Lordy Arthur Ponsonby und seine zehn Grundsätze der Kriegspropaganda. Bild: gemeinfrei
Die westliche Art des Krieges – die Beherrschung des Narrativs übertrumpft die Realität
Die in Kursk sichtbare deutsche Ausrüstung hat alte Geister geweckt und das Bewusstsein für die feindlichen Absichten des Westens gegenüber Russland verstärkt. „Nie wieder“ ist die unausgesprochene Antwort.
Dieser Text wurde zuerst am 26.08.2024 auf www.strategic-culture.su unter der URL <https://strategic-culture.su/news/2024/08/26/the-western-way-of-war-owning-the-narrative-trumps-reality/> veröffentlicht. Lizenz: Alastair Crooke, Strategic Culture, CC BY-NC-ND 4.0
Kriegspropaganda und Finten sind so alt wie die Welt. Das ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass der Infokrieg nicht mehr nur eine Ergänzung für die größeren Kriegsziele ist – sondern zum Selbstzweck geworden ist.
Der Westen ist zu der Auffassung gelangt, dass ein erfolgreiches Narrativ zu „beherrschen“ – und die Anderen als plump, widersprüchlich und extremistisch zu präsentieren – wichtiger ist als sich den Tatsachen zu stellen. Das erfolgreiche Narrativ zu beherrschen heißt in dieser Sichtweise, zu gewinnen. Der virtuelle „Sieg“ übertrumpft somit die „reale“ Realität.
So wird der Krieg eher zum Schauplatz für die Durchsetzung einer ideologischen Ausrichtung in einer breiten globalen Allianz, durchgesetzt über willfährige Medien.
Dieses Ziel genießt eine höhere Priorität als beispielsweise die Sicherstellung einer ausreichenden Produktionskapazität zur Aufrechterhaltung militärischer Ziele. Die Erschaffung einer imaginären „Realität“ hat Vorrang vor der Gestaltung der Realität. Der Punkt ist, dass diese Herangehensweise – die eine Funktion der gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung ist (sowohl im Inland als auch im Ausland) – zu Verirrungen in falsche Realitäten und falsche Erwartungen führt, aus denen ein Ausstieg (wenn er notwendig wird) nahezu unmöglich ist, eben weil die aufgezwungene Ausrichtung die öffentliche Meinung zementiert hat. Die Möglichkeit eines Staates, den Kurs zu ändern, wenn sich Ereignisse entwickeln, wird eingeschränkt oder geht verloren. Die genaue Interpretation der Tatsachen vor Ort bewegt sich in Richtung der politischen Korrektheit und weg von der Realität.
Die kumulativen Effekte „eines erfolgreichen virtuellen Narrativs“ bergen nichtsdestotrotz die Gefahr, schrittweise in einen ungewollten „realen Krieg“ abzugleiten.
Nehmen wir zum Beispiel den von der NATO orchestrierten und ausgerüsteten Einmarsch in den symbolisch wichtigen Oblast (Verwaltungsbezirk, Anm. d. Red.) Kursk. In Bezug auf ein „erfolgreiches Narrativ“, scheint es für den Westen offensichtlich: Die Ukraine „bringt den Krieg nach Russland“.
Wäre es den ukrainischen Streitkräften gelungen, das Atomkraftwerk in Kursk zu erobern, hätten sie ein bedeutsames Druckmittel in der Hand gehabt, durch das möglicherweise russische Truppen von der immer weiter kollabierenden, ukrainischen „Frontlinie“ im Donbass abgezogen worden wären.
Und zur Krönung (in Bezug auf den Infokrieg) waren die westlichen Medien vorbereitet und darauf ausgerichtet, Präsident Putin angesichts des überraschenden Einmarsches als „erstarrt“ darzustellen. Und „schwankend“ vor Angst, die russische Bevölkerung könnte sich gegen ihn wenden in ihrer Wut über die Demütigung.
Bill Burns, der Leiter der CIA, ist der Ansicht, dass „Russland keine Zugeständnisse in Bezug auf die Ukraine machen würde, bis Putins übermäßiges Selbstvertrauen herausgefordert wird und die Ukraine Stärke zeigen könnte“. Andere US-Beamte fügten hinzu, dass der Einmarsch in Kursk – an sich – Russland nicht an den Verhandlungstisch bringen würde; es wäre notwendig, auf der Kursk-Operation mit weiteren gewagten Operationen aufzubauen (um an Moskaus Besonnenheit zu rütteln).
Natürlich war das übergeordnete Ziel, Russland als schwach und verwundbar darzustellen, ganz im Einklang mit dem Narrativ, dass Russland jeden Moment in Bruchstücke auseinanderbrechen und sich in alle Winde zerstreuen könnte. Der Westen bleibt natürlich als Gewinner zurück.
In Wahrheit war der Einmarsch in Kursk ein großes Glücksspiel der NATO: Es enthielt die Verpfändung militärischer Reserven und Rüstungsgüter, wie Chips auf einem Roulette-Tisch, als Wette darauf, dass ein flüchtiger Erfolg in Kursk das strategische Gleichgewicht umkehren würde. Die Wette wurde verloren und die Chips verspielt.
Im Klartext heißt das, dass diese Kursk-Affäre die Probleme des Westens mit „erfolgreichen Narrativen“ verdeutlicht: Ihre inhärenten Schwächen sind im Emotivismus begründet und entziehen sich der Argumentation (Anm. d. Red.: Emotivismus – Meta-ethische Theorie, nach der moralische Urteile auf emotionalen Einstellungen beruhen. Die gebietende Form der Urteile dient zur Beeinflussung der Einstellungen anderer.). Sie wollen schlichtweg eine „gesamtgesellschaftliche“ gemeinsame Ausrichtung vorantreiben. Das erscheint in allen Mainstream-Medien; Unternehmen, Bundesbehörden, NGOs und der Sicherheitssektor sollten sich dafür einsetzen, allen „Extremismen“, die „unsere Demokratie“ bedrohen, entgegenzutreten.
Dieses Ziel setzt voraus, dass die Erzählung anspruchslos und relativ unumstritten ist: „Unsere Demokratie, unsere Werte und unser Konsens.“ Auf dem Parteitag der Demokraten beispielsweise sind „Freude“ (in Endlosschleife), „Vorwärtskommen“ und „Gegen die Verrücktheit“ die wichtigsten Aussagen. Sie sind banal, aber diese Memes geben Energie und Momentum, nicht so sehr wegen des Inhalts, sondern durch die absichtliche Hollywood-Kulisse, die ihnen Glanz und Glamour verleiht.
Es ist nicht schwer zu erkennen, wie dieser eindimensionale Zeitgeist dazu beigetragen hat, dass die USA und ihre Verbündeten die Auswirkungen des „gewagten Abenteuers“ in Kursk auf die einfachen Russen falsch interpretiert haben.
„Kursk“ hat eine Geschichte. 1943 überfiel Deutschland Russland in Kursk, um von den eigenen Verlusten abzulenken, wobei Deutschland letztendlich in der Schlacht von Kursk besiegt wurde. Die Rückkehr von deutschem Militärgerät in der Region Kursk muss viele erschrocken haben; Das jetzige Schlachtfeld rund um die Stadt Sudscha ist exakt der Ort, wo sich 1943 die sowjetische 38. und 40. Armee auf eine Gegenoffensive gegen die deutsche 4. Armee vorbereitete.
Über die Jahrhunderte hat Russland verschiedene Attacken auf ihre verwundbare Flanke im Westen erlebt. Und in der jüngeren Geschichte durch Napoleon und Hitler. Es ist keine Überraschung, dass Russen in Bezug auf diese blutige Geschichte sehr empfindlich sind. Haben Bill Burns et al das durchdacht? Haben sie geglaubt, dass Putin sich durch einen Einmarsch der NATO in Russland „herausgefordert“ fühlen würde, und dass er bei einem weiteren Vorstoß einknicken und einem „eingefrorenen“ Ausgang in der Ukraine zustimmen würde – mit dem Beitritt der Ukraine zur NATO? Vielleicht haben sie das.
Letztlich war die Botschaft, die westliche Dienste gesendet haben, dass der Westen (NATO) nach Russland kommt. Das ist der Sinn der bewussten Entscheidung für Kursk. Zwischen den Zeilen von Bill Burns Botschaft zu lesen, heißt, sich auf einen Krieg mit der NATO vorzubereiten.
Nur um das klarzustellen: Diese Art des „Erfolgs-Narrativs“ rund um Kursk ist weder Betrug noch Täuschung. Die Minsker Abkommen waren Beispiele für Täuschung, aber es waren Täuschungen, die auf einer rationalen Strategie beruhten (d.h. sie waren historisch normal). Die Minsk-Täuschungen sollten dem Westen Zeit erkaufen, um die Ukraine weiter aufzurüsten – vor dem Angriff auf den Donbass. Die Täuschung war erfolgreich, aber nur zum Preis eines Vertrauensbruchs zwischen Russland und dem Westen. Die Minsk-Täuschungen haben allerdings auch zu einem beschleunigten Ende der 200-jährigen Ära der Verwestlichung Russlands geführt.
Kursk ist eher ein anderer „Fisch“. Es beruht auf der Vorstellung des westlichen Exzeptionalismus. Der Westen sieht sich selbst auf der „richtigen Seite der Geschichte“.
Die „Erfolgs-Narrative“ behaupten im Wesentlichen – in säkularer Form – die Unvermeidlichkeit der westlichen eschatologischen (endzeitlichen, Anm. d. Red.) Mission zur globalen Erlösung und Konvergenz. In diesem neuen narrativen Kontext werden die Fakten vor Ort zur bloßen Irritation und nicht zu Realitäten, die berücksichtigt werden müssen.
Das ist ihre Achillesferse.
Der Parteitag der Demokraten in Chicago hat jedoch ein weiteres Problem deutlich gemacht: Genau so wie der hegemoniale Westen aus der Ära des Kalten Krieges hervorging und durch die dialektische Opposition zum Kommunismus (in der westlichen Mythologie) geformt und gestärkt wurde, genau so sehen wir heute einen (behaupteten) totalisierten „Extremismus“ (ob im MAGA Modus; oder in einer externen Variante: Iran, Russland, etc.) – in Chicago wurde vergleichbar zur Hegelschen Dialektik der Gegensatz zwischen dem ehemaligen Kapitalismus versus Kommunismus dargestellt; aber heute ist es „Extremismus“ im Konflikt mit „Unserer Demokratie“. (MAGA = Make America Great Again, Anm. d. Red.)
Die narrative These des Demokratischen Parteitags in Chicago ist selbst eine Tautologie (von altgriechisch tautología: Wiederholung von bereits Gesagtem, Anm. d. Red.) der Identitätsdifferenzierung, die sich als „Zusammengehörigkeit“ unter dem Banner der Vielfalt darstellt und im Konflikt mit „Weißsein“ und „Extremismus“ steht. Der „Extremismus“ wird schlicht als Nachfolger der ehemaligen Antithese des Kalten Krieges aufgebaut – des Kommunismus.
Im „Hinterzimmer“ von Chicago stellt man sich vielleicht vor, dass eine Konfrontation mit dem Extremismus – im weitesten Sinne – wieder zu einer Verjüngung Amerikas führen wird, wie es in der Zeit nach dem Kalten Krieg der Fall war. Das heißt, dass ein Konflikt mit dem Iran, Russland und China (in anderer Form) auf die Tagesordnung kommen könnte. Die Anzeichen dafür sind da (plus das Bedürfnis des Westens nach einem Reset der Wirtschaft, die der Krieg regelmäßig mit sich bringt).
Die Kursk-Masche erschien London und Washington zweifellos klug und verwegen. Doch mit welchem Ergebnis? Man hat weder das Kursker Atomkraftwerk eingenommen, noch erreicht, dass russische Truppen von der Kontaktlinie abgezogen werden. Die ukrainische Präsenz im Oblast Kursk wird beseitigt werden.
Was erreicht wurde, ist jedoch, dass alle Aussichten auf eine eventuelle Verhandlungslösung in der Ukraine zunichte gemacht wurden. Das Misstrauen gegenüber den USA ist in Russland inzwischen grenzenlos. Das hat Moskau noch entschlossener gemacht, die Sonderoperation zu Ende zu führen. Die in Kursk sichtbare deutsche Ausrüstung hat alte Geister geweckt und das Bewusstsein für die feindlichen Absichten des Westens gegenüber Russland verstärkt. „Nie wieder“ ist die unausgesprochene Antwort.
Die westliche Art des Krieges – die Beherrschung des Narrativs übertrumpft die Realität
Dieser Text wurde zuerst am 26.08.2024 auf www.strategic-culture.su unter der URL <https://strategic-culture.su/news/2024/08/26/the-western-way-of-war-owning-the-narrative-trumps-reality/> veröffentlicht. Lizenz: Alastair Crooke, Strategic Culture, CC BY-NC-ND 4.0
Lordy Arthur Ponsonby und seine zehn Grundsätze der Kriegspropaganda. Bild: gemeinfrei
Die in Kursk sichtbare deutsche Ausrüstung hat alte Geister geweckt und das Bewusstsein für die feindlichen Absichten des Westens gegenüber Russland verstärkt. „Nie wieder“ ist die unausgesprochene Antwort.
Kriegspropaganda und Finten sind so alt wie die Welt. Das ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass der Infokrieg nicht mehr nur eine Ergänzung für die größeren Kriegsziele ist – sondern zum Selbstzweck geworden ist.
Der Westen ist zu der Auffassung gelangt, dass ein erfolgreiches Narrativ zu „beherrschen“ – und die Anderen als plump, widersprüchlich und extremistisch zu präsentieren – wichtiger ist als sich den Tatsachen zu stellen. Das erfolgreiche Narrativ zu beherrschen heißt in dieser Sichtweise, zu gewinnen. Der virtuelle „Sieg“ übertrumpft somit die „reale“ Realität.
So wird der Krieg eher zum Schauplatz für die Durchsetzung einer ideologischen Ausrichtung in einer breiten globalen Allianz, durchgesetzt über willfährige Medien.
Dieses Ziel genießt eine höhere Priorität als beispielsweise die Sicherstellung einer ausreichenden Produktionskapazität zur Aufrechterhaltung militärischer Ziele. Die Erschaffung einer imaginären „Realität“ hat Vorrang vor der Gestaltung der Realität. Der Punkt ist, dass diese Herangehensweise – die eine Funktion der gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung ist (sowohl im Inland als auch im Ausland) – zu Verirrungen in falsche Realitäten und falsche Erwartungen führt, aus denen ein Ausstieg (wenn er notwendig wird) nahezu unmöglich ist, eben weil die aufgezwungene Ausrichtung die öffentliche Meinung zementiert hat. Die Möglichkeit eines Staates, den Kurs zu ändern, wenn sich Ereignisse entwickeln, wird eingeschränkt oder geht verloren. Die genaue Interpretation der Tatsachen vor Ort bewegt sich in Richtung der politischen Korrektheit und weg von der Realität.
Die kumulativen Effekte „eines erfolgreichen virtuellen Narrativs“ bergen nichtsdestotrotz die Gefahr, schrittweise in einen ungewollten „realen Krieg“ abzugleiten.
Nehmen wir zum Beispiel den von der NATO orchestrierten und ausgerüsteten Einmarsch in den symbolisch wichtigen Oblast (Verwaltungsbezirk, Anm. d. Red.) Kursk. In Bezug auf ein „erfolgreiches Narrativ“, scheint es für den Westen offensichtlich: Die Ukraine „bringt den Krieg nach Russland“.
Wäre es den ukrainischen Streitkräften gelungen, das Atomkraftwerk in Kursk zu erobern, hätten sie ein bedeutsames Druckmittel in der Hand gehabt, durch das möglicherweise russische Truppen von der immer weiter kollabierenden, ukrainischen „Frontlinie“ im Donbass abgezogen worden wären.
Und zur Krönung (in Bezug auf den Infokrieg) waren die westlichen Medien vorbereitet und darauf ausgerichtet, Präsident Putin angesichts des überraschenden Einmarsches als „erstarrt“ darzustellen. Und „schwankend“ vor Angst, die russische Bevölkerung könnte sich gegen ihn wenden in ihrer Wut über die Demütigung.
Bill Burns, der Leiter der CIA, ist der Ansicht, dass „Russland keine Zugeständnisse in Bezug auf die Ukraine machen würde, bis Putins übermäßiges Selbstvertrauen herausgefordert wird und die Ukraine Stärke zeigen könnte“. Andere US-Beamte fügten hinzu, dass der Einmarsch in Kursk – an sich – Russland nicht an den Verhandlungstisch bringen würde; es wäre notwendig, auf der Kursk-Operation mit weiteren gewagten Operationen aufzubauen (um an Moskaus Besonnenheit zu rütteln).
Natürlich war das übergeordnete Ziel, Russland als schwach und verwundbar darzustellen, ganz im Einklang mit dem Narrativ, dass Russland jeden Moment in Bruchstücke auseinanderbrechen und sich in alle Winde zerstreuen könnte. Der Westen bleibt natürlich als Gewinner zurück.
In Wahrheit war der Einmarsch in Kursk ein großes Glücksspiel der NATO: Es enthielt die Verpfändung militärischer Reserven und Rüstungsgüter, wie Chips auf einem Roulette-Tisch, als Wette darauf, dass ein flüchtiger Erfolg in Kursk das strategische Gleichgewicht umkehren würde. Die Wette wurde verloren und die Chips verspielt.
Im Klartext heißt das, dass diese Kursk-Affäre die Probleme des Westens mit „erfolgreichen Narrativen“ verdeutlicht: Ihre inhärenten Schwächen sind im Emotivismus begründet und entziehen sich der Argumentation (Anm. d. Red.: Emotivismus – Meta-ethische Theorie, nach der moralische Urteile auf emotionalen Einstellungen beruhen. Die gebietende Form der Urteile dient zur Beeinflussung der Einstellungen anderer.). Sie wollen schlichtweg eine „gesamtgesellschaftliche“ gemeinsame Ausrichtung vorantreiben. Das erscheint in allen Mainstream-Medien; Unternehmen, Bundesbehörden, NGOs und der Sicherheitssektor sollten sich dafür einsetzen, allen „Extremismen“, die „unsere Demokratie“ bedrohen, entgegenzutreten.
Dieses Ziel setzt voraus, dass die Erzählung anspruchslos und relativ unumstritten ist: „Unsere Demokratie, unsere Werte und unser Konsens.“ Auf dem Parteitag der Demokraten beispielsweise sind „Freude“ (in Endlosschleife), „Vorwärtskommen“ und „Gegen die Verrücktheit“ die wichtigsten Aussagen. Sie sind banal, aber diese Memes geben Energie und Momentum, nicht so sehr wegen des Inhalts, sondern durch die absichtliche Hollywood-Kulisse, die ihnen Glanz und Glamour verleiht.
Es ist nicht schwer zu erkennen, wie dieser eindimensionale Zeitgeist dazu beigetragen hat, dass die USA und ihre Verbündeten die Auswirkungen des „gewagten Abenteuers“ in Kursk auf die einfachen Russen falsch interpretiert haben.
„Kursk“ hat eine Geschichte. 1943 überfiel Deutschland Russland in Kursk, um von den eigenen Verlusten abzulenken, wobei Deutschland letztendlich in der Schlacht von Kursk besiegt wurde. Die Rückkehr von deutschem Militärgerät in der Region Kursk muss viele erschrocken haben; Das jetzige Schlachtfeld rund um die Stadt Sudscha ist exakt der Ort, wo sich 1943 die sowjetische 38. und 40. Armee auf eine Gegenoffensive gegen die deutsche 4. Armee vorbereitete.
Über die Jahrhunderte hat Russland verschiedene Attacken auf ihre verwundbare Flanke im Westen erlebt. Und in der jüngeren Geschichte durch Napoleon und Hitler. Es ist keine Überraschung, dass Russen in Bezug auf diese blutige Geschichte sehr empfindlich sind. Haben Bill Burns et al das durchdacht? Haben sie geglaubt, dass Putin sich durch einen Einmarsch der NATO in Russland „herausgefordert“ fühlen würde, und dass er bei einem weiteren Vorstoß einknicken und einem „eingefrorenen“ Ausgang in der Ukraine zustimmen würde – mit dem Beitritt der Ukraine zur NATO? Vielleicht haben sie das.
Letztlich war die Botschaft, die westliche Dienste gesendet haben, dass der Westen (NATO) nach Russland kommt. Das ist der Sinn der bewussten Entscheidung für Kursk. Zwischen den Zeilen von Bill Burns Botschaft zu lesen, heißt, sich auf einen Krieg mit der NATO vorzubereiten.
Nur um das klarzustellen: Diese Art des „Erfolgs-Narrativs“ rund um Kursk ist weder Betrug noch Täuschung. Die Minsker Abkommen waren Beispiele für Täuschung, aber es waren Täuschungen, die auf einer rationalen Strategie beruhten (d.h. sie waren historisch normal). Die Minsk-Täuschungen sollten dem Westen Zeit erkaufen, um die Ukraine weiter aufzurüsten – vor dem Angriff auf den Donbass. Die Täuschung war erfolgreich, aber nur zum Preis eines Vertrauensbruchs zwischen Russland und dem Westen. Die Minsk-Täuschungen haben allerdings auch zu einem beschleunigten Ende der 200-jährigen Ära der Verwestlichung Russlands geführt.
Kursk ist eher ein anderer „Fisch“. Es beruht auf der Vorstellung des westlichen Exzeptionalismus. Der Westen sieht sich selbst auf der „richtigen Seite der Geschichte“.
Die „Erfolgs-Narrative“ behaupten im Wesentlichen – in säkularer Form – die Unvermeidlichkeit der westlichen eschatologischen (endzeitlichen, Anm. d. Red.) Mission zur globalen Erlösung und Konvergenz. In diesem neuen narrativen Kontext werden die Fakten vor Ort zur bloßen Irritation und nicht zu Realitäten, die berücksichtigt werden müssen.
Das ist ihre Achillesferse.
Der Parteitag der Demokraten in Chicago hat jedoch ein weiteres Problem deutlich gemacht: Genau so wie der hegemoniale Westen aus der Ära des Kalten Krieges hervorging und durch die dialektische Opposition zum Kommunismus (in der westlichen Mythologie) geformt und gestärkt wurde, genau so sehen wir heute einen (behaupteten) totalisierten „Extremismus“ (ob im MAGA Modus; oder in einer externen Variante: Iran, Russland, etc.) – in Chicago wurde vergleichbar zur Hegelschen Dialektik der Gegensatz zwischen dem ehemaligen Kapitalismus versus Kommunismus dargestellt; aber heute ist es „Extremismus“ im Konflikt mit „Unserer Demokratie“. (MAGA = Make America Great Again, Anm. d. Red.)
Die narrative These des Demokratischen Parteitags in Chicago ist selbst eine Tautologie (von altgriechisch tautología: Wiederholung von bereits Gesagtem, Anm. d. Red.) der Identitätsdifferenzierung, die sich als „Zusammengehörigkeit“ unter dem Banner der Vielfalt darstellt und im Konflikt mit „Weißsein“ und „Extremismus“ steht. Der „Extremismus“ wird schlicht als Nachfolger der ehemaligen Antithese des Kalten Krieges aufgebaut – des Kommunismus.
Im „Hinterzimmer“ von Chicago stellt man sich vielleicht vor, dass eine Konfrontation mit dem Extremismus – im weitesten Sinne – wieder zu einer Verjüngung Amerikas führen wird, wie es in der Zeit nach dem Kalten Krieg der Fall war. Das heißt, dass ein Konflikt mit dem Iran, Russland und China (in anderer Form) auf die Tagesordnung kommen könnte. Die Anzeichen dafür sind da (plus das Bedürfnis des Westens nach einem Reset der Wirtschaft, die der Krieg regelmäßig mit sich bringt).
Die Kursk-Masche erschien London und Washington zweifellos klug und verwegen. Doch mit welchem Ergebnis? Man hat weder das Kursker Atomkraftwerk eingenommen, noch erreicht, dass russische Truppen von der Kontaktlinie abgezogen werden. Die ukrainische Präsenz im Oblast Kursk wird beseitigt werden.
Was erreicht wurde, ist jedoch, dass alle Aussichten auf eine eventuelle Verhandlungslösung in der Ukraine zunichte gemacht wurden. Das Misstrauen gegenüber den USA ist in Russland inzwischen grenzenlos. Das hat Moskau noch entschlossener gemacht, die Sonderoperation zu Ende zu führen. Die in Kursk sichtbare deutsche Ausrüstung hat alte Geister geweckt und das Bewusstsein für die feindlichen Absichten des Westens gegenüber Russland verstärkt. „Nie wieder“ ist die unausgesprochene Antwort.