Symbolbild (Bild: Mohamed Hassan, PxHere, CC0)

Eine chinesische Perspektive

Fünf Jahrhunderte globale Transformation (Teil 3)

Der dritte und letzte Teil dieser Serie befasst sich mit Chinas Rolle bei der Neugestaltung der Weltordnung.

Von Yao Zhongqiu , veröffentlicht am: 10. Oktober 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 28.03.2023 auf www.dongshengnews.org unter der URL <https://dongshengnews.org/en/whzh-vol1-no1-article2/> veröffentlicht. Lizenz: Wenhua Zongheng, TriContinental, Yao Zhongqiu, CC BY-NC-ND 4.0

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier.

Chinas Rolle bei der Neugestaltung der Weltordnung

Eine neue internationale Ordnung begann sich, mitten im Zerfall des alten Systems, herauszubilden. Der wichtigste Antreiber dieser Dynamik ist China, mittlerweile mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und einer Zivilisation, die sich vom Westen unterscheidet.

China ist eines der größten Länder der Welt und verfügt aufgrund seiner langen Geschichte über Erfahrungen, die für Fragen der Global Governance von Bedeutung sind. Mit seiner immensen Größe und Vielfalt ist China eine Weltordnung für sich und hat historisch gesehen eine führende Rolle bei der Errichtung eines Tianxia-Systems gespielt, das sich über Land und Meer von Zentralasien bis zur Südsee erstreckte. Neben seiner reichen Geschichte hat sich China im letzten Jahrhundert auch zu einem modernen Land entwickelt, das aus den Erfahrungen des Westens und seiner eigenen Tradition der Neuzeit gelernt hat. Indem es die Weisheit seiner alten Geschichte und die Lehren seiner modernen Entwicklung mit anderen teilt, kann China eine konstruktive Rolle bei den globalen Bemühungen, Ungleichgewichte in der Weltordnung zu beseitigen, spielen und auf drei wesentliche Arten ein neues System aufbauen:

1. Die Wiederherstellung einer ausgewogenen globalen Entwicklung. Die klassische Ordnung auf der „Weltinsel“ (, shì jiè daǒ, entspricht in etwa Eurasien) neigte sich den kontinentalen Nationen zu, während die moderne Weltordnung weitgehend von den westlichen Seemächten dominiert wurde. Infolgedessen wurde die Weltinsel zersplittert. Und das ehemalige Zentrum der Zivilisation wurde zu einem Ort des Chaos und der nicht enden wollenden Kriege. Die Pax Americana war nicht in der Lage, eine stabile Form der Herrschaft über die Weltinsel zu etablieren, da die Vereinigten Staaten durch das Meer von dieser Region getrennt waren und keine konstruktiven Beziehungen zu nicht-westlichen Ländern aufbauen konnten. Daher waren die Vereinigten Staaten nur in der Lage, eine maritime Ordnung aufrechtzuerhalten, aber keine Weltordnung. Sie verließen sich auf brutale militärische Interventionen im Zentrum der Weltinsel, zogen sich nach der Verwüstung schnell wieder zurück und ließen die Region in einem ständigen Zustand der Zerrissenheit zurück.

Im Gegensatz dazu, ist Chinas Ansatz für den Aufbau einer neuen internationalen Ordnung, „beiden Seiten zuzuhören und den Mittelweg zu wählen“ (, zhí liǎng yòng zhōng). Historisch gesehen hat China erfolgreich ein Gleichgewicht zwischen Land und Meer hergestellt. Während der Han- und der Tang-Dynastie sammelte China beispielsweise Erfahrungen in der Interaktion mit landbasierten Zivilisationen, während es in der Song- und der Ming-Dynastie stark in das maritime Handelssystem eingebunden war. Auf der Grundlage dieser historischen Erfahrung hat China die Neue Seidenstraße (BRI – Belt and Road Initiative) vorgeschlagen, deren wichtigster Aspekt die Einbeziehung der Weltinsel und der Ozeane ist und die sowohl die alte als auch die moderne Ordnung berücksichtigt. Die BRI bietet einen Vorschlag zur Entwicklung eines integrierten und ausgewogenen Weltsystems, wobei der „Gürtel“ („Belt“) darauf abzielt, die Ordnung auf der Weltinsel wiederherzustellen, während die „Straße“ („Road“) auf die Ordnung auf den Meeren ausgerichtet ist. Parallel zu dieser Initiative hat China entsprechende Institutionen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ oder SCO – Shanghai Cooperation Organisation, Anm. d. Red.) aufgebaut.

2. Überwindung des Kapitalismus und Förderung einer auf den Menschen ausgerichteten Entwicklung. Das System, auf dem die westliche Macht und der westliche Wohlstand beruhen, ist der Kapitalismus. Seine Wurzeln liegen im europäischen Vermächtnis einer Kaufmann-Marodeur Dualität und der kolonialen Eroberung.

Er wird angetrieben vom Streben nach monetären Gewinnen, wobei Kapital in einem monströs entwickelten Finanzsystem verwaltet wird und vom Handel abhängt. Im Kapitalismus haben die westlichen Mächte die Länder des Globalen Südens als „Andere“ betrachtet und sie als Jagdrevier für billige Ressourcen oder Märkte missbraucht. Obwohl die westlichen Mächte in der Lage waren, weite Teile der Welt zu besetzen und den Kapitalismus zu verbreiten, waren sie nicht in der Lage, den Wohlstand auf breiter Front zu kultivieren, da sie allzu oft zu bösartigem Opportunismus neigten.

Für die Länder, die nicht vom Kolonialismus profitieren, sondern unter seiner brutalen Unterdrückung leiden, ist das System nicht lebensfähig. Seit der Übernahme der Weltherrschaft durch die westlichen Mächte im 19. Jahrhundert ist es der überwiegenden Mehrheit der nicht-westlichen Länder nicht gelungen, eine industrielle oder moderne Entwicklung zu erreichen – eine Bilanz, die die angebliche Universalität des Kapitalismus widerlegt.

Tianxia-Gedanke – Mitte: Sohn des Himmels (= Kaiser von China, Beamte, Zivilbevölkerung) • innere Untertanen • äußere Untertanen • Tributstaaten … (mit anschließenden ‚Barbaren‘ Sammelbegriff im Norden: Beidi, Osten: Dongyi, Süden: Nanman, Westen: Xirong) … unbeeinflusstes Gebiet, erstellt am 18.8.2008. (Bild: PhiLiP, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0-migrated)

Die alten chinesischen Weisen sprachen sich für ein sozioökonomisches Modell aus, das Dr. Sun Yat-sen – ein Anführer der Revolution von 1911 zum Sturz der Qing-Dynastie und der erste Präsident der Republik China – die „Prinzipien für die Lebensgrundlage des Volkes“ (, mínshēng zhǔyì) nannte, die man als „Philosophie zum Wohle des Volkes“ (, Hòushēng zhǔyì) umschreiben kann. Diese Philosophie, die auf die Produktion, Nutzung und Verteilung von Material setzt, um den Menschen ein besseres und nachhaltigeres Leben zu ermöglichen, ist über 2000 Jahre alt und taucht bereits in einem alten konfuzianischen Text auf – im Buch der Dokumente (, shàngshū). Geleitet von dieser Philosophie wurde im alten China eine Politik der „Förderung des Wesentlichen und Unterdrückung des Nebensächlichen“ (, chóngběn yìmò) verfolgt, um die kommerziellen und finanziellen Aktivitäten auf die Produktion und die Lebensgrundlage der Menschen auszurichten. Heute hat China dieses Modell verjüngt und begonnen, es mit anderen Ländern über die BRI zu teilen. Die BRI verfolgt den Ansatz, anderen beizubringen „wie man fischt“ und legt den Schwerpunkt auf die Verbesserung der Infrastruktur und die Förderung der Industrialisierung.

China ist heute die Fabrik der Welt und baut seine Industrien weiter aus. China treibt auch eine Neuordnung der weltweiten Arbeitsteilung voran: vorgelagert, indem es Komponenten übernimmt, die in den westlichen Ländern auf dem neuesten Stand der Technik hergestellt werden; nachgelagert, indem es Produktions- und Fertigungskapazitäten in unterentwickelte Länder, insbesondere nach Afrika, verlagert. Als größter Verbrauchermarkt der Welt sollte China einen fairen und gleichmäßigen Zugang zu Energie aus verschiedenen Teilen der Welt haben und eine globale Politik fördern, die den Schwerpunkt auf die Produktion („das Wesentliche“) legt und die Finanzspekulationen („das Nebensächliche“) minimiert.

3. Auf dem Weg zu einer Welt der Einheit und Vielfalt. Als die europäischen Mächte die derzeitige Weltordnung errichteten, strebten sie im Allgemeinen eine „Homogenisierung“ an. Dabei neigten sie dazu, anderen Ländern ihr System mit Gewalt aufzuzwingen, was unweigerlich Feinde schuf. Die Vereinigten Staaten, die vom christlichen Puritanismus beeinflusst sind, neigen dazu, an die Einheitlichkeit der Werte zu glauben. Sie zwingen der Welt ihre angeblich „universellen Werte“ auf und jede Nation, die von ihren Vorstellungen abweicht, wird als „böse“ und als Feind denunziert. Während der „Ende der Geschichte“-Ära wurde diese Tendenz durch den so genannten „Krieg gegen den Terror“ veranschaulicht, bei dem Invasionen und Raketen im gesamten Nahen Osten eingesetzt wurden. Trotz dieses Strebens nach Homogenisierung wird die US-geführte Ordnung durch eine zunehmende Polarisierung aufgetrennt, die durch eine Verschärfung der kulturellen und politischen Spaltung auseinander bricht.

China hingegen hat eine ganz andere Geschichte. Jahrtausendelang wurden auf der Grundlage des Prinzips „mehrere Götter in einem Himmel vereint“ oder „eine Kultur und mehrere Deismen“ verschiedene religiöse und ethnische Gruppen durch die Verehrung des Himmels oder der Kultur in China integriert und so die Nation und das Tianxia-System der Einheit und Vielfalt entwickelt.

Universelle Ordnung oder Harmonie kann weder durch gewaltsame Eroberung noch durch das Predigen und Aufzwingen von Werten erreicht werden, nur um „den Anderen“ in „ich selbst“ zu verwandeln, sondern vielmehr durch die Anerkennung der Autonomie „des Anderen“; wie in den Analekten des Konfuzius (, lúnyǔ-jìshì) betont wird: „… alle Einflüsse der bürgerlichen Kultur und Tugend sind zu kultivieren, um sie dafür zu gewinnen, so zu sein; und wenn sie davon angezogen worden sind, müssen sie glücklich und zufrieden gemacht werden“ (, xiūwén dé yǐlái zhī, jì lái zhī, zé ānzhī). Im Großen und Ganzen ist es dieser Weg der Harmonie in der Vielfalt, auf dem China heute seine internationalen Beziehungen aufbaut.

China sollte den Aufbau einer neuen internationalen Ordnung auf die Wiederbelebung der Tianxia-Ordnung gründen, und der Ansatz sollte sich am Weg der Weisen zur „Harmonisierung aller Nationen“ (, xiéhé wànbāng) orientieren, um den Frieden in der Tianxia-Ordnung zu erhalten. Der Prozess des Aufbaus einer neuen internationalen Ordnung oder einer wiederbelebten Tianxia-Ordnung sollte die folgenden Überlegungen berücksichtigen:

1. Eine Tianxia-Ordnung wird nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise aufgebaut. Eine chinesische Redewendung kann verwendet werden, um den von China angeführten Prozess der Bildung eines neuen globalen Systems zu beschreiben: „Obwohl Zhou ein altes Land ist, ist die (favorisierte) Ordnung neu.“ (, zhōu suī jiù bāng, qí mìng wéixīn). Zhou war ein altes, von moralischer Erbauung geprägtes Reich, dessen Einfluss sich allmählich zunächst auf die Nachbarstaaten und dann darüber hinaus ausdehnte, bis zwei Drittel der <i>Tianxia dem Reich die Treue hielten und die bestehende Yin-Dynastie (ca. 1600-1045 v. Chr.) durch die Zhou-Dynastie (ca. 1045-256 v. Chr.) abgelöst wurde. Beim Aufbau einer neuen internationalen Ordnung und der Wiederbelebung des Konzepts der Tianxia sollte China diesen progressiven Ansatz verfolgen, um eine Kollision mit dem bestehenden hegemonialen System zu vermeiden. Das Konzept Tianxia bezieht sich auf einen historischen Prozess, der nie zu Ende geht.

2. Tugend und Anstand stehen bei der Aufrechterhaltung des entstehenden Tianxia -Systems an erster Stelle. Ein Tianxia-System zielt darauf ab, „alle Nationen zu harmonisieren“ und nicht, geschlossene Allianzen zu bilden oder Homogenität zu fordern. China sollte Moral, Anstand und gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand in den Beziehungen zwischen den Nationen und dem Völkerrecht fördern. Was diesen Ansatz vom bestehenden Völkerrechtssystem unterscheidet, ist, dass er neben der Klärung der Rechte und Pflichten jeder Partei auch den Aufbau gegenseitiger Zuneigung und Beziehungen zwischen den Nationen betont.

3. Eine Tianxia-Ordnung wird nicht danach streben, die gesamte Welt zu monopolisieren. Die Welt ist zu groß, um von einem Land allein wirksam regiert zu werden. Die Weisen haben das verstanden und deshalb hat ihre Tianxia-Ordnung nie versucht, sich über die gesamte, damals bekannte Welt auszudehnen – und auch spätere Generationen haben das nicht getan. So stieß Zheng He auf seinen Reisen zu den westlichen Meeren auf viele Nationen, aber die Ming-Dynastie hat sie nicht kolonisiert und erobert und sie auch nicht alle in das Tributsystem integriert, sondern ihnen stattdessen erlaubt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Heute versucht China nicht, anderen Ländern ein System aufzuzwingen. Mit einer solchen Mäßigung kann der Kampf um die Hegemonie vermieden werden.

4. Eine neue internationale Ordnung wird aus mehreren regionalen Systemen bestehen. Anstelle eines Weltsystems, das von einem dominanten Land oder einer kleinen Gruppe von Mächten regiert wird, wird eine neue Weltordnung wahrscheinlich aus mehreren regionalen Systemen bestehen. Überall auf der Welt haben Länder mit gemeinsamen geografischen Gegebenheiten, Kulturen, Glaubenssystemen und Interessen bereits damit begonnen, ihre eigenen regionalen Organisationen zu bilden, z. B. in Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und den atlantischen Staaten; China sollte sich auf den westlichen Pazifik und Eurasien konzentrieren.

Statue von Konfuzius, 11.10.2010. (Foto: Thomas, Flickr, CC BY 2.0)

Das Konzept der regionalen Systeme weist einige Ähnlichkeiten mit Samuel Huntingtons Teilung der Zivilisationen auf (Clash of Civilisations, deutscher Titel: Kampf der Kulturen, Anm. d. Red.), doch muss es nicht zwangsläufig zu einem Konflikt zwischen ihnen führen. Als großes Land und große Land-See-Macht wird sich China wahrscheinlich mit mehreren regionalen Systemen überschneiden, darunter sowohl maritime als auch landgestützte regionale Systeme. China, das wörtlich „das Land der Mitte“ bedeutet, sollte als Harmonisierer zwischen den verschiedenen regionalen Systemen dienen und Konflikte und Konfrontationen entschärfen; auf diese Weise kann eine neue internationale Ordnung entstehen, die sowohl Einheit als auch Vielfalt beinhaltet.

Eine neue Architektur der Global Governance wird schrittweise aufgebaut, wobei die einzelnen Schichten von innen nach außen aufeinander aufbauen. Zu diesem Zweck sollten Chinas Bemühungen in der innersten Schicht beginnen, zu der auch China gehört: Ostasien. Traditionell bildeten China, die koreanische Halbinsel, Vietnam, Japan und andere Länder in dieser Region einen konfuzianischen Kulturkreis; nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich jedoch die Beziehungen zwischen diesen Nationen trotz ihrer erfolgreichen Modernisierung, aufgrund des Drucks ausländischer Mächte wie den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, verschlechtert. Chinas Bemühungen um eine Neuordnung der Weltordnung müssen hier ansetzen, indem es dieses gemeinsame Erbe wiederbelebt, eine koordinierte Regionalpolitik basierend auf den „Grundsätzen für die Lebensgrundlage des Volkes“ entwickelt und der Welt bessere Standards für Wohlstand und Höflichkeit vor Augen führt. In dem Maße, wie die Errungenschaften und die Stärke solcher regionalen Bemühungen zunehmen, wird die Macht der Vereinigten Staaten und ihrer Weltordnung unweigerlich schwinden – und der Prozess der globalen Transformation wird sich rasch beschleunigen.

Nach der inneren Schicht Ostasien ist die nächsthöhere oder mittlere Schicht, auf die sich China konzentrieren sollte, das Herz der Weltinsel: Eurasien. Im Mittelpunkt dieser regionalen Bemühungen steht die SOZ, in der China, Russland, Indien und Pakistan bereits Mitglied sind, Iran und Afghanistan Beobachterstatus haben und die Türkei und Deutschland eingeladen werden können. Aufgrund seines wirtschaftlichen Niedergangs und seines schwindenden globalen Einflusses wird sich Russland wahrscheinlich stärker auf seine Nachbarregionen, insbesondere Zentralasien, konzentrieren und sich aktiver an der SOZ beteiligen, einschließlich der Unterstützung von Bemühungen zur Förderung harmonischer Beziehungen und Entwicklungen in der Region, sowie zur Minimierung von Konflikten. Die Stabilität Eurasiens ist der Schlüssel nicht nur für die Sicherheit und den Wohlstand Chinas, insbesondere seiner westlichen Regionen, sondern für den globalen Frieden insgesamt.

Die äußerste Schicht für China ist schließlich die institutionalisierte BRI, die Nationen und Regionen auf der ganzen Welt miteinander verbindet. Vorgeschlagen wurde sie 2013 von Präsident Xi Jinping und China hat bis heute mehr als 200 BRI-Kooperationsabkommen mit 149 Ländern und 32 internationalen Organisationen unterzeichnet.

Abschließende Bemerkungen

Die Entwicklung und die künftige Ausrichtung der Weltordnung lassen sich nicht verstehen, ohne die sich verändernden Beziehungen zwischen China und dem Westen in den letzten fünf Jahrhunderten zu untersuchen. In der Frühmoderne ließen sich die westlichen Mächte in ihrem Streben nach Modernisierung von China inspirieren; im vergangenen Jahrhundert hat China vom Westen gelernt. Das Wiedererstarken Chinas hat die alte, vom Westen dominierte Weltordnung in ihren Grundfesten erschüttert und ist eine treibende Kraft bei der Herausbildung eines neuen internationalen Systems. Inmitten der tiefgreifenden Veränderungen in der globalen Landschaft ist es notwendig, die Stärken und Grenzen der westlichen Moderne, Ideologien und Institutionen anzuerkennen und gleichzeitig die chinesische Tradition der Moderne und ihre Entwicklungen in der heutigen Zeit zu würdigen. Für China erfordert dies eine Umstrukturierung seines Wissenssystems – geleitet von einer neuen Vision, die sich an der klassischen chinesischen Weisheit orientiert: „Chinesisches Lernen als Substanz, westliches Lernen zur Anwendung“ (, Zhōngxué wèi tǐ, xīxué wèi yòng).

Vor dem Beginn des internationalen Forums Belt and Road, 14.5.2017. (Foto: Das Presse- und Informationsamt des russischen Präsidenten, Wikimedia Commons, CC-BY-4.0)

Quellen:

Literaturverzeichnis:

Hamilton, Alexander, John Jay und James Madison. The Federalist Papers. Übersetzt von Cheng Fengru, Han Zai und Xun Shu. The Commercial Press, 1995.
Yao, Zhongqiu. The Way of Yao and Shun: The Birth of Chinese Civilisation. Hainan Publishing House, 2016.
Zhu, Qianzhi. The Influence of Chinese Philosophy on Europe. Hebei People’s Publishing House, 1999.

Eine chinesische Perspektive

Fünf Jahrhunderte globale Transformation (Teil 3)

Von Yao Zhongqiu , veröffentlicht am: 10. Oktober 2024, Kategorien: Geopolitik

Dieser Text wurde zuerst am 28.03.2023 auf www.dongshengnews.org unter der URL <https://dongshengnews.org/en/whzh-vol1-no1-article2/> veröffentlicht. Lizenz: Wenhua Zongheng, TriContinental, Yao Zhongqiu, CC BY-NC-ND 4.0

Symbolbild (Bild: Mohamed Hassan, PxHere, CC0)

Der dritte und letzte Teil dieser Serie befasst sich mit Chinas Rolle bei der Neugestaltung der Weltordnung.

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier.

Chinas Rolle bei der Neugestaltung der Weltordnung

Eine neue internationale Ordnung begann sich, mitten im Zerfall des alten Systems, herauszubilden. Der wichtigste Antreiber dieser Dynamik ist China, mittlerweile mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und einer Zivilisation, die sich vom Westen unterscheidet.

China ist eines der größten Länder der Welt und verfügt aufgrund seiner langen Geschichte über Erfahrungen, die für Fragen der Global Governance von Bedeutung sind. Mit seiner immensen Größe und Vielfalt ist China eine Weltordnung für sich und hat historisch gesehen eine führende Rolle bei der Errichtung eines Tianxia-Systems gespielt, das sich über Land und Meer von Zentralasien bis zur Südsee erstreckte. Neben seiner reichen Geschichte hat sich China im letzten Jahrhundert auch zu einem modernen Land entwickelt, das aus den Erfahrungen des Westens und seiner eigenen Tradition der Neuzeit gelernt hat. Indem es die Weisheit seiner alten Geschichte und die Lehren seiner modernen Entwicklung mit anderen teilt, kann China eine konstruktive Rolle bei den globalen Bemühungen, Ungleichgewichte in der Weltordnung zu beseitigen, spielen und auf drei wesentliche Arten ein neues System aufbauen:

1. Die Wiederherstellung einer ausgewogenen globalen Entwicklung. Die klassische Ordnung auf der „Weltinsel“ (, shì jiè daǒ, entspricht in etwa Eurasien) neigte sich den kontinentalen Nationen zu, während die moderne Weltordnung weitgehend von den westlichen Seemächten dominiert wurde. Infolgedessen wurde die Weltinsel zersplittert. Und das ehemalige Zentrum der Zivilisation wurde zu einem Ort des Chaos und der nicht enden wollenden Kriege. Die Pax Americana war nicht in der Lage, eine stabile Form der Herrschaft über die Weltinsel zu etablieren, da die Vereinigten Staaten durch das Meer von dieser Region getrennt waren und keine konstruktiven Beziehungen zu nicht-westlichen Ländern aufbauen konnten. Daher waren die Vereinigten Staaten nur in der Lage, eine maritime Ordnung aufrechtzuerhalten, aber keine Weltordnung. Sie verließen sich auf brutale militärische Interventionen im Zentrum der Weltinsel, zogen sich nach der Verwüstung schnell wieder zurück und ließen die Region in einem ständigen Zustand der Zerrissenheit zurück.

Im Gegensatz dazu, ist Chinas Ansatz für den Aufbau einer neuen internationalen Ordnung, „beiden Seiten zuzuhören und den Mittelweg zu wählen“ (, zhí liǎng yòng zhōng). Historisch gesehen hat China erfolgreich ein Gleichgewicht zwischen Land und Meer hergestellt. Während der Han- und der Tang-Dynastie sammelte China beispielsweise Erfahrungen in der Interaktion mit landbasierten Zivilisationen, während es in der Song- und der Ming-Dynastie stark in das maritime Handelssystem eingebunden war. Auf der Grundlage dieser historischen Erfahrung hat China die Neue Seidenstraße (BRI – Belt and Road Initiative) vorgeschlagen, deren wichtigster Aspekt die Einbeziehung der Weltinsel und der Ozeane ist und die sowohl die alte als auch die moderne Ordnung berücksichtigt. Die BRI bietet einen Vorschlag zur Entwicklung eines integrierten und ausgewogenen Weltsystems, wobei der „Gürtel“ („Belt“) darauf abzielt, die Ordnung auf der Weltinsel wiederherzustellen, während die „Straße“ („Road“) auf die Ordnung auf den Meeren ausgerichtet ist. Parallel zu dieser Initiative hat China entsprechende Institutionen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ oder SCO – Shanghai Cooperation Organisation, Anm. d. Red.) aufgebaut.

2. Überwindung des Kapitalismus und Förderung einer auf den Menschen ausgerichteten Entwicklung. Das System, auf dem die westliche Macht und der westliche Wohlstand beruhen, ist der Kapitalismus. Seine Wurzeln liegen im europäischen Vermächtnis einer Kaufmann-Marodeur Dualität und der kolonialen Eroberung.

Er wird angetrieben vom Streben nach monetären Gewinnen, wobei Kapital in einem monströs entwickelten Finanzsystem verwaltet wird und vom Handel abhängt. Im Kapitalismus haben die westlichen Mächte die Länder des Globalen Südens als „Andere“ betrachtet und sie als Jagdrevier für billige Ressourcen oder Märkte missbraucht. Obwohl die westlichen Mächte in der Lage waren, weite Teile der Welt zu besetzen und den Kapitalismus zu verbreiten, waren sie nicht in der Lage, den Wohlstand auf breiter Front zu kultivieren, da sie allzu oft zu bösartigem Opportunismus neigten.

Für die Länder, die nicht vom Kolonialismus profitieren, sondern unter seiner brutalen Unterdrückung leiden, ist das System nicht lebensfähig. Seit der Übernahme der Weltherrschaft durch die westlichen Mächte im 19. Jahrhundert ist es der überwiegenden Mehrheit der nicht-westlichen Länder nicht gelungen, eine industrielle oder moderne Entwicklung zu erreichen – eine Bilanz, die die angebliche Universalität des Kapitalismus widerlegt.

Tianxia-Gedanke – Mitte: Sohn des Himmels (= Kaiser von China, Beamte, Zivilbevölkerung) • innere Untertanen • äußere Untertanen • Tributstaaten … (mit anschließenden ‚Barbaren‘ Sammelbegriff im Norden: Beidi, Osten: Dongyi, Süden: Nanman, Westen: Xirong) … unbeeinflusstes Gebiet, erstellt am 18.8.2008. (Bild: PhiLiP, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0-migrated)

Die alten chinesischen Weisen sprachen sich für ein sozioökonomisches Modell aus, das Dr. Sun Yat-sen – ein Anführer der Revolution von 1911 zum Sturz der Qing-Dynastie und der erste Präsident der Republik China – die „Prinzipien für die Lebensgrundlage des Volkes“ (, mínshēng zhǔyì) nannte, die man als „Philosophie zum Wohle des Volkes“ (, Hòushēng zhǔyì) umschreiben kann. Diese Philosophie, die auf die Produktion, Nutzung und Verteilung von Material setzt, um den Menschen ein besseres und nachhaltigeres Leben zu ermöglichen, ist über 2000 Jahre alt und taucht bereits in einem alten konfuzianischen Text auf – im Buch der Dokumente (, shàngshū). Geleitet von dieser Philosophie wurde im alten China eine Politik der „Förderung des Wesentlichen und Unterdrückung des Nebensächlichen“ (, chóngběn yìmò) verfolgt, um die kommerziellen und finanziellen Aktivitäten auf die Produktion und die Lebensgrundlage der Menschen auszurichten. Heute hat China dieses Modell verjüngt und begonnen, es mit anderen Ländern über die BRI zu teilen. Die BRI verfolgt den Ansatz, anderen beizubringen „wie man fischt“ und legt den Schwerpunkt auf die Verbesserung der Infrastruktur und die Förderung der Industrialisierung.

China ist heute die Fabrik der Welt und baut seine Industrien weiter aus. China treibt auch eine Neuordnung der weltweiten Arbeitsteilung voran: vorgelagert, indem es Komponenten übernimmt, die in den westlichen Ländern auf dem neuesten Stand der Technik hergestellt werden; nachgelagert, indem es Produktions- und Fertigungskapazitäten in unterentwickelte Länder, insbesondere nach Afrika, verlagert. Als größter Verbrauchermarkt der Welt sollte China einen fairen und gleichmäßigen Zugang zu Energie aus verschiedenen Teilen der Welt haben und eine globale Politik fördern, die den Schwerpunkt auf die Produktion („das Wesentliche“) legt und die Finanzspekulationen („das Nebensächliche“) minimiert.

3. Auf dem Weg zu einer Welt der Einheit und Vielfalt. Als die europäischen Mächte die derzeitige Weltordnung errichteten, strebten sie im Allgemeinen eine „Homogenisierung“ an. Dabei neigten sie dazu, anderen Ländern ihr System mit Gewalt aufzuzwingen, was unweigerlich Feinde schuf. Die Vereinigten Staaten, die vom christlichen Puritanismus beeinflusst sind, neigen dazu, an die Einheitlichkeit der Werte zu glauben. Sie zwingen der Welt ihre angeblich „universellen Werte“ auf und jede Nation, die von ihren Vorstellungen abweicht, wird als „böse“ und als Feind denunziert. Während der „Ende der Geschichte“-Ära wurde diese Tendenz durch den so genannten „Krieg gegen den Terror“ veranschaulicht, bei dem Invasionen und Raketen im gesamten Nahen Osten eingesetzt wurden. Trotz dieses Strebens nach Homogenisierung wird die US-geführte Ordnung durch eine zunehmende Polarisierung aufgetrennt, die durch eine Verschärfung der kulturellen und politischen Spaltung auseinander bricht.

China hingegen hat eine ganz andere Geschichte. Jahrtausendelang wurden auf der Grundlage des Prinzips „mehrere Götter in einem Himmel vereint“ oder „eine Kultur und mehrere Deismen“ verschiedene religiöse und ethnische Gruppen durch die Verehrung des Himmels oder der Kultur in China integriert und so die Nation und das Tianxia-System der Einheit und Vielfalt entwickelt.

Universelle Ordnung oder Harmonie kann weder durch gewaltsame Eroberung noch durch das Predigen und Aufzwingen von Werten erreicht werden, nur um „den Anderen“ in „ich selbst“ zu verwandeln, sondern vielmehr durch die Anerkennung der Autonomie „des Anderen“; wie in den Analekten des Konfuzius (, lúnyǔ-jìshì) betont wird: „… alle Einflüsse der bürgerlichen Kultur und Tugend sind zu kultivieren, um sie dafür zu gewinnen, so zu sein; und wenn sie davon angezogen worden sind, müssen sie glücklich und zufrieden gemacht werden“ (, xiūwén dé yǐlái zhī, jì lái zhī, zé ānzhī). Im Großen und Ganzen ist es dieser Weg der Harmonie in der Vielfalt, auf dem China heute seine internationalen Beziehungen aufbaut.

China sollte den Aufbau einer neuen internationalen Ordnung auf die Wiederbelebung der Tianxia-Ordnung gründen, und der Ansatz sollte sich am Weg der Weisen zur „Harmonisierung aller Nationen“ (, xiéhé wànbāng) orientieren, um den Frieden in der Tianxia-Ordnung zu erhalten. Der Prozess des Aufbaus einer neuen internationalen Ordnung oder einer wiederbelebten Tianxia-Ordnung sollte die folgenden Überlegungen berücksichtigen:

1. Eine Tianxia-Ordnung wird nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise aufgebaut. Eine chinesische Redewendung kann verwendet werden, um den von China angeführten Prozess der Bildung eines neuen globalen Systems zu beschreiben: „Obwohl Zhou ein altes Land ist, ist die (favorisierte) Ordnung neu.“ (, zhōu suī jiù bāng, qí mìng wéixīn). Zhou war ein altes, von moralischer Erbauung geprägtes Reich, dessen Einfluss sich allmählich zunächst auf die Nachbarstaaten und dann darüber hinaus ausdehnte, bis zwei Drittel der <i>Tianxia dem Reich die Treue hielten und die bestehende Yin-Dynastie (ca. 1600-1045 v. Chr.) durch die Zhou-Dynastie (ca. 1045-256 v. Chr.) abgelöst wurde. Beim Aufbau einer neuen internationalen Ordnung und der Wiederbelebung des Konzepts der Tianxia sollte China diesen progressiven Ansatz verfolgen, um eine Kollision mit dem bestehenden hegemonialen System zu vermeiden. Das Konzept Tianxia bezieht sich auf einen historischen Prozess, der nie zu Ende geht.

2. Tugend und Anstand stehen bei der Aufrechterhaltung des entstehenden Tianxia -Systems an erster Stelle. Ein Tianxia-System zielt darauf ab, „alle Nationen zu harmonisieren“ und nicht, geschlossene Allianzen zu bilden oder Homogenität zu fordern. China sollte Moral, Anstand und gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand in den Beziehungen zwischen den Nationen und dem Völkerrecht fördern. Was diesen Ansatz vom bestehenden Völkerrechtssystem unterscheidet, ist, dass er neben der Klärung der Rechte und Pflichten jeder Partei auch den Aufbau gegenseitiger Zuneigung und Beziehungen zwischen den Nationen betont.

3. Eine Tianxia-Ordnung wird nicht danach streben, die gesamte Welt zu monopolisieren. Die Welt ist zu groß, um von einem Land allein wirksam regiert zu werden. Die Weisen haben das verstanden und deshalb hat ihre Tianxia-Ordnung nie versucht, sich über die gesamte, damals bekannte Welt auszudehnen – und auch spätere Generationen haben das nicht getan. So stieß Zheng He auf seinen Reisen zu den westlichen Meeren auf viele Nationen, aber die Ming-Dynastie hat sie nicht kolonisiert und erobert und sie auch nicht alle in das Tributsystem integriert, sondern ihnen stattdessen erlaubt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Heute versucht China nicht, anderen Ländern ein System aufzuzwingen. Mit einer solchen Mäßigung kann der Kampf um die Hegemonie vermieden werden.

4. Eine neue internationale Ordnung wird aus mehreren regionalen Systemen bestehen. Anstelle eines Weltsystems, das von einem dominanten Land oder einer kleinen Gruppe von Mächten regiert wird, wird eine neue Weltordnung wahrscheinlich aus mehreren regionalen Systemen bestehen. Überall auf der Welt haben Länder mit gemeinsamen geografischen Gegebenheiten, Kulturen, Glaubenssystemen und Interessen bereits damit begonnen, ihre eigenen regionalen Organisationen zu bilden, z. B. in Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und den atlantischen Staaten; China sollte sich auf den westlichen Pazifik und Eurasien konzentrieren.

Statue von Konfuzius, 11.10.2010. (Foto: Thomas, Flickr, CC BY 2.0)

Das Konzept der regionalen Systeme weist einige Ähnlichkeiten mit Samuel Huntingtons Teilung der Zivilisationen auf (Clash of Civilisations, deutscher Titel: Kampf der Kulturen, Anm. d. Red.), doch muss es nicht zwangsläufig zu einem Konflikt zwischen ihnen führen. Als großes Land und große Land-See-Macht wird sich China wahrscheinlich mit mehreren regionalen Systemen überschneiden, darunter sowohl maritime als auch landgestützte regionale Systeme. China, das wörtlich „das Land der Mitte“ bedeutet, sollte als Harmonisierer zwischen den verschiedenen regionalen Systemen dienen und Konflikte und Konfrontationen entschärfen; auf diese Weise kann eine neue internationale Ordnung entstehen, die sowohl Einheit als auch Vielfalt beinhaltet.

Eine neue Architektur der Global Governance wird schrittweise aufgebaut, wobei die einzelnen Schichten von innen nach außen aufeinander aufbauen. Zu diesem Zweck sollten Chinas Bemühungen in der innersten Schicht beginnen, zu der auch China gehört: Ostasien. Traditionell bildeten China, die koreanische Halbinsel, Vietnam, Japan und andere Länder in dieser Region einen konfuzianischen Kulturkreis; nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich jedoch die Beziehungen zwischen diesen Nationen trotz ihrer erfolgreichen Modernisierung, aufgrund des Drucks ausländischer Mächte wie den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, verschlechtert. Chinas Bemühungen um eine Neuordnung der Weltordnung müssen hier ansetzen, indem es dieses gemeinsame Erbe wiederbelebt, eine koordinierte Regionalpolitik basierend auf den „Grundsätzen für die Lebensgrundlage des Volkes“ entwickelt und der Welt bessere Standards für Wohlstand und Höflichkeit vor Augen führt. In dem Maße, wie die Errungenschaften und die Stärke solcher regionalen Bemühungen zunehmen, wird die Macht der Vereinigten Staaten und ihrer Weltordnung unweigerlich schwinden – und der Prozess der globalen Transformation wird sich rasch beschleunigen.

Nach der inneren Schicht Ostasien ist die nächsthöhere oder mittlere Schicht, auf die sich China konzentrieren sollte, das Herz der Weltinsel: Eurasien. Im Mittelpunkt dieser regionalen Bemühungen steht die SOZ, in der China, Russland, Indien und Pakistan bereits Mitglied sind, Iran und Afghanistan Beobachterstatus haben und die Türkei und Deutschland eingeladen werden können. Aufgrund seines wirtschaftlichen Niedergangs und seines schwindenden globalen Einflusses wird sich Russland wahrscheinlich stärker auf seine Nachbarregionen, insbesondere Zentralasien, konzentrieren und sich aktiver an der SOZ beteiligen, einschließlich der Unterstützung von Bemühungen zur Förderung harmonischer Beziehungen und Entwicklungen in der Region, sowie zur Minimierung von Konflikten. Die Stabilität Eurasiens ist der Schlüssel nicht nur für die Sicherheit und den Wohlstand Chinas, insbesondere seiner westlichen Regionen, sondern für den globalen Frieden insgesamt.

Die äußerste Schicht für China ist schließlich die institutionalisierte BRI, die Nationen und Regionen auf der ganzen Welt miteinander verbindet. Vorgeschlagen wurde sie 2013 von Präsident Xi Jinping und China hat bis heute mehr als 200 BRI-Kooperationsabkommen mit 149 Ländern und 32 internationalen Organisationen unterzeichnet.

Abschließende Bemerkungen

Die Entwicklung und die künftige Ausrichtung der Weltordnung lassen sich nicht verstehen, ohne die sich verändernden Beziehungen zwischen China und dem Westen in den letzten fünf Jahrhunderten zu untersuchen. In der Frühmoderne ließen sich die westlichen Mächte in ihrem Streben nach Modernisierung von China inspirieren; im vergangenen Jahrhundert hat China vom Westen gelernt. Das Wiedererstarken Chinas hat die alte, vom Westen dominierte Weltordnung in ihren Grundfesten erschüttert und ist eine treibende Kraft bei der Herausbildung eines neuen internationalen Systems. Inmitten der tiefgreifenden Veränderungen in der globalen Landschaft ist es notwendig, die Stärken und Grenzen der westlichen Moderne, Ideologien und Institutionen anzuerkennen und gleichzeitig die chinesische Tradition der Moderne und ihre Entwicklungen in der heutigen Zeit zu würdigen. Für China erfordert dies eine Umstrukturierung seines Wissenssystems – geleitet von einer neuen Vision, die sich an der klassischen chinesischen Weisheit orientiert: „Chinesisches Lernen als Substanz, westliches Lernen zur Anwendung“ (, Zhōngxué wèi tǐ, xīxué wèi yòng).

Vor dem Beginn des internationalen Forums Belt and Road, 14.5.2017. (Foto: Das Presse- und Informationsamt des russischen Präsidenten, Wikimedia Commons, CC-BY-4.0)

Quellen:

Literaturverzeichnis:

Hamilton, Alexander, John Jay und James Madison. The Federalist Papers. Übersetzt von Cheng Fengru, Han Zai und Xun Shu. The Commercial Press, 1995.
Yao, Zhongqiu. The Way of Yao and Shun: The Birth of Chinese Civilisation. Hainan Publishing House, 2016.
Zhu, Qianzhi. The Influence of Chinese Philosophy on Europe. Hebei People’s Publishing House, 1999.