendt/US Army, CC BY NC SA 4.0)

Der gesamte Plan konnte jedoch nicht vollständig umgesetzt werden, da die Planer wohl nicht bedacht hatten, dass sich Eis bewegt und nicht statisch ist, was das ganze Projekt schließlich platzen ließ. 1964 machte der Atomreaktor Probleme und wurde in die USA verbracht. 1966 zog die Armee aus Camp Century ab.

Die Armee hinterließ beim Abzug allerdings radioaktive und andere hochgiftige Abfälle, die eigentlich bis in alle Ewigkeit im Eis eingeschlossen bleiben sollten. Diese drohen heutzutage durch im Eis verlaufende Flüsse, ähnlich wie bei Gletschern und das Abschmelzen des Eises ins Meer zu gelangen. Die Sorgen vor einer riesigen Umweltkatastrophe und den Auswirkungen auf die Gesundheit kommender Generationen nehmen zu [31].

Am 21. Januar 1968 kam es etwa 13 km von der US-Luftwaffenbasis Thule entfernt zu einem Absturz eines B-52 Bombers, der vier Wasserstoffbomben an Bord hatte. Das Flugzeug war im Rahmen der in den 1960er-Jahren durchgeführten Operation Chrome Dome unterwegs. Dabei waren täglich und rund um die Uhr zwölf atomar bewaffnete Bomber in der Luft, um auf einen Erstschlag der Sowjetunion reagieren zu können.

Sechs Stunden nach dem Start der B-52 am 21. Januar 1968 kam es zu einem Feuer in der Kabine des Flugzeugs, woraufhin sich die Besatzung per Schleudersitz retten musste. Ein Besatzungsmitglied kam dabei ums Leben. Der B-52 Bomber stürzte auf das grönländische Eis. Die folgende Explosion führte glücklicherweise nicht zu einer atomaren Kettenreaktion, hatte aber die Wirkung einer schmutzigen Bombe, und das umliegende Eis wurde stark kontaminiert. Kontaminierte Eisschollen sanken auf den Meeresgrund, wodurch radioaktives Plutonium in die umliegenden Gewässer gelangte [32]. Eine radioaktive Wolke verseuchte die Region rund um das 7 km entfernte Dorf Narssarssuk. Die regulären atomaren Patrouillenflüge wurden dann 1968 eingestellt.

Die dänischen Rettungsteams wurden nicht über die Radioaktivität informiert und waren hohen Strahlendosen ohne Schutzausrüstung ausgesetzt. Dies führte zu Krebserkrankungen und Todesfällen. 1995 wurde festgestellt, dass 410 der 1.500 Arbeiter an Krebs verstorben sind. Unter dem Codenamen Crested Ice wurden Dekontaminationsmaßnahmen veranlasst, die laut Angaben der USA 90 % des Plutoniums beseitigten. Der Strahlenmüll wurde anschließend angeblich in die USA verbracht.

Der Vorfall wurde als Broken Arrow bezeichnet. Dieser Begriff wird vom US-Militär bei einem Unfall oder bei einem Verlust einer Atombombe verwendet. Und tatsächlich: Die dänischen und US-amerikanischen Aufräumtrupps fanden Überreste von 3 Atombomben, die vierte wurde nie gefunden und ist bis heute verschollen. Die USA verschwiegen den Dänen den Verlust der Atombombe und teilten ihnen nur mit, dass man sich noch einmal den Unterwasserbereich der Einschlagstelle ansehen wolle. Sie schickten ein U-Boot des Typs Star III, das noch Monate nach dem Vorfall nach der fehlenden Bombe suchte – und dann erfolglos wieder abzog. Der Fallschirm war das einzige, was von der Bombe gefunden wurde. Seit dem Unfall 1968 behauptet das Pentagon jedoch bis heute, alle vier Atombomben seien bei dem Vorfall zerstört worden. [33]

Diese Beispiele verdeutlichen, wie gefährlich diese Großmacht-Spielchen um Einfluss, Macht und Profite sind und wie schnell wir vor einer nuklearen Katastrophe stehen, wenn der Kalte Krieg 2.0 aus Versehen zum Atomkrieg führt. Schließlich stehen sich in der Arktis drei Großmächte ohne Proxies gegenüber. Das große Spiel hat gerade erst begonnen …

Dieser Text wurde erstveröffentlicht auf Free21.org am 18.02.2025. Lizenz: Tobias Augenbraun, Free21, CC BY-NC-ND 4.0

Autor: Tobias Augenbraun

Stellvertretender Chefredakteuer Free21.

Quellen:


[1] Politico, Seb Starcevic, „Trump: US needs Greenland to combat Russia and China“, am 21.01.2025, <https://www.politico.eu/article/us-donald-trump-greenland-russia-china/>
[2] Financial Times, Richard Milne, Gideon Rachman und James Politi, „Donald Trump in fiery call with Denmark’s prime minister over Greenland“, am 24.01.2025, <https://archive.is/On7W6#selection-2481.67-2481.141>
[3] CNN, Kayla Tausche, Kevin Liptak, David Goldman und Elisabeth Buchwald, „Trump threatens 25% tariffs on Mexico and Canada on Feb. 1, punting Day 1 pledge“, am 21.01.2025, <https://edition.cnn.com/2025/01/20/economy/tariffs-trump-executive-order/index.html>
[4] Yle, Salla Jantunen, „Das Parlament billigt einstimmig das Abkommen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zwischen Finnland und den Vereinigten Staaten“, am 01.07.2024, <https://yle.fi/a/74-20097310>
[5] Free21, Tobias Augenbraun, „Eskalation ohne Ende: NATO-Angriff auf Russland?“, am 23.07.2024, <https://free21.org/eskalation-ohne-ende-nato-angriff-auf-russland/>
[6] Free21, Anthony Sutton, „Amerikas geheimes Establishment – Eine Einführung in den Skull & Bones-Orden“, <https://free21abo.de/produkt/amerikas-geheimes-establishment-eine-einfuehrung-in-den-skull-bones-orden/>
[7] Der Spiegel, „Gipfel in Peking: Das Spiel wird riskanter“, am 27.02.1972, <https://www.spiegel.de/politik/gipfel-in-peking-das-spiel-wird-riskanter-a-b4534a2b-0002-0001-0000-000042971986>
[8] RT, „Putin launches world’s most powerful nuclear-powered icebreaker“, am 06.11.2024, <https://www.rt.com/russia/607200-russia-nuclear-powered-icebreaker-putin/>
[9] Northern News Services Limited, Barry Zellen, „The Pentagon’s obsession with Beijing’s Arctic ambitions: Poor policy is paranoid, not prescient“, am 21.01.2025, <https://www.nnsl.com/home/the-pentagons-obsession-with-beijings-arctic-ambitions-poor-policy-is-paranoid-not-prescient-7758805>
[10] Statista, Anna Fleck, „The Polar Silk Road“, am 15.06.2023, <https://www.statista.com/chart/30201/major-maritime-routes-opening-up-in-the-arctic/>
[11] siehe [5]
[12] US-Verteidigungsministerium, „2024 Arctic Strategy“, <https://media.defense.gov/2024/Jul/22/2003507411/-1/-1/0/DOD-ARCTIC-STRATEGY-2024.PDF>
[13] Weißes Haus, „UNLEASHING ALASKA’S EXTRAORDINARY RESOURCE POTENTIAL“, am 20.01.2025, <https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/01/unleashing-alaskas-extraordinary-resource-potential/>
[14] High North News, Hilde-Gunn Bye, „Trump Signs Order to Maximize Resource Development in Alaska“, am 22.01.2025, <https://www.highnorthnews.com/en/trump-signs-order-maximize-resource-development-alaska>
[15] The Arctic Institute, Erdem Lamazhapov, Iselin Stensdal und Gørild Heggelund, „China’s Polar Silk Road: Long Game or Failed Strategy?“, am 14.11.2023, <https://www.thearcticinstitute.org/china-polar-silk-road-long-game-failed-strategy/>
[16] RT, Anil Chopra, „The Great Game in the Arctic: Why the region is the next flashpoint between superpowers“, am 05.12.2024, <https://www.rt.com/india/608765-great-game-in-arctic-russia-india/>
[17] Bundesagentur für Geowissenschaften und Ressourcen, Harald Elsner, Henrike Sievers, Michael Szurlies und Hildegard Wilken „DAS MINERALISCHE ROHSTOFFPOTENZIAL DER ARKTIS“, <https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Commodity_Top_News/Rohstoffwirtschaft/41_mineralisches-rohstoffpotenzial-arktis.pdf?__blob=publicationFile>
[18] Konrad Adenauer Stiftung, Arild Moe, „Bodenschätze und Seewege in der Arktis“, am 18.04.2023, <https://www.kas.de/de/web/auslandsinformationen/artikel/detail/-/content/bodenschaetze-und-seewege-in-der-arktis>
[19] US Geological Survey, „Circum-Arctic Resource Appraisal: Estimates of
Undiscovered Oil and Gas North of the Arctic Circle“, 2008, <https://pubs.usgs.gov/fs/2008/3049/fs2008-3049.pdf>
[20] Arctic Review, „Natural Resources“, <https://arctic.review/future/natural-resources/>
[21] siehe [17]
[22] Umwelt Bundesamt, „Geologie und Ressourcen der Arktis“, am 23.06.2023, <https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/arktis/wissenswertes-zur-arktis/geologie-ressourcen-der-arktis>
[23] Arctic Economic Council, „ARCTIC MINING REPORT 2024“, September 2024, <https://arcticeconomiccouncil.com/wp-content/uploads/2024/10/aec-arctic-mining-report-2024-sample.pdf>
[24] siehe [12]
[25] The Arctic Institute, Alina Bykova, „NATO has always been an Arctic Alliance (Part II)“, am 11.06.2024, <https://www.thearcticinstitute.org/nato-arctic-alliance-part-ii/>
[26] The Arctic Institute, Alina Bykova, „NATO has always been an Arctic Alliance (Part I)“, am 28.05.2024, <https://www.thearcticinstitute.org/nato-arctic-alliance-part-i/>
[27] Annie Jacobsen, „Area51 – An Uncensored History Of America´s Top Secret Military Base“ S. 81/82
[28] Welt, Steb Starcevic, „„Wissen nicht, was sich dort unten befindet“ – Grönlands radioaktives Geheimnis im Eis“, am 20.01.2025, <https://www.welt.de/politik/ausland/article255173882/Camp-Century-Wissen-nicht-was-sich-dort-unten-befindet-Groenlands-radioaktives-Geheimnis-im-Eis.html>
[29] History, Eric Niiler, „When the Pentagon Dug Secret Cold War Ice Tunnels to Hide Nukes“, am 27.03.2019, <https://www.history.com/news/project-iceworm-cold-war-nuclear-weapons-greenland>
[30] ebd.
[31] National Geographic, Hannah Lang, „Verlassene US-Basen auf Grönland verseuchen die Umwelt“, am 22.01.2018, <https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2018/01/verlassene-us-basen-auf-groenland-verseuchen-die-umwelt>
[32] Hibakusha Weltweit, „Thule, Grönland“,  <https://hibakusha-worldwide.org/de/orte/thule>
[33] Spiegel Wissenschaft, „US-Militär vermisst seit 40 Jahren Atombombe“, am 12.11.2008, <https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/nach-unfall-in-groenland-us-militaer-vermisst-seit-40-jahren-atombombe-a-589958.html>